OGH 8Ob615/88

OGH8Ob615/8816.3.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Maier, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin Hildegard W***, Hausfrau, 9833 Rangersdorf 68, vertreten durch Dr. Franz Zimmermann, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider den Antragsgegner Herbert W***, Maurer, Lobersweg 35, 9841 Winklern, vertreten durch Dr. Robert Gasser, Rechtsanwalt in Lienz, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse infolge Revisionsrekurses beider Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 4. Mai 1988, GZ 3 R 149/88-44, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Spittal/Drau vom 29. Jänner 1988, GZ F 14/84-38, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs des Antragsgegners wird nicht, jenem der Antragstellerin hingegen wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß er einschließlich seiner bestätigten Teile zu lauten hat:

Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin binnen zwei Monaten bei Exekution eine Ausgleichszahlung von S 200.000,-- zu leisten und an Verfahrenskosten aller drei Instanzen den Betrag von S 50.000,-- zu bezahlen.

Das darüber hinausgehende Mehrbegehren und das Eventualbegehren der Antragstellerin wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Parteien schlossen am 26. August 1972 die Ehe, aus welcher die am 30. Dezember 1972 geborene Tochter Claudia und der am 19. September 1974 geborene Sohn Manfred stammen. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 26. Juli 1983, AZ 24 Cg 98/83, wurde die Ehe aus dem Alleinverschulden des Antragsgegners geschieden. Die eheliche Lebensgemeinschaft war bereits Ende September 1982 aufgehoben worden. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Spittal/Drau vom 7. Oktober 1982, GZ F 3/82-3, wurde die Rechtmäßigkeit der gesonderten Wohnungsnahme durch die Antragstellerin gemäß § 92 Abs 1 und 2 ABGB festgestellt. Die beiden ehelichen Kinder befinden sich in Pflege und Erziehung der Antragstellerin. Der Antragsgegner erwarb von seiner Mutter Hildegard G*** mit notariellem Übergabsvertrag vom 5. Jänner 1976 das Eigentum an der 3,66 ha großen land- und forstwirtschaftlich genutzten Liegenschaft vulgo Jessenbauer EZ 175 KG Lainach gegen Einräumung gewisser Ausgedingsrechte. Am 7. September 1982 erschien die Übergeberin beim Bezirksgericht Lienz und behauptete das Vorliegen eines Unvergleichsfalles. Noch am selben Tag kam es zwischen ihr und dem Antragsgegner zur AZ 2 C 1130/82 des Bezirksgerichtes Lienz zum Abschluß eines prätorischen Vergleiches, mit dem der Übergabsvertrag vom 5. Jänner 1976 aufgehoben wurde. Der Antragsgegner gab sodann die Liegenschaft seiner Mutter zurück, die bücherliche Durchführung der Eigentumsrückübertragung erfolgte erst im Jahre 1984 (nach Einleitung des vorliegenden Aufteilungsverfahrens). Am 20. Juli 1984 stellte die Antragstellerin zur Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse den - im Rekursverfahren noch interessierenden - Antrag, dem Antragsgegner eine Ausgleichszahlung von S 300.000,--, zumindest aber eine solche von S 273.234,-- aufzuerlegen, hilfsweise ihr das Eigentumsrecht zu einem Viertel an der Liegenschaft EZ 175 KG Lainach zuzusprechen. Zur Begründung führte sie an, das auf der Liegenschaft befindliche Haus, das als Ehewohnung gedient habe, sei von den Parteien während der Ehe adaptiert und ausgebaut worden, sodaß die begehrte Ausgleichszahlung ihrem Leistungsanteil entspreche. Der Antragsgegner legte zu seinem Antrag auf Abweisung dieser Anträge dar, die Liegenschaft stehe nicht mehr in seinem Eigentum und stelle darüber hinaus ein landwirtschaftliches Unternehmen dar, das einschließlich des darauf befindlichen Hauses nicht der Aufteilung nach den §§ 81 ff EheG unterliege. Zur Finanzierung des Hausumbaues und anderer Baumaßnahmen auf dieser Liegenschaft seien während der Ehe noch nicht zurückbezahlte Kredite in Anspruch genommen worden. Wegen eines zwischen seiner Mutter und der Antragstellerin eingetretenen Unvergleichsfalles und der Tatsache, daß er lange Zeit hindurch die ihm von seiner Mutter gewährten Darlehen nicht zurückbezahlt habe, sei er am 7. September 1982 genötigt gewesen, vergleichsweise in die Aufhebung des Übergabsvertrages einzuwilligen und seiner Mutter die Liegenschaft zurückzugeben.

Das Erstgericht wies die Anträge der Antragstellerin unter gegenseitiger Kostenaufhebung ab. Es stellte weiters fest, daß die Antragstellerin gleich nach der Eheschließung im Jahre 1972 in das noch der Schwiegermutter gehörende Haus eingezogen sei. Während der aufrechten Ehegemeinschaft sei der Antragsgegner durchgehend bei verschiedenen Unternehmen als Maurer beschäftigt gewesen. Die Antragstellerin habe den Haushalt versorgt, die beiden Kinder erzogen und auch in der Landwirtschaft mitgearbeitet. Schon vor der Hofübergabe im Jänner 1976 an den Antragsgegner sei mit der Umgestaltung und dem Ausbau des Wohnhauses und zusätzlicher Garagen begonnen worden. Die Finanzierung sei im wesentlichen aus dem Einkommen des Antragsgegners erfolgt, weiters aus nicht geschenksweise gewährten Zuschüssen der Hildegard G*** in Höhe von rund S 150.000,--, aus dem Verkaufserlös für ein 740 m2 großes Grundstück in Höhe von S 59.200,--, und der Inanspruchnahme von Darlehen in Höhe von S 70.000,-- im November 1979 und S 20.000,-- im April 1982. Im Jahr 1979 habe Hildegard G*** dem Antragsgegner beim Ankauf eines neuen Traktors S 40.000,-- "zugeschossen". In den Jahren 1978/79 habe die Antragstellerin von ihrem Vater 11 bis 12 fm Bauholz erhalten, das zur Gänze für den Hauszubau verwendet worden sei. Beide Ehegatten hätten neben ihren sonstigen Arbeiten am Um- und Ausbau des Hauses auch manuell mitgewirkt. Die Darlehen seien vom Antragsgegner allein (nach der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft) zurückbezahlt bzw. von seiner Mutter anläßlich der Rücknahme der Liegenschaft zur Rückzahlung übernommen worden. Ein vom Antragsgegner im Jahre 1973 für die Anschaffung von Möbeln für die Ehewohnung in Anspruch genommener Kredit in der Höhe von S 30.000,-- habe auch noch zum Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft unberichtigt ausgehaftet. Durch die Baumaßnahmen zwischen dem 5. Jänner 1976 und der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft im September 1982 sei eine Werterhöhung der Liegenschaft von S 347.715,-- eingetreten.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht die Ansprüche der Antragstellerin dahin, daß eheliches Gebrauchsvermögen und eheliche Ersparnisse nach der Aufhebung des Übergabsvertrages am 7. September 1982 im Zeitpunkt der späteren Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft (Ende September 1982) nicht mehr vorhanden gewesen seien und daher nicht aufgeteilt werden könnten. Außerdem stelle die Liegenschaft EZ 175 KG Lainach ein landwirtschaftliches Unternehmen dar, das nach § 82 Abs 1 Z 3 EheG nicht der Aufteilung unterliege.

