OGH 7Ob534/89

OGH7Ob534/899.3.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Dr.Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Heinrich S***, Rechtsanwalt in Zell am See, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Roland R***, Gastwirt, Hinterglemm Nr. 325, wider die beklagten Parteien

1.) M*** & R*** Gesellschaft m.b.H., Hinterglemm Nr. 325, und 2.) S***-F***-G*** Gesellschaft m.b.H., Hinterglemm Nr. 325, beide vertreten durch Dr.Friedrich Frühwald, Rechtsanwalt in Wien, wegen Anfechtung (Streitwert 500.000 S), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 15. November 1988, GZ 4 R 102/88-12, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 15. Jänner 1988, GZ 8 a Cg 42/87-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die mit 19.049,58 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 3.174,93 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Über das Vermögen des Roland R*** wurde mit Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 22. April 1987, S 27/87, der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Der Gemeinschuldner und Beate M*** gründeten mit Vertrag vom 31. Juli 1986 die Erstbeklagte, wobei der Gemeinschuldner eine Stammeinlage von 5.000 S übernahm und zum alleinigen Geschäftsführer bestellt wurde.

Mit einem weiteren Vertrag vom 31. Juli 1986 bildeten der Gemeinschuldner und Elisabeth W*** die Zweitbeklagte, von der der Gemeinschuldner ebenfalls eine Stammeinlage von 5.000 S übernahm und in der er zum alleinigen Geschäftsführer bestellt wurde. Am 28. August 1986 schloß der Gemeinschuldner mit der Erstbeklagten einen Unternehmenspachtvertrag betreffend den auf seiner Liegenschaft EZ 414 KG Hinterglemm befindlichen Restaurantbetrieb samt Anlage- und Umlaufvermögen. Der jährliche Pachtzins betrug 120.000 S. Der Pachtvertrag kann unter Einhaltung einer Frist von 10 Jahren erstmals zum 15. August 2085 oder eines späteren Jahres gekündigt werden, dessen Endzahl 0 oder 5 lautet. Ferner wurde der Pächterin ein Vorkaufsrecht eingeräumt. Am gleichen Tag schloß die Erstbeklagte mit der Zweitbeklagten einen Betriebsunterpachtvertrag betreffend das erwähnte Unternehmen, wobei als jährlicher Pachtzins 144.000 S vereinbart wurden. Hier wurde eine Kündigungsfrist von 6 Monaten jeweils zum Ende eines jeden Kalenderjahres vereinbart. Im übrigen folgt dieser Unterpachtvertrag dem oben genannten Pachtvertrag, der Bestandteil des Unterpachtvertrages wurde.

Ob der Liegenschaft EZ 414 KG Hinterglemm waren eine Reihe von Pfandrechten einverleibt. Am 4. März 1986 wurde zu E 10.018/86 des Bezirksgerichtes Zell am See die Zwangsversteigerung dieser Liegenschaft bewilligt. In diesem Verfahren betrug der Schätzwert einschließlich des Zubehörs 8,607.355 S. Als geringstes Gebot waren 5 Mio S angegeben. Der vorläufige Lastenstand wurde mit 9,953.300 S festgestellt. Nachdem zahlreiche betreibende Gläubiger eine Einstellungserklärung abgegeben hatten, wurde ein Versteigerungstermin für den 2. Februar 1988 anberaumt. Mit den im eigenen Namen und namens der beiden Beklagten abgeschlossenen Pacht- und Unterpachtverträgen beabsichtigte der Gemeinschuldner, die Liegenschaft praktisch unverwertbar zu machen. Tatsächlich führte dies dazu, daß der Großteil der betreibenden Gläubiger im Exekutionsverfahren Einstellungserklärungen abgeben. Die Vorinstanzen habe dem auf § 28 KO gestützten Anfechtungsbegehren bezüglich der beiden Pachtverträge mit der Begründung stattgegeben, es müsse von der Befriedigungstauglichkeit der Anfechtung deshalb ausgegangen werden, weil sich aus den im Exekutionsakt erliegenden Schuldscheinen und Pfandurkunden im Zusammenhang mit den Pfandrechtseinverleibungen ergebe, daß zumindest bezüglich eines Teiles der Pfandgläubiger auch eine persönliche Haftung des Gemeinschuldners bestanden habe. Diese Pfandgläubiger hätten daher auch, unbeschadet ihrer Absonderungsrechte, die Stellung als Konkursgläubiger bezüglich des Ausfalles. Demnach hätte jede negative Einflußnahme des Gemeinschuldners auf die mit zahlreichen Pfandrechten belastete Liegenschaft zumindest indirekt Auswirkungen auf die Konkursmasse und die Konkursgläubiger. Die Überbelastung der Pfandliegenschaft stehe im vorliegenden Fall einer Anfechtung der Bestandverträge nicht entgegen.

