OGH 4Ob504/89

OGH4Ob504/897.2.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Fritz E***, Dentist, Kindberg, Hauptstraße 20, vertreten durch Dr. Michael Zsizsik, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wider die beklagte Partei Anna B***, Pensionistin, Graz, Sparbersbachgasse 22, vertreten durch Dr. Emil Soucek, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 90.819,42 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 19. Oktober 1988, GZ 3 R 308/88-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 26. Mai 1988, GZ 7 C 21/88a-14, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die in dem vom Berufungsgericht bestätigten abweisenden Teil unberührt bleiben, werden im übrigen aufgehoben; in diesem Umfang wird die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Prozeßkosten.

Text

Begründung

Der Kläger ist Eigentümer des Hauses Graz, Sparbersbachgasse 22. Die Beklagte ist Mieterin einer Wohnung in diesem Haus. Sie wohnte von 1923 bis 1945 im ersten Stock dieses Hauses; seit dem Jahre 1945 bewohnt sie die im dritten Stock gelegene Wohnung mit einer Fläche von 199,19 m2. Bis zu ihrem Tod im Jahre 1961 hatte dort auch die Tante der Beklagten, Johanna L***, eine Tochter der Julie L***, gewohnt. Die Schwester der Julie L***, Barbara W***, war die Mutter Karl W***, des Vaters der Beklagten. Im Lastenblatt der Liegenschaft EZ 563 KG St. Leonhard mit dem Haus Graz, Sparbersbachgasse 22, findet sich unter der LNR 1 a (TZ 958/1919) folgende Eintragung auf Grund der "Einantwortungsurkunde" (richtig: Amtsbestätigung) vom 31. Dezember 1918:

"Karl W*** und seine gesetzlichen Rechtsnachfolger sind nicht berechtigt, den Töchtern der verstorbenen erbl. Schwester Julie L*** die von ihnen im Hause Sparbersbachg. 22 gemietete Wohnung weder zu kündigen noch im Mietzins zu steigern."