Infolge Rekurses der Antragstellerin verpflichtete das Rekursgericht in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung den Antragsgegner zu einer Ausgleichszahlung von S 100.000,-- und verfügte ebenfalls die gegenseitige Kostenaufhebung. Es entnahm dabei dem von beiden Parteien insoweit unwidersprochen gebliebenen Sachverständigengutachten, daß die Liegenschaft mit dem Haus samt Nebengebäuden während der aufrechten Lebensgemeinschaft von 1972 bis September 1982 - bis 1986 berechnet - eine Wertsteigerung von S 546.468,-- erfahren habe. In rechtlicher Hinsicht bezog es gemäß § 91 Abs 1 EheG den Wert des Fehlenden, nämlich die durch die Parteien während der Zeit der aufrechten ehelichen Gemeinschaft geschaffene Wertsteigerung des die Ehewohnung bildenden Hauses abzüglich aufgenommener Kredite oder Drittleistungen im Betrag von netto S 200.000,-- in das Aufteilungsverfahren ein und sprach der Antragstellerin die Hälfte davon als Ausgleichszahlung zu. Weiters ließ es den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu.

Mit ihren Revisionsrekursen streben die Antragstellerin die Abänderung der Entscheidung zweiter Instanz im Sinne der Antragsstattgebung, der Antragsgegner deren Abänderung im Sinne völliger Antragsabweisung und Zuspruch seiner halben Verfahrenskosten, allenfalls eines Drittels der Verfahrenskosten an. Beide Teile haben in Revisionsrekursbeantwortungen beantragt, dem Rechtsmittel der Gegenseite jeweils nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragsgegners ist nicht gerechtfertigt, jener der Antragstellerin ist teilweise berechtigt. Zutreffend hat das Gericht zweiter Instanz die Bestimmung des § 91 EheG über den Ausgleich von Benachteiligungen im vorliegenden Fall herangezogen. Danach ist bei der Aufteilung der Wert des Fehlenden miteinzubeziehen, wenn ein Ehegatte ohne ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung des anderen frühestens zwei Jahre vor Einbringung der Scheidungsklage oder der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft eheliches Gebrauchsvermögen oder eheliche Ersparnisse in einer Weise verringert, die der Gestaltung der Lebensverhältnisse der Ehegatten während der ehelichen Lebensgemeinschaft widerspricht. Darunter sind daher solche Vermögensverringerungen zu verstehen, die mit Rücksicht auf die Gestaltung der Lebensverhältnisse bei aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft bedenklich erscheinen und den Verdacht nahelegen, der eine Ehegatte habe sie nur in der Absicht getätigt, den anderen bei der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse zu benachteiligen. Der Nachweis einer tatsächlichen Verschleuderungs- oder Benachteiligungsabsicht ist jedoch nicht erforderlich (EFSlg 51.808). Im vorliegenden Aufteilungsverfahren über den Antrag der Antragstellerin auf Zuerkennung einer Ausgleichszahlung ist daher so vorzugehen, als ob der Antragsgegner die in seinem Eigentum gestandene Liegenschaft nicht vergleichsweise an seine Mutter rückübertragen hätte, und im Sinne der Aufteilungsanträge - zumindest - die von beiden Ehegatten während der aufrechten ehelichen Lebensgemeinschaft geschaffene Werterhöhung dieser Liegenschaft in Ansatz zu bringen. Zutreffend hat nämlich weiters auch das Rekursgericht dargelegt, daß das von der Werterhöhung betroffene Haus samt Nebengebäuden, das als Ehewohnung in Benützung beider Parteien gestanden war, auch dann dem Aufteilungsverfahren unterfällt, wenn es Bestandteil eines landwirtschaftlichen Unternehmens ist (§ 82 Abs 2 EheG; EFSlg 51.741, 51.742).

