OGH 1Ob519/89

OGH1Ob519/895.4.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Hofmann, Dr.Schlosser und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gert L***, Finanzberater, Wien 4., Rechte Wienzeile 25-27/I/19, vertreten durch Dr.Ernst Schnatke, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Rosa W***, Krankenschwester, Feldkirch, Feldkreuzweg 42 a, vertreten durch Dr.Franz Xaver Gugg, Rechtsanwalt in Wien, wegen Zuhaltung eines Kaufvertrages (Streitwert S 1,000.000,--) infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 21. November 1988, GZ 11 R 228, 229/88-27, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 31. August 1988, GZ 16 Cg 46/87-19 abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird nach Verfahrensergänzung die neuerliche Entscheidung über die Unzuständigkeitseinrede der beklagten Partei aufgetragen. Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Prozeßkosten.

Text

Begründung

Der Kläger, der sich in der Klage und in seiner Parteienvernehmung als Finanzberater bezeichnete, hat die Beklagte in Vermögensangelegenheiten (Abschluß von Lebensversicherungsverträgen, Ankauf von Wertpapieren, Beteiligung an der Firma M*** Wohnungseigentumsgesellschaft mbH - im folgenden kurz: Firma M*** - beraten. Als er erfuhr, daß die Beklagte ihre Liegenschaft EZ 37 KG Feldkirch zu verkaufen beabsichtige, strebte er deren Erwerb an. Er entwarf und übergab an die Beklagte ein schriftliches, unwiderrufliches und verbindliches Anbot zum Kauf dieser Liegenschaft. In diesem Anbot war als Gerichtsstand Wien bestimmt. Dieses Anbot wurde von der Beklagten mit 23. Jänner 1981 unterfertigt.

Mit der Behauptung, er habe das Anbot der Beklagten mit Schreiben vom 22. Juni 1981 angenommen, begehrt der Kläger, die Beklagte schuldig zu erkennen, in die Einverleibung seines Eigentumsrechtes ob der Liegenschaft EZ 37 KG Feldkirch einzuwilligen.

Die Beklagte erhob die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit. Auf das vom Kläger behauptete Rechtsgeschäft sei das Konsumentenschutzgesetz anzuwenden. Der Kläger sei im Zusammenhang mit dem von ihm behaupteten Erwerb der Liegenschaft EZ 37 KG Feldkirch als Unternehmer aufgetreten. Der Kläger habe der Beklagten angeboten, die Revitalisierung des Hauses durch die ihm gehörige Firma M*** als Bauübernehmerin zu veranlassen und alle erforderlichen Schritte zu unternehmen.

Der Kläger erwiderte, er habe die Liegenschaft für sich privat erwerben wollen.

Das Erstgericht verwarf nach abgesonderter Verhandlung die Einrede. Es stellte fest, der Kläger habe die im Alleineigentum der Beklagten stehende Liegenschaft EZ 37 KG Feldkirch für private Zwecke erwerben wollen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten Folge. Es änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurückwies. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteige. Soweit sich der Rekurs gegen Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes wende, übersehe er, daß auf Grund des Unmittelbarkeitsgrundsatzes eine Überprüfung der Beweiswürdigung des Erstgerichtes dann unzulässig sei, wenn es sich um unmittelbar aufgenommene Beweise handle. Zu Recht wende sich die Beklagte aber gegen die Ansicht des Erstgerichtes, das Konsumentenschutzgesetz finde keine Anwendung. Der Kläger sei nach eigenem Vorbringen der Beklagten gegenüber als Finanzberater aufgetreten. Er habe Versicherungsverträge, Kreditverträge und Wertpapiergeschäfte vermittelt. Der Unternehmerbegriff sei weit gefaßt. Das Konsumentenschutzgesetz stelle nicht auf den Begriff des Handelsgewerbes im Sinne des Handelsgesetzbuches ab. Wirtschaftlich tätig und insofern Unternehmer im Sinn des § 1 KSchG sei, wer wirtschaftlich werthafte Leistungen erbringe. Diese Voraussetzungen seien bei jemandem, der einen freien Beruf ausübe, gegenüber seinen Klienten erfüllt. Ein Verbrauchergeschäft liege aber nur vor, wenn es auf Seiten des Unternehmers zum Betrieb seines Unternehmens gehöre. Der Kläger habe zwar behauptet, daß er die strittige Liegenschaft für sich privat habe erwerben wollen; die Formulierungen des von ihm vorbereiteten Anbotes an die Beklagte - gemeint wohl, daß der Kaufpreis (erst) nach Verkauf der einzelnen Einheiten und grundbücherliche Eintragung der Eigentümer zur Zahlung fällig werde - deuteten jedoch eindeutig darauf hin, daß der Kläger die Liegenschaft nicht nur zu privaten Zwecken habe verwenden wollen, sondern gleichsam als Vermittler einzelne Teile dieser Liegenschaft an Dritte habe weiterveräußern wollen. Ein Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Klägers als Finanzberater und der beabsichtigten, offenbar gewinnbringenden Weiterveräußerung von Teilen der Liegenschaft sei evident. Selbst wenn das Geschäft teils zur privaten, teils zur unternehmerischen Sphäre gehöre, sei es zur Gänze als Unternehmensgeschäft zu werten. Da die Beklagte aber jedenfalls Verbraucher sei, habe die Bestimmung des § 14 KSchG auf das vorliegende Rechtsgeschäft Anwendung zu finden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Klägers ist berechtigt.

