OGH 1Ob690/88

OGH1Ob690/8830.11.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Hofmann, Dr.Redl und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gisela G***, Private, Wien 1, Gluckgasse 3, vertreten durch Dr.Max Villgrattner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei V*** nach Wilhelm N***, Buchhändler, zuletzt wohnhaft gewesen Wien 18, Köhlergasse 12, vertreten durch Dr.Gerhard Winterstein, Rechtsanwalt in Wien, und der Nebenintervenientin auf seiten der beklagten Partei L*** Gesellschaft mbH, Wien 1, Gluckgasse 3, vertreten durch Dr.Herwig Kubac und Dr.Harald Svoboda, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufkündigung infolge Revision der beklagten Partei und der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 14.Juli 1988, GZ 41 R 645/87-76, womit infolge Berufung der beklagten Partei und der Nebenintervenientin das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 3.Juni 1987, GZ 48 C 3/87-68, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Eigentümerin des Hauses Wien 1, Gluckgasse 3. Der am 3.7.1985 verstorbene Wilhelm N*** war auf Grund des Vertrages vom 28.6.1963 Mieter des in diesem Hause gelegenen Geschäftslokales, in dem er ein Antiquariat und den Buchhandel betrieb. Die Wilhelm N*** zugestandenen Gewerbeberechtigungen wurden ihm im Jahre 1981 rechtskräftig für immer entzogen. Wilhelm N*** hielt das Geschäft bis zum Jahre 1981 regelmäßig geöffnet, danach öffnete er das Geschäft nur noch stundenweise am Nachmittag. Er erzielte im Jahre 1981 steuerpflichtige Entgelte von S 672.199,86, davon Einkünfte aus Gewerbebetrieb in der Höhe von S 153.586,--; im Jahre 1982 betrug der Gesamtbetrag der Entgelte S 319.579,18, davon Einkünfte aus Gewerbebetrieb S 64.366,--. Im Jahre 1982 war es Wilhelm N*** mangels flüssiger Mittel nicht mehr möglich, Ware einzukaufen, die im Lokal zum Verkauf angebotenen Bilder waren Kommissionsware. Er versuchte deshalb seinen immer größer werdenden finanziellen Schwierigkeiten durch eine Verwertung der Mietrechte am Geschäftslokal zu begegnen. So bot er dem Ehegatten der Klägerin die Aufgabe der Mietrechte gegen Bezahlung eines Betrages von S 1 Mio. an, einem Bekannten des Ehegatten der Klägerin bot er den Erwerb des Geschäftslokales um S 1,5 bis S 2 Mio. an. Als diese Versuche fehlschlugen, gründeten Wilhelm N*** und Erhard L*** mit Notariatsakt vom 2.3.1983 die L*** Gesellschaft mbH. Nach dem Gesellschaftsvertrag übernahmen Erhard L*** vom Stammkapital im Betrag von S 500.000,-- einen Geschäftsanteil von S 400.000,-- und Wilhelm N*** einen Geschäftsanteil von S 100.000,--. Bei Errichtung der Gesellschaft stellte Wilhelm N*** dem Erhard L*** das Anbot, seinen Geschäftsanteil um S 50.000,-- zu erwerben. Erhard L*** wurde mit Gesellschafterbeschluß vom 2.3.1983 zum alleinigen Geschäftsführer bestellt. Mit Vertrag vom selben Tag verkaufte Wilhelm N*** die Geschäftseinrichtung gemäß Inventarliste um den Betrag von S 480.000,-- an die L*** Gesellschaft mbH und brachte die ihm zustehenden Mietrechte zum Gebrauch in die L*** Gesellschaft mbH ein. Der Zeitwert des Inventars betrug S 34.000,--; in diesem Betrag waren Beleuchtungskörper, eine Glasvitrine und der Schreibtisch mit Bank nicht enthalten. Die weniger wertvollen Bücher wurden von der L*** Gesellschaft mbH in Bausch und Bogen übernommen. Wilhelm N*** überließ der Gesellschaft mbH auch seine noch vorhandene Kommissionsware, die aus Radierungen, Lithographien, Zeichnungen, Stichen, Öl- und Aquarellbildern