OGH 13Os48/89

OGH13Os48/8915.6.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Juni 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger (Berichterstatter), Dr. Brustbauer, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vondrak als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christian R*** wegen des Vergehens nach § 1 Abs 1 lit a, c und e PornG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofs Wien als Schöffengerichts vom 31.Jänner 1989, GZ 2 c Vr 1383/86-34, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Jerabek, sowie des Angeklagten Christian R*** und des Verteidigers Dr. Dick zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 20.Juli 1963 geborene Angestellte Christian R*** wurde des Vergehens nach § 1 Abs 1 lit a, c und e PornG (Bundesgesetz vom 31.März 1950, BGBl. Nr. 97) schuldig erkannt, weil er am 10. März 1987 in Wien in gewinnsüchtiger Absicht in zwei von ihm verantwortlich geführten Sexshops verschiedene im Urteilsspruch näher bezeichnete Videokassetten und Druckwerke zum Zwecke der Verbreitung vorrätig gehalten und anderen angeboten, wobei - wie infolge eines die lit e nicht individualisierenden Urteilsspruchs (siehe § 260 Abs 1 Z. 1 StPO) nur den Gründen des Urteils zu entnehmen ist (S. 350) - in einigen Druckwerken auch bekanntgegeben wurde, von wem oder durch wen unzüchtige Gegenstände erworben werden können.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Gründe der Z. 5 a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Die in der Verletzung des § 260 Abs 1 Z. 1 StPO liegende Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z. 3 StPO) wurde nicht geltend gemacht (vgl. dazu LSK. 1981/181) und kann von Amts wegen nicht aufgegriffen werden (§ 290 Abs 1 StPO).

Die Tatsachenrüge (Z. 5 a) wendet sich im Kern nur dagegen, daß das Gericht die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers - ein erheblicher Teil der inkriminierten Videokassetten und Druckwerke sei gar nicht zum Zweck der Verbreitung vorrätig gehalten worden, er habe in Ansehung der übrigen, vom Schuldspruch erfaßten Objekte deren unzüchtigen Charakter trotz sorgfältiger Prüfung nicht erkannt und demzufolge gutgläubig gehandelt - als unglaubwürdig abgelehnt hat.

Damit zeigt die Rüge aber nicht auf, inwiefern der Schöffensenat gegen seine Pflicht zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit durch Übergehen aktenkundiger Umstände in einer Weise verstoßen hätte, daß daraus erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des dem Schuldspruch zugrunde gelegten entscheidenden Sachverhalts resultieren müßten (12 Os 53/88, 13 Os 68/88, 13 Os 5/89 u.a.).

Nicht prozeßordnungsgemäß ist die Rechtsrüge (Z. 9 lit a) ausgeführt, wenn der Beschwerdeführer auf seine als unglaubwürdig abgelehnte Verantwortung zurückgreift und behauptet, ein erheblicher Teil der urteilsgegenständlichen Ware sei in einem vom Verkaufsbereich getrennten Raum gelagert gewesen sowie unter Hinweis auf die von ihm ausgeübte Zensurtätigkeit das Vorliegen einer gerichtlich strafbaren Handlung "mangels objektiven und subjektiven Tatbestandes" überhaupt in Abrede stellt. Die Rechtsrüge geht damit nicht vom im Urteil festgestellten Sachverhalt aus. Dies gilt auch für jenes Vorbringen, mit welchem die Rüge nach Art einer Schuldberufung die Tatsachenfeststellung bekämpft, daß ein Teil der Druckwerke zwar Zensurierungen aufwies, diese Übermalungen aber derart geringfügig gehalten und so gestaltet waren, daß der Inhalt der Abbildungen eindeutig erkennbar war und deren absolut unzüchtiger Charakter erhalten blieb (S. 350).

