Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 28.Februar 1942 geborene Frührentner Franz A wurde des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB., des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1
StGB. und des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 2 (richtig: Abs. 1) StGB. schuldig erkannt.
Darnach hat er in Lembach (1) von 1974 bis 27.August 1977 mit einer unmündigen Person, nämlich seiner am 28.August 1963 geborenen Stieftochter Susanne A regelmäßig mehrmals im Monat den außerehelichen Beischlaf unternommen, (2) diese von 1974 bis zum Sommer 1979 jeweils mehrmals im Monat (S. 199) durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht und (3) sie im Dezember 1979 und Jänner 1980 durch die öußerung, er werde ihrem zukünftigen Gatten schon in der Hochzeitsnacht sagen, daß er mit ihr in der Kindheit verkehrt habe, also durch gefährliche Drohung, mehrfach zum außerehelichen Beischlaf genötigt.
Diese Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 4, 5, 9 lit. a, der Sache nach teilweise auch Z. 10, StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Einen Verfahrensmangel erblickt er in der Abweisung seines in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Erörterung (vor allem des letzten Satzes) des psychiatrischen Gutachtens zum Beweis dafür, daß der Selbstmordversuch der minderjährigen Susanne A nicht auf eine Drohung oder Nötigung durch den Angeklagten zurückzuführen sei (S. 193, 194). Der Schöffensenat wies diesen Beweisantrag mit der Begründung ab, daß nach den Angaben der Zeugin selbst das intime Verhältnis zu ihrem Stiefvater (im Hinblick auf die Antragstellung gemeint wohl:
auch die gefallene Drohung) nicht der einzige Grund für den Selbstmordversuch gewesen sei (S. 194). Damit kam zum Ausdruck, daß ohnedies - im Sinn der Verantwortung (S. 172 f.) und Antragstellung des Angeklagten - nicht von einer Kausalität seines Verhaltens für den Selbstmordversuch seiner Stieftochter ausgegangen wurde. Eine gegenteilige Feststellung findet sich auch nicht in den Urteilsgründen.
Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vermeint, daß die Zitierung des § 202 Abs. 2 StGB. im Urteilsspruch (S. 198) und in den Gründen (S. 205) entnehmen lasse, daß er dennoch diesen Selbstmordversuch strafrechtlich zu verantworten habe, so verkennt er, daß hier eindeutig bloß ein Schreibfehler unterlaufen ist, der ersichtlich auf ein verfehltes Zitat in der Anklageschrift (S. 66; dort aber noch richtig in S. 68) zurückgeht. Eine (hier allein in Betracht kommende) aus der Tat entstandene schwere Körperverletzung der mißbrauchten Person (§ 84 Abs. 1 StGB.) wurde vom Erstgericht der Sache nach nicht angenommen, zumal der Selbstmordversuch der Minderjährigen lediglich zu einer leichten Medikamentenvergiftung (S. 150) führte. Die Beweisaufnahme war daher entbehrlich, weil der Senat ohnedies nicht von der durch sie zu widerlegenden Tatsache ausgegangen ist.
In der Mängelrüge wendet sich der Beschwerdeführer ebenso wie in seiner Rechtsrüge (hier sachlich aus der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO.) erneut gegen die in Wahrheit gar nicht angenommene Qualifikation nach § 202 Abs. 2
StGB., sodaß auch dieser Teil seines Rechtsmittels fehl geht. Als unvollständig begründet, weil wichtige Verfahrensergebnisse mit Stillschweigen übergehend, und als aktenwidrig bezüglich der Wiedergabe der Aussage des Zeugen Dr. B bekämpft der Beschwerdeführer die dem Schuldspruch wegen § 206 Abs. 1 StGB. (1) zugrundeliegende Feststellung, er habe mit seiner am 28.August 1963 geborenen Stieftochter bereits vor deren vierzehnten Geburtstag, nämlich seit 1974, geschlechtlich verkehrt.
Die Mängelrüge versagt aber auch insoweit.
Der Zeuge Dr. B hat niemals von einem Beginn der geschlechtlichen Beziehungen des Angeklagten mit seiner Stieftochter in deren elftem Lebensjahr gesprochen.
