Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 17.776,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.962,80 Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 4.September 1986 wurde die im Eigentum der Klägerin gestandene Liegenschaft EZ 17 KG Oppenberg um das Meistbot von S 3,825.000 versteigert. Nicht strittig sind die Zuweisungen von 1) S 840.000 und 2) S 1,800.000 zu COZ 97 und 99 an die R*** T*** und von 3) S 516.116,70 an die Reallastberechtigte Zäzilia (auch Cäcilia) S*** in der Form der zinstragenden Anlegung des Deckungskapitals zu COZ 92. Strittig ist hingegen die Zuweisung des Meistbotrestes von S 668.883,30 an die beklagte Partei zur teilweisen Abdeckung ihrer durch die zu COZ 116 einverleibte Höchstbetragshypothek gesicherten Kreditforderung von S 1,150.000. Die klagende Partei (= verpflichtete Partei im Versteigerungsverfahren) erhob gegen diese Zuweisung Widerspruch mit der Begründung, die beklagte Partei habe gegen Bezahlung von S 1,4 Mio. unter anderem auch auf alle Rechte aus COZ 116 verzichtet. Die beklagte Partei bestritt dies in der Verteilungstagsatzung mit dem Hinweis, daß sich die behauptete Vereinbarung nur auf andere Liegenschaften bezogen habe. Der strittige Betrag wurde daraufhin der beklagten Partei zugewiesen und die klagende Partei mit ihrem Widerspruch auf den Rechtsweg verwiesen.
Das Erstgericht wies das von der klagenden Partei zur Erledigung des Widerspruchs rechtzeitig erhobene Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Es führte eine Beweiswiederholung durch und traf im wesentlichen übereinstimmend zu den Feststellungen des Erstgerichtes insgesamt folgende Tatsachenfeststellungen:
Die beklagte Partei hatte der Othmar B*** Gesellschaft mbH, deren Geschäftsführer Ing.Othmar B***, der Ehemann der Klägerin ist, drei Kredite eingeräumt, für die die Liegenschaft EZ 17 KG Oppenberg mit drei Höchstbetragshypotheken von S 1,150.000 (COZ 116), S 850.000 (COZ 119) und S 1,000.000 (COZ 122) simultan mit den im Eigentum des Ing.Othmar B*** stehenden Liegenschaften EZ 1065 und 1236 KG Rottenmann und EZ 107 KG Gleinkerau hafteten. Ing.Othmar B*** plante eine Umschuldung auf die V*** F***, für die deren Direktor Johann L*** die Verhandlungen leitete.
Am 3.Oktober 1986 trat Erna B*** die von Direktor Johann L*** mit S 1,185.000 errechnete Hyperocha (zu diesem Betrag kommt man, wenn man vom Meistbot von S 3,825.000 nur die beiden Höchstbetragshypotheken von S 840.000 und S 1,8 Mio. zugunsten der R*** T*** abzieht) an die V*** F*** ab. Diese Abtretungsurkunde wurde der beklagten Partei in den folgenden Verhandlungen nicht zur Kenntnis gebracht.
Am 13.Oktober 1986 traten Direktor Johann L*** und Rechtsanwalt Dr.Peter S***, damals Rechtsfreund der V*** F***,
später auch Vertreter der klagenden Partei, mit der beklagten Partei in Verbindung, für die die Verhandlungen deren Direktor Josef G*** führte, und erkundigte sich über die Möglichkeiten eines Nachlasses für den Fall einer Entlassung der Liegenschaft EZ 107 KG Gleinkerau aus der Haftung.
Direktor Josef G*** errechnete die Gesamtforderung der beklagten Partei mit S 3,289.200. Aus einem Wechsel erwartete er einen Eingang von S 183.000, weiters an Zuweisung aus dem Meistbot EZ 17 der KG Oppenberg den Betrag von S 1,185.000 (wobei auch er die Reallast zu COZ 92 vernachlässigte), das sind zusammen S 1,368.000, sodaß auf die Gesamtforderung S 1,921.200 offenblieben. Diese Berechnungen führte Direktor Josef G*** in Anwesenheit seiner Besucher durch, wobei aber das Ausmaß der Transparenz dieser Erwägungen offenbleibt. Direktor Josef G*** schlug eine Abschlagszahlung von S 1,500.000 vor, Rechtsanwalt Dr.Peter S*** bot eine solche von S 1,4 Mio. an. Direktor Josef G*** sagte zu, diesen Vorschlag durch den Ausschuß der beklagten Partei erörtern zu lassen.
In der Sitzung vom 14.Oktober 1986 stimmte dieser Kreditausschuß unter der Annahme von Eingängen von S 1,185.000 und S 153.000 (statt obiger S 183.000), welche einen aushaftenden Rest von S 1,921.000 (statt obiger S 1,921.200) ergebe, der Lastenfreistellung gegen Zahlung von S 1,4 Mio. zu.
