OGH 10ObS109/89

OGH10ObS109/894.4.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Reinhard Drössler (AG) und Claus Bauer (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Franz W***, ohne Beschäftigung, 6020 Innsbruck, Klappholzstraße 24, vertreten durch Dr.Gerhard Dorer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei P*** DER A***

(Landesstelle Salzburg), 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15.November 1988, GZ 5 Rs 160/88-35, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 30.Juni 1988, GZ 45 Cgs 72/88-30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist richtig (§ 48 ASGG). Ergänzt sei:

Der Kläger würde auch dann als invalid iS des § 255 Abs 3 ASVG gelten, wenn er infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes nicht mehr imstande wäre, einen Arbeitsplatz unter zumutbaren Bedingungen zu erreichen, weil er dann vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen wäre. Dabei kommt es allerdings nicht allein auf die Verhältnisse im Wohnort an, weil ein Versicherter - falls nicht medizinische Gründe entgegenstehen - auch einen Wohnortswechsel anstreben und in Kauf nehmen muß (SSV-NF 1/20 ua). Vom Versicherten ist auch zu verlangen, daß er ein öffentliches Verkehrsmittel benützt, wenn ihm das auf Grund seines körperlichen und geistigen Zustandes zugemutet werden kann.

Nach den Feststellungen kann der Kläger auf dem Weg zum und vom Arbeitsplatz ein öffentliches Verkehrsmittel benützen und vor- und nachher ohne Pause Gehstrecken von jeweils 500 m mit einer Geschwindigkeit von zwei bis drei km/h zurücklegen. Nach einer in den letzten Jahren vom Österreichischen Institut für Raumplanung durchgeführten Untersuchung, deren Ergebnisse in der Schrift "Erreichbarkeitsverhältnisse im Individual- und im öffentlichen Verkehr in Österreich" zusammengefaßt sind, wohnen 73 % der Berufstätigen innerhalb einer Entfernung von 500 m zur nächsten Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels. In Städten über 100.000 Einwohnern, in denen etwa 30 % aller Erwerbstätigen leben, müssen sogar etwa 91 % aller Berufstätigen zwischen der Wohnung und der nächsten Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels höchstens 500 m zurücklegen. In Innsbruck, dem Wohnort des Klägers, beträgt dieser Prozentsatz 91,2, in Salzburg 89,6, in Graz 89,9, in Linz 91,2 und in Wien sogar 94,9. In den angeführten österreichischen Großstädten müssen etwa 95 % der Berufstätigen von der Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels bis zum Arbeitsplatz im Durchschnitt nicht mehr als 500 m zurücklegen. In Innsbruck beträgt dieser Prozentsatz 96,7, in Linz 89,7, in Salzburg 93,6, in Graz 95,4 und in Wien sogar 98,2.

Unter Berücksichtigung dieser aktuellen Verhältnisse auf dem gesamtösterreichischen Arbeitsmarkt ist ein Versicherter davon wegen einer Gehbehinderung dann nicht ausgeschlossen, wenn er ein öffentliches Verkehrsmittel benützen und vorher und nachher unter zumutbaren Bedingungen eine Wegstrecke von jeweils mindestens 500 m bewältigen kann. In einem solchen Fall werden an ihn keine höheren Anforderungen gestellt als an den überwiegenden Teil aller anderen Berufstätigen Österreichs (so zB 10 Ob S 182/88, 10 Ob S 232/88 und 10 Ob S 334/88).

Daß der Kläger nur eine Gehgeschwindigkeit von 2 bis 3 km/h einhalten soll, macht die Wege zwischen der Wohnung bzw vom Arbeitsplatz zur Haltestelle eines Massenverkehrsmittels selbst bei schlechten Witterungsverhältnissen nicht unzumutbar, weil er 500 m in 15 bzw 10 Minuten zurücklegen kann.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte