Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die Zurückweisung der vom Betroffenen selbst eingebrachten Rechtsmittelschriften richtet, nicht Folge gegeben.
Im übrigen wird der Revisionsrekurs zurückgewiesen.
Text
Begründung
Der Betroffene und sein Bruder Dr.Franz B*** (dieser befindet sich nach einem Schlaganfall seit 23.November 1987 in der Pflegeabteilung des Landeskrankenhauses Klagenfurt) verkauften eine Liegenschaft an die Ehegatten Ing.Erich und Herta R***. Als Gegenleistung räumten ihnen die Verkäufer im Obergeschoß des in ihrem Eigentum stehenden Hauses die Dienstbarkeit der lebenslangen unentgeltlichen Wohnung ein. Der Betroffene, der offensichtlich nach wie vor vermögend ist, wohnt in dieser Wohnung, Herta R*** kocht nach seinen Angaben für ihn.
Auf Grund einer gegen die Ehegatten R*** erstatteten Anzeige wegen verschiedener Vermögensdelikte, begangen an den Brüdern B***, wurden vom Landesgericht Klagenfurt Vorerhebungen durchgeführt. Am 16. September 1988 führte ein Sozialarbeiter in Begleitung des Amtsarztes und eines Kriminalbeamten einen Hausbesuch beim Betroffenen durch, bei welchem desolate Wohnverhältnisse und eine Verwahrlosung (der Betroffene lag im stark verschmutzten Bett, die Bettwäsche war mit Kot beschmiert, auf einem Stuhl stand ein fast bis an den Rand gefüllter Nachttopf) festgestellt wurden. Der Amtsarzt erwähnte in seinem Bericht eine geringe Einschränkung des Kurzzeitgedächtnisses und eine Diskrepanz zwischen einer übertriebenen Sparsamkeit einerseits und einer Nachlässigkeit in finanziellen Belangen andererseits. Er führte aus, aus medizinischer Sicht wäre für den Betroffenen eine Hilfe in sachlichen und nicht zuletzt auch in finanziellen Belangen empfehlenswert (ON 16 und 17 im Akt 11 A St 2865/88 der Staatsanwaltschaft Klagenfurt). Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt übermittelte ihren Akt dem Bezirksgericht Klagenfurt zur Überprüfung, ob die Voraussetzungen für die Bestellung eines Sachwalters als gegeben erachtet würden. Das Erstgericht nahm eine Erstanhörung vor, über die es einen Amtsvermerk verfaßte. Das Erstgericht gewann den Eindruck, daß der Betroffene in seinem Kurzzeitgedächtnis eingeschränkt sei und sich an Ereignisse, auch wenn sie wichtig gewesen seien, nicht erinnern könne. So habe er sich nicht daran erinnern können, ein Testament widerrufen zu haben. Das Gericht habe daher Bedenken, ob der Betroffene in der Lage sei, sämtliche finanziellen Angelegenheiten zu überblicken und diese Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteiles für sich selbst zu besorgen.
Mit Beschluß vom 7.Dezember 1988, ON 3, sprach das Erstgericht aus, daß das Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters nach den §§ 237 ff ABGB fortgesetzt werde. Das Erstgericht verwies auf den Bericht des Sozialarbeiters über den Hausbesuch sowie auf das Ergebnis der Erstanhörung und führte aus, bei der Erstanhörung hätten sich für das Gericht konkrete Bedenken ergeben, daß der Betroffene auf Grund einer geistigen Behinderung nicht in der Lage sei, alle oder einzelne seiner Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteiles für sich selbst zu besorgen.
Ein vom Erstgericht vorbereiteter, aber vom Richter noch nicht unterfertigter Beschluß (ON 4) auf Bestellung des Dr.Otto S*** zum Sachverständigen wurde irrtümlich abgefertigt.
Einen Antrag des Betroffenen auf Richtigstellung und Ergänzung des über die Erstanhörung aufgenommenen Amtsvermerkes wies das Erstgericht mit der Begründung ab, § 212 ZPO sei auf einen Amtsvermerk nicht anzuwenden (ON 15).
Rechtsanwalt Dr.Farhad P*** erhob namens des Betroffenen Rekurse gegen die Beschlüsse ON 3, 4 und 15. Der Betroffene selbst brachte ebenfalls Rekurse gegen die Beschlüsse ON 3 und 4 sowie eine Rekursergänzung ein.
