OGH 5Ob525/89

OGH5Ob525/8911.4.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik, Dr.Zehetner, Dr.Klinger und Dr.Schwarz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Berthold G***, Angestellter, Spittelwiese 11, 4020 Linz, vertreten durch Dr.Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Dr.Alfred P***, öffentlicher Notar, Ledererstraße 8, 4070 Eferding, vertreten durch Dr.Manfred Klicnik, Rechtsanwalt in Linz wegen Feststellung der Ersatzpflicht (Streitwert S 500.000,-), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 18.November 1988, GZ 5 R 96/88-41, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 19.April 1988, GZ 4 Cg 456/86-35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 17.317,80 (darin S 2.886,30 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Über das Vermögen der W*** GmbH und des Klägers, der Geschäftsführer unter anderem dieser Gesellschaft war, wurde am 28. März 1984 das Ausgleichsverfahren und am 25.Juni 1984 der Anschlußkonkurs eröffnet. Die W*** GmbH hatte als Wohnungseigentumsorganisator auf der Liegenschaft EZ 390 KG Waldegg durch die U*** Hoch- und Tiefbau Aktiengesellschaft ein Bauvorhaben verwirklicht. Der Werklohn der Bauunternehmung sollte aus den von den Wohnungseigentumsbewerbern aufgebrachten Mitteln beglichen werden, doch verzögerte sich die Abwicklung, so daß der von der Wohnungseigentumsorganisatorin betraute beklagte Notar an der Sicherstellung der Werklohnforderung durch die bücherliche Einverleibung des Pfandrechtes auf der Liegenschaft mitwirkte. In beiden Insolvenzverfahren meldeten die Wohnungseigentümer Schadenersatzforderungen gegen die W*** GmbH und den Kläger an. Die Forderungen wurden vom Masseverwalter teilweise anerkannt und sonst bestritten. Der Kläger bestritt diese Forderungen zur Gänze.

Die vom Kläger behaupteten Ersatzansprüche gegen den Beklagten hat das Konkursgericht mit Beschluß vom 19.Feber 1986, GZ S 35/85-20, aus der Konkursmasse ausgeschieden und dem Gemeinschuldner zur freien Verfügung überlassen.

Darauf erhob der Kläger am 22.August 1986 die Klage mit dem Begehren auf Feststellung, daß der beklagte Notar dem Kläger für sämtliche Ersatzansprüche ersatzpflichtig sei, die von Hedwig P***, Hubert S***, Elisabeth S***, Dipl.Ing.Asghar

G***, Markus S***, Heinz R***, Franz A***,

Helga K*** und Heribert M*** in den Insolvenzverfahren und dem gegen den Kläger anhängigen Strafverfahren erhoben wurden. Entgegen dem ihm erteilten Auftrag der W*** GmbH habe der Beklagte rechtswidrig und schuldhaft der Auftraggeberin dadurch einen Schaden zugefügt, daß er es bei der Gestaltung des Vertrages mit der Baugesellschaft zur Einverleibung des Pfandrechts für ihre Werklohnforderung unterließ, die Pfandgläubigerin zur Teilfreilassung zu verpflichten, wenn die einzelnen Wohnungseigentumsbewerber den von ihnen aufzubringenden Kaufpreisrest zur Abdeckung der Baukosten zur Verfügung stellten. Die W*** GmbH habe nur so ihre vertragliche

Verpflichtung sichern können, den Wohnungseigentumsbewerbern das zugesagte lastenfreie Wohnungseigentum an den Mindestanteilen zu verschaffen. Die Baugesellschaft sei später nicht bereit gewesen, vor Begleichung ihrer Gesamtforderung Teilfreilassungen zu erteilen. Infolge der Unterlassung des Beklagten habe die

W*** GmbH die Baugesellschaft dazu nicht zwingen können. Die den Wohnungseigentümern übertragenen Anteile seien mit dem Pfandrecht für die Werklohnforderung der Baugesellschaft belastet. Sie hätten gegen die W*** GmbH und den Kläger Schadenersatzforderungen geltend gemacht, deren Berechtigung der Kläger bestreite. Als Folge des Fehlers des Beklagten sei gegen den Kläger ein Strafverfahren eingeleitet worden und die Insolvenz seiner Firmengruppe eingetreten. Erst im Ausgleich habe sich ergeben, daß die Wohnungswerber Schadenersatz geltend machen. Obwohl der Kläger als Geschäftsführer der W*** GmbH die ihm obliegende Sorgfalt beachtet habe und von den Wohnungswerbern nicht in Anspruch genommen werden könne, sei nicht auszuschließen, daß doch solche Forderungen durchgesetzt werden. Der Kläger habe ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung, daß ihm in diesem Fall der beklagte Notar Ersatz leisten müsse, weil dadurch der Sachverhalt für die künftige Auseinandersetzung geklärt und die Verjährungsgefahr beseitigt werde.

Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Er habe weder auftragswidrig gehandelt noch der W*** GmbH einen Schaden zugefügt. Der Kläger habe sein Vorgehen selbst zu vertreten. Sein Vorbringen sei nicht schlüssig. Es bestehe kein Feststellungsanspruch und Ersatzansprüche seien verjährt. Der Kläger habe schon seit dem Frühjahr 1981 gewußt, daß die Baugesellschaft nicht bereit sei, eine Teilfreilassung zum Abverkauf von Liegenschaftsanteilen zu geben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Aus dem vorgetragenen Sachverhalt lasse sich der Feststellungsanspruch des Klägers nicht ableiten, weil der Kläger nicht behauptet habe, Vertragspartner des Beklagten gewesen zu sein. Eine Schutzwirkung zugunsten Dritter aus der Betrauung des beklagten Notars mit der rechtlichen Beratung und Vertretung im Zusammenhang mit der Sicherung der fälligen Forderungen der Bauunternehmung ergebe sich höchstens für die Wohnungswerber, die Schäden erlitten hätten. Ein deliktisches Verhalten des Beklagten sei ebensowenig behauptet wie eine Mittäterschaft an einem eigenen deliktischen Verhalten des Klägers. Das Berufungsgericht bestätigte mit dem Ausspruch, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,- übersteigt. Es könne dem Vorbringen des Klägers nicht entnommen werden, daß die von den Wohnungseigentumsbewerbern gegen ihn erhobenen (und vom Masseverwalter teilweise anerkannten) Schadenersatzforderungen auf einem Vertrag beruhen. Als Geschäftsführer hafte er außer in den Fällen des § 56 Abs 3 GmbHG (bei Herabsetzung des Stammkapitals) oder § 64 GmbHG (bei der Einforderung weiterer Einzahlungen auf die Stammeinlagen) nur bei deliktischer Schädigung. Daß der beklagte Notar an einem Verstoß des Klägers gegen Gläubigerschutzvorschriften oder der Verletzung der Konkursantragspflicht mitgewirkt habe, behauptete der Kläger auch nicht. Dem Kläger fehle das Feststellungsinteresse, wenn er auf Feststellung der Haftung des Beklagten für vom Kläger bestrittene Forderungen dringe. Die Anerkennung im Insolvenzverfahren angemeldeter Forderungen der Wohnungswerber durch den Masseverwalter ändere nichts. Abgesehen davon, daß nur eine bedingte dem Bestimmtheitserfordernis nicht entsprechende Anerkennung "für den Fall der Zahlung an die U***" erfolgte, hätten diese Gläubiger ihren Ersatzanspruch gegen den Kläger auf dessen deliktisches Verhalten nämlich Betrug und Veruntreuung gestützt. Sollte die W*** GmbH mit dem beklagten Notar vereinbart haben, der Vertrag mit der Baugesellschaft sei so zu gestalten, daß die Wohnungseigentumsbewerber an den benötigten Mindestanteilen lastenfreies Eigentum erwerben können, seien die vertraglichen Schutzwirkungen nur gegenüber den Wohnungseigentumsbewerbern, nicht aber gegenüber dem Kläger eingetreten. Die Schutzwirkung trete auch nur ein, wenn absolute Rechtsgüter verletzt würden. Aus der im § 5 Abs 3 NO enthaltenen Umschreibung des vom Notar gegenüber Dritten, deren Güter geschützt sind, anzuwendenden Sorgfaltsmaßstabes lasse sich nichts gewinnen. Die Beeinträchtigung des reinen Vermögens sei deliktisch nicht allgemein sondern nur dann rechtswidrig, wenn dies in einer besonderen Vorschrift angeordnet sei.

