OGH 3Ob185/88

OGH3Ob185/8822.2.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei F*** Limited, Biggin Hill Airport, Biggin Hill, Kent TN 16 3 BN, Großbritannien, vertreten durch Dr. Kurt Heller ua, Rechtsanwälte in Wien, wider die verpflichtete Partei Johann Friedrich B***-E***, Lebring 58, Gut Murstätten, vertreten durch Dr. Guido Held, Rechtsanwalt in Graz, wegen 314.300,-- Pfund Sterling sA infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 3. Oktober 1988, GZ 2 R 187/88-12, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 16. September 1988, GZ 22 Nc 655/88-6, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt.

Der Verpflichtete hat die Kosten seines Rekurses selbst zu tragen und ist schuldig, der betreibenden Partei die mit S 29.323,14 (darin S 2.665,74 Umsatzsteuer und keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Erstgericht bewilligte der betreibenden Partei gegen den Verpflichteten auf Grund eines Urteils des britischen High Court of Justice zur Hereinbringung der Forderung von 314.300,-- Pfund Sterling sA die Exekution durch Zwangsversteigerung eines Liegenschaftsanteils des Verpflichteten, durch Zwangsverwaltung dieses Liegenschaftsanteils und mehrerer anderer Liegenschaftsanteile sowie durch Pfändung, "Verwertung" (gemeint wohl: Verwahrung) und Verkauf beweglicher Sachen. Der Verpflichtete erhob gegen diese Exekutionsbewilligung Widerspruch mit der Begründung, daß "sämtliche" Zustellungen rechtsungültig seien und daß ihm die Möglichkeit verwehrt gewesen sei, vor dem Titelgericht seine Gegenargumente zur Klage darzubringen. Zugleich beantragte er die Aufschiebung der gegen ihn bewilligten Exekution. Das Erstgericht wies den Aufschiebungsantrag ab. Aus den von der betreibenden Partei vorgelegten Urkunden ergebe sich, daß dem Verpflichteten die Ladung samt Klage ordnungsgemäß zugestellt worden sei und er ordnungsgemäß Mitteilung von seiner Absicht gemacht habe, das Verfahren zu bestreiten. Er habe jedoch innerhalb der dafür offen stehenden Frist keinen Schriftsatz eingebracht. Der Widerspruch sei somit offensichtlich aussichtlos.

Das Rekursgericht bewilligte infolge Rekurses des Verpflichteten die Aufschiebung der Exekution für alle Exekutionsmittel gegen eine Sicherheitsleistung von S 350.000,--. In den von der betreibenden Partei vorgelegten Urkunden sei zwar bestätigt worden, daß dem Verpflichteten die Ladung am (3. Oktober 1986, richtig) 3. Dezember 1986 ordnungsgemäß zugestellt worden sei und daß er am 16. Dezember 1986 ordnungsgemäß von seiner Absicht Mitteilung gemacht habe, das Verfahren zu bestreiten. Ohne eingehende Prüfung des britischen Prozeßaktes und der für britische Zivilverfahren geltenden Zustell- und Säumnisbestimmungen könne die Richtigkeit der im Widerspruch des Verpflichteten enthaltenen Behauptungen jedoch nicht von vornherein verneint werden. Vor dieser Prüfung sei der Widerspruch nicht als offensichtlich aussichtlos anzusehen.

Rechtliche Beurteilung

Der von der betreibenden Partei gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist berechtigt. Auf die Exekutionsbewilligung ist der Vertrag vom 14. Juli 1961, BGBl. 1962/224, zwischen der Republik Österreich und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidung in Zivil- und Handelssachen anzuwenden (§ 84 EO). Darin ist im Art. III Abs.1 lit.b Z 2 vorgesehen, daß Entscheidungen nicht anzuerkennen sind, wenn der Verpflichtete dem Zweitgericht nachweist, daß die Entscheidung auf Grund einer Säumnis ergangen ist und der Verpflichtete, der Beklagte im Verfahren vor dem Erstgericht war, vom Verfahren entweder überhaupt keine Kenntnis oder nicht so rechtzeitig Kenntnis erlangt hat, um sich verteidigen zu können. Da das den Exekutionstitel bildende Urteil gefällt wurde, weil der Verpflichtete nicht bestritt, und er daher auf Grund einer Säumnis ergangen ist, kommt die angeführte Bestimmung zwar in Betracht. Die betreibende Partei hat aber unter anderem gemäß Art. VIII Abs.2 lit.b. und c des Vollstreckungsvertrages eine Bestätigung des Gerichtes, von dem der Exekutionstitel stammt, in Urschrift und beglaubigter Übersetzung vorgelegt, wonach dem Verpflichteten die "Ladung" am 3. Dezember 1986 ordnungsgemäß durch Übersendung mit gewöhnlicher Briefpost zugestellt wurde und er am 16. Dezember 1986 ordnungsgemäß Mitteilung von seiner Absicht machte, das "Verfahren" zu bestreiten.

Diese Bestätigung, die gemäß Art. VIII Abs.3 des Vollstreckungsvertrages keiner weiteren Beglaubigung bedarf, ist gemäß § 78 EO iVm § 293 Abs.2 ZPO eine öffentliche Urkunde und begründet daher gemäß § 292 Abs.1 ZPO vollen Beweis dessen, was darin von der Behörde amtlich verfügt oder erklärt oder bezeugt wird. Gemäß dem nachfolgenden Absatz ist allerdings der Beweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges oder der bezeugten Tatsache oder der unrichtigen Beurkundung zulässig. Die Partei darf sich dabei aber nicht bloß auf die Behauptung der Unrichtigkeit der Urkunde beschränken, sondern sie muß konkret jene Tatsachen anführen, aus denen sich die Unrichtigkeit der Urkunde ergibt, und sie beweisen. Dies folgt aus der im Gesetz festgelegten Beweiskraft öffentlicher Urkunden, die nicht durch bloß unsubstantiierte Behauptungen außer Kraft gesetzt werden kann.

Der Verpflichtete hat in seinem Widerspruch nur vorgebracht, daß ihm die Möglichkeit, seine Gegenargumente zur eingebrachten Klage darzubieten, verwehrt worden sei und daß sämtliche Ladungen "daher" rechtsungültig erfolgt seien. Er hat damit die Richtigkeit der angeführten Urkunde nicht wirksam bestritten. Es bleibt deshalb die im Gesetz festgelegte Beweiskraft bestehen. Demnach ist davon auszugehen, daß der Verpflichtete die "Ladung" (in der Urschrift "writ of summons"; entspricht in Österreich der Klage) spätestens am 16. Dezember 1986 erhalten hatte, was daraus hervorgeht, daß er an diesem Tag seine Absicht erklärte, das "Verfahren" zu bestreiten. Da das Urteil erst am 27. März 1987 gefällt wurde, standen dem Verpflichteten somit mehr als 3 Monate zur Bestreitung zur Verfügung. Sein Vorbringen im Widerspruch reicht unter diesen Umständen nicht aus, um daraus ableiten zu können, daß er vom Verfahren überhaupt keine oder nicht so rechtzeitig Kenntnis erlangt habe, um sich verteidigen zu können.

Bei der Entscheidung über einen Aufschiebungsantrag ist auf die Erfolgsaussichten der Prozeßhandlung Bedacht zu nehmen, auf die der Aufschiebungsantrag gestützt wird (MietSlg 30.813; RdW 1986, 113; 3 Ob 175/88). Dies gilt auch für die Aufschiebung auf Grund eines Widerspruchs gemäß § 83 Abs.2 letzter Satz EO (RdW 1986,114). Der Aufschiebungsantrag ist abzuweisen, wenn die Prozeßhandlung mit hoher Wahrscheinlichkeit als aussichtlos anzusehen ist (3 Ob 64/88; 3 Ob 175/88). Dies trifft entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes hier zu, weil das im Widerspruch enthaltene Vorbringen, von dem bei der Entscheidung über den Aufschiebungsantrag auszugehen ist, zum Nachweis eines Hindernisses für die Exekutionsbewilligung nicht ausreicht. Die vom Rekursgericht für notwendig angesehenen Erhebungen sind auf Grund dieses Vorbringens weder erforderlich noch zulässig.

Das Erstgericht hat daher den Aufschiebungsantrag schon deshalb mit Recht abgewiesen, weil der Widerspruch des Verpflichteten mit hoher Wahrscheinlichkeit als aussichtlos anzusehen ist. Es muß unter diesen Umständen nicht erörtert werden, ob der Aufschiebung zumindestens bei einzelnen der bewilligten Exekutionsmittel auch andere Gründe, wie etwa das Fehlen einer Gefährdung des Verpflichteten im Sinn des § 44 Abs.1 EO, entgegenstehen und ob die aufgetragene Sicherheitsleistung ausreichend wäre.

Der Ausspruch über die Kosten des Rekurses des Verpflichteten beruht auf § 78 EO iVm den §§ 40 und 50 ZPO, jener über die Kosten des Revisionsrekurses der betreibenden Partei auf § 74 EO.

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