Das Rekursgericht gab den von Dr.Farhad P*** eingebrachten Rekursen gegen die Beschlüsse ON 3 und 15 nicht Folge und wies den von diesem Rechtsanwalt gegen den nicht unterfertigten Beschluß ON 4 erhobenen Rekurs zurück, ebenso die vom Betroffenen selbst eingebrachten Rekurse samt der Rekursergänzung. Die Zurückweisung des Rekurses gegen den nicht unterfertigten Beschluß begründete das Rekursgericht damit, es sei eine wirkungslose Nichtentscheidung angefochten worden. Die vom Betroffenen selbst eingebrachten Rechtsmittelschriften seien zurückzuweisen gewesen, weil eine Partei nur einen einzigen Rechtsmittelschriftsatz einbringen dürfe. Zu den erstgerichtlichen Beschlüssen ON 3 und 15 führte das Rekursgericht aus, gemäß § 237 AußStrG habe sich das Gericht zunächst vom Betroffenen einen persönlichen Eindruck zu verschaffen. Das Sachwalterschaftsbestellungsverfahren sei von den Grundsätzen der Mündlichkeit und der Unmittelbarkeit beherrscht. Gerade in diesem Verfahren sei es wichtig, daß der Richter, der die Entscheidung zu treffen habe, sich ein persönliches Bild vom Behinderten mache. Wichtig sei weiter, daß es dem Behinderten möglich sei, seinen Standpunkt im persönlichen Gespräch mit dem Richter darzulegen, und er sich nicht einem bürokratischen Aktenverfahren ausgeliefert fühle. Zu diesem Zweck sehe das Gesetz vor, daß das Gericht sich vom Betroffenen schon am Beginn des Verfahrens einen persönlichen Eindruck zu verschaffen, ihn zu hören und ihn über Grund und Zweck des Verfahrens zu unterrichten habe. Vom Ergebnis der ersten Anhörung nach § 237 AußStrG hänge es ab, ob das Gericht das Verfahren fortsetze. Die Vernehmung der betroffenen Partei sei ein Akt des rechtlichen Gehörs und nur subsidiär auch ein Akt der Beweisaufnahme. Für die Fortführung des Verfahrens (§ 238 AußStrG) sei in diesem Stadium nur die richterliche Wahrnehmung maßgebend. Durch diese Wahrnehmung könnten die begründeten Anhaltspunkte im Sinne des § 236 AußStrG für die Notwendigkeit einer Bestellung eines Sachwalters entweder erhärtet oder aber widerlegt werden. Wenn auch die Feststellung, ob jemand an einer psychischen Krankheit oder Behinderung leide, "nur, und nur" auf Grund einer ärztlichen Untersuchung (die somit dem gerichtlich bestellten Sachverständigen als Arzt vorbehalten bleiben müsse) getroffen werden könne, so gehe das Gesetz doch von der Vorstellung aus, daß sich der Richter über eine Krankheitsvermutung ein klares Bild machen könne. Bleibe nach erfolgter Befragung durch den Richter ein Zweifel darüber bestehen, ob die betroffene Partei an einer psychischen Krankheit (geistigen Behinderung) leide, so sei das Verfahren fortzusetzen. Das Gesetz sehe nicht vor, auf welche Weise der Richter seinen persönlichen Eindruck vom Betroffenen festzuhalten habe. Nach dem Wortlaut des Gesetzes müsse davon ausgegangen werden, es genüge, daß der Richter nur irgendwie zu erkennen gebe, sein persönlicher (also subjektiver) Eindruck sei dergestalt, daß das Verfahren nicht nach § 243 AußStrG eingestellt werden könne. Es komme also entgegen der Meinung des Rekurswerbers nicht darauf an, welche Fakten der Richter allenfalls in einem Amtsvermerk festhalte, solange nur ausreichend zu erkennen sei, daß sein (subjektiver) Eindruck eine Fortsetzung des Verfahrens erheische. Weil dies im vorliegenden Fall geschehen sei, könne dem Rekurs gegen den Beschluß ON 15 ein Erfolg nicht beschieden sein. Die Fortsetzung des Verfahrens sei eine im § 238 AußStrG niedergelegte gesetzliche Folge auf Grund dieses persönlichen Eindruckes des Richters, der den Betroffenen gehört habe. In diesem Zusammenhang erscheine es erforderlich, folgendes klarzustellen: Der Beschluß über die Fortsetzung des Sachwalterschaftsverfahrens bedeute keineswegs, daß damit einem Beschluß über die Bestellung eines Sachwalters zur Besorgung einzelner Angelegenheiten, eines bestimmten Kreises von Angelegenheiten oder aller Angelegenheiten des Rekurswerbers vorgegriffen wäre. Das Verfahren, in welchem die Bestellung zumindest eines Sachverständigen vorgesehen sei, solle lediglich klären, ob die Bestellung eines Sachwalters notwendig sei oder nicht. Sollte hiefür kein Grund bestehen, habe das Gericht das Verfahren gemäß § 243 AußStrG mit Beschluß einzustellen. Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der von Dr.Farhad P*** namens des Betroffenen eingebrachte Revisionsrekurs, in welchem offenbare Gesetzwidrigkeit, Aktenwidrigkeit und Nullität geltend gemacht werden und der Antrag gestellt wird, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß das Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters eingestellt bzw der Amtsvermerk über die Erstanhörung ergänzt und richtig gestellt werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Zurückweisung des Rekurses gegen den nicht unterfertigten Beschluß bekämpft der Betroffene nicht, wohl aber die Zurückweisung der vom Betroffenen selbst eingebrachten Rechtsmittelschriften.
