OGH 5Ob637/88

OGH5Ob637/8813.12.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf L***, Besitzer zu "Harrland", Mittersill, Loferstein 2, vertreten durch Dr. Herwig Grosch, Dr. Günter Harasser, Dr. Simon Brüggl, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wider die beklagte Partei Johann B***, Besitzer zu "Unterfilzbach", Mittersill, Weissenstein 6, nunmehr vertreten durch Dr. Gerhard Mory, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung (Streitwert S 28.000,--) infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 29. September 1988, GZ 21 R 313/88-25, womit die am 8. Juli 1988 beim Erstgericht eingelangte, vom nunmehrigen Rechtsvertreter des Beklagten Dr. Gerhard Mory verfaßte Berufungsschrift der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Mittersill vom 11. Mai 1988, GZ C 164/86 -18, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das Urteil des Erstgerichtes, mit welchem der Beklagte verurteilt wurde, Viehtriebe und Fahrten mit Fahrzeugen welcher Art auch immer, mit Ausnahme von Fahrten im Winter zum Zwecke der Heuabfuhr mit einem Traktor und Hänger, über das Grundstück 803 KG Schloß Mittersill zu unterlassen, wurde dem damaligen Vertreter des Beklagten, Rechtsanwalt Dr. Horst W***, am 9. Juni 1988 zugestellt. Am 28. Juni 1988 langte beim Erstgericht die am 27. Juni 1988 zur Post gegebene, von Rechtsanwalt Dr. W*** verfaßte Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil (ON 19) ein. Mit dem am 6. Juli 1988 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz (ON 20) teilte Dr. W*** mit, daß das Vollmachtsverhältnis zwischen ihm und dem Beklagten aufgelöst worden sei. Am 8. Juli 1988 langte beim Erstgericht die am 7. Juli 1988 zur Post gegebene, vom nunmehrigen Vertreter des Beklagten, Rechtsanwalt Dr. Gerhard M***, verfaßte Berufung gegen das Ersturteil (ON 21) ein. Das Erstgericht legte beide Berufungen dem Berufungsgericht vor.

Das Berufungsgericht wies die von Rechtsanwalt Dr. M*** verfaßte Berufung des Beklagten (ON 21) unter Hinweis auf die Entscheidung RdW 1987, 54 mit der Begründung zurück, daß der Beklagte durch die Erhebung der formell korrekten Berufung ON 19 sein Rechtsmittelrecht verbraucht habe; es sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes, über den es entschieden hat, S 15.000,-- übersteigt.

Gegen den Zurückweisungsbeschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß ersatzlos aufzuheben. Hilfsweise wird die Aufhebung des Beschlusses und die Zurückverweisung der Rechtssache zur Einleitung eines Verbesserungsverfahrens an das Berufungsgericht oder an das Erstgericht beantragt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig (vgl. Fasching, Lehrbuch, Rz 1980), aber nicht berechtigt.

Aus dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt geht hervor, daß der Beklagte die Erhebung der Berufung durch Rechtsanwalt Dr. W*** gegen sich gelten lassen muß (§§ 34, 36 Abs 1 ZPO), auch wenn er diesem - wie er nunmehr im Rekurs vorbringt - die Absendung der ihm abschriftlich übermittelten Berufungsschrift an das Gericht untersagt und am 28. Juni 1988 die Vollmacht widerrufen haben sollte.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes steht jeder Partei nur eine einzige Rechtsmittelschrift zu und ist ein zweiter Schriftsatz, möge er auch bloß Richtigstellungen oder Nachträge enthalten, selbst dann unzulässig, wenn er innerhalb der Rechtsmittelfrist eingebracht wurde (JBl 1959, 376 uva, aus letzter Zeit etwa RZ 1982/40, RZ 1983/23; vgl. Fasching, Kommentar IV 26, Peter G. Mayr, Der Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels, JBl 1981, 458 ff, 520 ff). Im Hinblick auf die durch die Zivilverfahrensnovelle 1983 geschaffenen erweiterten Verbesserungsmöglichkeiten (§ 84 Abs 3 ZPO) vertreten zwar Fasching (Lehrbuch, Rz 1693) und Konecny (JBl 1984, 69 f) die Auffassung, daß es im österreichischen Zivilprozeßrecht den Grundsatz der Einmaligkeit der Rechtsmittelhandlung nicht mehr gebe und der Rechtsmittelwerber das ursprünglich eingebrachte Rechtsmittel innerhalb der Rechtsmittelfrist in formgerechter Weise ergänzen oder (auch ohne Zustimmung des Gegners) durch eine andere Rechtsmittelschrift austauschen könne. Dieser Auffassung ist jedoch, wie der Oberste Gerichtshof bereits in zahlreichen Entscheidungen dargelegt hat, nicht zu folgen. Wohl lassen die §§ 84, 474 Abs 2, 495, 513 ZPO idF der Zivilverfahrensnovelle 1983 die Verbesserung einer Rechtsmittelschrift, in der vorgeschriebenes Vorbringen fehlt, zu, doch können inhaltliche Mängel eines Schriftsatzes im Sinne sachlicher Unrichtigkeiten oder unschlüssiger Ausführungen auch nach neuem Recht nicht verbessert werden. Es besteht kein Anlaß, über die durch die Zivilverfahrensnovelle 1983 erweiterten Verbesserungsmöglichkeiten hinaus ohne verfahrensrechtliche Notwendigkeit mehrere innerhalb der Rechtsmittelfrist eingebrachte Rechtsmittelschriftsätze zuzulassen. Dies gilt insbesondere dann, wenn nach einem formal einwandfreien, zur meritorischen Behandlung geeigneten und daher nicht verbesserungsbedürftigen Rechtsmittel gegen dieselbe Entscheidung innerhalb der Rechtsmittelfrist ein weiteres Rechtsmittel eingebracht wird, das neben ergänzenden Ausführungen zu den schon im ersten Rechtsmittel geltend gemachten Rechtsmittelgründen neue Rechtsmittelgründe und Rechtsmittelanträge enthält (RdW 1987, 54 mwN; 5 Ob 382-388/87, 9 Ob S 45/87, 2 Ob 13/88 ua; vgl. Peter G. Mayr in RZ 1987, 265 ff mwN). Der erkennende Senat sieht sich auch durch die Ausführungen im vorliegenden Rekurs nicht veranlaßt, von dieser nunmehr schon als ständig anzusehenden Rechtsprechung abzugehen.

Die von Rechtsanwalt Dr. M*** verfaßte Berufung des Beklagten wurde daher im Hinblick auf die bereits früher eingelangte, von Rechtsanwalt Dr. W*** verfaßte formal einwandfreie, zur meritorischen Behandlung geeignete und damit nicht verbesserungsbedürftige Berufung des Beklagten vom Berufungsgericht mit Recht als unzulässig zurückgewiesen; das Erstgericht hat nur die Rechtzeitigkeit, nicht aber die Zulässigkeit der Berufung zu prüfen (§ 468 Abs 1 ZPO; Fasching, Lehrbuch, Rz 1783).

Zur Einleitung eines Verbesserungsverfahrens, damit der Beklagte aufklären könne, warum es zur Überreichung zweier Berufungen gekommen sei und welche der beiden Berufungen er aufrecht erhalten wolle, bestand nach der dargestellten Rechtslage kein Anlaß und keine Möglichkeit.

Es war daher dem Rekurs ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Rekurskosten beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.

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