OGH 2Ob32/89

OGH2Ob32/8914.3.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel, Dr.Melber, Dr.Kropfitsch und Dr.Graf als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*** Handels- und Transport Gesellschaft m.b.H., Kemating 33, 4661 Roitham, vertreten durch Dr.Johannes Kirschner, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei I*** U***- UND S***-AG,

Tegetthoffstraße 7, 1011 Wien, vertreten durch Dr.Otto Holter und Dr.Gerald Wildfellner, Rechtsanwälte in Grieskirchen, wegen S 116.614,70 sA (Revisionsstreitwert S 39.158,27), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 12.April 1988, GZ 4 R 280/87-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 22.Juni 1987, GZ 2 Cg 140/87-16, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

1) Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Abweisung des Klagebegehrens mit einem Betrag von S 13.339,47 samt 9 % Zinsen seit 12. Juli 1986 richtet, zurückgewiesen.

2) Im übrigen wird der Revision teilweise Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung insgesamt wie folgt zu lauten hat:

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 87.461,02 samt 9 % Zinsen seit 12.Juli 1986 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Das Mehrbegehren der klagenden Partei auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 29.153,68 samt 9 % Zinsen seit 12.Juli 1986 wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei an Kosten des Verfahrens in erster Instanz den Betrag von S 17.792,37 (darin Barauslagen von S 9.238,50 und Umsatzsteuer von S 777,62) und an Kosten des Berufungsverfahrens den Betrag von S 2.641,10 (darin Umsatzsteuer von S 240,10, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen. Ein Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens findet nicht statt.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 7.Februar 1986 ereignete sich gegen 20 Uhr auf der Innviertler-Bundesstraße 137 bei Mauer ein Verkehrsunfall, an dem Johann R*** als Lenker eines Sattelkraftfahrzeuges der Klägerin, bestehend aus dem Sattelzugfahrzeug mit dem Kennzeichen O-423.355 und dem Sattelanhänger mit dem Kennzeichen O-363.321, und Peter J*** als Halter und Lenker des PKW mit dem Kennzeichen O-404.533 beteiligt waren. Die Beklagte ist der Haftpflichtversicherer des letztgenannten Kraftfahrzeuges. J*** fuhr mit seinem PKW in Richtung Wels, hielt rechts der Fahrbahn der Bundesstraße auf einem landwirtschaftlichen Zufahrtsweg an und wollte anschließend auf der Bundesstraße umkehren. Dabei wurde der PKW von dem in Richtung Wels fahrenden Sattelkraftfahrzeug der Klägerin gerammt. Bei diesem Verkehrsunfall wurde der PKW-Lenker J*** getötet; die beiden beteiligten Fahrzeuge wurden beschädigt. In dem gegen ihn zu 13 E Vr 389/86 des Kreisgerichtes Wels wegen dieses Verkehrsunfalls eingeleiteten Strafverfahren wurde R*** rechtskräftig freigesprochen.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte die Klägerin aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von S 116.614,70 sA (Reparaturkosten S 86.631,-- und Verdienstentgang S 29.983,70). Dem Grunde nach stützte sie ihr Begehren im wesentlichen auf die Behauptung, das Alleinverschulden an diesem Verkehrsunfall treffe den PKW-Lenker J***, weil er unter Mißachtung des Vorranges des Sattelkraftfahrzeuges der Klägerin von einem landwirtschaftlichen Zufahrtsweg in die Bundesstraße eingefahren sei, um dort ein Wendemanöver durchzuführen. Der Lenker des Sattelkraftfahrzeuges der Klägerin habe trotz eines sofort eingeleiteten Brems- und Ausweichmanövers den Zusammenstoß nicht verhindern können. Die Beklagte wendete dem Grunde nach im wesentlichen ein, daß den Lenker des Sattelkraftfahrzeuges der Klägerin ein wesentliches Mitverschulden treffe, weil er eine Geschwindigkeit von über 80 km/h eingehalten und verspätet und unrichtig reagiert habe. Bei Einhaltung der gemäß § 78 Abs 1 KDV zulässigen Geschwindigkeit von 70 km/h durch den Lenker dieses Sattelkraftfahrzeuges wäre eine Kollision der beiden Fahrzeuge unterblieben. Überdies habe er es unterlassen, rechtzeitig ein akustisches Warnsignal abzugeben. Die Höhe der von der Klägerin behaupteten Schadenersatzansprüche wurde bestritten.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von S 103.275,23 sA und wies das auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 13.339,47 sA gerichtete Mehrbegehren der Klägerin ab.

Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Die Innviertler-Bundesstraße 137 weist im Bereich der Unfallstelle bei Km 10,8 eine asphaltierte Fahrbahnbreite von etwa 7,5 m auf. Sie beschreibt - in Richtung Wels gesehen - vor dem Unfallstellenbereich einen Linksbogen; dort ist sie rechtsseitig durch eine Leitschiene begrenzt. Linksseitig befindet sich dort eine sichtbehindernde Böschung. Ab dem Scheitelpunkt der Linkskurve bzw aus einer Entfernung von 200 m zum Unfallstellenbereich besteht uneingeschränkte Sicht auf die Unfallstelle und noch über etwa 250 m darüber hinaus. An diese Linkskurve schließt eine langgezogene Rechtskurve an, die schließlich wieder in eine Linkskurve übergeht. Die Fahrbahn weist im Unfallstellenbereich ein Längsgefälle von etwa 5 % und ein Quergefälle zum rechten Fahrbahnrand (in Richtung Wels gesehen) von etwa 4 % auf. Im Bereich des Straßenkilometers 10,8 schließt (in Richtung Wels gesehen) rechtsseitig an die Bundesstraße eine etwa 10 m lange asphaltierte Trichtereinfahrt an, die in einen etwa 4 m breiten Feldweg übergeht. Links der Bundesstraße befindet sich - gegenüber dem rechtsseitigen Trichter um etwa 3,5 m in Richtung Grieskirchen versetzt - gleichfalls ein asphaltierter Trichter von etwa 8 m Länge, der in einen Zufahrtsweg übergeht. Der Unfallstellenbereich befindet sich im Freilandgebiet. Zur Unfallszeit herrschte Dunkelheit; die Fahrbahn war trocken. Johann R*** lenkte das Sattelfahrzeug der Klägerin auf der Innviertler-Bundesstraße aus Richtung Grieskirchen kommend in Richtung Wels. Er hielt bei Annäherung an die Unfallstelle eine Geschwindigkeit von etwa 81 km/h ein. Als er sich der Unfallstelle auf etwa 150 m genähert hatte, wurde er erstmals auf den PKW des Peter J*** aufmerksam. Dieser hatte sein Fahrzeug zumindest 0,5 m außerhalb der Fahrbahn der Bundesstraße auf dem rechts der Bundesstraße befindlichen Einmündungstrichter - mit der Front in Richtung Wels weisend - fahrbahnparallel zur Bundesstraße abgestellt. Er hatte die Absicht, auf der Bundesstraße ein Wendemanöver durchzuführen. Als sich das Sattelfahrzeug der Klägerin der Unfallstelle bereits auf etwa 75 m genähert hatte, setzte J*** etwa 3,5 Sekunden vor der Kollision seinen PKW normal auf etwa 10 km/h beschleunigend in Bewegung und versuchte, unter Einhaltung des minimalsten Wendekreises die entgegengesetzte Fahrtrichtung zu gewinnen.

R*** begann etwa 3 Sekunden vor der Kollision das Sattelfahrzeug auf die linke Fahrbahnhälfte zu verlenken; überdies betätigte er die Lichthupe und gab ein akustisches Warnsignal. Etwa 2,3 Sekunden vor der Kollision bzw 50 m vor der Unfallstelle entschloß sich R***, ein Vollbremsmanöver einzuleiten. Dennoch kam es in der Folge auf der linken Fahrbahnhälfte (in Richtung Wels gesehen) der Bundesstraße zur Kollision zwischen der Vorderfront des Sattelzugfahrzeuges und dem linken vorderen Kotflügel bzw der linken Vordertür des PKW, wobei die Fahrzeuglängsachsen einen Winkel von 90 bis 115 Grad bildeten. Im Zeitpunkt der Kollision hielt das Sattelkraftfahrzeug eine Geschwindigkeit von etwa 64 km/h und einen Seitenabstand von 1 bis 1,5 m zum linken Asphaltrand der Bundesstraße ein. Der PKW war mit seinem rechten Vorderrad etwa 1,8 m vom linken Fahrbahnrand der Bundesstraße (in Richtung Wels gesehen) entfernt und wies eine Schrägstellung von maximal 15 Grad zur Querachse der Bundesstraße in Richtung Grieskirchen auf.