bestand. Er sollte am Verkaufserlös mit zwei Dritteln des Wertes beteiligt sein. Die von Wilhelm N*** zu leistende Stammeinlage bevorschußte Erhard L***; sie sollte mit den der Gesellschaft zustehenden Erlösen aus dem Verkauf von Kommissionsware verrechnet werden. Unmittelbar nach Abschluß der Verträge wurde Wilhelm N***, der strafgerichtlich verurteilt war, in Haft genommen und verblieb in dieser bis 1.6.1983. Mit dem am 7.6.1983 bei der Gebäudeverwaltung Dr.Peter D*** eingelangten Schreiben teilte Wilhelm N*** mit, daß er zusammen mit Erhard L*** den Geschäftsbetrieb in Form einer Gesellschaft mbH führe und die ihm zugehenden Mietzinsvorschreibungen weiter bezahlen werde. Als das Geschäft nach Renovierung, die etwa zwei Wochen dauerte, wieder geöffnet wurde, kam Wilhelm N*** bis zu seinem Tod etwa dreimal wöchentlich halbtägig in das Geschäft; eine "organisierte" Mitarbeit war ihm zufolge seines schlechten Gesundheitszustandes nicht möglich; er beriet jedoch die Angestellten der Gesellschaft mbH und vermittelte Kundenkontakte; im Verkauf war er nicht tätig.

Das Erstgericht gab der auf § 30 Abs 2 Z 4 MRG gestützten Aufkündigung des Bestandgegenstandes statt. Es stellte fest: Wilhelm N*** sollte an der neu gegründeten Gesellschaft mbH nach der zwischen ihm und Erhard L*** getroffenen Vereinbarung nicht beteiligt sein, seine Beteiligung an der Gesellschaft habe nur im Außenverhältnis bestanden und bezweckte, die Verwertung der Mietrechte am Geschäftslokal zu ermöglichen. Auch eine Vereinbarung über eine Mitarbeit im Betrieb des Unternehmens sei nicht getroffen worden. Nicht festgestellt werden könne, daß Wilhelm N*** der Gesellschaft mbH einen eigenen Kundenstock übertragen habe; er habe nur Kontakte zu Kunden, insbesonders zu Zwischenhändlern, vermittelt. Der Kundenkreis im Antiquariatsgeschäft sei aber im wesentlichen derselbe, so daß Erhard L***, der ebenfalls im Antiquariatsgeschäft tätig gewesen sei, mehr oder weniger denselben Kundenkreis gehabt habe. Wilhelm N*** habe zwar Einzelkontakte vermittelt, nicht aber einen ganzen Kundenstock übergeben. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG sei dann nicht gegeben, wenn ein Unternehmen veräußert werde und im Rahmen der Veräußerung die Bestandrechte dem Erwerber zur Nutzung überlassen werden, wenn ein Unternehmen samt Mietrechten in eine Gesellschaft eingebracht werde, sowie dann, wenn die Mietrechte in eine Gesellschaft eingebracht werden, an der der Mieter beteiligt sei. Eine Unternehmensveräußerung sei im vorliegenden Fall zu verneinen, da nach dem mit der Gesellschaft mbH abgeschlossenen Kaufvertrag nur die Geschäftseinrichtung verkauft und die Einbringung der Mietrechte vereinbart worden sei. Dies reiche nicht aus, um einen Unternehmensübergang anzunehmen, da zum Unternehmen auch Kundenstock, Goodwill, Absatzgelegenheiten etc gehörten. Wilhelm N*** sei an der gegründeten Gesellschaft mbH auch nicht wirtschaftlich beteiligt gewesen. Die Gründung der Gesellschaft habe überhaupt nur den Zweck verfolgt, Wilhelm N*** die Verwertung der wertvollen Bestandrechte zu ermöglichen. Demzufolge liege kein schutzwürdiges Interesse der beklagten Partei an der Aufrechterhaltung des Mietvertrages vor, so daß der geltend gemachte Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 4 MRG gegeben sei. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei und der Nebenintervenientin nicht Folge. Es sprach aus, daß der von der Bestätigung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt.

