OGH 7Ob710/88 (7Ob711/88)

OGH7Ob710/88 (7Ob711/88)15.12.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei Manfred S***, technischer Angestellter, Wien 2., Taborstraße 11 a/15, vertreten durch Dr. Walter und Dr. Peter Mardetschläger, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei und widerklagende Partei Gertraud S***, Hausfrau, Wien 2., Taborstraße 11 a/15, vertreten durch Dr. Otto und Dr. Wulf Kern, Rechtsanwälte in Wien, wegen Ehescheidung, infolge Revision der klagenden und widerbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 12. Juli 1988, GZ 15 R 129/88-52, womit infolge Berufung der klagenden und widerbeklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 29. März 1988, GZ 17 Cg 54/85-47, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende und widerbeklagte Partei ist schuldig, der beklagten und widerklagenden Partei die mit S 5.657,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 514,35 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben am 19. Dezember 1966 die Ehe geschlossen. Es war beiderseits die erste Ehe, der der am 18. Juni 1967 geborene Sohn Manfred entstammt. Beide Teile sind österreichische Staatsbürger, ihr letzter gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt war in Wien.

Beide Teile (im folgenden nur Kläger und Beklagte) begehren die Scheidung der Ehe jeweils aus dem Verschulden des anderen. Das Erstgericht schied die Ehe aus dem alleinigen Verschulden des Klägers. Nach seinen Feststellungen leben die Streitteile seit ihrer Eheschließung in der Wohnung der Eltern der Beklagten. Der Kläger bezahlt seinem Schwiegervater, der Hauptmieter ist, für die Mitbenützung der Wohnung den halben Mietzins und die halben Betriebskosten. Die Streitteile sind je zur Hälfte Eigentümer einer Liegenschaft in Maissen (im Waldviertel), auf der sich ein altes Bauernhaus befindet. Im Jahre 1978 begannen sie nach gemeinsamen Plänen mit der Errichtung eines neuen Hauses mit einer ursprünglich vorgesehenen Wohnfläche von 190 m2. Das Haus ist noch nicht fertiggestellt, seine tatsächliche Wohnfläche beträgt 157 m2. Die Streitteile fuhren zunächst jeweils zu den Wochenenden und in den Urlauben nach Maissen, der Kläger arbeitete mit Bekannten am Haus, während die Beklagte für die am Hausbau Mittätigen kochte. Wegen der langen Baudauer, weil sie das Haus für zu groß hielt und weil ihr die Kosten zu belastend erschienen, schränkte die Beklagte in der Folge ihre Anwesenheit in Maissen immer mehr ein, insbesondere seit ihre Mutter im Jahre 1981 eine Gallenblasenoperation und in der Folge eine Unterleibsoperation hatte und von der Beklagten gepflegt werden mußte. Die Beklagte ist nicht ganz gesund, sie leidet an Asthma bronchiale.

Wegen der Kosten für den Hausbau wurde die Beklagte vom Kläger finanziell knapp gehalten. Der Kläger gab ihr "gerade ausreichend" Wirtschaftsgeld. Das Geld reichte nicht, um auch Heizmaterial kaufen zu können, sodaß das Schlafzimmer meist ungeheizt blieb. Der Kläger verdient monatlich rund S 19.000,-- netto. Er gab der Beklagten nur S 3.000,-- bis S 5.000,-- monatlich Wirtschaftsgeld. Er kaufte seinem Sohn teilweise Kleidung, der Beklagten kaufte er nur selten Kleidungsstücke. Um S 1.000,-- schaffte er monatlich Lebensmittel an.

Die Beklagte war enttäuscht, mit der Familie, außer den Aufenthalten in Maissen, keinen Urlaub machen zu können. Sie fuhr deshalb vor mehreren Jahren mit Zustimmung des Klägers einmal mit dem Sohn ans Meer und einmal mit einer Freundin und deren Sohn nach Südtirol. Da der Kläger seine gesamte Freizeit dem Hausbau widmete und der Beklagten der Umgang mit den Leuten, die beim Bau mithalfen und ziemlich viel Alkohol konsumierten, nicht paßte, zog sie sich nach und nach vom Hausbau zurück. Der Kläger war darüber enttäuscht, das Verhältnis zwischen den Streitteilen kühlte sich ab. Während sie früher ein- bis zweimal wöchentlich Geschlechtsverkehr hatten, hatten sie ab dem Sommer 1980 nur mehr ein- bis zweimal jährlich Geschlechtsverkehr. Die Beklagte verweigerte sich dem Kläger nicht, zeigte aber auch kein Interesse, unter anderem auch deshalb, weil sie den Kläger des Ehebruchs verdächtigte. Es war nämlich die Rede von den Frauenbekanntschaften des Klägers im Waldviertel. Der Kläger war mit jungen Frauen in den Diskotheken in der Nähe von Maissen gesehen worden. Konkret bestand der Verdacht, daß der Kläger mit der Frau des Bürgermeisters von Weitra die Ehe gebrochen hat. Der Kläger verbrachte seine Freizeit nicht mit der Familie und kam fast immer erst gegen 22 Uhr nach Hause, um sich Auseinandersetzungen mit seiner Schwiegermutter zu ersparen und nicht über finanzielle Fragen mit der Beklagten streiten zu müssen.