Mit Schreiben vom 16.Oktober 1986 bot die beklagte Partei die Löschung der Pfandrechte von S 1,150.000, S 850.000 und S 1,000.000 in EZ 107 KG Gleinkerau gegen Zahlung von S 1,4 Mio. an. Das Schreiben enthielt auch eine Bekanntgabe der Höhe der Gesamtforderung der beklagten Partei von S 3,289.200. Am 23.Oktober 1986 suchten Direktor Johann L*** und Rechtsanwalt Dr.Peter S*** Direktor Josef G*** wieder auf und machten den Vorschlag, daß gegen Zahlung von S 1,4 Mio. die klagende Partei und die sonst relevanten Mitglieder der Familie B*** aus jeder persönlichen oder sachlichen Haftung befreit würden. Dies erschien Direktor Josef G*** zu weitgehend, und er schlug zunächst mit Schreiben vom 23.Oktober 1986 vor, daß gegen Zahlung von S 1,4 Mio. auch die Pfandrechte in EZ 1236 und 1065 der KG Rottenmann gelöscht werden könnten und die Klägerin ihre Familienangehörigen aus der Bürgschaft entlassen würden. Als diese Erklärung von Rechtsanwalt Dr.Peter S*** nicht akzeptiert wurde, verfaßte Direktor Josef G*** am gleichen Tag ein Schreiben, wonach die beklagte Partei gegen Zahlung von S 1,4 Mio. die Klägerin und ihre Familienangehörigen aus jeglicher persönlichen sowie aus jeglicher sachlichen Haftung entlasse und keine wie immer gearteten Forderungen mehr an sie stellen werde. "Dies betrifft die EZ 107 KG Gleinkerau und die EZ 1065 KG Rottenmann" (Katastralgemeinden im Schreiben nicht unterstrichen); die Genannten würden nach Zahlung von S 1,4 Mio. aus welchem Titel immer schad- und klaglos gehalten (Beilage A).
Spätestens im Zuge dieser Formulierungskontroversen wurde beiden Teilen der Schwerpunkt der Interessen der jeweils anderen Seite klar. Direktor Josef G***, der den Meistbotsteil aus EZ 17 KG Oppenberg nicht preisgeben wollte, brachte dieses Thema zwar nicht zur Sprache, war aber überzeugt, durch den Hinweis nur auf die übrigen Einlagezahlen abgesichert zu sein. Hätte Rechtsanwalt Dr.Peter S*** von ihm auch einen Verzicht auf die Zuweisung aus dem Meistbot verlangt, wäre er an der Abschlagszahlung von S 1,4 Mio. nicht mehr interessiert gewesen. Rechtsanwalt Dr.Peter S*** erkannte, daß es ihm in offener Aussprache nicht gelingen würde, die beklagte Partei zum Verzicht auf ihren Anteil am Meistbot zu bewegen, und gab sich daher mit dem Erreichten zufrieden. Es war daher nicht der gemeinsame Geschäftszweck, daß auch die Einlagezahl 17 KG Oppenberg aus der Haftung entlassen werden sollte.
Mit Schreiben vom 27.Oktober 1986 nahm Rechtsanwalt Dr.Peter S*** das Anbot laut Schreiben vom 23.Oktober 1986 Beilage A namens der "Familiengruppe B***" im vollen Umfang an, fügte aber dem Schreiben den Satz an, daß er "abschließend nochmals festhalte", daß durch die Annahme des Angebotes und nach Zahlung eines Betrages von S 1,4 Mio. Ing.Othmar B***, Ernestine B*** und Othmar B*** jun. aus jeglicher persönlicher Haftung sowie aus jeglicher Sachhaftung von der beklagten Partei entlassen seien. Am 7.November 1986 überwies die V*** F*** den Betrag von S 1,4 Mio. an die beklagte Partei.
Auf Grund dieses Sachverhalts nahm das Berufungsgericht an, daß sich der von der klagenden Partei behauptete vollständige Verzicht der beklagten Partei aus den getroffenen mündlichen und schriftlichen Vereinbarungen nicht ableiten lasse.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt. Die geltend gemachte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Daß Rechtsanwalt Dr.Peter S*** die im einzelnen festgestellten Absichten des Direktors Josef G*** erkannte, konnte einerseits aus dem Ablauf der Verhandlungen, aber auch aus der mündlichen Aussage des Direktors Josef G*** erschlossen werden. Wenn hier auch jeweils kein unmittelbarer Beweis vorlag, so gab es doch Indizien, die als Beweisgrundlage ausreichen konnten. Dem Berufungsgericht kann daher in diesem Zusammenhang weder vorgeworfen werden, es habe die bekämpften Feststellungen ohne Beweisgrundlage getroffen, noch liegt der eigentliche Fall der Aktenwidrigkeit vor, daß das Berufungsgericht den Inhalt eines Protokolls, einer Aussage, einer Urkunde oder eines sonstigen Beweisergebnisses falsch wiedergegeben hätte. Ähnliches gilt für die Feststellung über den gemeinsamen Geschäftszweck. Die gemeinsame Basis der Verhandlungen ergab sich aus der Zeugenaussage Josef G***. Ob die Feststellungen des Berufungsgerichtes zwingend aus den vorhandenen Beweisen abgeleitet werden können, gehört in das Gebiet der im Revisionsverfahren nicht überprüfbaren Beweiswürdigung.