Das Berufungsgericht übernahm die Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteiles. In rechtlicher Hinsicht bejahte es das Vorliegen des geltend gemachten Kündigungsgrundes. Von einer Einbringung oder Übertragung des Unternehmens des Wilhelm N*** an die Nebenintervenientin könne im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden; eher handle es sich um eine Liquidierung durch die Verwertung einzelner Bestandteile des Unternehmens. Aber selbst wenn von einer Unternehmensveräußerung auszugehen wäre, hätte diese doch nur den Zweck verfolgt, dem Erwerber die Ausnützung der wertvollen Bestandrechte zu ermöglichen. Die Gründung der Gesellschaft mbH sei nur zu dem Zweck erfolgt, um diese Bestandrechte verwerten zu können. Wilhelm N*** sei an der L*** Gesellschaft mbH auch nicht beteiligt gewesen. Selbst wenn von einer solchen Beteiligung auszugehen wäre, sei sie im Gesellschaftsvertrag nur mit 20 % festgelegt worden, so daß Wilhelm N*** ein maßgeblicher wirtschaftlicher Einfluß nicht zugestanden wäre. Demzufolge sei insgesamt der geltend gemachte Kündigungsgrund gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei und der Nebenintervenientin ist berechtigt.

Nach § 30 Abs 2 Z 4 MRG kann ein Mietvertrag gekündigt werden, wenn der Mieter den Mietgegenstand mit oder ohne Beistellung von Einrichtungsgegenständen ganz weitergegeben hat und ihn offenbar in naher Zeit nicht für sich oder eintrittsberechtigte Personen dringend benötigt. Dieser Kündigungsgrund ist ident mit dem seinerzeitigen Kündigungsgrund des § 19 Abs 2 Z 10 MG (MietSlg 37.420/31; Würth in Rummel, ABGB, Rz 21 zu § 30 MRG). Demnach stellt die Veräußerung eines Unternehmens und die damit verbundene Überlassung der Benützung der gemieteten Betriebsräumlichkeiten an einen Dritten den Kündigungsgrund nicht her, sofern nicht die Veräußerung des Unternehmens lediglich den Zweck verfolgt, dem Erwerber die Ausnützung der Bestandrechte zu ermöglichen (MietSlg 37.420/31, 33.362, 26.276; Würth a.a.O. Rz 23 zu § 30 MRG). Von einer Unternehmensveräußerung kann nur dann die Rede sein, wenn nach wie vor Identität des Unternehmens besteht; der Erwerber muß den Standort beibehalten, den Kundenstock übernommen und den Betrieb ohne Unterbrechung mit Waren gleicher Art fortgeführt haben (MietSlg 37.420/31 ua). Der Kündigungsgrund liegt auch dann nicht vor, wenn der Bestandnehmer an dem im Bestandobjekt geführten Unternehmen wirtschaftlich beteiligt bleibt (MietSlg 38.454, 31.394, 29.339; Würth a.a.O. Rz 23 zu § 30 MRG). Was die wirtschaftliche Beteiligung des Wilhelm N*** an der L*** Gesellschaft mbH betrifft, so steht fest, daß die Beteiligung des Wilhelm N*** am Stammkapital der Gesellschaft zwar formal im Außenverhältnis in Erscheinung treten, Wilhelm N*** aber an der Gesellschaft nicht tatsächlich beteiligt sein sollte. Damit kann von einer wirtschaftlichen Beteiligung keine Rede sein, auch wenn er dann nach Einbringung der Aufkündigung zeitweise in den Räumen anwesend war und Kundenkontakte vermittelte.