Der Kläger leidet an einer Nasenscheidewandverkrümmung. Eine Korrektur lehnt er ab, weil er sich davon nichts verspricht. Wenn er nachts schnarchte und die Beklagte deshalb nicht schlafen konnte, weckte sie ihn, oft mit Püffen, auf und schlief, wenn sie erkältet war, im Wohnzimmer ihrer Eltern. Der Kläger akzeptierte, daß Mitte Feber 1987 sein Bett ins Eckzimmer gestellt wurde. Er schüttete oft das Essen, das ihm die Beklagte abends zubereitet hatte, ins WC. Die Beklagte beschimpfte den Kläger nie, sie hat ihn auch nie aufgefordert, die Ehewohnung zu verlassen und ihn nicht wider besseres Wissen homosexueller Beziehungen zu Leo T*** geziehen. Sie hatte von ihrem Sohn Manfred erfahren, daß Leo T***, ein Bekannter des Klägers, einmal auf dem WC versucht hatte, den damals noch Minderjährigen "abzugreifen".

Der Kläger ging zwar einige Male mit Renate P*** aus, unterhielt zu ihr jedoch keine sexuellen Beziehungen. Seit ca. 5 Jahren hat der Kläger jedoch ehewidrige Beziehungen zu Inge Anna S***. Er besuchte sie oft ohne hinreichenden Anlaß in ihrer Wohnung und blieb dort fallweise bis nach Mitternacht. Am 11. November 1986 hielt sich der Kläger in der Wohnung der Inge Anna S*** bis 2 Uhr früh und am 14. Oktober 1986 bis 0,50 Uhr auf.

Der Kläger richtete in der Wohnung der Inge Anna S*** die Heizung und das Wasser. Er fuhr Inge Anna S*** oft zu ihren Eltern nach Hirschenwies in der Nähe von Maissen. Vom 14. Oktober 1986 an war der Kläger nicht, wie er der Beklagten gegenüber behauptet hatte, 8 Tage in Tirol, sondern in Hirschenwies, wo er sich mit Inge Anna S*** traf. Die Beziehungen des Klägers zu Inge Anna S*** sind der Grund für die Interesselosigkeit des Klägers der Beklagten gegenüber.