Stützt sich der Kläger auf eine Zuständigkeitsvereinbarung, so hat er zwar gemäß § 104 JN diese Vereinbarung schon in der Klage urkundlich nachzuweisen, im Falle eines Zuständigkeitsstreites genügt es aber, daß der urkundliche Nachweis vor der Beschlußfassung über die Unzuständigkeitseinrede erbracht wird (SZ 54/10; SZ 53/4 ua, Fasching, Kommentar I 504). Der urkundliche Nachweis kann auch - wie im vorliegenden Fall - dadurch erbracht werden, daß der Kläger die ausdrückliche Vereinbarung durch eine von ihm herrührende und von der Beklagten unterschriebene Urkunde nachweist (SprR 230 = GlUNF 6739; ZBl. 1931/45; Fasching aaO 500; Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 196; Holzhammer, Zivilprozeßrecht2 62). Nach § 14 Abs 1 KSchG kann bei Rechtsgeschäften, die unter § 1 Abs 1 KSchG fallen, durch eine Gerichtsstandvereinbarung nach § 104 JN nur die örtliche Zuständigkeit eines Gerichtes begründet werden, in dessen Sprengel der Verbraucher seinen inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt oder seinen im Inland gelegenen Ort der Beschäftigung hat. Soweit der Kläger ausführt, ein Finanzberater könne kein Unternehmer im Sinne des § 1 Abs 1 KSchG sein, so daß schon aus diesem Grunde § 14 Abs 1 KSchG nicht zur Anwendung gelange, ist ihm nicht zu folgen. Der Unternehmerbegriff des Konsumentenschutzgesetzes ist weit gefaßt. Er stellt nicht auf die Vorschriften des Handelsgesetzbuches ab. Voraussetzung ist nur das Vorliegen eines Unternehmens, d.i. nach § 1 Abs 2 KSchG jede auf Dauer angelegte Organisation selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit, mag sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sein. Welche Art das Ziel des Unternehmens ist, ist irrelevant. Als Unternehmensträger wirtschaftlich tätig sind daher u.a. auch Mitglieder freier Berufe (RZ 1984/59; SZ 55/157; Krejci in Rummel, ABGB, Rz 18 zu § 1 KSchG; Apathy in Schwimann, ABGB, Rz 2 zu § 1 KSchG; Kosesnik-Wehrle, KSchG2 25) sowie alle gewerbsmäßigen Tätigkeiten nach der Gewerbeordnung, auch wenn sie nicht kaufmännischer Natur sind (Kosesnik-Wehrle aaO). Wesentlich ist nur das Vorliegen einer Unternehmensorganisation, in deren Rahmen wirtschaftlich werthafte Leistungen erbracht werden (Krejci aaO Rz 15, 17; ders. im Handbuch zum KSchG 212). Die typischerweise anzunehmende professionale Erfahrung eines selbständig wirtschaftlich Tätigen, die gegenüber einem in dieser Geschäftssparte unerfahrenen Kunden durchschlägt, war Motiv des Gesetzgebers für die Einräumung des Verbraucherschutzes. Unternehmen und Unternehmereigenschaft liegen allerdings nur dann vor, wenn die Organisation auf Dauer angelegt ist. (Krejci aaO Rz 19). Der Kläger irrt, wenn er meint, als Finanzberater tätig könne jeder sein, der Börsenzettel lesen könne, den Inhalt von Versicherungsverträgen kenne und wisse, wie man einen Bankkredit bekomme. Die Tätigkeit eines Finanzberaters, die unter das Berufsbild eines Vermögensberaters fällt, stellt vielmehr gemäß § 103 Abs 1 lit b Z 49 GewO 1973 ein gebundenes Gewerbe dar. Gemäß der Verordnung des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 7. Juli 1978, BGBl. Nr. 368, ist die Befähigung für das gebundene Gewerbe der