Rechtliche Beurteilung
Insoweit handelt es sich um keine bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes, der Rekurs ist daher in diesem Belange gemäß § 14 Abs 1 AußStrG zulässig (vgl EFSlg 55.534, 55.613), er ist aber nicht berechtigt.
Nach ständiger Rechtsprechung gilt auch im Verfahren Außerstreitsachen der Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels, jedes spätere Rechtsmittel ist zurückzuweisen (EFSlg 47.064, 52.535, 55.397 uva). Die vom Rechtsmittelwerber angeführte Vorschrift des § 250 AußStrG vermag daran nichts zu ändern.
Soweit sich der Rekurs gegen die Zurückweisung der vom Betroffenen selbst eingebrachten Rechtsmittelschriften richtet, war ihm daher ein Erfolg zu versagen.
Soweit der Rechtsmittelwerber die Bestätigung der Beschlüsse ON 3 und 15 des Erstgerichtes durch das Rekursgericht bekämpft, ist das Rechtsmittel unzulässig.
Gegen bestätigende Entscheidungen des Rekursgerichtes findet ein Rekurs gemäß § 16 Abs 1 AußStrG nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität statt. Derartige Rechtsmittelgründe behauptet der Revisionsrekurswerber zwar, sie liegen jedoch nicht vor.
§ 236 AußStrG verlangt als einzige materiell-rechtliche Voraussetzung für die amtswegige Einleitung des Verfahrens über die Bestellung eines Sachwalters für eine behinderte Person das Vorliegen begründeter Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme. Unter welchen konkreten Umständen im Einzelfall das Vorliegen solcher begründeter Anhaltspunkte anzunehmen ist, wird im Gesetz nicht geregelt (8 Ob 539/87, 4 Ob 542/88 ua). Das Erstgericht verwies in seiner Entscheidung über die Fortsetzung des Verfahrens auf die im Bericht des Sozialarbeiters erwähnte Verwahrlosung, weiters auf den Bericht des Amtsarztes und führte überdies den anläßlich der Erstanhörung gewonnenen Eindruck über eine Störung des Kurzzeitgedächtnisses, insbesondere, daß sich der Betroffene nicht erinnern konnte, ein Testament widerrufen zu haben, an. Schließlich führte das Erstgericht aus, bei der Erstanhörung hätten sich konkrete Bedenken ergeben, daß der Betroffene auf Grund einer geistigen Behinderung nicht in der Lage sei, alle oder einzelne seiner Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteiles für sich selbst zu besorgen.
Da die Frage, ob begründete Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters für den Betroffenen vorliegen, im Gesetz nicht geregelt ist (6 Ob 581, 582/85, 6 Ob 528/89 ua), kann die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, daß unter den im vorliegenden Einzelfall gegebenen Umständen begründete Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters für den Betroffenen gegeben seien, nicht offenbar gesetzwidrig sein (8 Ob 539/87, 4 Ob 542/88).
Die Ausführungen im Revisionsrekurs, die Voraussetzungen für die Einleitung des Verfahrens nach § 236 AußStrG lägen mangels entsprechender Anhaltspunkte nicht vor, sind daher nicht zielführend. Entgegen den im Revisionsrekurs aufgestellten Behauptungen hat das Erstgericht - wie oben ausgeführt - auch seine Gründe für die Fortsetzung des Verfahrens dargelegt. Soweit der Revisionsrekurswerber eine Verwahrlosung sowie eine Störung des Kurzzeitgedächtnisses bestreitet und ausführt, der vom Erstgericht aufgenommene Amtsvermerk gebe den Inhalt des Gespräches nicht richtig wieder, ist darauf hinzuweisen, daß in einem Revisionsrekurs nach § 16 Abs 1 AußStrG Tatsachenfeststellungen und Beweiswürdigung des Erstgerichtes nicht bekämpft werden können (EFSlg 55.629, 55.630 uva) und auch die Geltendmachung von Verfahrensmängeln nicht zulässig ist (EFSlg 55.692 uva). Dem Obersten Gerichtshof ist es daher verwehrt, dem persönlichen Eindruck, den das Erstgericht vom Betroffenen gewonnen hat, entgegenzutreten. Mit den Ausführungen im Revisionsrekurs, das vorgelegte Privatgutachten wäre zu berücksichtigen gewesen, wird ebenfalls lediglich ein Verfahrensmangel behauptet. Von Bedeutung könnte nur ein Verfahrensverstoß vom Gewicht einer Nichtigkeit sein (EFSlg 55.697, 55.698), ein solcher Verstoß wird jedoch nicht aufgezeigt. Auch von einer Verletzung des Art 8 MRK kann keine Rede sein. Der gegen die bestätigenden Entscheidungen des Rekursgerichtes gerichtete Revisionsrekurs mußte daher zurückgewiesen werden.
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