Eine abschließende Beurteilung, ob nicht doch eine Unternehmensveräußerung vorlag, ist hingegen noch nicht möglich. Nach dem Wortlaut des zwischen Wilhelm N*** und der L*** Gesellschaft mbH abgeschlossenen Kaufvertrages könnte allerdings von einer Unternehmensveräußerung keine Rede sein, verkaufte Wilhelm N*** danach doch nur die Geschäftseinrichtung. Sonst ist nur von den Mietrechten die Rede, die Wilhelm N*** nach dem Wortlaut des Punktes V des Kaufvertrages in die Gesellschaft "zum Gebrauche einbrachte", ohne daß hiefür ein Betrag ausgewiesen wäre. Der Wert aller Gegenstände konnte zwar nicht mehr festgestellt werden, unzweifelhaft ist aber, daß die in die Inventarliste eingesetzten Werte nicht annähernd stimmten und weit überhöht ausgewiesen waren. Die Annahme, daß der Restbetrag ausschließlich die Mietrechte betraf, ist aber nicht zwingend. Wenn der Vertrag nicht den tatsächlichen Vereinbarungen entsprach, muß daraus noch nicht der Schluß gezogen werden, daß der Restbetrag nur die Mietrechte betraf und nicht auch einen Unternehmenskauf dienen sollte. Unstrittig ist jedenfalls, daß Wilhelm N***, obwohl ihm im Jahre 1981 die Gewerbeberechtigungen rechtskräftig für immer entzogen wurden, tatsächlich seine Gewerbetätigkeit, wenn auch nur mehr stundenweise an den Nachmittagen, fortsetzte. Er konnte auch noch im Jahre 1982 steuerpflichtige Entgelte aus dem Gewerbebetrieb, wenn auch in bescheidener Höhe, erzielen. Er konnte zwar mangels flüssiger Mittel keine Waren mehr einkaufen, hatte jedoch im Lokal Kommissionsware. Er muß auch noch einen Kundenstock besessen haben, auch wenn das Erstgericht meinte, eine solche Feststellung nicht treffen zu können, stellte es doch gleichzeitig fest, er habe Kontakte zu Kunden, insbesondere zu Zwischenhändlern, vermittelt. Die Kontakte zu Kunden und deren Wissen, daß sich an einem bestimmten Ort ein einschlägiges Unternehmen befindet, stellen aber gerade das dar, was man Kundenstock nennt. Die nicht im Tatsachenbereich allein liegende Annahme des Erstgerichtes, der Kundenkreis im Antiquariatsgeschäft seim im wesentlichen derselbe, so daß Erhard L***, der ebenfalls im Antiquariatsgeschäft tätig ist, mehr oder weniger denselben Kundenkreis gehabt habe, gilt allerdings für alle Unternehmen, da sie immer nur für einen bestimmten Bevölkerungskreis interessant sind; der potentielle Kundenkreis ist aber nicht der Kundenstock. Darunter wird verstanden, daß ein Unternehmer im allgemeinen Stammkunden hat und außerdem Laufkundschaft, die vielfach weiß, wo sich einschlägige Geschäfte befinden, anzieht. Dieser Kundenstock ist wiederum ein Teil des sogenannten Goodwill, der dazu führt, daß in aller Regel der Wert eines Unternehmens die Summe der einzelnen Werte übersteigt, so daß selbst im Konkurs ein Unternehmen vielfach noch verwertet werden kann (EvBl 1976/255 mwN). Wohl in keinem Gewerbe spielt aber das Vertrauen in den Unternehmer eine solche Rolle wie gerade im Antiquariatsgeschäft; in diesem hat jeder Unternehmer seinen ganz speziellen Kundenkreis, dessen Vorhandensein dem Unternehmen einen besonderen Wert geben kann. Antiquitäten werden zudem nicht alltäglich gekauft, der Goodwill eines Unternehmens kann sich daher oft sehr lange als einmal errungener Wert erhalten, auch wenn das Unternehmen, wie im vorliegenden Fall, nicht mehr ganztägig geöffnet bleibt. Zum Goodwill gehört aber auch das Alter des Unternehmens, die mutmaßliche Dauer der gesicherten