Die ersten 2 m bzw 1,4 Sekunden des Wendemanövers des PKW waren für den Lenker des Sattelkraftfahrzeuges nicht auffällig. Hätte R*** eine Ausgangsgeschwindigkeit von 70 km/h eingehalten, wäre es ihm bei gleicher Reaktion möglich gewesen, seine Fahrgeschwindigkeit bis zur Kollision auf 45 km/h zu verringern. Es wäre aber dennoch zur Kollision mit dem PKW gekommen. Allerdings hätte sich die Anstoßwucht auf die Hälfte reduziert. Bei der Kollision wurde das Zugfahrzeug der Klägerin beschädigt. Es wurde in der Werkstätte der Klägerin unter Verwendung von Neuteilen repariert. Der Klägerin entstanden dadurch Arbeitskosten von S 18.820,--, Lackierungskosten von S 4.800,-- und Materialkosten von S 70.411,--. Als Ausgleich für den Austausch von gebrauchten Verschleißteilen durch Neuteile ist ein Abzug von S 7.400,-- gerechtfertigt. Die Reparatur des Fahrzeuges nahm 10 Tage in Anspruch.

Bei einer Anstoßgeschwindigkeit von 45 km/h wäre die Stauchung des rechten vorderen Fußraumes des Sattelzugfahrzeuges geringer gewesen. In diesem Fall wären zur Reparatur ein Arbeitsaufwand von S 15.520,--, Materialkosten von S 63.369,90 sowie unveränderte Lackierungskosten von S 4.800,-- erforderlich gewesen. Die reparaturbedingte Stehzeit hätte in diesem Fall 9 Tage gedauert. Durch die reparaturbedingte zehntägige Stehzeit des bei dem Unfall beschädigten Sattelzugfahrzeuges entstand der Klägerin ein Verdienstentgang von S 29.983,70. Hätte die Stehzeit nur 9 Tage gedauert, hätte der Verdienstentgang S 26.985,33 betragen. Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß J*** entgegen § 19 Abs 3 bzw Abs 6 StVO von einem Feldweg in die Vorrangstraße eingefahren sei und hiedurch den Vorrang des Fahrzeuges der Klägerin verletzt habe. R*** habe mit dem von ihm gelenken Sattelkraftfahrzeug die nach § 58 Abs 1 KDV zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h überschritten. Bei Einhaltung einer Ausgangsgeschwindigkeit des Sattelkraftfahrzeuges von 70 km/h wäre die Kollision zwar nicht unterblieben, doch wären ihre Folgen geringer gewesen. Gegenüber der gravierenden Vorrangverletzung des PKW-Lenkers trete die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit durch den Lenker des Sattelkraftfahrzeuges um 10 km/h in den Hintergrund, sodaß sie bei der Schadensausgleichung (§ 11 Abs 1 EKHG) vernachlässigt werden könne. Es sei daher die Beklagte verpflichtet, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der auch dann eingetreten wäre, wenn der Lenker des Fahrzeuges der Klägerin die zulässige Geschwindigkeit eingehalten hätte.

Diese Entscheidung des Erstgerichtes blieb in ihrem klagsabweisenden Teil unangefochten; sie wurde nur in ihrem klagsstattgebenden Teil im Umfang des Zuspruches eines Betrages von S 52.415,30 sA von der Beklagten mit Berufung bekämpft. Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht diesem Rechtsmittel teilweise Folge. Es änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es der Klägerin einen Betrag von S 77.456,43 sA zusprach und ihr auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 39.158,27 sA gerichtetes Mehrbegehren abwies. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht zulässig sei.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und führte rechtlich im wesentlichen aus, R*** habe anhand der Ausgangsposition des PKW und dessen geringer Ausgangsgeschwindigkeit zunächst annehmen können, daß der PKW noch an der Fluchtlinie der Bundesstraße anhalten werde. Schlimmstenfalls habe er zunächst davon ausgehen müssen, daß sich der PKW in den fließenden Verkehr auf der Bundesstraße einordnen werde, und zwar in der auch vom Sattelkraftfahrzeug eingehaltenen Fahrtrichtung. Der sich daraus ergebenden Vorrangverletzung habe R*** unverzüglich und ausreichend dadurch begegnet, daß er den PKW-Lenker sowohl akustisch als auch optisch gewarnt und das Sattelkraftfahrzeug nach links verlenkt habe, was bei einem bloßen Einordnen des PKW in den fließenden Verkehr zu einem Überholen durch das Sattelkraftfahrzeug geführt hätte. R*** habe zunächst nicht damit rechnen müssen, daß sich an die allfällige Vorrangverletzung ein stets gefährliches und daher äußerste Sorgfalt erforderndes Umkehrmanöver anschließen werde. Erst als für ihn erkennbar geworden sei, daß der PKW-Lenker auf der Bundesstraße umzukehren beabsichtigte, sei eine Bremsung des Sattelkraftfahrzeuges erforderlich gewesen. Demgemäß könne in Übereinstimmung mit dem Ersturteil von einer verspäteten Reaktion des Lenkers des Sattelkraftfahrzeuges nicht gesprochen werden. Es könne ihm auch nicht vorgeworfen werden, daß er unrichtig reagiert habe.