Gegenteiliges wurde in den Urteilsgründen nicht angenommen. Wohl aber hat der Zeuge mit Sicherheit deponiert, daß der Angeklagte ihm gegenüber erklärt habe, mit Susanne A bereits vor deren vierzehntem Lebensjahr (geschlechtlich) verkehrt zu haben (S. 180 oben); nichts anderes aber wird vom Gericht konstatiert (S. 201). Die vom Beschwerdeführer herausgestellte Abschwächung des Zeugen bezog sich nur auf den Wortlaut der öußerung des Angeklagten, an den er sich nicht mehr genau erinnern könne, nicht aber auf den - für die strafrechtliche Würdigung allein entscheidenden - Sinngehalt der öußerung.
Alle übrigen Beschwerdeeinwände gegen die Urteilsfeststellungen laufen auf eine im Nichtigkeitsverfahren unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung hinaus. Der Schöffensenat hat sich, entgegen dem Beschwerdevorbringen, ausführlich und sorgfältig mit allen für und wider die Glaubwürdigkeit der Zeugin Susanne A sprechenden Umständen auseinandergesetzt und sich insbesondere auf deren im ganzen Verfahren unverändert aufrechterhaltene Aussage gestützt, daß der erste Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten in der Zeit um ihren elften Geburtstag, noch vor dem erstmaligen Auftreten ihrer Monatsregel, stattgefunden habe. Die in der Beschwerde hervorgehobenen Abweichungen in den einzelnen Aussagen der Zeugin voneinander wurden vom Erstgericht als unerheblich gewertet (S. 203), wobei deren eingehende Erörterung schon angesichts der Verpflichtung zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs. 2 Z. 5 StPO.) nicht geboten war.
In seiner gegen den Schuldspruch nach § 202 Abs. 1
StGB. (3) erhobenen Rechtsrüge (§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO.) bringt der Angeklagte vor, die vom Erstgericht als Mittel der Nötigung zum Beischlaf angenommene gefährliche Drohung sei hiefür ungeeignet gewesen, weil die künftige Eheschließung seiner Stieftochter ebenso ungewiß gewesen sei wie die Frage, ob er selbst diesen Zeitpunkt überhaupt erleben würde; außerdem wäre die Verwirklichung der Drohung, die ihn selbst der Gefahr einer (weiteren !) Strafverfolgung aussetzen würde, nicht zu befürchten gewesen.
Dem ist zu erwidern, daß eine Imminenz der vom Täter angedrohten Gefahr, d.h. ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen dem von ihm angestrebten Beischlaf und dem angekündigten übel, nicht erforderlich ist (LSK. 1976/349 mit Verweis auf § 202 StGB.). Gemäß § 74 Z. 5 StGB. muß die Drohung geeignet sein, begründete Besorgnisse einzuflößen (Rechtsfrage). Eben diese Eignung kann im vorliegenden Fall zwanglos bejaht werden, bedenkt man, daß für die zur Zeit der Drohungen im 17. Lebensjahr stehende Susanne A, die schon einen Freund hatte, ihre Eheschließung keineswegs eine unrealistische Perspektive war; hebt doch § 74 Z. 5 StGB. die Eignung der Drohung u. a. 'auf die Verhältnisse' ab. Daß mit dem Bekanntwerden der jahrelangen Beziehungen zum Stiefvater seit der Kindheit eine Rufschädigung des Mädchens in geschlechtlicher Beziehung einherginge, versteht sich von selbst (Verletzung an der Ehre, siehe abermals § 74 Z. 5 StGB.). Nach § 74 Z. 5 StGB. kommt es nur auf die objektive Eignung an, die dort geschilderten Besorgnisse zu erregen. Diese Rechtsfrage, die einzige, welche die Beschwerde in Wahrheit aufwirft, ist bereits beantwortet. Ob die Drohung auf die bedrohte Person einen solchen Eindruck gemacht hat, daß sie sich deshalb zum Beischlaf hingab, ist eine der Beweiswürdigung unterworfene Tatfrage und diese hat das Schöffengericht gelöst. Das übrige, oben angeführte Beschwerdevorbringen (Lebenserwartung, Selbstbelastung des Täters) besteht aus sachverhaltsmäßigen Spekulationen auf mögliche, aber nicht notwendige Ereignisse in der Zukunft, die im übrigen bei jeder gefährlichen Drohung angestellt werden könnten ! Darauf ist weder in der Erledigung der Rechtsrüge noch sonst einzugehen.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Aus Anlaß der Erledigung dieser Beschwerde hat der Oberste Gerichtshof allerdings wahrgenommen, daß die minderjährige Susanne A über Beschluß des Schöffengerichts psychiatrisch befundet und begutachtet wurde, ohne daß die gebotenen rechtlichen Rücksichten genommen worden wären (ON. 21 S. 125, 126, ON. 24); denn minderjährige (nicht bloß unmündige) Zeugen dürfen nur mit der Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters (ev. eines Kollisionskurators: § 271 abGB.) ärztlich (psychiatrisch) untersucht oder psychologisch exploriert werden (SSt.