Vermögensberater durch das Zeugnis über eine erfolgreich abgelegte Prüfung nachzuweisen. Im Rahmen dieser Prüfung sind zur Überprüfung der beruflichen und fachlichen Kenntnisse u.a. Fragen aus der Kredit- und Finanzberatung, der Sparberatung und der Auskunftserteilung über rechtliche und steuerliche Gesichtspunkte der verschiedenen Geldanlagen zu stellen (§ 2 Abs 4 der Verordnung). Ein dem Konsumentenschutzgesetz unterliegendes Rechtsgeschäft liegt allerdings nur dann vor, wenn es zum Betrieb des Unternehmens gehörte. Private Geschäfte, die sich nicht auf die Unternehmenssphäre beziehen, fallen daher nicht unter den Schutzbereich des Konsumentenschutzgesetzes. Wenn auch derjenige, der den Schutz des Konsumentenschutzgesetzes für sich in Anspruch nimmt, nachzuweisen hat, daß er Verbraucher sei (WBl. 1987, 242; SZ 55/51; Krejci in Rummel aaO Rz 44 und im Handbuch aaO 220), ist zur Beurteilung der Frage, ob ein mit einem Verbraucher abgeschlossenes Rechtsgeschäft eines Unternehmers zum Betrieb seines Unternehmens gehörte, die sich aus § 344 HGB ergebende Wertung auch auf das Konsumentenschutzgesetz anzuwenden: Geschäfte, die ein Unternehmer abschließt, gelten im Zweifel als zum Betrieb seines Unternehmens gehörig (Krejci aaO Rz 22, 32). Entgegen den Ausführungen des Rekursgerichtes behauptete aber nicht nur der Kläger, er habe die Liegenschaft der Beklagten für private Zwecke erwerben wollen, sondern es stellte das Erstgericht dies auch ausdrücklich fest. Diese Feststellung traf es aber ohne jegliches sachliches Substrat; der Kläger wurde nicht einmal befragt, welche Zwecke er mit dem Kauf des Hauses verband. Aus dem Inhalt des Anbotes allein kann entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes nicht der Schluß gezogen werden, der Kläger sei bei Kauf des Hauses als Unternehmer im Sinne des Konsumentenschutzgesetzes tätig geworden. Auch ein Privater kann ein Haus mit der Absicht kaufen, es später, sei es renoviert oder nicht, im Ganzen oder nach Begründung von Wohnungseigentum, gewinnbringend wieder zu verkaufen. Diese Tätigkeit gehört jedenfalls nicht zu der eines Finanz- oder Vermögensberaters, hätte der Kläger doch vor allem zum eigenen Nutzen gehandelt. Die Beklagte hat aber in ihrer Klagebeantwortung behauptet, der Kläger habe ihr angeboten, die Renovierung des Hauses durch die ihm gehörige Firma M*** - deren Geschäftsführer der Kläger nach den Eintragungen im Handelsregister war und ist - als "Bauübernehmerin" zu veranlassen. Träfe dies zu, dann hätte der Kläger den Kauf des Hauses in diesem Zusammenhang in den Rahmen seiner wirtschaftlichen gewerbsmäßigen Tätigkeit gestellt; es wäre dann gleichgültig, ob vorerst als Käufer der Kläger oder eine von ihm geleitete Gesellschaft auftrat.

Da das Erstgericht diese wesentlich scheinenden Umstände nicht erörterte, ist sein Verfahren mangelhaft geblieben. Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben, die Entscheidungen der Vorinstanzen sind aufzuheben; dem Erstgericht ist die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung in der aufgezeigten Richtung aufzutragen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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