Nach der Auffassung des Erstgerichtes habe der Kläger durch sein Verhalten, das den in den §§ 40 und 90 ABGB normierten Pflichten zwischen Ehegatten widerspräche, die Ehe schuldhaft und unheilbar zerrüttet.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln und übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, wenn der Kläger die der Ehe durch den Hausbau drohenden, offensichtlichen Gefahren nicht erkannt und seine Bauabsichten nicht im Interesse der Erhaltung der Ehe modifiziert habe, beweise dies ein nicht von der rechten ehelichen Gesinnung getragenes Verhalten. Diese Interesse- und Lieblosigkeit der Beklagten gegenüber müsse ihm als das für das Scheitern der Ehe maßgebliche Fehlverhalten angelastet werden, mag die Beklagte auch erst nach Bekanntwerden der Beziehungen des Klägers zu Inge Anna S*** den letzten Rest ihres Ehewillens verloren haben. In diesem Zeitpunkt hätten sich die Wege beider Ehegatten weitgehend getrennt und der Ehemann habe den Mittelpunkt seines Lebens nach Maissen verlagert gehabt. Im Verhältnis zu diesem, letztlich das Scheitern der Ehe bewirkenden Fehlverhalten des Klägers seien die übrigen Eheverfehlungen von untergeordneter Bedeutung. Es stelle aber jedenfalls eine schwere Eheverfehlung dar, wenn der Kläger den Großteil seiner Freizeit mit einer Person des anderen Geschlechtes verbracht habe, und zwar unabhängig von einem allfälligen erotischen Hintergrund, weil ein solches Verhalten geeignet sei, eine Entfremdung zwischen den Ehegatten herbeizuführen und zu vertiefen. Aus dem Zuspruch eines einstweiligen Unterhaltes an die Beklagte ergebe sich, daß der Kläger auch seine Unterhaltspflicht verletzt habe. Die Äußerungen der Beklagten über die homosexuellen Beziehungen des Klägers könnten der Beklagten nur dann als Eheverfehlung angelastet werden, wenn sie solche Beschuldigungen ohne zureichenden Grund und wider besseres Wissen oder doch leichtfertig erhoben hätte, was hier nicht der Fall sei. Da die Beklagte ein Recht auf ungestörte Nachtruhe habe, könne auch keine schwere Eheverfehlung darin erblickt werden, daß sie den Kläger gelegentlich durch Püffe aufgeweckt habe, wenn sie wegen seines lauten Schnarchens nicht habe schlafen können.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Der Ansicht des Klägers, daß sein Umgang mit Inge Anna S*** nicht ehewidrig und daher keine Eheverfehlung sei, ist entgegenzuhalten, daß ständige Beziehungen zu einem anderen Partner auch dann schwere Eheverfehlungen sind, wenn Ehebruch oder Ehestörung nicht erweislich ist (EFSlg. 51.588 ua). Ehegatten sind nämlich verpflichtet, auch jeden objektiv begründeten Schein ehewidriger Beziehungen zu vermeiden (EFSlg. 43.617, 36.311 ua). Daß der Kläger jedenfalls diesen Anschein erweckte, kann nach den Feststellungen über seine bis spät in die Nacht dauernden Besuche bei Inge Anna S*** und sein sonstiges Verhalten ihr gegenüber nicht zweifelhaft sein. Zu Unrecht beruft sich die Revision darauf, daß die Beklagte den Kläger nicht aufgefordert hat, die Kontakte zu Inge Anna S*** einzustellen, weil die Eheverfehlungen nicht erst durch das Veto des anderen Ehegatten entstehen (Pichler in Rummel, ABGB, Rz 1 a zu § 49 EheG). Davon, daß die Beklagte die Beziehungen des Klägers zu Inge Anna S*** nicht als ehestörend empfunden hat, kann aber keine Rede sein. Aus den Feststellungen ergibt sich, daß insbesondere auch der nicht unbegründete Verdacht der Beklagten, der Kläger unterhalte ehewidrige Beziehungen zu anderen Frauen (von den Beziehungen des Klägers zu Inge Anna S*** erfuhr die Beklagte erst Mitte 1984), mitursächlich für die Abnahme des Interesses der Beklagten an einem Geschlechtsverkehr mit dem Kläger war. Richtig ist, daß Störungen der Nachtruhe des anderen Ehegatten, wenn sie unbegründet erfolgen, eine schwere Eheverfehlung darstellen (EFSlg. 18.147). Hier fällt jedoch, wie schon das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat, zugunsten der Beklagten ins Gewicht, daß sie durch das laute Schnarchen des Klägers selbst in ihrer Nachtruhe gestört und der Kläger zu einer Korrektur der Nasenscheidewandverkrümmung nicht bereit war. Unter diesen Umständen könnte die festgestellte Reaktion der Beklagten auf das Schnarchen des Klägers bei einem selbst von rechter ehelicher Gesinnung erfüllten, also auch zur Nachsicht bereiten Ehegatten eine völlige Entfremdung nicht herbeiführen (vgl. EFSlg. 48.726, 20.331). Zutreffend hat daher das Berufungsgericht die Reaktion der Beklagten auf das Schnarchen des Klägers nicht als schwere Eheverfehlung gewertet.

Die Äußerung der Beklagten über die angeblichen homosexuellen Beziehungen des Klägers sind nicht anders zu beurteilen als Äußerungen über ehewidrige Beziehungen zu Personen desselben Geschlechts. Wie schon das Berufungsgericht richtig dargelegt hat, stellt aber nur eine grundlose gegen den anderen Ehegatten erhobene Beschuldigung ehewidriger Beziehungen eine schwere Eheverfehlung dar (EFSlg. 27.358, 24.973). Im vorliegenden Fall hat sich der Kläger durch seinen Umgang selbst ins Gerede gebracht und der Beklagten gegenüber seine Beziehungen zu anderen Frauen damit zu rechtfertigen versucht, seinen Ruf als Homosexueller loswerden zu müssen. Äußerungen der Beklagten in diese Richtung können ihr daher nicht als schuldhafte schwere Eheverfehlungen angelastet werden. Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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