Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1443,75 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 131,25 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei hat in der Zeit von November 1954 bis Oktober 1984 in der österreichischen Pensionsversicherung 197 Versicherungsmonate (davon 196 Monate an Beitragszeiten der Pflichtversicherung und einen Ersatzmonat) erworben. In der schweizerischen Alters-Hinterlassenen- und Invalidenversicherung erwarb sie in der Zeit von Jänner 1948 bis März 1954 75 Monate an Pflichtbeitragszeiten und in der Zeit von Jänner 1973 bis Mai 1985 149 Monate an freiwilligen Versicherungszeiten. Mit Bescheid vom 19. Oktober 1987 gewährte die beklagte Partei der Klägerin anstelle der bis dahin gewährten Berufsunfähigkeitspension ab 1. Februar 1985 eine Alterspension und stellte die Alterspension unter einem ab 1. Juni 1985 wegen Hinzutretens einer Schweizer Leistung ab 1. Juni 1985 ausgehend von den Bestimmungen des AbkSozSi Schweiz neu fest. Die Pension wurde unter ausschließlicher Berücksichtigung der in Österreich erworbenen Versicherungszeiten ab 1. Februar 1985 mit einem Betrag von monatlich 8594 S festgestellt und unter Berücksichtigung von 83 Schweizer Versicherungsmonaten und des Kürzungsfaktors ab 1. Juni 1985 mit 7056,20 S sowie ab 1. Jänner 1986 mit 7303,20 S und ab 1. Jänner 1987 mit 7580,70 S. Weiters sprach die beklagte Partei aus, daß die in der Zeit vom 1. Juni 1985 bis 31. Oktober 1987 - in dieser Zeit hatte die Klägerin höhere Vorschüsse bezogen - entstandene Überzahlung von 39988,80 S zum Teil mit der Nachzahlung verrechnet und über die verbleibende Überzahlung gesondert abgesprochen werde. Dieser Berechnung lag der Erwerb von insgesamt 280 Versicherungsmonaten, davon 197 in Österreich und 83 Schweizer Versicherungsmonaten zugrunde. Dabei wurden 8 der in der Schweiz erworbenen Monate der freiwilligen Versicherung als sich nicht deckende Zeiten einbezogen und nur die übersteigende Zahl an in der Schweiz erworbenen Monaten der freiwilligen Versicherung gemäß Art 18 Abs 5 AbkSozSi Schweiz außer Betracht gelassen. Die Klägerin bezieht aus der Schweizer Rentenversicherung eine Invaliditätsrente in einer Höhe von 256 sF (=2145,30 S). Auf der Basis von 83 Versicherungsmonaten berechnet hätte die Schweizer Leistung ab 1. Mai 1985 51 sF betragen.
Die Klägerin begehrte, die beklagte Partei zur Leistung eines Unterschiedsbetrages zur österreichischen Teilleistung im gesetzlichen Ausmaß zu verpflichten. Bei Prüfung der Frage, ob ein Unterschiedsbetrag gebühre, seien die auf freiwillige Versicherungszeiten entfallenden Zahlungen aus der schweizerischen Sozialversicherung nicht zu berücksichtigen. Lege man nur die aufgrund der auch in Österreich zu berücksichtigenden Zeiten gebührende Schweizer Rentenleistung zugrunde, so seien die Voraussetzungen des Art 21 AbkSozSi Schweiz erfüllt. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Die von der Klägerin gewünschte Berechnungsart finde keine Deckung in den Bestimmungen des Abkommens.