Übrig bleibe der Verstoß des Lenkers des Sattelkraftfahrzeuges der Klägerin gegen § 58 Abs 1 KDV insoweit, als er statt mit maximal 70 km/h tatsächlich mit einer Geschwindigkeit von 81 km/h gefahren sei. Damit habe er ein Schutzgesetz im Sinne des § 1311 ABGB verletzt.

Dem stehe bei der gemäß § 11 Abs 1 EKHG vorzunehmenden Verschuldensabwägung das grob verkehrswidrige Verhalten des PKW-Lenkers J*** gegenüber. Das Einfahren aus dem Einmündungstrichter des Weges in die Fahrbahn der Bundesstraße stelle sich als Vorrangverletzung im Sinne des § 19 Abs 3, 6 und 7 StVO dar. Dazu komme, daß das Umkehren (§ 14 StVO) stets ein gefährliches, äußerste Vorsicht erforderndes Fahrmanöver darstelle. Schon ein Verstoß gegen § 14 StVO wiege, ähnlich wie eine Vorrangverletzung, schwerer als die Einhaltung einer überhöhten Geschwindigkeit.

Im vorliegenden Fall scheide im Hinblick auf das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung des Lenkers des Sattelkraftfahrzeuges und die Größe der von diesem Verstoß ausgehenden Gefahr eine Vernachlässigung des Mitverschuldens des Lenkers des Sattelkraftfahrzeuges aus. Das Berufungsgericht erachte ein Mitverschulden des Lenkers des Sattelkraftfahrzeuges im Ausmaß von einem Viertel als angemessen.

In diesem Sinne sei der Berufung der Beklagten teilweise Folge zu geben.

Seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision (hinsichtlich des abändernden Teiles seiner Entscheidung) begründete das Berufungsgericht damit, daß die Beurteilung der Schadensanteile nach den konkreten Umständen des Einzelfalls nicht die Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO erfordere. Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin. Sie bekämpft sie (in ihrem klagsabweisenden Teil) aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben werde; hilfsweise beantragt sie die Abänderung des angefochtenen Urteils dahin, "daß die Klagsforderung im Betrage von S 87.461,02 zu Recht besteht".

Die Beklagte, der gemäß § 508a Abs 2 ZPO die Beantwortung der Revision freigestellt wurde, hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die vorliegende Revision ist zunächst insoweit als unzulässig zurückzuweisen, als sie sich gegen die Abweisung des Klagebegehrens mit einem Betrag von S 13.339,47 samt 9 % Zinsen seit 12.Juli 1986 richtet, weil in diesem Umfang die Entscheidung des Erstgerichtes als unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist.

Die in der Revision der Klägerin aufgeworfene Frage der Verschuldensteilung im vorliegenden Einzelfall bzw die in ihrem Rechtsmittel behandelte Frage, ob die dem Lenker ihres Sattelkraftfahrzeuges anzulastende Geschwindigkeitsüberschreitung bei der Verschuldensteilung zu vernachlässigen ist oder nicht, ist keine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO, weil ihre Lösung ausschließlich von den besonderen Umständen des vorliegenden Einzelfalls abhängt; eine wesentliche Verkennung der Rechtslage ist in diesem Zusammenhang dem Berufungsgericht nicht anzulasten. Die diesbezüglichen Rechtsmittelausführungen der Klägerin vermögen somit die Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision nicht zu begründen; auf sie ist nicht sachlich einzugehen.

