OGH 7Ob19/88

OGH7Ob19/8816.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*** DER

Ö*** B***, Versicherungs-AG, Wien 2., Untere

Donaustraße 47, vertreten durch Marion Schön, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Gerhard M***, Student, Wien 18., Pötzleinsdorfer Höhe 7, vertreten durch Dr. Eva Maria Wendl-Söldner, Rechtsanwalt in Bad Vöslau, wegen 100.000,- S s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 20. Jänner 1988, GZ 17 R 183/87-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 25. Februar 1987, GZ 15 Cg 708/86-7 abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, dem Beklagten die mit 4.243,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 385,80 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 14. Oktober 1982 verschuldete der Beklagte in alkoholisiertem Zustand mit einem bei der Klägerin gegen Haftpflicht versicherten PKW einen Verkehrsunfall, bei dem ein 100.000,- S übersteigender Schaden entstanden ist. Halter des Fahrzeuges und Versicherungsnehmer war der Vater des Beklagten Josef M***. Beim Beklagten ergab sich nach dem Unfall ein Blutalkoholwert von 1,9 %o. Wegen des Unfalles wurde der Beklagte mit Strafverfügung des Strafbezirksgerichtes Wien vom 20. Jänner 1983, 7 U 46/83, rechtskräftig wegen § 88 Abs.1 und 3 StGB schuldig erkannt, wobei festgestellt wurde, daß er sich in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt hat, obwohl er vorher sehen konnte, daß ihm die Lenkung eines Kraftfahrzeuges bevorsteht. Von dieser Strafverfügung wurde die Klägerin nicht verständigt. Die von der Klägerin am 11. Februar 1986 eingebrachte, auf Zahlung von 100.000,- S s.A. gerichtete Klage wurde vom Berufungsgericht in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Revision für zulässig erklärt. Es ist bei seiner Entscheidung von folgenden wesentlichen Feststellungen ausgegangen:

