OGH 1Ob683/88

OGH1Ob683/8830.11.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Redl und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Gert D***, Kaufmann, Radetzkystraße 5, 8010 Graz, vertreten durch Dr. Günther Forenbacher, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei S*** G***, vertreten durch den Bürgermeister Alfred S***, Rathaus, 8010 Graz, vertreten durch Dr. Franz Wiesner und Dr. Gertrud Wiesner, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 925.852,57 samt Anhang infolge Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 19. April 1988, GZ 1 R 56/88-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 4. Jänner 1988, GZ 6 Cg 353/87-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Zwischenurteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 65.121,20 bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren (darin enthalten S 4.105,57 Umsatzsteuer und S 20.000 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 2595 KG V Gries mit dem Grundstück 1941/8, Helmut G*** ist Eigentümer der Nachbarliegenschaft EZ 2592 KG V Gries mit dem Grundstück 1941/7. Der Kläger betreibt ein Autobus-, Helmut G*** ein Stahlbauunternehmen. Beide Unternehmen hatten früher ihren Standort im Wohnbereich von Graz. Dies hatte wiederholt zu Schwierigkeiten mit Anrainern und Behörden geführt. Die beklagte Partei war Eigentümerin eines größeren Areals an der Puchstraße, das als Industriegebiet aufgeschlossen werden sollte. Der Kläger und Helmut G*** kauften von der beklagten Partei die Grundstücke zu einem relativ günstigen Preis, die Umsiedlung der Betriebe wurde auch finanziell gefördert. Eine Eigentumsabtretung jener Fläche, auf der für beide Unternehmen die notwendige Zufahrtsstraße errichtet wurde, fand nicht statt. Diese Zufahrt wurde vielmehr dem Kläger und Helmut G*** durch die beklagte Partei als Eigentümerin der Grundstücke 1941/1 und 1943 KG V Gries mit Dienstbarkeitsvertrag vom 13. Juli und 1. August 1984 eingeräumt. Dieser Vertrag hat folgenden wesentlichen Wortlaut:

"Die STADT GRAZ, künftighin Dienstbarkeitsgeberin genannt, räumt hiemit für sich und ihre Rechtsnachfolger im Eigentum der Grundstücke Nr. 1941/1 und 1943 je EZ 950 KG V Gries Herrn Helmut G***, geboren 26. 7. 1941, und Herrn Ing. Gert D***, geboren 20. 10. 1920, und deren Rechtsnachfolgern im Eigentum des Grundstückes Nr. 1941/7 EZ 2592 KG V Gries ...... und des Grundstückes Nr. 1941/8 EZ 2595 KG V Gries ...... die

grundbücherlichen Dienstbarkeiten a) des Gehens und Fahrens mit Fahrzeugen aller Art über die 10 m breite Aufschließungsstraße, welche über die Grundstücke Nr. 1941/1 und 1943 je EZ 950 KG V Gries führt, und b) die Errichtung und des dauernden Bestandes sowie des Betriebes von Versorgungs- und Entsorgungsleitungen jeder Art (Kanal, Wasser, Licht, Telefon, Strom, Fernwärme und sonstige Leitungen) über die Aufschließungsstraße, welche über die städtischen Grundstücke 1941/1 und 1943 je EZ 950 KG V Gries führt, ein und nehmen die Herren Helmut G*** und Ing. Gert D*** diese Dienstbarkeiten in Kraft und Wirkung eines Vertrages an .....

