OGH 7Ob578/89

OGH7Ob578/8927.4.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Dr.Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***

Gesellschaft m.b.H., Gleisdorf, Mühlwaldstraße 1, vertreten durch Dr.Gerald Weidacher, Rechtsanwalt in Gleisdorf, wider die beklagte Partei V*** C*** Handelsgesellschaft m.b.H., Wien 3., Zaunergasse 4, vertreten durch Dr.Rudolf Krilyszy, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 9,657.540 S s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 15.Dezember 1988, GZ 1 R 241/88-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Handelsgerichtes Wien vom 29.Juli 1988, GZ 16 Cg 57/87-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 35.715,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 5.952,60 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im August 1987 schlossen die Parteien "im Rahmen des Grazer Messekompensationsabkommens" einen Kaufvertrag über die Lieferung von 10.000 Tonnen Preßäpfeln durch die Beklagte an die Klägerin. Der Klägerin war bekannt, daß die Beklagte die Heranziehung des jugoslawischen Unternehmens "P***" als Lieferant

beabsichtigte und mit diesem bereits Vertragsverhandlungen führte. Die Parteien vereinbarten daher, daß der Kaufvertrag zwischen ihnen nur in Kraft treten solle, wenn die endgültige Registrierung und Erteilung einer entsprechenden Vertragsnummer durch das zuständige jugoslawische Ministerium erfolgt sei sowie der Klägerin die Verlängerung der Importbewilligung seitens der österreichischen Behörden vorliege.

Wegen der Unzuverlässigkeit der Behörden in Ostblockstaaten ist die Beklagte nicht bereit, in Österreich Verträge dahin abzuschließen, wonach sie das Risiko der Ostblockbehörden gegenüber den österreichischen Partnern übernimmt. Als die Beklagte zur Klägerin wegen des vorliegenden Vertrages in Kontakt trat, hatte sie bereits einen Vertragsentwurf, der auch vom jugoslawischen Direktor der P*** unterzeichnet war. So abgesichert begann sie ihre Verhandlungen mit der Klägerin, wobei sie offenlegte, daß sie die der Klägerin angebotenen, später vereinbarten Äpfelquantitäten über die vorgenannte jugoslawische Firma beziehen werde. Sie wies auch den entsprechenden Vertrag vor. Sie erläuterte auch, daß sie nicht bereit sei, das Risiko jugoslawischer behördlicher Genehmigungen zu übernehmen und den Vertrag bedingt davon abschließen wolle. Die Klägerin war damit einverstanden, weil sie der Meinung war, solche Genehmigungen würden ohnedies in der Regel immer von Jugoslawien erteilt, weshalb das Risiko sehr gering sei. Dies artikulierte sie auch. Bei Erörterung dieser Klausel wurde lediglich der Fall erörtert, daß die jugoslawischen Behörden der jugoslawischen Exportfirma keine Vertragsnummer bzw. Genehmigung erteilen würden. Der Fall, daß die jugoslawischen Partner der Beklagten überhaupt keinen Antrag um eine solche Nummer stellen würden, wurde nicht erörtert.

In der Folge stellte sich heraus, daß generell mit einer Mißernte bei Äpfeln zu rechnen sei. Die jugoslawischen Firmen waren daher nur in beschränktestem Umfang lieferfähig. Deshalb stellte der jugoslawische Partner der Beklagten keinen Antrag bei den zuständigen jugoslawischen Behörden, um die für den Export im Vertrag mit der Beklagten notwendigen Genehmigungen bzw. Nummern zu erhalten. Der Beklagten teilte sie mit, sie hätte solche Nummern nicht erhalten, legte aber trotz ständiger Urgenzen der Beklagten dieser keine abschlägigen Bescheide oder sonstigen Beweismittel vor. Am 3.Oktober 1987 teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß der Vertrag nicht wirksam werde, weil dem jugoslawischen Partner der Beklagten die Exportlizenz nicht erteilt werde. Über gute Beziehungen in Jugoslawien erhielt die Klägerin jedoch Auskünfte, die darauf hindeuteten, daß die für den Vertrag mit der Beklagten notwendigen Ansuchen seitens des jugoslawischen Vertragspartners gar nicht gestellt worden seien.