Der Vater des Beklagten verständigte den zuständigen Versicherungsvertreter der Klägerin am 15. Oktober 1982 von dem Unfall und sandte ihm eine Schadensmeldung zur Autokaskoversicherung. Am 16. November 1982, als dem Beklagten bereits aufgrund eines Verwaltungsstrafverfahrens der Führerschein auf unbestimmte Zeit wegen Alkoholisierung aufgrund der ermittelten Alkoholwerte der Blutprobe entzogen worden war, ließ der Vater des Beklagten beim Ausfüllen der Schadensanzeige vom 16. November 1982 die Frage offen, ob beim Lenker Alkoholisierung festgestellt bzw. ob ein Strafverfahren gegen den Lenker eingeleitet worden sei. Er verneinte, die Frage, ob der Führerschein aufgrund des Unfalles entzogen wurde. Die Schadensanzeige brachte er nach Fertigung durch den Beklagten zu einem Vertreter der Klägerin und sagte diesem, daß beim Beklagten der Verdacht der Alkoholisierung bestehe und man ihm den Führerschein entweder abgenommen oder der Beklagte ihn zur Polizei gebracht habe. Eine Alkoholisierung stehe noch nicht endgültig fest. Er bat seinen Gesprächspartner, ihn zum zuständigen Schadensreferenten für Haftpflichtversicherung zu begleiten. Der Referent erkundigte sich beim Vater des Beklagten, ob der Beklagte etwas getrunken habe, was der Vater des Beklagten bejahte, wobei er jedoch auf das Fehlen eines endgültigen ärztlichen Attestes über die Alkoholisierung hinwies. Darauf erwiderte der Schadensreferent, falls der Sohn tatsächlich etwas getrunken habe, würde sich die Klägerin bei Inanspruchnahme der Kaskoversicherung am Halter regressieren. Die abgegebene Schadensmeldung wurde in der Folge als Haftpflichtmeldung behandelt.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsansicht, im allgemeinen unterliege der Regreßanspruch nach § 158 f VersVG der für die übergegangene Forderung geltenden Verjährungsfrist, jedoch müsse man hier davon ausgehen, daß im vorliegenden Fall auch die im Art. 8 Abs.2 Z 1 AKHB festgesetzte Verständigungspflicht des Versicherungsnehmers verletzt worden sei. In einem solchen Fall beginne die Verjährung erst ab dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem der Versicherer die für die Beurteilung des Regreßanspruches erforderlichen Umstände erfahren habe. Dies sei hier erst innerhalb einer dreijährigen Frist vor Klagseinbringung erfolgt. Das Berufungsgericht führte in rechtlicher Hinsicht aus, grundsätzlich unterliege der Regreßanspruch der für die übergegangene Forderung geltenden Verjährung. Es sei daher unerheblich, welches Verhalten des Versicherungsnehmers die Regreßforderung ausgelöst habe. Demnach sei die geltend gemachte Forderung auf jeden Fall verjährt. Es müsse nicht geprüft werden, ob im Falle einer strafbaren Handlung die 30-jährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB gelte, weil im vorliegenden Fall der Tatbestand der Urkundenfälschung nach § 147 StGB nicht erfüllt worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Ob im vorliegenden Fall auch eine Obliegenheitsverletzung nach Art. 8 Abs.2 Z 1 AKHB 1967 begangen worden ist oder nicht, muß nicht geprüft werden, weil auf jeden Fall die Obliegenheitsverletzung nach Art. 6 Abs.2 lit. b AKHB 1967 vorliegt. Dieser Umstand macht die Klägerin grundsätzlich bis zu einem Betrag von 100.000,- S leistungsfrei. Folgt man also der Rechtsansicht, daß die dreijährige Verjährung nicht ab dem Unfallstag, sondern ab Kenntnis der Klägerin von allen die Regreßforderung begründenden Umständen zu laufen beginnt, so wäre das Klagebegehren auch unter Außerachtlassen einer allfälligen Obliegenheitsverletzung nach Art. 8 Abs.2 Z 1 AKHB 1967 gerechtfertigt, andernfalls müßte es auch dann abgewiesen werden, wenn die erwähnte Obliegenheitsverletzung begangen worden wäre. Nach § 158 c VersVG ist im Rahmen der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung der Versicherer, ungeachtet seiner gegenüber dem Versicherungsnehmer eingetretenen Leistungsfreiheit innerhalb des dort aufgezeigten Rahmens zur Leistung an den geschädigten Dritten verpflichtet. Hat er aufgrund dieser Bestimmung Leistungen erbracht, so geht der Schadenersatzanspruch des Geschädigten gegenüber dem Versicherungsnehmer oder dem Mitversicherten gemäß § 158 f VersVG im Umfang der erbrachten Leistungen auf den Versicherer über. Schon aus dieser Konstruktion ergibt sich eindeutig, daß es sich bei der übergegangenen Forderung um die ursprüngliche Schadenersatzforderung des Geschädigten gegen den Versicherungsnehmer oder den Mitversicherten handelt. Durch die im § 158 f VersVG festgesetzte Legalzession erfährt diese Schadenersatzforderung keinerlei inhaltliche Änderung. Demnach kann, wie in ständiger Judikatur ausgeführt worden ist (VersR 1981, 992; JBl. 1979, 257; JBl. 1978, 434 u.a.), durch den Forderungsübergang keine Änderung der Verjährungsfrist bewirkt werden. Der Zeitpunkt, zu dem der Versicherer von der Person des Regreßpflichtigen oder von den Umständen, die eine Regreßpflicht begründen würden, Kenntnis erhält, ist demnach für die Verjährung der Regreßforderung ohne Bedeutung (ZVR 1986/111; JBl. 1979, 257 u.a.). Geht man aber von dieser, vom erkennenden Senat nach wie vor gebilligten Rechtsansicht aus, so ist es unerheblich, welche Obliegenheitsverletzung die Leistungsfreiheit des Versicherers und demnach auch seine Regreßforderung begründet hat, wann diese Obliegenheitsverletzung gesetzt wurde und wann sie dem Versicherer zur Kenntnis gelangt ist. Für die Verjährung der Regreßforderung ist es demnach auch ohne Bedeutung, ob die Kenntnis des Versicherers von den für ihn wesentlichen Umständen durch eine verbrecherische Handlung des Versicherungsnehmers oder einer mitversicherten Person verhindert worden ist. Die Regreßforderung würde nur dann der 30-jährigen Verjährungsfrist unterliegen, wenn auch die übergegangene Forderung erst in 30 Jahren verjähren würde. Die verbrecherische Handlung müßte also zum Versicherungsfall geführt haben. Andernfalls ist sie für die Frage der Verjährung der Regreßforderung ohne Bedeutung.

