OGH 13Os162/88

OGH13Os162/8822.12.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.Dezember 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Tegischer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Erich H*** wegen des Verbrechens nach § 207 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichts Steyr als Schöffengerichts vom 21.September 1988, GZ. 11 Vr 315/88-20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Text

Gründe:

Der am 11.Februar 1958 geborene Erich H*** wurde des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB (1) und des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB (2) schuldig erkannt. Darnach hat er in Schlierbach nachgenannte Personen zumindest mit einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar am 4.Juli 1988 Ingrid R*** und deren Sohn Mario R*** durch die Äußerung, er liebe Mario noch immer und wisse auch, daß Mario ihn liebe, sie hätten ihm das Liebste genommen und er werde sie noch heimdrehen (1 a) und am 5.Juli 1988 Gerhard und Ingrid R*** durch die Äußerung, er werde ihnen den Hals abschneiden und sie abstechen (1 b). Weiters liegt ihm zur Last, am 18.Juli 1988 im Wohnzimmer seiner Mutter den am 6.August 1982 geborenen Neffen Manfred F*** auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht zu haben, indem er dessen Hose und Unterhose bis zu den Knien herunterzog, mit dessen Glied spielte, seinen Finger in dessen After steckte und mit seinem erigierten Glied im äußeren Afterbereich des Unmündigen hin- und herfuhr (2).

Diesen Schuldspruch ficht der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a, 8, 9 lit a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an.

Das Gericht berief sich bei der Feststellung des dem Tatbestand des § 207 Abs. 1 StGB unterstellten Geschehens (2) auf die Bekundungen des zur Tatzeit zwar erst knapp sechs Jahre alten Knaben, an dessen Wahrnehmungs- und Aussagefähigkeit aber weder durch die Befragung der mit seiner Vernehmung bei der Gendarmerie befaßt gewesenen Personen noch durch das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Bedenken entstanden, sodaß seine Depositionen als verläßlich beurteilt wurden.

Die dieser Urteilsbegründung mit dem Hinweis darauf angelastete Mangelhaftigkeit (Z 5), daß sich das Gericht mit den unterschiedlichen Angaben der Mutter des Opfers zur Frage, ob der Angeklagte dem Buben Stillschweigen aufgetragen hatte (vgl S 30, 55 iVm S 98), und der Aussage der vernehmenden Kriminalbeamtin, nicht sagen zu können, ob sie 100 %ig von der Richtigkeit der Aussage des Buben überzeugt gewesen sei (S 107 bis 108), nicht auseinandergesetzt habe, liegt nicht vor. § 270 Abs. 2 Z 5 StPO trägt dem Gericht eine gedrängte, aber bestimmte Darstellung der Erwägungen auf, die seiner Überzeugung von der Schuld des Angeklagten zugrunde gelegt wurden, welcher Verpflichtung die Tatrichter - wie dargestellt - auch nachgekommen sind. Daß minderjährige Zeugen nur mit Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter psychiatrisch untersucht oder psychologisch exploriert werden dürfen, ist zwar richtig (SSt 29/85, LSK 1976/151, 13 Os 24/80, 13 Os 7/83 uva), jedoch sind die Umstände der Untersuchung nicht aktenkundig und die Zustimmung der Eltern eher anzunehmen, weil das Kind offensichtlich nur in ihrer Begleitung, sohin mit ihrem Einverständnis, dem Sachverständigen vorgeführt werden konnte. Aber selbst dann, wenn dieser dem Individualrechtsschutz des Zeugen dienende Grundsatz mißachtet worden wäre, könnte der Umstand, daß ein derartiges Gutachten - sachlich begründet - eingeholt und verwertet wurde, keinen den Angeklagten belastenden Verfahrensmangel darstellen (SSt 31/58).

Zur gefährlichen Drohung am 4.Juli 1988 (1 a) behauptet der Angeklagte zunächst aktenwidrig, eine Bedrohung (auch) des minderjährigen Mario R*** sei nicht Gegenstand der Anklage

gewesen. Die Formulierung des Anklagetenors (... und deren Sohn Mario ... - S 61) ist nämlich eindeutig, sodaß von einer Anklageüberschreitung (Z 8) keine Rede sein kann. Aber auch der weitere Vorwurf, die Urteilsbegründung zur Nichtannahme einer Volltrunkenheit sei unvollständig (Z 5) und übergehe vor allem das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. K***, geht fehl. Das Gericht setzte sich vielmehr ausführlich mit allen diesbezüglichen Beweisergebnissen auseinander (S 124 bis 126), kam aber auf Grund der Würdigung aller Tatumstände, vor allem im Hinblick auf das äußere, noch zielgerechte Handeln des Angeklagten, zu dem Ergebnis, daß dieser am Abend des 4.Juli 1988 zwar stark alkoholisiert, aber nicht volltrunken war. Die gegen diese und die weitere Feststellung, daß Erich H*** am Abend des 4. Juli 1988 (1 a) und am Morgen des 5.Juli 1988 (1 b) seine Drohungen in der Absicht ausgestoßen hat, Ingrid R*** und ihre Söhne Mario bzw Gerhard in Furcht und Unruhe zu versetzen, wobei er den Eindruck vermitteln wollte, er werde vor körperlichen Attacken nicht zurückschrecken (S. 120, 126), vorgebrachten Einwände stellen sich in Wahrheit als im Rahmen der Z. 5 überhaupt unzulässige Angriffe auf die schöffengerichtliche Beweiswürdigung dar. Dieses - ausdrücklich auch zum Gegenstand der Tatsachenrüge (Z. 5 a) gemachte - Beschwerdevorbringen vermag aber auch keine erheblichen Bedenken (auch nicht in Form mangelhafter Sachverhaltsermittlung) gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten Tatsachen zu erwecken.

Rechtliche Beurteilung

Soweit im Rahmen der Rechtsrüge (Z. 9 lit. a) unter dem Titel eines "Feststellungsmangels" neuerlich der Versuch unternommen wird, die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite dahin umzudeuten, daß die Drohungen lediglich als Unmutsäußerungen anzusehen seien (siehe dagegen S. 126), wird dieser materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt. Die Feststellungen über den Sinn der drohenden Äußerungen und die mit ihnen verbundene Absicht des Täters sind nämlich tatsächlicher Natur (Mayerhofer-Rieder2 E. 46, 47 zu § 281 StPO) und können daher im Rahmen einer Rechtsrüge nicht mit Erfolg bekämpft werden.

Ebenso verhält es sich mit dem Begehren der Subsumtionsrüge (Z 10), die Drohungen "äußerstenfalls als Vergehen der vollen Berauschung" zu qualifizieren, weil die - oben

wiedergegebenen - Konstatierungen, daß der Angeklagte nicht volltrunken war, mißachtet werden.

Die Beschwerde war daher teilweise als unbegründet, im übrigen aber als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt nach § 285 d Abs. 1 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen. Demgemäß wird über die Berufung der örtlich zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden haben (§ 285 i StPO).

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