Mit Recht zeigt die Klägerin aber insoweit die unrichtige Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechtes, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt (§ 502 Abs 4 Z 1 ZPO), durch das Berufungsgericht auf, als dieses im Rahmen der von ihm vorgenommenen Schadensteilung im Sinne des § 11 Abs 1 letzter Satz EKHG jenen Schaden entsprechend kürzte, der der Klägerin entstanden wäre, wenn sich der Lenker ihres Sattelkraftfahrzeuges verkehrsordnungsgemäß verhalten hätte. Während es bei der Schadensaufteilung zwischen mehreren Schädigern nach der Vorschrift des § 1302 erster Satz ABGB auf den von jedem Schädiger verursachten Anteil am Schaden ankommt, ist im Fall der Schadensteilung zwischen Schädiger und Geschädigtem im Sinne des § 1304 ABGB (§ 11 Abs 1 letzter Satz EKHG) grundsätzlich das Gewicht der in Betracht kommenden Zurechnungskriterien entscheidend (vgl SZ 18/142; SZ 25/287; EvBl 1980/112 uva). Es erübrigt sich im vorliegenden Fall, auf die von Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1304 unter Berufung auf Jabornegg in ZVR 1983, 194 vertretene Lehrmeinung einzugehen, daß ein Mitverschulden des Geschädigten bei einer derartigen Schadensteilung nur insoweit zu berücksichtigen sei, als es für einen bestimmten Teil des ihm entstandenen Schadens ursächlich war. Ihre Anwendung in der Praxis dürfte in der Regel daran scheitern, daß nur höchst selten mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden kann, welcher ziffernmäßig bestimmte Teil eines eingetretenen Schadens auf ein bestimmtes Fehlverhalten eines Beteiligten zurückzuführen ist. Nach den im vorliegenden Fall getroffenen Feststellungen würde die praktische Anwendung dieser Lehrmeinung dazu führen, daß die Beklagte jenen Teil des der Klägerin entstandenen Schadens, der auch dann entstanden wäre, wenn der Lenker ihres Sattelkraftfahrzeuges die erlaubte Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten hätte, zur Gänze zu ersetzen hätte, während nur die Differenz zwischen diesem Teil des Schadens und dem der Klägerin tatsächlich entstandenen Schaden entspechend der vorgenommenen Verschuldensteilung verhältnismäßig zu kürzen wäre. Allein dies will die Klägerin mit ihrem Rechtsmittel gar nicht erreichen; sie strebt nur an, daß der gesamte ihr entstandene Schaden entsprechend dem sich aus der vorzunehmenden Verschuldensteilung ergebenden Verhältnis gekürzt wird und nicht nur jener Teil dieses Schadens, der auch bei verkehrsordnungsgemäßem Verhalten des Lenkers ihres Sattelkraftfahrzeuges eingetreten wäre. Damit ist die Klägerin zweifellos im Recht, denn die Berechnungsmethode des Berufungsgerichtes, das der Klägerin nur den der vorgenommenen Verschuldensteilung entsprechenden Teil jenes Schadens zusprach, den sie auch erlitten hätte, wenn der Lenker ihres Fahrzeuges die erlaubte Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten hätte, vernachlässigt jedenfalls, daß das dem Versicherungsnehmer der Beklagten anzulastende Fehlverhalten nicht nur für jenen Teil des Schadens der Klägerin, sondern für den gesamten ihr entstandenen Schaden kausal war.

Daran ändert nichts, daß die schon vom Erstgericht vorgenommene Art der Ermittlung der Höhe des der Klägerin zu ersetzenden Schadens weder in der Berufung der Beklagten (die dadurch nicht beschwert war) gerügt wurde, noch die Klägerin ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Erstgerichtes erhob oder in ihrer Berufungsbeantwortung auf diesen dem Erstgericht unterlaufenen Fehler hinwies; es handelt sich hier ausschließlich um eine Frage der rechtlichen Beurteilung des festgestellten Sachverhalts, die das Berufungsgericht bei gehörig ausgeführter

Rechtsrüge - selbstverständlich nur im Rahmen der gestellten Rechtsmittelanträge - jedenfalls von Amts wegen zu lösen hatte. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen erlitt die Klägerin bei dem hier in Frage stehenden Verkehrsunfall folgenden Schaden:

1) Reparaturkosten

Arbeitskosten für die Reparatur S 18.820,--

Lackierungskosten S 4.800,--

Materialkosten S 70.411,--

S 94.031,--

Abzug neu für alt S 7.400,--

S 86.631,--

2) Verdienstentgang S 29.983,70

S 116.614,70

Entsprechend der vorgenommenen Schadensteilung hat die Beklagte der Klägerin jedenfalls drei Viertel dieses Schadens, also einen Betrag von S 87.461,02, zu ersetzen. In diesem Umfang erweist sich somit das Klagebegehren als berechtigt; das Mehrbegehren der Klägerin ist abzuweisen.

In diesem Sinne waren in Stattgebung des in der außerordentlichen Revision der Klägerin gestellten Eventualantrages die Urteile der Vorinstanzen abzuändern.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens in erster Instanz beruht auf § 43 Abs 1 ZPO, die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf den §§ 43 Abs 1, 50 ZPO.

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