Da offenkundig sei, daß eine mit einem Bestandvertrag belastete Liegenschaft grundsätzlich schlechter verwertbar sei als eine nur vom Eigentümer und seinen Angehörigen benützte, was sich schon aus dem Umstand ergebe, daß der Ersteher gegen den Gemeinschuldner direkt Exekution führen könne, gegen einen Bestandnehmer aber erst einen Räumungstitel erwirken müsse, er also zunächst an den Bestandvertrag gebunden sei, und im vorliegenden Fall der Gemeinschuldner bei der Vermietung oder Verpachtung zumindest mit dolus eventualis gehandelt habe, sei das Anfechtungsbegehren gerechtfertigt. Da der Gemeinschuldner zugleich der Geschäftsführer der beiden Bestandnehmer gewesen sei, sei auch bezüglich dieser beiden von einer Kenntnis der Benachteiligungsabsicht auszugehen. Das Berufungsgericht hat ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes bezüglich beider angefochtenen Verträge jeweils 300.000 S übersteigt.

Rechtliche Beurteilung

Die von den Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen § 503 Abs. 1 Z 2 und 4 ZPO erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Mit der Mängelrüge wenden sich die Beklagten zum Großteil gegen angebliche Mängel des erstgerichtlichen Verfahrens, deren Vorliegen vom Berufungsgericht verneint worden ist. Das Wiederholen derartiger erstgerichtlicher Verfahrensmängel in der Revision ist jedoch unzulässig (SZ 27/4, EvBl 1969/263 ua).

Was die Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens zur Überprüfung der Angemessenheit des vereinbarten Pachtzinses sowie der Gründe für die Einstellungserklärungen mehrerer Gläubiger im Exekutionsverfahren anlangt, handelt es sich hiebei in Wahrheit um eine Rechtsrüge, weil das Berufungsgericht die Unterlassung derartiger Verfahrensschritte durch das Erstgericht aus rechtlichen Erwägungen gebilligt hat. Der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes ist aus folgenden Gründen beizupflichten:

Richtig ist, daß allen Anfechtungstatbeständen nach der Konkursordnung - zum Teil unausgesprochen - das Erfordernis der Gläubigerbenachteiligung zugrunde liegt (SZ 59/114, SZ 57/87 ua). Die Benachteiligung eines Gläubigers ist immer dann gegeben, wenn ohne das geschlossene Rechtsgeschäft bzw durch dessen Rückgängigmachung für den Gläubiger eine bessere Lage geschaffen wäre (EvBl 1966/285, WBl 1987, 158 ua). Für die Anfechtung wegen Benachteiligungsabsicht genügt es, wenn sie zu einer die Befriedigungsaussicht erhöhenden Zugriffsmöglichkeit des Gläubigers führt oder wenn ohne Durchführung der Anfechtung auch nur eine Erschwerung oder Verzögerung in der Zugriffsmöglichkeit für den Gläubiger vorhanden wäre (SZ 53/31 ua). Es kommt hiebei nur darauf an, daß ohne diesen Vermögensaustausch bzw dessen Rückgängigmachung für die Konkursgläubiger eine bessere Lage geschaffen wird (SZ 59/114, MietSlg 33.796 ua).

Richtig ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß jener Rechtssatz, demzufolge die Veräußerung einer mit Pfandrechten überbelasteten Sache weder nach der Anfechtungsordnung noch nach der Konkursordnung angefochten werden kann, nicht auf andere Verfügungen über die Liegenschaft zu übertragen ist. Bei der Veräußerung der Sache ist davon auszugehen, daß dem Veräußerer in der Regel der Gegenwert für die Liegenschaft zukommt, so daß im allgemeinen die Konkursmasse mit einem gewissen Äquivalent rechnen kann. Wird dagegen eine Liegenschaft nur in Bestand gegeben, so ist mit einem sofort verfügbaren Gegenwert nicht zu rechnen. Vielmehr behält in einem solchen Fall der Gemeinschuldner grundsätzlich sein Eigentum an der Liegenschaft, so daß er für die Aufgabe seines Eigentumsrechtes nichts erhält, während er andererseits durch den Bestandvertrag die Veräußerung entweder unmöglich macht oder zumindest sehr erschwert. Hiezu kommt, daß im vorliegenden Fall nur die Liegenschaft mit Pfandrechten belastet war, die Verpachtung über das Unternehmen betraf.

