OGH 1Ob616/88

OGH1Ob616/8818.1.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Kodek und Dr. Graf als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Doris V***, geboren am 22. März 1958, Serviererin, Bruck a.d. Mur, Herzog Ernst-Gasse 15, vertreten durch Dr. Gerhard Volk und Dr. Gert Volk, Rechtsanwälte in Kapfenberg, wider die beklagte Partei Walter V***, geboren am 18. November 1955, Gendarmeriebeamter, Bruck a.d. Mur, Höhenweg Nr. 6, vertreten durch Dr. Michael Zsizsik, Rechtsanwalt in Bruck a. d. Mur, wegen Ehescheidung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes vom 7. April 1988, GZ R 207/88-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Bruck a.d. Mur vom 12. Jänner 1988, GZ 1 C 47/87-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile schlossen am 17. Juli 1976 vor dem Standesamt Bruck a.d. Mur die Ehe. Der Ehe entstammen die Kinder Nicole, geboren am 20. Jänner 1977, und Mark, geboren am 23. Jänner 1984. Die Klägerin begehrt die Scheidung der Ehe wegen schwerer Eheverfehlungen des Beklagten (§ 49 EheG). Der Beklagte unterhalte ehewidrige Beziehungen zu einer anderen Frau und habe die eheliche Wohnung verlassen.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Die Zerrüttung der Ehe sei durch schwere Eheverfehlungen der Beklagten, die Beziehungen zu einem anderen Mann aufgenommen habe, herbeigeführt worden. Der Beklagte beantragte für den Fall der Stattgebung des Scheidungsbegehrens den Ausspruch des Mitverschuldens der Klägerin.

Das Erstgericht schied die Ehe aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten. Es stellte fest:

Der Beklagte habe im Jahre 1979 oder 1980 ein ehewidriges Verhältnis mit Lotte B*** unterhalten, das ein oder zwei Monate gedauert habe. Die Klägerin habe dem Beklagten diese Verfehlung verziehen. Die Beziehung der Streitteile habe aber darunter gelitten, daß die Klägerin dem Beklagten auf Grund seines Verhaltens mißtraut habe. Im September 1985 habe der Beklagte Elfriede K*** kennengelernt und mit ihr ehewidrige Beziehungen aufgenommen. Der Beklagte habe der Klägerin im Mai 1986 hievon Mitteilung gemacht, seither sei die Ehe zerrüttet. In der Folge sei der Beklagte unschlüssig gewesen, für welche Frau er sich entscheiden solle. Im Juli oder August 1986 sei er aus der Ehewohnung ausgezogen und habe mit Elfriede K*** eine Lebensgemeinschaft aufgenommen. Auf Grund von Spannungen mit den Schwiegereltern, in deren Haus die Streitteile lebten, sei die Klägerin mit den beiden Kindern im Dezember 1986 aus der Ehewohnung ausgezogen. Die Klägerin habe in der Folge einen Mann kennengelernt, mit dem sie seit Mai 1987 geschlechtliche Beziehungen unterhalte. Sonstige Eheverfehlungen der Klägerin seien nicht feststellbar.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der Beklagte habe durch ehewidrige Beziehungen zu Elfriede K*** und dadurch, daß er die eheliche Wohnung grundlos verlassen habe, die Ehe so tief zerrüttet, daß die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr zu erwarten sei. Die ehewidrigen Beziehungen des Beklagten zu Lotte B*** seien zwar von der Klägerin verziehen worden, diese Verfehlungen könnten aber zur Unterstützung des Scheidungsbegehrens herangezogen werden. Die Beklagte habe keine Eheverfehlungen begangen. Die Aufnahme ehewidriger Beziehungen zu einem anderen Mann sei eine entschuldbare Reaktionshandlung, die nicht als Eheverfehlung zu werten sei. Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Beklagten nicht Folge. Es übernahm die Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteiles. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, das Verhalten der Klägerin, die mit einem anderen Mann geschlechtliche Beziehungen aufgenommen habe, könne nicht als Reaktionshandlung auf das Verhalten des Beklagten gewertet werden. Einer solchen Wertung stehe schon entgegen, daß der Beklagte die Ehewohnung im Juli oder August 1986 verlassen habe, wogegen die Klägerin erst im Mai 1987 ein intimes Verhältnis mit einem anderen Mann eingegangen sei. Es treffe auch zu, daß die Pflicht zur ehelichen Treue während der gesamten Dauer der Ehe bestehe, daher auch noch während des anhängigen Scheidungsverfahrens. Bei Ermittlung des Verschuldens an der Zerrüttung der Ehe seien daher auch noch nach unheilbarer Ehezerrüttung gesetzte Verfehlungen zu berücksichtigen, sie spielten jedoch bei der Verschuldensabwägung keine entscheidende Rolle. Das Verhalten des Beklagten, der die Ehe gebrochen und die eheliche Wohnung verlassen habe, sei grob ehewidrig. Da die Ehe der Streitteile durch das Verhalten des Beklagten bereits zerstört gewesen sei, als sich die Klägerin zur Aufnahme intimer Beziehungen zu einem anderen Mann entschlossen habe, worin ebenfalls eine wenn auch nicht sehr schwerwiegende Eheverfehlung zu erblicken sei, sei es gerechtfertigt, der Klägerin kein Mitverschulden am Scheitern der Ehe zuzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berfungsgerichtes erhobene Revision des Beklagten ist nicht gerechtfertigt.

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Verfahrens erachtet der Oberste Gerichtshof nach Prüfung als nicht gegeben (§ 510 Abs.2 letzter Satz ZPO).

Mit seinen Ausführungen zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung bekämpft der Beklagte den Verschuldensausspruch der Vorinstanzen. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, daß die Pflicht zur ehelichen Treue während der gesamten Dauer der Ehe, somit auch noch während eines anhängigen Scheidungsverfahrens, besteht (EFSlg. 48.742, 41.197 u.a.). Es entspricht aber auch der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß nach unheilbarer Zerrüttung der Ehe begangene Eheverfehlungen bei der Verschuldensabwägung keine entscheidende Rolle spielen (EFSlg. 51.653, 48.829, 46.237), was auch für den Ehebruch gilt (EFSlg. 48.830). Es wurde allerdings auch bereits ausgesprochen, daß ein Ehebruch bei der Verschuldensabwägung auch dann ins Gewicht fällt, wenn er nach Zerrüttung der Ehe vollzogen wurde (EFSlg. 51.652, 51.651; Schwind, Komm.z. österreichischen Eherecht2 253). Nach dem festgestellten Sachverhalt kann aber gewiß keine Rede davon sein, daß das Verschulden der Beklagten, die ehewidrige Beziehungen zu einem anderen Mann in einem Zeitpunkt aufgenommen hat, als die Ehe bereits zerrüttet war, von gleichem Gewicht wäre wie die Verfehlungen des Beklagten, der durch sein Verhalten die Zerrüttung der Ehe herbeigeführt hat. Die Verfehlungen der Klägerin können vielmehr vernachlässigt werden, wenn berücksichtigt wird, daß die Beklagte damals bereits durch fast ein Jahr lang verlassen war, der Kläger mit einer anderen Frau zusammenlebte und die Ehe durch dieses Verhalten nicht nur unheilbar zerrüttet, sondern bereits in einer Weise aufgelöst war, daß der Kläger der Beklagten auch einen Ehebruch ihrerseits nicht mehr vorwerfen darf.

Demzufolge ist der Revision nicht Folge zu geben.

Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Stichworte