Unter LNR 1 b (TZ 8706/1955) ist auf Grund der Amtsbestätigung vom 7. Juni 1955 "bei der zugunsten der Töchter der erbl. Schwester Julie L***, das ist derzeit Frau Johanna L***, erfolgten Eintragung (LNR 1 a) der Übergang dieser Rechte im Falle des Ablebens der Johanna L*** auf Karl B*** und deren in derselben Wohngemeinschaft befindlichen Familie" angemerkt. Die erstgenannte Amtsbestätigung war im Verlassenschaftsverfahren nach Barbara W***, die zweite Amtsbestätigung im Verlassenschaftsverfahren nach Karl W*** ausgestellt worden. Der dort erwähnte Karl B*** war der Ehegatte der Beklagten; er ist am 15. April 1970 verstorben. Die Beklagte hat während der gesamten Dauer des Bestandverhältnisses nur den monatlichen Hauptmietzins von S 136,70 zuzüglich der anteiligen Betriebskosten gezahlt. Zu ihren Gunsten besteht kein Guthaben aus Betriebskostenabrechnungen. Die Beklagte wurde vom Kläger erstmals im Jahre 1982 aufgefordert, den auf ihre Wohnung entfallenden Erhaltungsbeitrag zu zahlen; in weiterer Folge wurde sie mehrmals zur Zahlung gemahnt. Sie hat aber die Zahlung des Erhaltungsbeitrages verweigert. Der Kläger begehrt von der Beklagten den Erhaltungsbeitrag für die Jahre 1985 bis 1987 in der Höhe von S 90.819,42 sA. Es liege an der Beklagten zu beweisen, daß sie im Sinne der "in COZ 1 a einverleibten Einantwortungsurkunde" berechtigt sei, "die streitgegenständliche Mietwohnung zu benützen, insbesondere hinsichtlich der Bestimmung in COZ 33 zur gegenständlichen EZ, wonach die Rechte der Frau Johanna L*** im Falle des Ablebens auf Karl und Anna B*** und deren in derselben Wohngemeinschaft befindlichen Familie übergehen." Abgesehen davon, sei die Beklagte auf jeden Fall verpflichtet, den geltend gemachten Erhaltungsbeitrag zu leisten.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Sie sei "auf Grund grundbücherlich einverleibter Vereinbarung lediglich verpflichtet, Betriebskosten zu bezahlen, sowie eine monatliche Miete von S 136". Da der Erhaltungsbeitrag eine Mietzinserhöhung bedeute, stehe ihm die grundbücherlich einverleibte Vereinbarung entgegen. Vorsichtshalber werde auch Verschweigung wegen unterbliebener Vorschreibung der Erhaltungsbeiträge eingewendet. Ein allfälliges Guthaben aus den (Betriebskosten-)Abrechnungen werde aufrechnungsweise eingewendet.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Aus den im Grundbuch einverleibten Amtsbestätigungen gehe zweifelsfrei hervor, daß der jeweilige Hauseigentümer nicht berechtigt sei, den Mietzins für die streitgegenständliche Wohnung zu steigern. Da die betreffenden Vereinbarungen im Grundbuch eingetragen seien, müsse sie auch der Kläger als Rechtsnachfolger gegen sich gelten lassen. Die Beklagte sei daher nur verpflichtet, einen monatlichen Mietzins von S 136,70 zu zahlen. Zu prüfen sei, ob die Vorschreibung des in § 45 MRG genannten Erhaltungsbeitrages als Mietzinserhöhung im Sinne der genannten Vereinbarungen anzusehen sei. Der Erhaltungsbeitrag gehe als Leistung sui generis ebenso wie der Mietzins in das Vermögen des jeweiligen Vermieters über und bilde nur eine Rechnungsgröße; sonst werde er weitgehend so behandelt wie der Mietzins. Die Nichtentrichtung von Erhaltungsbeiträgen bilde einen Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 1 MRG und einen Aufhebungsgrund nach § 1118 ABGB; auch § 33 Abs 2 und 3 MRG seien darauf anzuwenden. Die Einhebung eines Erhaltungsbeitrages sei also einer Mietzinserhöhung gleichzusetzen; sie sei daher im Hinblick auf die genannte Vereinbarung nicht zulässig. Dazu komme, daß der Erhaltungsbeitrag ebenso wie die Erhöhung der Hauptmietzinse nach § 18 MRG der Erhaltung eines Hauses zu dienen habe. Könne die Beklagte von einer Mietzinserhöhung nach § 18 MRG nicht betroffen werden, dann müsse dasselbe auch für die Einhebung von Erhaltungsbeiträgen gelten. Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil - abgesehen von einem Teil des Zinsenausspruches - dahin ab, daß es die eingeklagte Forderung für berechtigt, die Gegenforderung der Beklagten für nicht berechtigt erkannte und die Beklagte daher zur Zahlung des eingeklagten Betrages samt gesetzlichen Zinsen verurteilte; es sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Auf die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob die erwähnten bücherlichen Anmerkungen zulässig und wirksam seien, müsse nicht eingegangen werden. Der Erhaltungsbeitrag (§ 45 MRG) sei eine mietrechtliche Leistung eigener Art und kein Mietzins; das ergebe sich aus § 45 Abs 9 MRG. Daraus, daß der Erhaltungsbeitrag in wesentlichen Punkten dem Mietzins gleichgestellt sei und wie der Mietzins in das Eigentum des Vermieters übergehe, lasse sich die Geltung eines allfälligen Verbotes, den "Mietzins" zu erhöhen, für den Erhaltungsbeitrag nicht rechtfertigen. Die Einhebung eines Erhaltungsbeitrages, der ja unter den Voraussetzungen des § 45 Abs 7 MRG dem Hauptmieter zurückzuerstatten sei, könne keine Mietzinserhöhung bedeuten. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 45 MRG für die Vorschreibung eines Erhaltungsbeitrages sei nicht bestritten worden; daß die Wohnung der Ausstattungskategorie "B" zuzuordnen sei, sei gleichfalls unbekämpft geblieben. Der Kläger habe demnach die Höhe des Erhaltungsbeitrages für die Zeit ab 1986 richtig ermittelt. Da kein Betriebskostenguthaben zugunsten der Beklagten bestehe, sei die Gegenforderung unberechtigt.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Mit Recht verweist die Beklagte darauf, daß für den vorliegenden Streitfall nicht maßgebend ist, ob der Erhaltungsbeitrag gemäß § 45 MRG dem Mietzins im Sinne des Mietrechtsgesetzes zuzuordnen oder als Leistung besonderer Art einzustufen ist; dem kommt für die Auslegung des Rechtsgeschäftes, auf das sich die Beklagte beruft, keine Bedeutung zu. Die den beiden grundbücherlichen Eintragungen (LNR 1 a und 1 b im Lastenblatt der EZ 563 KG St. Leonhard) zugrunde liegenden rechtsgeschäftlichen Erklärungen entsprangen offenbar der Absicht, die dort erwähnten Wohnungsmieter von einer Erhöhung der für die Benützung der Wohnung zu erbringenden Gegenleistung zu befreien. Ob diese Gegenleistung Mietzins oder - auf Grund gesetzlicher Änderungen - in anderer Weise bezeichnet wird, ist völlig unerheblich. Der Erhaltungsbeitrag ist aber vom Mieter ebenso zu entrichten wie der Mietzins im Sinne des § 15 MRG. § 45 Abs 9 MRG stellt die Erhaltungs- (und Verbesserungs)beiträge - abgesehen von den in den vorangehenden Absätzen enthaltenen abweichenden Regelungen - den Mietzinsen gleich. Die Nichtzahlung dieser Beiträge hat daher, wie schon der Erstrichter zutreffend aussgeführt hat, die gleichen Verzugsfolgen wie die Nichtzahlung von Mietzinsen; sie bildet insbesondere den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 1 MRG und einen Aufhebungsgrund nach § 1118 ABGB. Die Erhaltungsbeiträge gehen gleich den Mietzinsen in das Eigentum des Vermieters über. Daß sie der Vermieter dann, wenn er sie innerhalb der Frist von 10 Jahren nicht zur Finanzierung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten verwendet hat, dem Mieter zurückzuerstatten hat (§ 45 Abs 7 MRG), macht im vorliegenden Zusammenhang keinen wesentlichen Unterschied zu dem Mietzins im engeren Sinn. Ein Verzicht auf die Erhöhung des Mietzinses hindert demnach auch die Einhebung eines Erhaltungsbeitrages.