Mit seiner nach § 502 Abs 4 Z 2 ZPO zulässigen Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung verlangt der Kläger die Abänderung in die Stattgebung und hilfsweise die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung zu neuer Verhandlung und Entscheidung.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Revisionswerber hat die Ausführungen des Berufungsgerichtes mißverstanden, wenn er meint, es habe zu Unrecht das Feststellungsinteresse wegen Vorliegens einer bloß hypothetisch aufgeworfenen Frage verneint, obwohl seine Bestreitung der im Konkurs gegen ihn erhobenen Schadenersatzforderungen für den Konkursteilnahmeanspruch dieser Gläubiger unbeachtlich sei und selbst für vom Masseverwalter anerkannte bedingte Forderungen der Teilnahmeanspruch im Falle eines Zwangsausgleiches oder der Verteilung zumindest durch Sicherstellung berücksichtigt werde. Das Berufungsgericht hat vielmehr durchaus zutreffend erkannt, daß die vom Masseverwalter zum Teil anerkannten Schadenersatzforderungen der Wohnungseigentumsbewerber/Wohnungseigentümer nicht darauf gegründet sind, daß der Beklagte bei der Vertretung ihres Vertragspartners W*** GmbH schuldhaft Aufträge mißachtet oder schlecht erfüllt hat und daraus der klagende Geschäftsführer der als Wohnungseigentumsorganisator eingeschrittenen Gesellschaft mit beschränkter Haftung ersatzpflichtig sei, sondern daß die Wohnungseigentümer ausdrücklich Betrug und Veruntreuung durch den Kläger behauptet und also (auch) eine deliktische Haftung des Klägers geltend gemacht haben, wodurch sie trotz Zahlung des Kaufpreises nicht lastenfrei Eigentum erwerben konnten, weil die Werklohnforderung der Bauunternehmung nicht ganz bezahlt worden war. Es fehlt damit die Grundlage für die Schlußfolgerung des Revisionswerbers, sein Nachteil liege schon darin, daß der Masseverwalter die von ihm selbst bestrittenen Schadenersatzforderungen der Wohnungseigentumsbewerber im Konkurs (zumindest zu einem Teil) anerkannte, und schon dadurch stehe fest, daß er ein rechtliches Interesse an der Feststellung seiner Rückgriffsansprüche habe. In Wahrheit hätte es der Kläger selbst zu vertreten, wenn er widmungswidrig für die Gesellschaft erhaltene Gelder nicht zur vollständigen Berichtigung der Baukosten verwendet und damit die Vertragspartner der Gesellschaft deliktisch geschädigt hätte.

Eine Schutzwirkung des Vertretungsvertrages zwischen dem Beklagten und der Gesellschaft zugunsten ihres Geschäftsführers fehlt schon deshalb, weil der Geschäftsführer wegen Ersatzansprüchen gegen die Gesellschaft mit beschränkter Haftung nur in Anspruch genommen werden kann, wenn er selbst durch Delikt den Schaden zugefügt hat. Schon deshalb scheidet das Bedürfnis aus, den Geschäftsführer durch Zuwendung der Hauptleistung, nämlich der rechtlichen Vertretung, Beratung und Fürsorge der auftraggebenden in die vertragliche Beziehung zum beklagten Notar getretenen Wohnungseigentumsorganisationsgesellschaft, zu begünstigen und erkennbare Interessen des Auftraggebers am Schutz ihres Geschäftsführers anzunehmen, ganz abgesehen von der herrschenden Ansicht, daß in den Schutzbereich nicht das bloße Vermögen dritter Personen einzubeziehen ist (Koziol, Haftpflichtrecht2II 85 ff mwH; SZ 51/169; aM/Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 34 zu § 1295 ABGB). Wenn der Kläger schließlich meint, der Kontakt mit dem Beklagten sei schon dadurch hergestellt, daß er selbst die Gespräche mit dem Beklagten führte und die Auftragsgrundlagen persönlich geschaffen habe, ist ihm zu erwidern, daß er dabei nicht eine eigene Vertragsbeziehung zum Beklagten begründete, weil er als zur Vertretung der Gesellschaft nach § 18 Abs 1 GmbHG berufener Geschäftsführer und nicht im eigenen Namen handelte. Die vom Kläger zur Begründung seines Anspruches vorgebrachten Tatsachen lassen Anhaltspunkte für eine deliktische Schädigung des Klägers durch den Beklagten nicht erkennen, die auch nicht aus § 5 Abs 3 NO abgeleitet werden kann.

Da der Kläger nicht dazutun vermochte, daß eine Ersatzpflicht des beklagten Notars ihm gegenüber bestünde, wenn der Kläger Wohnungseigentumsbewerbern den ihnen durch sein eigenes Handeln zugefügten Schaden abzudecken hätte, kommt auch die Feststellung eines solchen Regreßanspruches nicht in Betracht, ohne daß weiters zu erörtern wäre, ob sonst die Voraussetzungen für die begehrte Feststellung vorlägen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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