OGH 11Os29/89

OGH11Os29/8918.4.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.April 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Ofner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gerhard N*** wegen des Verbrechens des versuchten Raubes nach den §§ 15, 142 Abs 1 und 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 15.Dezember 1988, GZ 4 a Vr 1446/88-24, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, des Angeklagten Gerhard N*** und der Verteidigerin Dr. Reuterer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 3 (drei) Monate herabgesetzt wird.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten (auch) die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 23.Oktober 1969 geborene Angeklagte Gerhard N*** des Verbrechens des versuchten Raubes nach den §§ 15, 142 Abs 2 (richtig: 142 Abs 1 und Abs 2; vgl. ÖJZ-LSK 1985/8) schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, am 8. Mai 1988 in Graz im bewußt gemeinsamen Zusammenwirken mit den Jugendlichen Thomas F*** und Wolfgang G*** als unmittelbarer Täter dem Ernst P*** mit Gewalt gegen dessen Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache, nämlich einen Bargeldbetrag von 100 S, mit dem Vorsatz, sich durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, abzunötigen versucht zu haben, indem er und Wolfgang G*** im wenigstens stillschweigenden Einverständnis mit Thomas F***, der von Ernst P*** mehrfach zunächst unter Androhung, dann unter Anwendung von Stockschlägen die Übergabe des Geldes forderte, den zuletzt Genannten durch sichtbares Mitführen von Schlagstöcken und Hantieren daran einschüchterten, wobei der Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen werden sollte und die Tat keine Folgen nach sich zog.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil erhob der Angeklagte Gerhard N*** eine formell auf die Gründe der Z 5, 5 a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde.

Daß das Erstgericht die Äußerung des Zeugen Ernst P*** vor der Polizei, eher den Eindruck gehabt zu haben, daß seine Widersacher nur einen "Blödsinn" machen wollten (AS 57 unten), unberücksichtigt ließ, stellt weder einen Begründungsmangel nach der Z 5 noch den (formell geltendgemachten) Nichtigkeitsgrund nach der Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO her: Die Äußerung einer bloßen Vermutung über das innere Vorhaben des Angeklagten - deren vager Wortlaut zudem nicht ausschließt, daß dieses Vorhaben die Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale des Raubes umfaßte (vgl. die - in der Hauptverhandlung allerdings nicht verlesene - Aussage des Zeugen P*** vor dem Untersuchungsrichter AS 84 unten, worin der Ausdruck "Blödsinn" als Anspielung auf eine mögliche Tatbegehung unter Alkoholeinfluß erklärt wurde) - ist mangels einer erkennbaren Bezugnahme dieser subjektiven Wertung auf konkrete Tatsachen für die Lösung der Schuldfrage ohne Belang (vgl. Mayerhofer-Rieder2, § 150 StPO; E 7, 7 a und 8).

Soweit der Angeklagte N*** (im Vorbringen zu den Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO) Feststellungen darüber vermißt, ob und wann er den Vorsatz faßte, an der Ausführung des für ihn selbst überraschend hervorgekommenen Raubvorhabens des Mitangeklagten Thomas F*** mitzuwirken, übergeht er wesentliche Urteilsannahmen (US 3, 4 verso unten). Diesen Feststellungen zufolge unterstützten Gerhard N*** und Wolfgang G*** den Thomas F***, als er zweimal "gewaltsam" (sich mit einem Stock in der Hand in den Weg stellend) von Ernst P*** 100 S forderte, im (konkludent hergestellten) Einverständnis mit seiner Vorgangsweise bei der Durchsetzung seines Verlangens durch weiteres Verbleiben am Tatort und Hantieren an ihren Schlagstöcken; sie verwirklichten solcherart den gemeinsamen Tatentschluß durch entsprechende Handlungen zum Zeitpunkt der unmittelbaren Tatbegehung. Angesichts dieser Feststellungen, aus welchen hervorgeht, daß (auch) der Beschwerdeführer das Raubvorhaben des Mitangeklagten F*** als solches erkannte, erweist sich der weitere - im Rahmen der Mängelrüge nach dem § 281 Abs 1 Z 5 StPO

erhobene - Beschwerdeeinwand eines Feststellungsmangels zur Erkennbarkeit dieses Vorsatzes als gleichfalls nicht auf der Tatsachengrundlage des angefochtenen Urteils ausgeführt und daher prozeßordnungswidrig.