Absatzgelegenheiten, die Lebensdauer der Ertragsquellen (Wegan, Der Goodwill und seine Bedeutung, ÖJZ 1960, 451) und nicht zuletzt seine Lage (EvBl 1967/84; Wegan aaO). Die Gluckgasse liegt nun aber unmittelbar neben der Spiegelgasse und in nächster Nähe des Dorotheums, der bekannten Zentren des Wiener Antiquitätenhandels. Daß hier der Kundenkreis an sich ein anderer ist als in der Annagasse, in der Erhard L*** tätig war, kann nicht bezweifelt werden. Erhard L*** erhielt auch Kommissionsware; auch darin kann ein erheblicher Wert liegen, weil auch für den Verkauf von Kommissionsware Entgelte für das Unternehmen erzielt werden und damit bereits eine vermögenswerte Grundlage für die Weiterführung des Unternehmens besteht. Wie immer also die schriftlichen Vereinbarungen zwischen Erhard L*** und Wilhelm N*** gelautet haben mögen, haben sie doch tatsächlich, damit aber auch vom Vertragsinhalt und vom Willen der Parteien umfaßt, der Gesellschaft auch Werte zukommen lassen, die als Goodwill anerkannt werden müssen. Dieser Goodwill könnte allerdings geringwertig gewesen sein, falls Wilhelm N*** von seinem Gewerbe wenig verstanden und daher einen schlechten Ruf gehabt hätte. Daß er auf sein Mietrecht gegen Entgelt verzichten wollte, läßt hingegen keinen Schluß darauf zu, das Unternehmen habe keinen wesentlichen Goodwill mehr besessen, so daß es nur um den Mietwert gegangen wäre. Im Rahmen wirtschaftlicher Überlegungen kann vielmehr auch derjenige, der ein wertvolles Unternehmen führt, bereit sein, dieses Unternehmen aufzugeben und die hiefür gemieteten Räume dem Hauseigentümer, der sie dann viel teurer vermieten kann, zu überlassen, wenn er dasjenige (oder sogar mehr) bekommt, was er bei einem Unternehmensverkauf erzielen könnte. Steht aber fest, daß Erhard L*** nicht nur Mieträume, sondern auch ein günstig gelegenes lebendes Unternehmen mit einem gewissen Kundenkreis und sofort zu verkaufender Kommissionsware erhalten hat, bedarf es noch einer Klärung, ob nicht doch eine Unternehmensveräußerung vorlag und die Mietrechte nur ein Teil des Unternehmens waren und dessen Schicksal zu teilen haben. Ob das Unternehmen oder aber nur die bloßen Mietrechte das Wesentliche der Vereinbarung zwischen Erhard L*** und Wilhelm N*** waren, ist erst nach Feststellung des Wertes des noch vorhandenen Goodwills möglich. Die richtige Methode der Bewertung eines Handelsunternehmens ist ein Problem der Betriebswirtschaftslehre, nach der Einigkeit darüber besteht, daß der Ertragswert bei der Bewertung lebender Unternehmen eine wichtige Rolle spielt (SZ 53/172), ohne daß er bei momentan heruntergewirtschafteten, aber verhältnismäßig rasch wieder aufbaufähigen Unternehmen die allein entscheidende Bedeutung haben muß. Die Beweislast, daß nicht die Mietrechte, sondern das Unternehmen das Wesentliche der Vereinbarungen waren, trifft schon angesichts der anders formulierten schriftlichen Vereinbarungen die beklagte Partei. Zur Klärung des Unternehmenswertes im Zeitpunkt seiner Übergabe wird die Einholung von Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Antiquitätenhandler, allenfalls aber auch der Buchführung und der Betriebswirtschaft wohl unvermeidlich sein. Da es einer Verfahrensergänzung in erster Instanz bedarf, erweist sich die Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen als erforderlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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