Das Erstgericht wies das Begehren der Klägerin auf Gewährung eines Unterschiedsbetrages zur österreichischen Teilleistung ab; ein Zuspruch der bescheidmäßig gewährten Leistung wie auch ein Ausspruch über die Verpflichtung der Klägerin zum Rückersatz der bescheidmäßig festgestellten Überzahlung unterblieb ungerügt. Für die strittige Frage, ob zur österreichischen Teilleistung ein Unterschiedsbetrag gebühre, sei Art 21 AbkSozSi Schweiz maßgeblich. Die allein nach österreichischen Rechtsvorschriften zustehende Pension betrage 8495 S (per 1. Juni 1985). Demgegenüber betrage die Summe der österreichischen Teilleistung und der schweizerischen Rente, die voll zu veranschlagen sei (zum gleichen Zeitpunkt) 9201,50 S, sodaß die Voraussetzungen für die Gewährung eines Unterschiedsbetrages nicht erfüllt seien.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und billigte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes. Die von der Berufungswerberin gewünschte Berücksichtigung eines bloß fiktiven, unter Außerachtlassung der Zeiten der freiwilligen Versicherung in der Schweiz, berechneten Rente aus der schweizerischen Sozialversicherung für die Ermittlung des Unterschiedsbetrages finde in den Bestimmungen des Abkommens keine Grundlage. Auch der Zweck der Regelung über die Gewährung des Unterschiedsbetrages gebiete keine von der wörtlichen Bedeutung, wonach unter schweizerischer Rente der konkret geleistete Pensionsbetrag zu verstehen sei, abweichende Interpretation. Ausgehend vom Versorgungscharakter sozialversicherungsrechtlicher Leistungen und der Absicht zwischenstaatlicher Abkommen einem Versicherten mit internationalem Versicherungsverlauf den gleichen sozialen Schutz zu gewährleisten wie einem Versicherten mit ausschließlich inländischem Versicherungsverlauf, gleichzeitig aber die Versicherungslast auf die Vertragsstaaten aufzuteilen und dem Verhältnis des Versicherungsverlaufes entsprechend zu beschränken, ergebe sich, daß Zweck des Unterschiedsbetrages der Ausgleich von Härtefällen sei, die sich durch die pro rata temporis-Berechnung ergeben. Ein derartiges Bedürfnis bestehe nicht, wenn der Versicherte durch den internationalen Versicherungsverlauf nicht benachteiligt sei, auch wenn die Sicherstellung der ausreichenden Versorgung durch eine entsprechende freiwillige Versicherung zustande gekommen sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Gemäß Art 1 Z 11 AbkSozSi Schweiz ist unter dem Begriff Geldleistung, Rente oder Pension eine Geldleistung, Rente oder Pension einschließlich aller Zulagen, Zuschüsse und Erhöhungen mit Ausnahme der Ausgleichszulage nach österreichischem Recht zu vestehen. Gemäß Art 21 AbkSozSi Schweiz ist ein Unterschiedsbetrag zu leisten, wenn die Summe der nach Art 18 Abs 4 ermittelten österreichischen Leistung und der schweizerischen Rente die Höhe der ausschließlich unter Berücksichtigung österreichischer Versicherungszeiten berechneten Pensionsleistung nicht erreicht. Daß dabei der Begriff "Rente" abweichend von Art 1 Z 11 in dem von der klagenden Partei gewünschten einschränkenden Sinn zu vestehen sei, läßt sich aus dem Gesetz nicht ableiten. Bei Art 18 Abs 5 letzter Halbsatz AbkSozSi Schweiz handelt es sich (arg: "hiebei") um eine Ausnahmsbestimmung, die ausschließlich bei Anwendung der Abs 3 und 4 des Art 18 zur Anwendung zu kommen hat. Diese audrückliche Einschränkung spricht gegen eine Anwendung auf andere im Abkommen geregelte Fälle, bei denen eine entsprechende Sonderbestimmung nicht vorgesehen ist.