Den Rechtssatz, daß durch die Inbestandgabe einer Liegenschaft die Verwertungsmöglichkeit und demnach deren Wert in der Regel erheblich beeinträchtigt wird, hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen (MietSlg 28.713 ua). Ob es von dieser als Regel zu wertenden Annahme Ausnahmen gibt, zB dann, wenn es sich um außergewöhnlich günstige Verpachtungen handelt, muß hier nicht erörtert werden. Auch in einer weiteren Entscheidung (SZ 59/206) wurde von der Nachteiligkeit einer Inbestandgabe ausgegangen, wobei der Oberste Gerichtshof allerdings auf die Umstände des dortigen Einzelfalles abgestellt hat. Diese sind jedoch mit dem vorliegenden Fall durchaus vergleichbar. Die Liegenschaft wurde an die Erstbeklagte zu außergewöhnlichen Bedingungen verpachtet, nämlich auf einen Zeitraum, der sich jeder vernünftigen Kontrolle und Überlegung entzieht. De facto kommt eine derartige Verpachtung einer ständigen Aufgabe des Verfügungsrechtes über diese Liegenschaft gleich. Schon allein dieser Umstand zeigt die Nachteiligkeit des Rechtsgeschäftes. Hiezu kommt, daß der vereinbarte Pachtzins (120.000 S pro Jahr ohne jegliche Wertsicherung) im Hinblick auf die Belastungen der Liegenschaft keinesfalls als eine zur Sanierung des Betriebes zielführende Maßnahme angesehen werden kann. Selbst wenn es richtig wäre, daß dieser Pachtzins im Hinblick auf den Betrieb und dessen Zustand zum Zeitpunkt der Verpachtung realistisch gewesen wäre, würde dies nicht gegen die Nachteiligkeit des Rechtsgeschäftes sprechen. Wäre nämlich ein höherer Pachtzins nicht zu erzielen gewesen, dann könnte die Verpachtung als solche nicht als eine vernünftige Sanierungsmaßnahme angesehen werden. Verzichtet nämlich der Gemeinschuldner auf eine Verfügungsmöglichkeit über seinen Betrieb gegen ein Entgelt, das keinesfalls ausreichen kann, auch nur annähernd die Betriebsschulden zu decken, so ist das nicht als eine im Interesse der Gläubiger zweckmäßige Wirtschaftsführung anzusehen. Mit Recht sind daher die Vorinstanzen von der Nachteiligkeit des Pachtvertrages mit der Erstbeklagten ausgegangen, ohne daß es weiterer Erhebungen darüber bedurfte, ob der vereinbarte Pachtzins im Hinblick auf den Zustand des Unternehmens realistisch war oder nicht.

Daß auch dolus eventualis für die Annahme der Benachteiligungsabsicht im Sinne des § 28 KO ausreicht, ist ständige Judikatur (JBl 1984, 495, SZ 59/143 ua). Das Erstgericht hat mit Billigung des Berufungsgerichtes ausdrücklich festgestellt, daß die beiden Pachtverträge vom Gemeinschuldner in der Absicht abgeschlossen wurden, dadurch die streitgegenständliche Liegenschaft praktisch unverwertbar zu machen (S. 49 d.A.). Daß aber ein solches Unverwertbarmachen der Liegenschaft eine Benachteiligung der Gläubiger darstellt, bedarf wohl keiner näheren Begründung. Demnach war auf die weiteren Ausführungen der Revision zu diesem Punkt nicht einzugehen, weil sie eine für den Obersten Gerichtshof bindende Feststellung außer Betracht lassen. Ist aber der Gemeinschuldner zugleich der einzige Geschäftsführer jener Handelsgesellschaft, mit der er ein den Gläubiger nachteiliges Geschäft abschließt, so muß seine Kenntnis und die Kenntnis seiner Absicht der Gesellschaft zugerechnet werden. Im vorliegenden Fall war der Gemeinschuldner alleiniger Geschäftsführer beider Beklagten. Da feststeht, daß er die Verträge mit den Beklagten in der Absicht der Benachteiligung der Gläubiger abgeschlossen hat, ist von einer Kenntnis dieser Benachteiligungsabsicht durch die Beklagten auszugehen. Bei den Ausführungen der Vorinstanzen, daß der Gemeinschuldner zumindest einem Teil der Pfandgläubiger auch als persönlicher Schuldner haftete, handelt es sich um eine tatsächliche Schlußfolgerung aus von den Vorinstanzen festgestellten Tatsachen, deren Richtigkeit die Beklagten nicht einmal in Zweifel ziehen. Tatsächliche Schlußfolgerungen sind aber dem Bereich der Tatsachenfeststellungen zuzuordnen, weshalb der Oberste Gerichtshof an sie gebunden ist.

Es erweist sich also, daß die vielfach auf deutsche Literatur gestützte Argumentation der Beklagten in der Revision dem im vorliegenden Fall festgestellten Sachverhalt nicht hinreichend Rechnung trägt. Abgesehen davon, daß tatsächlich im allgemeinen die Inbestandgabe einer Liegenschaft deren Verwertungsmöglichkeit beeinträchtigt, so daß der gegenteilige Ausnahmsfall bewiesen werden müßte, muß im vorliegenden Fall aus den Begleitumständen der Verpachtung auf eine Benachteiligung der Gläubiger geschlossen werden. Die Benachteiligungsabsicht steht ebenso fest, wie die Kenntnis dieser Absicht durch die Beklagten. Dazu kommt die Feststellung, daß es sich bei den Pfandgläubigern zumindest zum Teil auch um Gläubiger handelt, denen gegenüber der Gemeinschuldner persönlich gehaftet hat. Schließlich ergibt sich aber, daß die Verpachtung an die Erstbeklagte, die Grundlage für die Unterverpachtung an die Zweitbeklagte war, keinesfalls als sinnvolle Sanierungsmaßnahme zugunsten der Gläubiger angesehen werden kann, weshalb sich hier eine Erörterung der Frage, inwieweit solche Sanierungsversuche einem Anfechtungsanspruch entgegenstehen können, erübrigt.

Der Oberste Gerichtshof tritt demnach der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes bei.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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