OGH 7Ob564/89

OGH7Ob564/896.4.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Brigitte L***, Pharmazeutin, Hall in Tirol, Speckbacherstraße 4, vertreten durch Dr. Markus Orgler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1. M*** G*** Wohnungseinrichtungsgesellschaft m.b.H. & Co KG, Innsbruck, Leopoldstraße 1, und 2. M*** R. D*** Gesellschaft m.b.H., 3335 Weyer, Platzergasse 8, beide vertreten durch Dr. Gerald Hauska, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 20.000 S s.A., infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 30. November 1988, GZ. 2 a R 548/88-21, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 8. Juli 1988, GZ. 14 C 3229/87 w-14, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin die mit 3.263,04 S bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung (darin 543,84 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin hat am 28. April 1987 bei der Beklagten unter anderem ein Bett mit einer sogenannten Springaufliege gekauft. Dieses Bett wird von der Zweitbeklagten produziert. Nach der Lieferung des Bettes am 29. Juni 1987 löste sich im Zuge von Reinigungsarbeiten die Springvorrichtung, wodurch der Lattenrost in die Höhe schnellte und die Klägerin verletzte. Wegen dieses Vorfalles begehrt die Klägerin von den Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes 20.000 S s.A.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen und im wesentlichen festgestellt, daß die Klägerin von den Monteuren der Erstbeklagten hinreichend über die Funktionsweise des Sprungmechanismus und dessen Gefahren aufgeklärt worden ist. Das Bett wurde auch fachgemäß montiert.

In rechtlicher Hinsicht gelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, daß den Beklagten ein Verschulden an der Verletzung der Klägerin nicht angelastet werden könne.

Das Berufungsgericht übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen. Es erachtete auch die Aufklärung der Klägerin durch die Monteure der Erstbeklagten als ausreichend, hob jedoch die erstgerichtliche Entscheidung unter Rechtskraftvorbehalt mit der Begründung auf, ein Produkt dürfe für den Käufer keinerlei Gefahren bieten. Es sei daher Sache des Verkäufers bzw. des Produzenten, jegliche Gefahren mit den ihm zumutbaren Mitteln zu beseitigen. Ob eine solche Beseitigung im vorliegenden Fall möglich gewesen wäre, müsse geprüft werden. Sei dies der Fall, so müsse auch ein allfälliges Mitverschulden der Klägerin geprüft werden. Die Bestimmungen des Produkthaftgesetzes seien hier im Hinblick auf den Zeitpunkt des Schadenseintrittes nicht anwendbar.

Rechtliche Beurteilung

Im Hinblick auf den Streitwert durfte im vorliegenden Fall gemäß § 519 Abs. 2 ZPO ein Rechtskraftvorbehalt nur ausgesprochen werden, wenn die Voraussetzungen des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO gegeben sind. Die Entscheidung müßte also von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängen, der zur Wahrheit der Rechtssicherheit, Rechtseinheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.

Für die Beurteilung des vorliegenden Schadensfalles kann gemäß § 19 des Produkthaftgesetzes vom 21. Jänner 1988, BGBl. 89, dieses Gesetz noch nicht angewendet werden, weil das Produkt (Springaufliege) vor seinem Inkrafttreten (1. Juli 1988) in den Verkehr gebracht worden ist. Demnach fehlt es naturgemäß an Entscheidungen über das Produkthaftgesetz. Dies kann aber keinesfalls die Zulässigkeit des vorliegenden Rechtsmittels begründen, weil die Rechtssache nicht nach dem Produkthaftgesetz zu beurteilen ist.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes folgt der Judikatur zu der Frage der Haftung des Produzenten oder Händlers für das von ihm hergestellte bzw. in Verkehr gesetzte Produkt. Diese Haftung des Produzenten ist nach der Lehre von der vertraglichen Schutzpflicht zugunsten Dritter zu lösen. Der Produzent darf nicht Sachen in Verkehr bringen, die technische Mängel aufweisen. Es ist zu fordern, daß der Hersteller seine Erzeugnisse sach- und zweckgerecht konstruiert. Sie müssen im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren fehlerfrei sein, sodaß bei normalem bestimmungsgemäßem Gebrauch keine Schäden auftreten. Auch bei Produkten, die abstrakt generell fehlerfrei sind, aber in individuell konkreten Teilbereichen ihrer Verwendung zur Schädigung führen können (gefahrenträchtige Produkte), kann eine Haftung des Produzenten bestehen (SZ 49/14, EvBl. 1976/168 ua.).

Da das Berufungsgericht, wie dargelegt wurde, der Judikatur in gleichgelagerten Fällen folgt und mangels Anwendbarkeit des Produkthaftgesetzes im konkreten Fall eine Judikatur zu diesem Gesetz nicht geschaffen werden könnte, besteht kein dringender Bedarf an einer weiteren Klärung im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO. Vom Berufungsgericht wurde zwar die Feststellung übernommen, daß die Montage des Bettes einwandfrei erfolgt ist, doch hat das Berufungsgericht die Frage als weiter klärungsbedürftig erachtet, ob mit zumutbaren Mitteln eine Herabminderung der durch die Konstruktion des Bettes bewirkten Gefahren möglich ist oder nicht. Es hat also weiterer Erhebungen über die Sorgfaltspflicht des Herstellers im Einzelfall für notwendig erachtet. Der tatsächliche Umfang der Sorgfaltspflicht des Herstellers ist aber auf den Einzelfall abzustellen (vgl. 3 Ob 539/84). Inwieweit demnach die getroffenen Feststellungen für die abschließende Beurteilung ausreichen, ist eine Angelegenheit des Einzelfalles, die die Zulassung des Rechtskraftvorbehaltes nicht rechtfertigt. Auf die Ausführungen des Rekurses dahin, daß bereits sämtliche technischen Möglichkeiten zur Herbeiführung größtmöglicher Sicherheit ausgeschöpft worden seien, war nicht einzugehen, weil gerade diese in den Tatsachenbereich fallende Frage vom Berufungsgericht als noch klärungsbedürftig erachtet worden ist. Dem kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten.

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO war sohin der Rekurs der Beklagten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Der Klägerin waren Kosten für die Rekursbeantwortung zuzusprechen, weil sie auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen hat.

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