Der Klägerin sei allerdings zugegeben, daß § 158 f VersVG dem Versicherer ein zusätzliches Recht verschafft, ihm jedoch bestehende andere Rechte nicht nehmen will. Es ist daher ohne weiteres denkbar, daß neben einer Regreßforderung gemäß § 1295 ABGB auch eine Schadenersatzforderung wegen einer rechtswidrigen und schuldhaften Handlung besteht. Für die Verjährung dieser Schadenersatzforderung muß nicht der Zeitpunkt des Versicherungsfalles ausschlaggebend sein, weil sie erst mit der späteren Erfüllung des entsprechenden Tatbestandes entstanden sein kann.

Tatsächlich macht die Klägerin im vorliegenden Fall, zumindest neben einer Regreßforderung, auch eine Schadenersatzforderung geltend, weil sie auf eine Irreführung bezüglich der für sie bedeutsamen Umstände verweist und das diesbezügliche Verhalten nach § 147 Abs.2 StGB qualifiziert.

Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin bietet jedoch der festgestellte Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte für einen schweren Betrug durch Urkundenfälschung im Sinne des § 147 Abs.1 Z 1 StGB. Die Schadensmeldung (Beilage A) stammt vom Vater des Beklagten und wurde von diesem und dem Beklagten unterfertigt. Hiebei handelt es sich um eine Privaturkunde, die inhaltlich dem Willen des Verfertigers der Urkunde entspricht. Die Urkunde wurde auch nicht derart manipuliert, daß über ihren Aussteller oder den von diesem beabsichtigten Inhalt Zweifel entstehen könnten. Aus diesem Grunde stellt die Schadensmeldung keine falsche Urkunde dar. Von einer Verfälschung könnte aber nur gesprochen werden, wenn der Inhalt der Urkunde geändert worden wäre. Derartiges ist nicht einmal behauptet worden.

Die Klägerin hat sich allerdings nicht ausschließlich auf § 147 Abs.1 Z 1 StGB, sondern vor allem auf § 147 Abs.2 StGB berufen. Nach dieser Bestimmung ist wegen schweren Betruges mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen, wer einen Betrug mit einem 5.000,- S übersteigenden Schaden begeht. Daß der Klägerin ein Schaden von 100.000,- S erwachsen ist, ist unbestritten. Ebenso kann davon ausgegangen werden, daß dem Beklagten bekannt war, daß der Unfall einen 5.000,- S übersteigenden Schaden verursacht hat. Damit ist aber für die Klägerin nichts gewonnen.

Es erscheint schon zweifelhaft, ob das Verhalten des Vaters des Beklagten überhaupt als Betrug im Sinne des § 146 StGB beurteilt werden kann. Ein solcher Betrug setzt nämlich voraus, daß mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten, sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, jemand durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung verleitet wird, die diesen oder einen anderen am Vermögen schädigt. Im vorliegenden Fall hat zwar die Verneinung der Entziehung des Führerscheines in der Schadensmeldung nicht den Tatsachen entsprochen, doch wurde die Schadensmeldung mit der Bemerkung übergeben, dem Beklagten sei wegen Verdachtes der Alkoholisierung der Führerschein entweder abgenommen worden oder habe ihn der Beklagte zur Polizei gebracht. Aus dieser Mitteilung mußte der Klägerin klar sein, daß der Beklagte wegen des Unfalles im Hinblick auf den Verdacht seiner Alkoholisierung derzeit über keinen Führerschein verfügt. Dies schließt aber die Absicht des Vaters des Beklagten, die Klägerin über diesen Umstand in Irrtum zu führen, praktisch aus. Zwar stand zum damaligen Zeitpunkt die Alkoholisierung des Beklagten beim Unfall bereits fest, was der Vater des Beklagten verneinte, doch hat dieser immerhin auf diesen Verdacht und auf das laufende Verfahren hingewiesen. Es ist ebensfalls mehr als unwahrscheinlich, daß er hier eine Irreführung der Klägerin beabsichtigt hat. Immerhin war nicht er Beteiligter am Verwaltungsstrafverfahren, sondern der Beklagte, weshalb es ohne weiters möglich ist, daß ihm die bescheidmäßige Entziehung des Führerscheines und das dieser zugrundeliegende Ergebnis der Blutuntersuchung noch nicht bekannt war.