Die Rechtsrüge präsumiert sodann geänderte Wertvorstellungen der Gesellschaft und verbindet damit die Forderung nach einer zeitgemäßen Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Unzüchtigkeit dahingehend, daß gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen, insbesondere zwischen Frauen sanktionslos wiedergegeben werden dürfen. Allein dieses Vorbringen vermag den Obersten Gerichtshof nicht zu veranlassen, die ihn bindende gegenteilige Ansicht seiner verstärkten Senate in EvBl 1977/186 und in SSt. 51/51 einer Beschlußfassung gemäß § 8 Abs 1 Z. 1 OGHG zu unterziehen. Damit erübrigt sich jedes Eingehen auf die weiteren Beschwerdeausführungen zum urteilsmäßig angezogenen Tatbestand. Inwiefern sich aber das Jugendschöffengericht der Sache nach "auf die Anwendung des § 220 StGB gestützt" haben soll, ist der Beschwerde nicht zu entnehmen. Dieser Vorwurf kann auch an Hand des Urteilsinhalts nicht nachvollzogen werden.

Ausgehend von dem allein wegen § 1 PornG ergangenen Schuldspruch erübrigt es sich gleichermaßen, zu der vermeintlich gebotenen Interpretation des § 220 StGB, wie auch zu dem "großen Unterschied in der Judikatur zu § 220 StGB und § 282 Abs 1 StGB" Stellung zu nehmen. Der Beschwerdehinweis auf ein (im übrigen nach den Beschwerdebehauptungen noch gar nicht rechtskräftiges) Urteil des Jugendgerichtshofs Wien, demzufolge "lesbische Szenen nicht unzüchtig sind", versagt, weil eine wechselseitige Präjudizialität von Entscheidungen dem österreichischen Prozeßsystem fremd ist (EvBl 1983/136, 13 Os 140/88). Jedes in einer Sache erkennende Gericht hat, ungeachtet des etwa sogar den nämlichen Sachverhalt betreffenden Urteils eines anderen Gerichts, zufolge § 3 StPO mit eigenen Mitteln und selbständig die Wahrheit zu finden und das Geschehen zu beurteilen (SSt. 26/68, 43/41). Desgleichen kann der eine Urteilsnichtigkeit nicht einmal behauptende, substratlose Einwand unbeachtet bleiben, daß die strafgerichtliche Verfolgung nur des Händlers, nicht aber auch des Konsumenten pornographischer Ware juristisch bedenklich wäre. Unbegründet ist schließlich die Kritik des Beschwerdeführers an der von ihm als nicht mehr zeitgemäß empfundenen und seines Erachtens nach nicht notwendigen Auflistung der als unzüchtig inkriminierten Sexualhandlungen; ist das Gericht doch gemäß § 270 Abs 1 Z. 5 StPO verpflichtet, die als erwiesen angenommenen Tatsachen mit voller Bestimmtheit anzugeben. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Ebenso unbegründet ist die Berufung.

Das Schöffengericht verurteilte Christian R*** nach § 1 PornG zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat und sah diese Strafe gemäß § 43 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nach. Erschwerend waren der größere Umfang der Tatgegenstände und die mehrfache Qualifikation, mildernd waren der bisher untadelige Lebenswandel und der Umstand, daß die Tat schon länger zurückliegt. Gemäß § 1 Abs 3 PornG in Verbindung mit § 33 MedienG wurde auf Einziehung der vom Schuldspruch erfaßten Druckwerke und gemäß § 3 Abs 1 PornG auf Verfall der inkriminierten Videokassetten erkannt. Der Berufungswerber begehrt die Verhängung einer Geldstrafe sowie die Aufhebung des Einziehungs- und des Verfallsausspruchs. Das Erstgericht hat von einer Geldstrafe auf Grund der finanziellen Verhältnisse des Angeklagten Abstand genommen. Zieht man das festgestellte monatliche Nettoeinkommen von 2.000 S zuzüglich der Familienbeihilfe in Betracht (S. 338), so ist dem - zumal gemäß § 19 Abs 2 StGB die Verhältnisse im Zeitpunkt des Urteils erster Instanz maßgebend sind - nichts hinzuzufügen. Die in der Berufung hervorgehobenen Umstände, nämlich die bisherige Unbescholtenheit und das Verstreichen eines längeren Zeitraums seit der Tat, fanden in der Verhängung einer sehr kurzen und bedingt aufgeschobenen Freiheitsstrafe ihre angemessene Berücksichtigung. Das Einziehungs- und das Verfallserkenntnis sind in den §§ 1 Abs 3 und 3 Abs 1 PornG, im § 33 MedienG und in der Rechtsprechung (EvBl 1984/31, 1986/71) gedeckt.

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