2.) Die Einräumung dieser Grunddienstbarkeiten erfolgt

unentgeltlich. 3.) Zwischen den Vertragsparteien wird ausdrücklich

vereinbart, daß die im Punkt 1 a und b eingeräumten

Grunddienstbarkeiten grundsätzlich für immerwährende Zeiten gewährt

werden, in der Praxis jedoch zu dem Zeitpunkt erlöschen, zu welchem

die geplante "Aufschließungsstraße" künftighin in das öffentliche

Gut der KG V Gries übertragen wird ...... 5.) Es wird

übereinstimmend festgestellt, daß die von der gegenständlichen

Dienstbarkeit betroffene Aufschließungsstraße von den Firmen

G*** und Ing. Gert D*** mit einem Kostenaufwand von

S 1,5 Mill. errichtet wurde. Für den Fall, daß in Zukunft bezüglich

der gegenständlichen Aufschließungsstraße weitere

Wegedienstbarkeiten eingeräumt werden sollten, verpflichtet sich die

STADT GRAZ in den mit den künftigen Wegedienstbarkeitsberechtigten

abzuschließenden Dienstbarkeitsverträgen jeweils festzulegen, daß

sich diese künftig nicht nur anteilsmäßig an den Kosten der

Instandsetzung und Erhaltung der gegenständlichen

Aufschließungsstraße zu beteiligen haben, sondern daß sie auch die

Kosten der erstmaligen Errichtung der gegenständlichen

Aufschließungsstraße anteilsmäßig zu tragen haben und zwar derart,

daß sie die durch die erstmalige Errichtung der gegenständlichen

Aufschließungsstraße angefallenden Kosten jeweils entsprechend ihrem

zum Zeitpunkt der Einräumung der diesbezüglichen Wegedienstbarkeit

anfallenden Anteil den zu diesem Zeitpunkt bereits vorhandenen

Wegedienstbarkeitsberechtigten zu refundieren haben, wobei dieser

Refundierungsbetrag auf die bereits bestehenden

Wegedienstbarkeitsberechtigten anteilsmäßig aufzuteilen ist .......

9.) Bei Beendigung des Dienstbarkeitsverhältnisses steht den

Dienstbarkeitsnehmern für getätigte Investitionen (Ver- und

Entsorgungsleitungen bzw. Ausgestaltung der Oberfläche der dienenden

Grundstücke) keine Entschädigung zu. In diesem Falle steht es den

Herren G*** und Ing. D*** frei, die getätigten Investitionen

entschädigungslos in das Eigentum der STADT GRAZ übergehen zu lassen

oder unverzüglich auf ihre Kosten zu entfernen ......."

Mit von der beklagten Partei und der Firma V*** Alpine AG abgeschlossenen Gesellschaftsvertrag aus dem Jahre 1985 wurde die Firma A*** Abfall-, Entsorgung- und Verarbeitungsgesellschaft mbH (im folgenden Firma A***) mit dem Sitz in Graz gegründet. Nach § 2 dieses Gesellschaftsvertrages ist Gegenstand des Unternehmens die Abfallentsorgung, insbesondere durch die Übernahme von Abfall, dessen Aufbereitung und Verarbeitung zu verwertbaren Produkten und die Klärschlammentsorgung, insbesondere durch die Übernahme von Klärschlamm, dessen Behandlung und Verarbeitung zu verwertbaren Produkten sowie die Errichtung und der Betrieb von zur Durchführung der oben genannten Tätigkeiten notwendigen oder nützlichen Anlagen. Die Beteiligung der beklagten Partei, in deren Interesse die Gründung und Betreibung dieses Unternehmens liegt, beträgt 51 %, die der V*** Alpine AG 49 %. Die A*** nahm am 1. August 1985 ihren Betrieb auf. Die Zufahrt zu dieser Müllsammelstelle erfolgt über die Dienstbarkeitsstraße.