Eine abschließende Erledigung dieser Frage erübrigt sich hier jedoch, weil der Vater des Beklagten in diesem Verfahren nicht Partei, sondern lediglich Zeuge ist. Eine Schadenersatzforderung wird nur gegen den Beklagten geltend gemacht. Selbst wenn man dem Vater des Beklagten schweren Betrug im Sinne des § 147 StGB vorwerfen könnte, würde dies noch nicht dazu führen, daß eine Schadenersatzforderung gegen den Beklagten der 30-jährigen Verjährungsfrist des § 1489 ABGB unterliegt, und zwar auch dann nicht, wenn der Beklagte solidarisch mit seinem Vater haften würde, etwa weil er die Irreführung der Klägerin fahrlässig mitverursacht hätte. Die 30-jährige Verjährungsfrist gilt nämlich bei strafbaren Handlungen nur für denjenigen, dessen Tathandlung im Sinne des § 1489 ABGB qualifiziert ist, nicht aber für Personen, die nur solidarisch mit ihnen mithaften (vgl. Schubert in Rummel Rz 5 zu § 1489, SZ 40/40 u.a.).

Was nun das Verhalten des Beklagten selbst anlangt, so könnte diesem nach den getroffenen Feststellungen lediglich vorgeworfen werden, daß er die Schadensmeldung mitunterfertigt hat. Nach den vom Berufungsgericht verkürzt wiedergegebenen Feststellungen des Erstgerichtes hat die gesamte Angelegenheit der Vater des Beklagten behandelt, der auch die Schadensmeldung ausgefüllt hat. Aufgrund des Verlangens der Klägerin, daß auch der Verursacher des Unfalles die Schadensmeldung mitunterfertigen müsse, ließ der Vater des Beklagten die Unfallsmeldung vom Beklagten unterfertigen. Die bloße Unterfertigung der Unfallsmeldung durch den Beklagten würde aber noch nicht den Tatbestand des Betruges begründen. Hiezu wäre es vielmehr erforderlich, daß dem Beklagten die Unrichtigkeit der Unfallsmeldung bewußt gewesen wäre. Hätte er diese ungelesen unterfertigt oder wäre ihm beim Überfliegen eine Unrichtigkeit nicht aufgefallen, so käme ein Betrug nicht in Frage. Daß sich aber der Beklagte bei Unterfertigung der Unfallsmeldung der Unrichtigkeit dieser Meldung bewußt gewesen wäre, haben die Vorinstanzen nicht festgestellt. Dies wird auch von der Revision nicht gerügt. Vielmehr geht die Revision ausschließlich von einem Fehlverhalten des Versicherungsnehmers, also des Vaters des Beklagten, aus. Ein Fehlverhalten des Vaters des Beklagten würde aber, wie bereits dargelegt, nicht dazu führen, daß eine Schadenersatzforderung gegen den Beklagten selbst der 30-jährigen Verjährungsfrist des § 1489 ABGB unterliegt. Bezüglich des Beklagten könnte man also höchstens von einer fahrlässigen Mitverursachung der Fehlinformation der Klägerin ausgehen. Die fahrlässige Handlung bestünde darin, daß er sich über den Inhalt der Schadensmeldung nicht ausreichend informiert hat. Die Unterfertigung der Schadensmeldung durch ihn erfolgte aber spätestens am 16. November 1982. Selbst wenn man also dem Beklagten diesbezüglich ein Verschulden zum Vorwurf machen würde, wäre im Hinblick auf den Tag der Klagseinbringung (11. Februar 1986) eine Schadenersatzforderung gegen ihn verjährt. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte