Spruch:
Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei an Kosten des Revisionsverfahrens den Betrag von S 5.700,34 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Reinhard A*** wurde mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 28. Oktober 1981, 29 Vr 3207/79, Hv 261/80-66, rechtskräftig des Verbrechens der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen nach § 85 Z 1 und 3 StGB verurteilt. Er hat am 16. September 1979 Adolf E*** im Cafe "Anyway" in Innsbruck auf ein ca. 90 cm hohes Geländer gesetzt und ihm einen Stoß gegen die Brust versetzt, so daß Adolf E*** rücklings auf einen 4,1 m tiefer gelegenen Steinboden stürzte und am Körper verletzt wurde; die Tat hat ein schweres Leiden, einen Schädelberstungsbruch, eine Gehirnquetschung mit Hirnödem, eine schwere Schädigung der Sprache und eine Lähmung der rechten Körperhälfte mit Nervenschädigung des rechten Armes, zur Folge gehabt. Anträge des Adolf E*** um Gewährung von Hilfeleistungen nach dem Bundesgesetz über die Gewährung von Hilfeleistungen an Opfer von Verbrechen, BGBl. 1972/288 idgF, in der Form von Geldleistungen wegen Verdienstentganges und Heilfürsorge vom 7. August 1980 und 13. März 1984 wurden vom Bundesminister für soziale Verwaltung mit Schreiben vom 5. Februar 1982 und 26. September 1984 abgelehnt, weil der Ausschlußgrund nach § 8 Abs. 1 Z 2 des Gesetzes vorliege; Adolf E*** wurde
mitgeteilt, daß er die Möglichkeit der zivilrechtlichen Durchsetzung seiner vermeintlichen Ansprüche durch eine gegen die beklagte Partei gerichtete Klage bei den ordentlichen Gerichten habe. Mit rechtskräftigem Endurteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 1. März 1985, 13 Cg 27/84-41, wurde Reinhard A*** schuldig erkannt, dem Adolf E*** aus dem Titel des Verdienstentganges den Betrag von S 104.000 samt Anhang und ab 19. Dezember 1981 eine monatliche Rente von S 4.000 auf Lebenszeit zu bezahlen. Am 13. Juni 1985 trat Adolf E*** ihm nach dem Verbrechensopferhilfegesetz zustehende Ansprüche an die klagende Partei, die ihrerseits auf Grund des Tiroler Sozialhilfegesetzes Leistungen erbracht hat, ab.
Die klagende Partei begehrt mit der am 25. Oktober 1985 eingebrachten Klage nach mehreren Ausdehnungen den Zuspruch des Betrages von S 773.160,08 samt Anhang aus dem Titel des Verdienstentganges, der Heilfürsorge und der Rehabilitation nach dem Verbrechensopferhilfegesetz. Adolf E*** habe zwar vor dem 16. September 1979 nur gelegentlich etwa 20 Wochenstunden gearbeitet, aber dadurch monatlich durchschnittlich S 4.000 verdient. Die beklagte Partei sei verpflichtet, gemäß § 3 VerbrOHG dem Opfer monatliche Hilfe in der Höhe des Betrages zu erbringen, der diesem entgangen sei oder künftig entgehen werde; darunter sei jeder Verdienst, also auch Schwarzarbeit, zu subsumieren. Ein Deckungsfonds liege daher vor. Diese Ansprüche seien nicht verjährt, es gelte die allgemeine Verjährungszeit von 30 Jahren. Die beklagte Partei wendet, soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist, ein, daß alle für einen vor dem 25. Oktober 1982 gelegenen Zeitraum begehrten Leistungen verjährt seien. Adolf E*** habe nur Gelegenheitsarbeiten verrichtet, er habe seinen Lebensunterhalt durch Kartenspielen bestritten.
Das Erstgericht sprach im zweiten Rechtsgang der klagenden Partei den Betrag von S 291.719,08 samt Anhang an Kosten der Heilfürsorge und medizinischer Rehabilitation zu. Das Mehrbegehren (für Verdienstentgang) wies es ab. Zu diesem Punkt habe die klagende Partei kein detailliertes Vorbringen und keine Beweisanbote erstattet. Das Recht, Leistungen nach dem Verbrechensopferhilfegesetz in Anspruch zu nehmen, verjähre nach Ablauf der allgemeinen Verjährungszeit des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches, sohin nach dreißig Jahren. Werde eine beantragte Leistung nicht innerhalb von drei Jahren klagsweise verfolgt, so verjährten die einzelnen Leistungsansprüche. Es lägen weder Behauptungen noch Beweise vor, daß Adolf E*** bereits Leistungsansprüche gestellt habe. Es gelte daher die dreißigjährige Verjährungszeit.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei zur Gänze, der der klagenden Partei teilweise Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es der klagenden Partei den Betrag von S 260.666,66 samt Anhang (Verdienstentgang ab 25. Oktober 1982) zusprach, das Mehrbegehren von S 512.493,42 samt Anhang (darunter die gesamte Heilfürsorge und die Kosten der Rehabilitation) wies es ab. Auf Grund des von ihm ergänzten Beweisverfahrens stellte es fest:
Adolf E*** sei als Folge der ihm von Reinhard A***
zugefügten Verletzungen völlig arbeitsunfähig. Es lägen bei ihm schwerste, volle Invalidität bedeutende Dauerfolgen vor; eine wesentliche Besserung sei nicht mehr zu erwarten, vielmehr könne eine Verschlechterung eintreten. Adolf E*** habe bis etwa 1 3/4 Jahre vor dem 16. September 1979 nicht gearbeitet. Dann habe er begonnen, gelegentlich als Maler zu arbeiten. Er habe aber nur unregelmäßig gearbeitet. Sein Einkommen sei sehr unterschiedlich gewesen. Die durchschnittliche Arbeitszeit sei bei etwa 20 Wochenstunden gelegen, so daß er netto monatlich S 4.000 verdient habe. Ohne die ihm von Reinhard A*** zugefügten Verletzungen und deren Folgen hätte Adolf E*** auch bis 31. März 1988 ein Einkommen in der Höhe von ca. S 4.000 monatlich erzielt. Tatsächlich sei er aber völlig einkommenslos. Auch Zahlungen auf Grund des gegen Reinhard A*** erwirkten Urteiles seien nicht erfolgt. Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, daß alle vor dem 25. Oktober 1982 entstandenen Ansprüche verjährt seien. Das Verbrechensopferhilfegesetz enthalte keine Bestimmungen über die Verjährung. Es gelten somit die Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches, so daß zwar das Recht, Leistungen nach dem Verbrechensopferhilfegesetz überhaupt in Anspruch zu nehmen, in dreißig Jahren verjähre, einzelne Leistungsansprüche aber innerhalb von drei Jahren geltend gemacht werden müßten (Analogie zu den §§ 1480, 1489 ABGB). Der Beginn der Verjährungsfrist sei grundsätzlich an die objektive Möglichkeit der Rechtsausübung geknüpft. Die Verjährungsfrist beginne also zu laufen, sobald der Geltendmachung des Anspruches kein rechtliches Hindernis entgegenstehe. Zwar sei an sich Fälligkeit eines Anspruches Voraussetzung für den Beginn der Verjährungsfrist, doch gelte allgemein, wenn die Fälligkeit von einer Erklärung des Berechtigten abhänge, daß die Verjährung in dem Zeitpunkt beginne, in dem die Erklärung zulässig sei. Subjektive oder nur in der Person des Berechtigten liegende Hindernisse hätten in der Regel auf den Beginn der Verjährungsfrist keinen Einfluß. Eine Fälligkeit der Ansprüche nach dem Verbrechensopferhilfegesetz setze zwar ein Ansuchen nach § 9 VerbrOHG voraus, der Zeitpunkt dieses Ansuchens bestimme auch nach § 10 Abs. 1 VerbrOHG den Beginn der Hilfeleistungen. Die Stellung eines solchen Ansuchens sei aber Sache des Verbrechensopfers, das ohnehin im Strafverfahren gemäß § 14 VerbrOHG über die Ansprüche belehrt werden müsse. Adolf E*** hätte daher schon vor seinem ersten Ansuchen Leistungen nach dem Verbrechensopferhilfegesetz begehren können; er hätte auch in der Folge jeweils bei Vorliegen eines neu entstandenen Anspruches das entsprechende Ansuchen stellen können. Es könne dem Geschädigten nicht zustehen, seine Ansprüche klagsweise nach Belieben, etwa erst nach zehn Jahren, geltend zu machen. Die dreijährige Verjährungsfrist beginne vielmehr jeweils mit dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem einzelne Ansprüche Adolf E*** nach dem Verbrechensopferhilfegesetz entstanden seien, weil sie zu dem jeweiligen Entstehungszeitpunkt auch geltend gemacht hätten werden können. Daß dies auch für die klagende Partei gelte, ergebe sich aus der Tatsache, daß sie als Zessionar der Forderungen Adolf E*** keine andere Stellung als dieser haben könne. Der klagenden Partei stehe daher ab 25. Oktober 1982 Ersatz des Verdienstentganges nach dem Verbrechensopferhilfegesetz zu. Beide Teile erheben Revision. Die klagende Partei strebt den Zuspruch eines weiteren Betrages von S 510.812,62 samt Anhang, die beklagte Partei die völlige Abweisung des Klagebegehrens an.
Rechtliche Beurteilung
Beide Revisionen sind nicht berechtigt.
Das auf Entschließung des Nationalrates und des Bundesrates vom 26. März und 25. April 1969 zurückgehende Bundesgesetz vom 9. Juli 1972, BGBl. Nr. 288, über die Gewährung von Hilfeleistungen an Opfer von Verbrechen setzte sich, wie in der RV
(40 BlgNR 13.GP 7) dargelegt wurde, zum Ziel, den Opfern von Verbrechen, denen es unmöglich sei, ihre Schadenersatzansprüche gegen den Schädiger durchzusetzen, staatliche Hilfeleistung zu gewähren. Der Bund tritt dadurch, daß er vorläufig Pflichten des Schädigers übernimmt, als Rechtssubjekt des Privatrechtes auf. Dieses Ziel sollte dadurch erreicht werden, daß sich der Bund auf Grund des Art. 17 B-VG im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung selbst bindet. Während nach der Regierungsvorlage dem Verbrechensopfer kein unmittelbar aus dem Gesetz sich ergebendes subjektives Recht eingeräumt werden sollte, sondern die Hilfeleistungen nach Vereinbarungen zwischen dem Bund und dem Leistungswerber zu erbringen gewesen wären (§ 1 Abs. 6 des Entwurfes), nahm der Ausschuß für soziale Verwaltung, ohne dies allerdings in seinem Bericht darzulegen, eine Neukonzeption vor. Gegen den Bund sollten einem Verbrechensopfer nicht erst nach Vereinbarungen, die der Bund mit ihm zu schließen hätte, Ansprüche zustehen; der Bundesminister für soziale Verwaltung sollte vielmehr den Bund durch Auslobung (§ 860 ABGB) verpflichten, nach diesem Bundesgesetz Opfern von Verbrechen oder deren Hinterbliebenen Hilfe zu leisten. Solche Auslobungen sind im Bundesgesetzblatt auch kundgemacht worden (BGBl. 1973/497 und 1972/350). Auf diese Weise sollte, wie sich aus den Debattenbeiträgen von Dr. K*** und Dr. H*** (NR 13. GP 38. Sitzung vom 9. Juli 1972 S. 3411 und 3413, StProt) ergibt, sichergestellt werden, daß Verbrechensopfern ein vor den Gerichten einklagbarer zivilrechtlicher Anspruch zusteht (Tomandl, Grundriß des österreichischen Sozialrechts3 Rz 347; Marschall, ZAS 1976, 10; Ernst-Pakesch, Die Gewährung von Hilfeleistungen an Opfer von Verbrechen, 65). Gleich geblieben ist die formelle Abwicklung. Das Verbrechensopfer hat ein Ansuchen um Hilfeleistung beim zuständigen Landesinvalidenamt einzubringen (§ 9 Abs. 1 VerbrOHG). Über ein solches Ansuchen hat der Bundesminister für soziale Verwaltung zu befinden. Der nach dem Entwurf zur Unterstützung des Bundesministers einzurichtende Beirat war nicht mehr vorgesehen. Der dem Ansuchen zugrundeliegende Sachverhalt ist nach den Weisungen des Bundesministers für soziale Verwaltung von den Landesinvalidenämtern festzustellen. Beibehalten geblieben ist die Regelung, daß der Beginn der Leistungen vom Tag des Ansuchens abhängt (§ 10 VerbrOHG). Derzeit ist der Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges und die Gewährung von Pflege- und Blindenzulagen rückwirkend auf sechs Monate, die Zuerkennung aller anderen Hilfeleistungen rückwirkend auf zwei Jahre zu gewähren, wenn das Ansuchen innerhalb dieser Frist nach der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung bzw. nach dem Tod des Beschädigten gestellt wird; wird diese Frist versäumt, sind die Leistungen von dem Monat an zu erbringen, in dem um sie angesucht wurde.
Eine auf Grund der Änderung des Entwurfes im Ausschuß naheliegende Regelung, wann Ansprüche nach dem Verbrechensopferhilfegesetz verjähren, ist im Gesetz nicht getroffen. Nach dem bei Ernst-Pakesch aaO 66 wiedergegebenen, die Gerichte nicht bindenden Durchführungserlaß des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 29. Mai 1973, Zl. 47.015/1-27/1973, soll für die Verjährung des Rechtes, Leistungen nach diesem Bundesgesetz in Anspruch zu nehmen, die allgemeine dreißigjährige Verjährung nach dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Anwendung zu finden haben; Hilfeleistungen können allerdings mit Rücksicht auf § 10 VerbrOHG erst vom Monat des Antrages an bzw. für einen rückwirkenden Zeitraum von sechs Monaten erbracht werden. Wird eine beantragte Leistung (ausgenommen Bestattungskosten) nicht innerhalb von drei Jahren klageweise verfolgt, so sollen jene Leistungsansprüche, die vor mehr als drei Jahren, gerechnet vom Zeitpunkt der Klagseinbringung an, entstanden sind, verjähren. Ob für die Verjährung des Grundes des Anspruches die allgemeine Verjährungszeit von dreißig Jahren gilt, kann dahingestellt bleiben, weil nur die Frage zu klären ist, ob die Leistungen, um die Alfred E*** schon 1980 angesucht hat und die vor dem 25. Oktober 1982 entstanden sind, verjährt sind. Dies ist zu bejahen.
Der Gesetzgeber wollte aus Gründen der Gesetzgebungskompetenz dem Verbrechensopfer keinen öffentlich-rechtlichen Versorgungsanspruch, sondern einen privatrechtlichen Rechtsanspruch gegen den Bund einräumen. Rechtstechnisch sollte die Selbstbindung des Bundes durch das einzige im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch geregelte einseitige Rechtsgeschäft der Auslobung herbeigeführt werden. Ob dies dem Gesetzgeber mißlungen ist, weil, wie Rummel, ABGB, Rz 5 zu § 860, meint, es bei der Zusage der Hilfe an Verbrechensopfer an den Merkmalen des § 860 ABGB fehle, kann dahingestellt bleiben. Denn selbst nach Meinung Rummels hätten jedenfalls dieselben Rechtsfolgen wie bei der im § 860 ABGB geregelten Auslobung einzutreten. Der Gesetzgeber der 3. Teilnovelle ordnete aber ohnehin bewußt die Regeln über die Auslobung nicht in den besonderen Teil des Schuldrechtes, der die einzelnen Schuldverhältnisse nach ihrem wirtschaftlichen Zweck gegliedert regelt, ein. Die Auslobung stellt nur eine eigenartige Form der Verpflichtung dar, deren Zweck sehr verschieden sein kann (HHB 245), so daß es sich um einen Typus der Verpflichtungsform ohne Abstellung auf einen typischen Geschäftszweck handelt. Die Rechtsfolgen konnten daher grundsätzlich nicht allgemein im Gesetz festgelegt werden (HHB aaO; Ehrenzweig-Mayrhofer, Schuldrecht Allgemeiner Teil3 230; Gschnitzer-Faistenberger-Barta-Eccher, Schuldrecht Allgemeiner Teil2 30). Die Beurteilung, wann ein Anspruch auf eine ausgelobte Leistung verjährt, wird demnach immer vom schuldrechtlichen Inhalt der Auslobung abhängen.