Die Klägerin vertritt den Standpunkt, daß entsprechend dem Grundgedanken des Art 18 Abs 5 letzter Halbsatz AbkSozSi Schweiz bei Auslegung der Wortfolge "der schweizerischen Rente" in Art 21 davon auszugehen, daß Rentenleistungen aus der schweizerischen Versicherung, die aufgrund eines in Art 18 Abs 5 letzter Satz umschriebenen Tatbestandes erworben wurden, bei Berechnung des Unterschiedsbetrages außer Betracht zu bleiben hätten. Der in dieser Bestimmung zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers, daß die auf bestimmten Schweizer freiwilligen Beiträgen beruhenden Leistungen im zwischenstaatlichen Bereich unberührt bleiben sollen, rechtfertige den Analogieschluß, der geboten sei, weil durch die Einfügung des letzten Halbsatzes in Art 18 Abs 5 des Abkommens eine nachträgliche Regelungslücke hinsichtlich der Auslegung des Begriffes "schweizerische Rente" in Art 21 anzunehmen sei. Dem kann nicht beigetreten werden.
Eine Lücke im Rechtssinn ist dann gegeben, wenn die Regelung eines Sachbereiches keine Bestimmung für eine Frage enthält, die im Zusammenhang mit dieser Regelung an sich geregelt werden müßte. Eine Lücke ist dort anzunehmen, wo das Gesetz gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist und wo seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Die bloße Meinung des Rechtsanwenders, eine Regelung sei wünschenswert, rechtfertigt noch nicht die Annahme einer Gesetzeslücke (SZ 49/45; SZ 50/45; EvBl 1987/9). Bei der Lücke handelt es sich um eine planwidrige Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechtes gemessen am Maßstab der gesamten Rechtsordnung (Koziol-Welser I8, 24). Bei der "teleologischen" ("unechten") Lücke fordert die - mit Hilfe der Interpretationsregeln ermittelte - ratio legis (bzw das höhere Rechtsprinzip) in Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz die Erstreckung der Rechtsfolgenanordnung (bzw der Werttendenz) einer gesetzlichen Norm (oder auch mehrerer Vorschriften) auf den gesetzlich nicht unmittelbar geregelten Fall. Denn es trifft zwar nicht der Wortlaut des Gesetzes, wohl aber die ihm zugrundeliegende Wertung bzw Zwecksetzung auf den offenen Fall zu (Bydlinski in Rummel I Rz 2 zu § 7 ABGB). Dabei ist allerdings zu beachten, daß ein derart detailliertes, die einzelnen Fallgruppen jeweils gesondert ausfaltendes und streng durchnormierendes Rechtsgebiet wie das Sozialversicherungsrecht - auch im Bereich der zwischenstaatlichen Abkommen - bei Prüfung der Frage, ob eine Gesetzeslücke vorliegt, besondere Vorsicht geboten erscheinen läßt (idS auch Binder ZAS 1979, 232 ff zum Rückgriff auf die Figur der "Teleologischen Reduktion" im ASVG). Der Umstand, daß das Sozialversicherungsrecht einerseits vom Versicherungsgedanken und andererseits auch vom Versorgungsgedanken getragen ist und die im Einzelfall getroffenen Regelungen regelmäßig im Spannungsfeld dieser Zielsetzungen zu sehen sind, bedingt beträchtliche Schwierigkeiten bei Feststellung der einer Regelung immanenten Teleologie und läßt zumeist eine eindeutige Zuordnung zu einem der vom Gesetz verfolgten Grundprinzipien nicht zu. Die Klägerin stützt ihre Argumentation auf ein von ihr vertretenes Überwiegen des Versicherungsgedankens; dieses läßt sich jedoch in dieser Form aus dem Gesetz nicht ableiten. Zutreffend hat das Berufungsgericht die Grundsätze des Versorgungsprinzips dargestellt, das als teleologischer Hintergrund für die Bestimmung des Art 21 AbkSozSi Schweiz in gleicher Weise in Frage kommt. Der Nachweis einer teleologischen Lücke, der die gewünschte Analogie rechtfertigten könnte, ist damit nicht erbracht. Der Revision mußte daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Die rechtliche Schwierigkeit der Materie rechtfertigt ungeachtet des gänzlichen Unterliegens der Klägerin im Revisionsverfahren den Zuspruch der Hälfte der tarifmäßigen Kosten im Sinn dieser Gesetzesstelle.
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