Aus der Nachlieferung der Äpfel an die Klägerin ist dieser ein Schaden von mindestens 1 S entstanden.

Das Erstgericht hat mit Zwischenurteil die auf den Titel des Schadenersatzes gestützte Forderung von 9,657.450 S s.A. als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkannt. Sie hat hiebei den Standpunkt vertreten, die jugoslawische Firma sei Erfüllungsgehilfe der Beklagten gewesen. Aus diesem Grunde hafte die Beklagte auch für ein schuldhaftes Verhalten dieser Firma. Der jugoslawischen Firma müsse aber als schuldhaft angelastet werden, daß sie um die entsprechende Exportlizenz nicht angesucht habe.

Das Berufungsgericht hat das Klagebegehren abgewiesen. Es hat hiebei die Eigenschaft des jugoslawischen Lieferanten als Erfüllungsgehilfen der Beklagten verneint.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Ein Großteil der Revision beschäftigt sich mit der Frage, was die Beklagte zur Erlangung der Exportlizenz für ihre jugoslawische Partnerin unternehmen hätte können. Auf diese Ausführungen ist schon deshalb nicht einzugehen, weil das gesamte Klagsvorbringen fast ausschließlich auf ein Verschulden der jugoslawischen Firma abgestellt ist und die Klägerin ihren Schadenersatzanspruch gar nicht aus einem schuldhaften Verhalten der Beklagten ableitet. Der einzige Hinweis der Klage, der allenfalls als Behauptung eines Verschuldens der Beklagten gewertet werden könnte, ist der auf Seite 4 der Klage, demzufolge seitens der Beklagten betont wurde, daß die Erteilung der Registriernummer im Rahmen des Messeabkommens eine reine Formalität sei. Ob allein ein solcher Hinweis ein Verschulden der Beklagten begründen könnte, muß nicht erörtert werden, weil das Erstgericht unbekämpft festgestellt hat, daß die Klägerin (und nicht die Beklagte) davon ausgegangen ist, daß es sich bei der Erteilung der entsprechenden Lizenz um eine Formsache handle, weshalb sie kein Risiko eingehe. Dies habe sie der Beklagten mitgeteilt. Demnach kann also keine Rede davon sein, daß die Beklagte durch eine entsprechende Erklärung bei der Klägerin diesen Eindruck erweckt hätte.

Auf welches weitere Klagsvorbringen ein Verschulden der Beklagten gestützt werden könnte, ist nicht ersichtlich. Die gesamten Ausführungen der Revision zu diesem Punkt, etwa dahin, daß der Beklagten bei Abschluß des Vertrages mit der Klägerin bereits die problematische Situation auf dem jugoslawischen Markt bekannt gewesen wäre, entbehren daher eines entsprechenden Tatsachenvorbringens im Verfahren erster Instanz.