Auch die Rechtsrüge versagt.
Die Revision verkennt zunächst die Beweislastlage. Die klagende Partei hat zu beweisen, daß es zu dem von ihr behaupteten Verzicht gekommen ist. Nicht aufgeklärte Tatumstände oder Undeutlichkeiten in den Urkunden oder Verhandlungen gehen daher zu ihren Lasten. Zu den in der Revision angeführten Punkten kann folgendes bemerkt werden:
Das Berufungsgericht hat nicht etwa festgestellt, daß die Berechnungsüberlegungen des Direktors Josef G*** seinen Verhandlungspartnern nicht transparent waren, wie dies unter unzulässiger Entfernung von den getroffenen Feststellungen in der Revision ausgeführt wird. Es steht bloß das Ausmaß der Transparenz der von Direktor Josef G*** in Gegenwart seiner Verhandlungspartner angestellten Rechnungen nicht fest.
Die Feststellung, daß Direktor Josef G*** die Intentionen der Gegenseite durch die Aufzählung der von der Haftungsbefreiung betroffenen Einlagezahlen in sein letztes Anbot entgegentreten wollte, erlaubt nicht den Schluß, daß nicht umgekehrt auch Direktor Johann L*** und Rechtsanwalt Dr.Peter S*** die Intentionen der beklagten Partei erkannt haben. Wenn es allein oder zusätzlich auf die inneren Absichten und das innere Wissen aller Vertragsteile ankäme, läge ein Dissens vor, womit der Verzichtsvertrag nicht zustandegekommen wäre.
Geht man, wie dies die Revision an derer Stelle zutreffend ausführt, vom objektiven Aussagewert der von der beklagten Partei abgegebenen schriftlichen Willenserklärung aus, dann liegt aber auf der Hand, daß nur die in der Urkunde ausdrücklich angeführten Liegenschaften, nicht aber die nicht angeführte und schon versteigerte weitere Liegenschaft EZ 17 KG Oppenberg, vom Verzicht betroffen sein sollte; denn bei anderer Auslegung hätte die Anführung nur dieser Liegenschaften keinen Sinn.
Liest man das maßgebende Anbot der beklagten Partei unbefangen, so könnte im übrigen aber auch bei Unterlassung der Anführung der drei Liegenschaften nicht auf einen Verzicht auch auf die Rechte aus der schon versteigerten Liegenschaft geschlossen werden. Die im Versteigerungsverfahren erstattete Anmeldung war nämlich in erster Linie ein gegen die Verteilungsmasse erhobener Anspruch, der auf den Tag des Zuschlags zurückzubeziehen war. Das Annahmeschreiben des Rechtsanwaltes Dr.Peter S***, das zuerst den Eindruck zu erwecken sucht, als werde das Angebot der beklagten Partei im vollen Umfange angenommen, durch den Schlußsatz aber gerade die wichtigste Formulierung, nämlich die Zitierung der drei vom Verzicht betroffenen Liegenschaften, mehr oder weniger unterschlägt, erforderte schon deshalb keinen Widerspruch der beklagten Partei, weil es die Verkehrssicherheit verlangt, daß in erster Linie das Vereinbarte gilt und nicht das, was ein Beteiligter einseitig darüber zu schreiben befindet (SZ 47/83, SZ 50/112, SZ 52/120). Die festgestellten Zielsetzungen von Direktor Josef G*** standen in keinem Widerspruch zu der von ihm gewählten Textierung, sie blieben nicht geheimgehaltene Absicht, sondern flossen durchaus in die schriftliche Erklärung ein.
Die Überlegungen über die Motive der V*** F*** sind an sich müßig. Ob die klagende Partei nur ein paar Hunderttausend Schilling nachlasse oder über eine Million Schilling, konnte für ihre Kreditentscheidung nur interne Bedeutung haben. Immerhin mußte aber auch Direktor Johann L*** klar sein, daß ersteres bei einem Kreditinstitut wie der beklagten Partei weitaus wahrscheinlicher sein müsse als letzteres.
Die Vorinstanzen haben somit die Tragweite des zwischen den Streitteilen zustande gekommenen Verzichtsvertrages insgesamt richtig beurteilt.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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