XXIX/85, EvBl. 1954 Nr. 36, 1970 Nr. 259, 1972 Nr. 69, RiZ. 1961 S. 11, LSK. 1978/392 und grundsätzlich: LSK.
1976/151, ferner 13 Os 24/80 und zahlreiche andere, nicht veröffentl. Entsch.). Dies mußte der grundsätzlichen Bedeutung wegen, die dem Individualrechtsschutz im Rechtsstaat zukommt, abschließend mit dem notwendigen Nachdruck festgehalten werden. Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach §§ 28, 206 Abs. 1 StGB. eine Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten. Dabei waren erschwerend die Wiederholung der unsittlichen Angriffe, deren Fortsetzung durch längere Zeit und das Zusammentreffen zweier Verbrechen mit einem Vergehen, mildernd hingegen das Teilgeständnis des Angeklagten, dessen Unbescholtenheit und das längere Zurückliegen der Taten in Verbindung mit dem seitherigen Wohlverhalten des Angeklagten.
Auch der Berufung, mit der der Angeklagte eine Herabsetzung des Strafmaßes und eine bedingte Strafnachsicht anstrebt, ist kein Erfolg beschieden.
Das eine Arbeitsunfähigkeit des Angeklagten bedingende Nervenleiden kann füglich nicht zu einer milderen Beurteilung führen, weil ein erkennbarer Konnex dieser Krankheit mit der jahrelangen geschlechtlichen Verfehlung an einem minderjährigen Tatopfer nicht besteht.
Dieses Leiden kann auch nicht bei der Strafbemessung, vielmehr erst bei der Strafvollstreckung Berücksichtigung finden, wenn es einem dem Wesen der Freiheitsstrafe (§ 20 StVG.) entsprechenden Strafvollzug entgegenstünde (§ 5 Abs. 1 StVG.). Daß der Angeklagte überhaupt keinen Zwang auf seine Stieftochter ausgeübt hätte, trifft angesichts des Schuldspruchs wegen Nötigung zum Beischlaf (3) nicht zu.
Die im untersten Bereich des bis zu zehn Jahren reichenden Strafsatzes des § 206 Abs. 1 StGB. geschöpfte Strafe erscheint in Anbetracht der Konkurrenz zweier Verbrechen mit einem Vergehen, aber auch im Hinblick darauf, daß der Berufungswerber ein zu Beginn der Verfehlungen erst elfjähriges Mädchen in den nachfolgenden langen Jahren der entscheidenden pubertären Entwicklung, zuletzt sogar unter Zwang, schwersten sexuellen Beeinträchtigungen ausgesetzt hat, eher mild bemessen.
Für die bedingte Strafnachsicht hätten die strengen Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 StGB. zu gelten. Nach der Art der strafbaren Handlungen (siehe den vorigen Absatz), namentlich des sich über fast sechs Jahre erstreckenden geschlechtlichen Mißbrauchs in zahllosen Einzelhandlungen, kann von der im § 43 Abs. 2 StGB. geforderten 'Gewähr' nicht die Rede sein.
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