Auch jenen (formell teils in der Mängel-, teils in der Rechtsrüge gemachten) Ausführungen, in welchen der Beschwerdeführer die "Zumutbarkeit" einer Entscheidung für oder wider das Raubvorhaben des Mitangeklagten F*** innerhalb weniger Sekunden bezweifelt, ferner behauptet, daß es für diese Entscheidung "übermenschlicher Fähigkeiten bedurft" hätte, und darauf hinweist, daß er damit innerhalb eines jedem Autofahrer als "Schreck- und Reaktionssekunden etc" zuzubilligenden Zeitraumes konfrontiert gewesen sei, kommt keine Berechtigung zu: Die Strafbarkeit der (wenn auch nur versuchten) Tat, an deren Ausführung mehrere beteiligt waren, setzt weder ein förmliches gemeinsames Beschließen noch eine bestimmte Dauer der Mitwirkung voraus; für die Beurteilung als unmittelbare (Mit-)Täterschaft (§ 12, erster Fall, StGB) genügt jegliches vorsätzliche aktive Zusammenwirken bei auch nur einer Phase der Tatausführung (Leukauf-Steininger, Komm. z. StGB2, § 12, RN 11, 12 mit Hinweisen auf Judikatur). Zur vom Beschwerdeführer hervorgehobenen alsbaldigen Flucht vom Tatort kam es dem Urteilssachverhalt zufolge erst nach seinen Ausführungshandlungen (s.o.). Die bereits eingetretene Strafbarkeit dieses Versuchs wurde hiedurch nicht aufgehoben: Ein Verhalten, welches kraft § 16 StGB Strafaufhebung wegen Rücktritts vom mit mehreren Beteiligten unternommenen Versuch zu bewirken vermag (Ausführungsverhinderung, Erfolgsabwendung oder ernstliches Bemühen in einer dieser Richtungen in Unkenntnis des Unterbleibens der Ausführung oder des Erfolges auch ohne dieses Zutun), muß freiwillig - dh in der Vorstellung, eine dem Tatplan entsprechende Vollendung der Tat sei noch möglich (Mayerhofer-Rieder2, EGr. 8 ff zu § 16 StGB) - geschehen; vorliegend ist jedoch weder urteilsmäßig festgestellt noch durch die Aktenlage indiziert, daß der Angeklagte N*** bei seiner Flucht vom Tatort - zu einem Zeitpunkt, zu dem das Opfer bereits aktiv Widerstand leistete, indem es (um Hilfe rufend) den Mitangeklagten F*** in einer Abwehrbewegung an der Jacke ergriff

(US 3 verso) - die dem gemeinsamen Vorhaben entsprechende Abnötigung von Bargeld ohne Anwendung erheblicher Gewalt noch für ohne besondere Schwierigkeit durchführbar hielt. Der Schuldspruch leidet sohin auch nicht an einer (in der Beschwerde nicht geltendgemachten, jedoch von Amts wegen zu berücksichtigenden) materiellen Nichtigkeit nach dem § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO.

Soweit der Beschwerdeführer die "Zumutbarkeit" seiner Entscheidung für oder wider die Mitwirkung am Raub wegen der Kürze der Überlegungsfrist in Zweifel zieht, zielt er der Sache nach nicht auf die in der Regel bei vorsätzlichen Begehungsdelikten nur im (hier nicht gegebenen) Fall eines entschuldigenden Notstands (§ 10 StGB) in Betracht kommende (Kienapfel, AT, Z 26 RN 23) Anwendung des normativen Schuldkorrektivs ab; vielmehr stellt er in Frage, daß er zur Fassung des Tatentschlusses in derart kurzer Zeit überhaupt fähig gewesen sei. Damit weicht er erneut prozeßordnungswidrig von jenen Urteilsannahmen ab, wonach er sich tatsächlich imstande erwies, den Entschluß zur Mitwirkung zu treffen. Auch unter dem Gesichtspunkt der Tatsachenrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 a StPO) versagt der betreffende Einwand: Gegen die Richtigkeit der erwähnten Feststellung ergeben sich aus der Aktenlage (siehe insbesondere AS 53, 167 und verso) keine Bedenken, ist doch die Beschränkung des den Angeklagten N*** und G*** zur spontanen Entschlußfassung zu Gebote gestandenen Zeitraums auf ein der "Schrecksekunde" vergleichbares Maß keineswegs indiziert. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gerhard N*** war daher zu verwerfen.

Das Jugendschöffengericht verhängte über den genannten Angeklagten nach dem § 142 Abs 2 StGB unter Anwendung des § 41 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten und sah sie gemäß dem § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nach.

Bei der Strafbemessung wertete es keinen Umstand als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber die bisherige Unbescholtenheit dieses Angeklagten, sein Alter unter 21 Jahren, eine gewisse Enthemmung durch Alkohol sowie den Umstand, daß es beim Versuch blieb, als mildernd.

Die Berufung des Gerhard N*** ist im Ergebnis begründet. Dem der Sache nach umfassend auf Strafmilderung ausgerichteten Anfechtungsbegehren (§ 294 Abs 2 StPO) des Angeklagten (vgl. 11 Os 3/88) kann insofern Berechtigung nicht abgesprochen werden, als das Erstgericht den zahlreichen Milderungsgründen nicht das entsprechende Gewicht beimaß und zu wenig darauf Bedacht nahm, daß Gerhard N*** bei der verfahrensgegenständlichen Tat im Gegensatz zu Thomas F*** keine führende Rolle spielte. Dem Obersten Gerichtshof erschien daher eine maßvolle Reduktion der - bedingt nachgesehenen - Freiheitsstrafe auf das tatschuldadäquate Ausmaß von drei Monaten als geboten. Die ausdrücklich begehrte Verhängung einer Geldstrafe unter gleichzeitiger Anwendung des § 43 Abs 1 StGB kam mangels entsprechender Effektivität im konkreten Fall nicht in Betracht. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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