Da demnach das gesamte Klagsvorbringen ausschließlich auf ein Verschulden der jugoslawischen Lieferfirma abstellt, war nur zu prüfen, ob diese Firma, wie das Erstgericht annimmt, Erfüllungsgehilfe der Beklagten war oder ob dies, wie das Berufungsgericht ausführt, nicht der Fall gewesen ist. Nach § 1313 a ABGB ist ein Erfüllungsgehilfe eine Person, derer sich der Schuldner zur Erfüllung seines Vertrages gegenüber seinem Vertragspartner bedient. Der Begriff des Erfüllungsgehilfen setzt voraus, daß der Gehilfe mit dem Willen des Schuldners im Rahmen der dem Schuldner obliegenden Verbindlichkeit tätig wird (SZ 55/123, ZVR 1982/266 ua.). Richtig hat also das Berufungsgericht ausgeführt, daß zu den Erfüllungsgehilfen des Schuldners nicht Personen gehören, die durch ihre Leistung nicht die Verpflichtung des Schuldners gegenüber dem Gläubiger, sondern nur ihre eigene Verpflichtung gegenüber dem Schuldner erfüllen. Der Erfüllungsgehilfe muß also eine Verbindlichkeit des Schuldners und nicht eine eigene Verbindlichkeit erfüllen. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, daß der Produzent, der nicht direkt an den Kunden seines Käufers liefert, nicht Erfüllungsgehilfe seines Käufers im Verhältnis zu dessen Kunden ist (SZ 55/31, JBl. 1987, 185). Auch der Zulieferer ist grundsätzlich nicht Erfüllungsgehilfe des Produzenten im Verhältnis zum Kunden des Produzenten (JBl. 1988, 650). Zutreffend verweist das Berufungsgericht darauf, daß dies anders nur dann sein könnte, wenn der Lieferant direkt in Kontakt zum Abnehmer des Käufers tritt. Dies ist der Fall bei dem sogenannten Streckengeschäft. Der vorliegende Vertrag hat mit einem Streckengeschäft nichts zu tun. Ein solches liegt nur dann vor, wenn ein Dreipersonenverhältnis besteht, bei dem der Verkäufer seinem Käufer eine Sache verkauft, die er seinerseits von einem anderen Verkäufer erwerben muß. Um den Vertriebsweg abzukürzen, sollen beide Kaufverträge durch eine reale Güterbewegung erfüllt werden, in dem der erste Verkäufer direkt an den Käufer des zweiten Verkäufers liefert (Aicher in Rummel, Rdz 13 zu § 1061). Im vorliegenden Fall haben jedoch nur die beiden Prozeßparteien einen Kaufvertrag miteinander geschlossen, wobei die Beklagte eine Ware an die Klägerin zu liefern hatte. Zu einem Lieferanten der Beklagten sollte die Klägerin überhaupt nicht in Kontakt treten. Die Nennung ihres Lieferanten durch die Beklagte ist nur zu dem Zweck erfolgt, die Bedingung für das Inkrafttreten des Kaufvertrages zu formulieren. Diese Bedingung bestand darin, daß der Lieferant der Beklagten die für seine Lieferung erforderliche Genehmigung erhalten sollte. Demnach trat der Lieferant mit der Klägerin überhaupt nicht in Verbindung. Natürlich durfte die Beklagte nicht gegen die Erteilung der jugoslawischen Genehmigung arbeiten. Allenfalls hatte sie sogar alles in ihrer Macht liegende zu unternehmen, damit diese Bewilligung erteilt werde. Verstöße gegen diese Verpflichtungen würden als Eigenverschulden der Beklagten zu werten sein, doch wurde derartiges von der Klägerin nicht behauptet. Die jugoslawische Lieferfirma war demnach nur ein Vertragspartner der Beklagten, die ausschließlich Verpflichtungen dieser gegenüber zu erfüllen hatte. Ihre Lieferung kann nicht als eine Erfüllung der Lieferpflichten der Beklagten gegenüber der Klägerin angesehen werden. Damit scheidet aber eine Haftung der Beklagten nach § 1313 a ABGB für ein Verschulden der jugoslawischen Lieferfirma aus.

Der Hinweis der Revision auf die Entscheidung 1 Ob 656/88 geht daran vorbei, daß dort die Haftung des Beklagten mit der Begründung angenommen wurde, er habe durch sein Verhalten jenen Streik verschuldet, der ihm eine rechtzeitige Lieferung unmöglich gemacht hat. Der Beklagte haftete also nicht für einen Erfüllungsgehilfen, sondern auf Grund eigenen Verschuldens.

Die beiden Entscheidungen SZ 33/5 und ZVR 1958/252 hatten Fälle zum Gegenstand, bei denen der Beklagte als Veranstalter gegenüber dem Kläger auftrat. In beiden Fällen war es zu Verletzungen durch jene Personen gekommen, derer sich der Beklagte zur Durchführung der Veranstaltung bedient hatte. In diesen Fällen lagen die Voraussetzungen für eine Haftung nach § 1313 a ABGB deshalb vor, weil die Schädiger gegenüber den Verletzten einerseits in direkten Kontakt getreten und andererseits im Rahmen der vertraglichen Verpflichtung des dortigen Beklagten tätig geworden sind. Das Berufungsgericht hat also richtig erkannt, daß die jugoslawische Firma nicht Erfüllungsgehilfe der Beklagten war. Da ein eigenes Verschulden der Beklagten überhaupt nicht geltend gemacht wurde und nach der Aktenlage auch gar nicht ersichtlich ist, worin dieses gelegen sein sollte, wurde das Klagebegehren mit Recht abgewiesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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