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, daß der festgestellten und auch vom Rekursgericht zutreffend ab 1972 ermittelten Wertsteigerung des die seinerzeitige Ehewohnung darstellenden Hauses samt Nebengebäuden von rund S 550.000,-- die folgenden Beträge als Fremdleistungen oder Kredite, die noch zurückzuzahlen sind, gegenüberzustellen sind: S 59.200,-- (aus dem Verkauf eines Ackers aus der Landwirtschaft), S 70.000,-- (Agrarinvestitionskredit beim Raiffeisenverband Kärnten, von der Mutter bei der Rücknahme der Liegenschaft übernommen, verwendet für die Errichtung des Dachstuhls), Zuwendungen der Mutter in Höhe von S 90.000,-- (nämlich S 40.000,-- für die Fenstersanierung, S 20.000,-- für die Balkone, S 20.000,-- für die Doppelgarage und S 10.000,-- für eine Klärgrube; die in diesem Zusammenhang vom Erstgericht festgestellten weiteren S 60.000,-- Darlehen der Mutter an den Antragsgegner fanden selbst nach den Feststellungen nicht für eine Werterhöhung des Hauses und der Nebengebäude bewirkende Zwecke Verwendung). Dazu kommt noch ein Kredit von S 30.000,-- bei der Kärntner Sparkasse. Demgegenüber hat die Antragstellerin von ihrer Seite Bauholz im Wert von rund S 15.000,-- eingebracht. Zur Ermittlung der jeweiligen Anteile der aufgezeigten Leistungen im Zusammenhang mit den von beiden Parteien unbestrittenermaßen aufgewendeten Geldern und Arbeitsmühen ist aber davon auszugehen, daß eine bloße zahlenmäßige Substraktion der aufgelisteten Aufwendungen vom festgestellten Werterhöhungsbetrag nicht den wahren Betrag dieser Fremdleistungen zur entsprechenden Werterhöhung wiedergeben kann. Geht man nämlich davon aus, daß die betragsmäßigen Aufwendungen für den Aus- und Umbau des Hauses samt Nebengebäuden erfahrungsgemäß nicht gleich hohen Wertsteigerungen entsprechen, erweist sich zur Ermittlung der Nettowerterhöhung des Hauses - im Gegensatz zur diesbezüglichen Sachbeurteilung durch das Rekursgericht - ein höherer Ansatz als der sich aus der bloßen Substraktion ergebende Betrag gerechtfertigt. Es entspricht angesichts der gesamten vorliegenden Umstände nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes der Billigkeit, ihr eine mit 50 % der Nettowerterhöhung bemessene Ausgleichszahlung von S 200.000,-- zuzuerkennen. Dafür spricht auch die Erwägung, daß die Antragstellerin mit den beiden ehelichen Kindern die Ehewohnung nur mit einem Teil der Fahrnisse verlassen hat, während der Antragsgegner - wenn auch offiziell eigentumslos - die ehelichen Errungenschaften faktisch weiterhin genießen kann.

Angesichts der nicht zuletzt wegen des großen Verfahrensaufwandes übermäßigen Verfahrensdauer erscheint es nicht angemessen, dem Antragsgegner zur Erfüllung des berechtigten Ausgleichszahlungsanspruches der Antragstellerin eine längere als zweimonatige Zahlungs-(=Geldbeschaffungs-)frist oder Ratenzahlung zu gewähren, da er während der langen Dauer des Verfahrens wegen der ihm bekannten Forderungen der Antragstellerin entsprechende Vorsorge in Form von Rücklagenbildung treffen konnte.

Aus den dargelegten Gründen war daher dem Revisionsrekurs der Antragstellerin teilweise wie im Spruch Folge zu geben und das zuletzt aufrecht erhaltene Mehrbegehren abzuweisen. Ein Zuspruch von ideellen Anteilen der nicht mehr im Eigentum des Antragsgegners stehenden Liegenschaft kommt bei dieser Sach- und Rechtslage nicht in Betracht. Dem Revisionsrekurs des Antragsgegners war dagegen nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 234 AußStrG. Dem Obersten Gerichtshof erscheint es billig, der doch mit einem großen Teil ihrer Ansprüche durchdringenden Antragstellerin zur Erleichterung des auch sie besonders treffenden hohen Verfahrensaufwandes einen Beitrag von S 50.000,-- zu den Kosten des gesamten Verfahrens zuzusprechen.

Der Antragsgegner wird mit seiner mit dem Eventualantrag vorgenommenen, für sich allein unzulässigen (JBl 1981, 429; 6 Ob 551/88 u.a.m.) Kostenanfechtung auf diese Entscheidung verwiesen.

Stichworte