Zweck der durch das Verbrechensopferhilfegesetz und die nachfolgenden Auslobungen des Bundesministers für soziale Verwaltung bewirkte Selbstbindung des Bundes ist es, dem Opfer eines Verbrechens, dem es sehr oft unmöglich ist, den gerechtfertigten Schadenersatz vom Schädiger zu erlangen (Marschall aaO 8), den Bund als weiteren Haftungspflichtigen (vgl. Ehrenzweig-Mayrhofer aaO 231; Machacek, AnwBl. 1978, 99) zu verschaffen. Der Bund als Rechtssubjekt des Privatrechtes wollte aber nur Pflichten des Schädigers übernehmen (RV aaO S. 7). Das Verbrechensopfer, das privatrechtliche Ansprüche nach dem Verbrechensopferhilfegesetz gegen den Bund geltend macht, erhebt demnach seinem Inhalt nach einen verschuldensunabhängigen Schadenersatzanspruch aus der Übernahme eines fremden Risikos (Ehrenzweig-Mayrhofer aaO 291). Jedenfalls für Ansprüche, um die bereits beim Bundesminister für Arbeit und Soziales angesucht wurde, hat demnach die Vorschrift des § 1489 ABGB zu gelten. Ob aus § 10 VerbrOHG der Schluß gezogen werden könnte, daß unbeschadet des Zeitpunktes des schädigenden Ereignisses Ansprüche auf Grund der Auslobung zu gewähren seien, solange die Unfallsfolgen in Zukunft gegeben sind, kann dann dahingestellt bleiben.
Es darf allerdings nicht unberücksichtigt bleiben, daß Reinhard A*** wegen einer Vorsatztat rechtskräftig für schuldig erkannt wurde, die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist (Strafrahmen nach § 85 StGB 6 Monate bis 5 Jahre), so daß Entschädigungsklagen gegen ihn nach dem zweiten Satz des § 1489 ABGB erst in dreißig Jahren verjähren. Diese lange Verjährungsfrist gilt jedoch nicht auch für den Bund, der nach dem Verbrechensopferhilfegesetz eine Auslobung zugunsten von Verbrechensopfern vornahm. Die überwiegende Lehre und herrschende Rechtsprechung legt die Bestimmung des § 1489 zweiter Satz ABGB dahin aus, daß die dreißigjährige Verjährungsfrist bei bestimmten strafbaren Handlungen nur für denjenigen gilt, dessen Tathandlung qualifiziert ist. Für Personen, die ohne eigenes Verschulden oder kraft minderen Verschuldens mithaften, gilt die dreijährige Verjährungsfrist (JBl. 1973, 372; SZ 40/40 ua; zuletzt 7 Ob 19/88, 7 Ob 552/88; Schubert in Rummel, ABGB, Rz 5 zu § 1489; Mader in Schwimann, ABGB, Rz 15 zu § 1489; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2 I 321 f; aA Klang2 VI 637). Es besteht kein rechtspolitischer Grund dafür, einen derart Mithaftenden schlechter zu stellen als jeden anderen nicht nach § 1489 zweiter Satz Handelnden (1 Ob 112/70); der längeren Verjährungszeit gegen den qualifizierten Vorsatztäter kommt vielmehr reine, nur gegen ihn persönlich (und seine Gesamtrechtsnachfolger) wirkende Straffunktion zu (JBl. 1973, 372; JBl. 1933, 168; 1 Ob 112/70). M. Bydlinski führt allerdings in RZ 1982, 218 ff unter Ablehnung der Entscheidung JBl. 1973, 372 aus, daß die lange Verjährungszeit auch für juristische Personen gelten sollte, die für ihre Repräsentanten haften, weil es sich hiebei um eine primäre Haftung handelte. Ob dies zutrifft, kann dahingestellt bleiben. Die Haftung des Bundes nach dem Verbrechensopferhilfegesetz ist keine primäre. Die gegen ihn gerichtete Entschädigungsforderung hat ihren Grund nicht in der begangenen Straftat oder der Haftung für eine von einem Organ des Bundes begangene Straftat, sondern in der in Selbstbindung vom Bund