Daraus folgt aber noch nicht die mangelnde Berechtigung des Klagebegehrens. Sie ergibt sich - entgegen den Berufungsausführungen - auch nicht daraus, daß der Kläger, der schon 1982 Erhaltungsbeiträge eingefordert hatte, erst Ende 1987 die Klage eingebracht hat. Die dreijährige Verjährungsfrist (§ 1486 Z 4 ABGB) war für die eingeklagten Beträge noch nicht abgelaufen. In dem längeren Zuwarten mit der Klageerhebung kann auch kein schlüssiger Verzicht des Klägers auf die Forderung erblickt werden. Die bloße Untätigkeit eines Gläubigers bedeutet nämlich in der Regel keinen stillschweigenden Verzicht (MietSlg 29.121 ua); ein solcher darf nur angenommen werden, wenn besondere Umstände darauf hinweisen, daß er ernstlich gewollt war (SZ 53/35 uva). Davon kann aber im vorliegenden Fall keine Rede sein. Einen Rechtsverlust durch "Verschweigung" kennt die österreichische Rechtsordnung nur in bestimmten, hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmefällen (Koziol-Welser8 I 175).

Zu prüfen bleibt jedoch, ob sich die Beklagte mit Erfolg darauf berufen kann, daß ihr gegenüber auf die Erhöhung von Mietzinsen verzichtet worden sei. Sie hat sich auf eine "grundbücherlich einverleibte Vereinbarung" gestützt. Bei den von ihr gleichzeitig wörtlich wiedergegebenen grundbücherlichen Eintragungen unter LNR 1 und 2 handelt es sich jedoch nicht um Einverleibungen (§ 8 Z 1 GBG), deren Gegenstand nur dingliche Rechte und Lasten, das Wieder- und das Vorkaufsrecht sowie das Bestandrecht (§ 9 GBG) und das Veräußerungs- und Belastungsverbot (§ 11 Abs 2 AllGAG) sein können, sondern um bloße Anmerkungen (§ 8 Z 3 GBG). Grundbücherliche Anmerkungen können aber - wirksam - nur zur Ersichtlichmachung bestimmter persönlicher Verhältnisse (§ 20 lit a GBG) und zur Begründung bestimmter, nach den Vorschriften eines Gesetzes damit verbundener Rechtswirkungen (§ 20 lit b GBG) erfolgen. Die Anmerkung einer letztwilligen Anordnung oder eines Erbübereinkommens, wonach der Liegenschaftseigentümer bestimmte Mieter nicht "im Mietzins steigern" dürfe, ist weder im Grundbuchsgesetz noch in einem anderen Gesetz vorgesehen und daher unzulässig. Kann aber der Inhalt einer Eintragung nach dem Gesetz gar nicht Gegenstand einer grundbücherlichen Eintragung sein, dann ist diese nach § 130 Satz 1 GBG von Amts wegen zu löschen. Solche grundbuchswidrigen Eintragungen sind mit unheilbarer Nichtigkeit behaftet und ziehen auf keinen Fall - auch nicht gutgläubigen Dritten

gegenüber - Rechtswirkungen nach sich (SZ 45/26; NZ 1981, 25; NZ 1982, 188 ua). Die Beklagte kann demnach keine dingliche Wirkung der beiden Anmerkungen zu ihren Gunsten ins Treffen führen. Daß der Kläger das Bestehen einer "grundbücherlich einverleibten" Vereinbarung außer Streit gestellt hat (S. 18 und 25), ist ohne rechtliche Bedeutung, weil er damit nicht zugestanden hat, daß er an einen Verzicht auf Mietzinserhöhung gebunden sei.

Damit ist aber die Sache nicht spruchreif: Die Beklagte hat sich auf Grund ihrer - unzutreffenden - Rechtsauffassung darauf beschränkt, die fehlende Berechtigung des Klägers zur Mietzinserhöhung mit den grundbücherlichen Anmerkungen zu begründen; in erster Instanz hat weder der Kläger noch der Richter auf die Unrichtigkeit dieser Rechtsansicht hingewiesen. Da auch der Erstrichter der Meinung war, daß die genannten grundbücherlichen Anmerkungen dingliche Wirkung entfalteten, hatte er keinen Anlaß zur Erörterung, ob nicht die Beklagte auch noch einen anderen Grund dafür behaupten könnte, daß der Kläger an die aus dem Grundbuch ersichtliche Verpflichtung des Liegenschaftseigentümers Karl W*** und seiner (Gesamt-)Rechtsnachfolger, die Beklagte nicht "im Mietzins zu steigern", gebunden ist.

Da somit erheblich scheinende Tatsachen in erster Instanz gar nicht erörtert wurden, mußte der Revision Folge gegeben und mit einer Aufhebung der Urteile beider Vorinstanzen vorgegangen werden, weil es offenbar einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen (§ 510 Abs 1 ZPO). Sollte die Beklagte nach Erörterung der Sache (§ 182 ZPO) ein schlüssiges Vorbringen erstatten, aus dem sich eine Bindung des Klägers an den Verzicht auf Erhöhung des Mietzinses ergibt, dann wird der Erstrichter - im Bestreitungsfall - die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben.

Aus diesen Erwägungen war der Revision Folge zu geben. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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