vorgenommenen, aus sozialen oder gesellschaftspolitischen Erwägungen erfolgten Auslobung. Liegt kein Fall des § 1489 zweiter Satz ABGB vor, wird aber auch sonst jedem Geschädigten zugemutet, innerhalb der kurzen Verjährungsfrist seine Entschädigungsansprüche geltend zu machen. Dies hat auch für Ansprüche gegen den Bund nach dem Verbrechensopferhilfegesetz zu gelten, denen im wesentlichen Fürsorgecharakter zukommt. Man könnte auch von Rentenansprüchen sprechen; auch dann gälte die dreijährige Verjährung (§ 1480 ABGB). Da Adolf E*** ein Ansuchen um Ersatz des Verdienstentganges und Gewährung der Heilfürsorge bereits im Jahre 1980 stellte, wies das Berufungsgericht zutreffend alle Ansprüche ab, die vor dem 25. Oktober 1982 entstanden sind. Ein Anspruch auf Gewährung einer Hilfeleistung nach § 2 Z 5 lit. c VerbrOHG (Zuschüsse oder Darlehen nach § 198 Abs. 3 ASVG zur Erlangung einer Arbeitsstelle oder einer anderen Erwerbsmöglichkeit), von dem die Revision der klagenden Partei spricht, wurde von der klagenden Partei nicht geltend gemacht. Sie brachte vielmehr schon in der Klage vor, Adolf E*** könne einer geregelten Arbeit nicht nachgehen. Im übrigen geht es nicht um die Frage, ob und zu welchen Leistungen die klagende Partei nach dem Tiroler Sozialhilfegesetz Adolf E*** gegenüber verpflichtet war, sondern einzig darum, welche nicht verjährten Ansprüche Adolf E*** auf Grund des Verbrechensopferhilfegesetzes gegen die beklagte Partei zustehen. Da die klagende Partei ohnedies rechtsgeschäftliche Zessionarin aller dieser Ansprüche ist, erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob und in welchem Umfang durch § 13 VerbrOHG eine Legalzession angeordnet wurde.
Die in der Revision der beklagten Partei gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Die klagende Partei brachte in dem in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 9. Juli 1986 vorgetragenen Schriftsatz ON 5 ausdrücklich vor, daß Adolf E*** vor seiner Verletzung 20 Wochenstunden gearbeitet und dadurch S 4.000 verdient habe. Diesen Verdienstentgang habe die beklagte Partei gemäß § 3 VerbrOHG Adolf E*** zu ersetzen. Ein Verstoß des Berufungsgerichtes gegen die Vorschrift des § 405 ZPO liegt somit nicht vor. Das Berufungsgericht nahm u.a. zur Frage der Erwerbsfähigkeit und des Verdienstentganges Adolf E*** eine Beweisergänzung vor; Anträge auf weitere Beweisaufnahmen, etwa durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, stellte die beklagte Partei nicht. Da die Frage der Erwerbsfähigkeit und des Verdienstentganges Adolf E*** ausdrücklich als Beweisthema im Beweisbeschluß des Berufungsgerichtes genannt wurde, kann auch keine Rede davon sein, die beklagte Partei wäre vom Vorgehen des Berufungsgerichtes überrascht worden. Die Rechtsrüge ist nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt. In ihr wird ausschließlich die irrevisible Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes bekämpft.
Beiden Revisionen ist der Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 43 Abs. 1, 50 ZPO. Die erfolglos gebliebenen Rechtsmittel dienten nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung. Zweckentsprechend war nur der jeweilige Abwehrerfolg. Der beklagten Partei ist die Differenz der Kosten der beiden Revisionsbeantwortungen zuzuerkennen.
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