Der Kläger, dem Helmut G*** seine auf demselben Rechtsgrund basierenden Ansprüche zedierte, begehrt den Zuspruch des Betrages von S 925.852,57 samt Anhang. Er habe sich im Frühjahr 1985 mit der beklagten Partei in Verbindung gesetzt und darauf hingewiesen, daß bei allfälligen Verträgen mit der Betreiberin der Müllentsorgungsanlage nicht vergessen werde, diese zur Übernahme der anteiligen Kosten der Errichtung der Zufahrtsstraße zu verpflichten. Mit Schreiben vom 9. September 1985 habe die beklagte Partei geantwortet, daß die Zufahrtsstraße von Dienststellen der beklagten Partei zu dem städtischen Grundstück der Müllumladestation benützt werde. Da die beklagte Partei die Verpflichtung zur Anlieferung des Mülls habe, sei die Einräumung einer Wegedienstbarkeit zum Zwecke der Zufahrt zugunsten der Firma A*** als Betreiberin der Anlage nicht erforderlich. Bei Abschluß des Dienstbarkeitsvertrages sei es aber ein Entgegenkommen des Klägers und des Helmut G*** gewesen, daß die beklagte Partei nicht sogleich die anteiligen Kosten der Errichtung der Zufahrtsstraße habe bezahlen müssen, sondern daß erst bei Mitbenützung durch die geplanten weiteren Betriebe diese für die anteiligen Errichtungskosten aufkommen sollten. Es habe nicht der geringste Zweifel daran bestanden, daß die beklagte Partei selbst für anteilige Kosten der Straßenbenützung aufzukommen habe, wenn sie diese Straße benütze. Die Aufschließungsstraße diene neben den beiden Errichtern in erster Linie der A***. Eine Zufahrt zu dieser Anlage wäre ohne die vom Kläger und Helmut G*** hergestellte Aufschließungsstraße überhaupt nicht möglich. Die A*** bzw. die beklagte Partei hätten daher auf jeden Fall eine Zufahrtsstraße errichten müssen. Die beklagte Partei wäre vertraglich verpflichtet gewesen, der Firma A*** die Tragung der anteiligen Errichtungskosten zu überbinden. Wenn die beklagte Partei nunmehr behaupte, daß sie für die Transporte zur A*** selbst aufzukommen habe, liege ein klarer Umgehungswille vor. Die beklagte Partei habe in diesem Fall eine Konstruktion gewählt, um den Kläger und Helmut G*** bewußt zu schädigen. Das Areal werde von der Firma A*** benützt; die internen Vereinbarungen, wer für die Zulieferung des Mülls zuständig sei, seien rechtlich unerheblich. Die beklagte Partei schulde dem Kläger und Helmut G*** 75 % der seinerzeitigen Errichtungskosten von S 1,234.470,19.

Die beklagte Partei wendete ein, sämtliche Transporte über die Dienstbarkeitsstraße zur und von der Firma A*** erfolgten durch sie (zum Teil auch durch beauftragte Frächter) als Eigentümerin des Grundes bzw. Mehrheitseigentümerin der Firma A***. Die Einräumung einer Dienstbarkeit an eine fremde Unternehmung liege nicht vor. Nur dann, wenn von der beklagten Partei weitere Dienstbarkeiten zur Benützung der Straße eingeräumt werden sollten, wären von den jeweiligen Dienstbarkeitsberechtigten die entsprechenden Leistungen abzuverlangen. Der Text des Dienstbarkeitsvertrages habe dem Willen der Parteien entsprochen. Der Vertrag sei vom damaligen Vertreter des Klägers verfaßt worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest: Mit Punkt 5 des Dienstbarkeitsvertrages sei gemeint gewesen, daß, sollte in Hinkunft diese Aufschließungsstraße von neuen dritten Dienstbarkeitsberechtigten benützt werden, die S*** GRAZ sich verpflichte, anteilsmäßige "Grunderrichtungskosten" auf diesen Dritten zu überbinden. Es sei aber klar gewesen, daß von Seiten der beklagten Partei weiterhin Fahrzeuge diesen Weg benützen werden. Im hinteren Bereich des Areals der beklagten Partei sei das Städtische Gartenbauamt und eine städtische Gärtnerei, die mittlerweile umgesiedelt worden sei, gelegen. Die Dienstbarkeitsstraße werde von der beklagten Partei als Zufahrt zu den Räumlichkeiten des Beschaffungsamtes verwendet, weiters seit nunmehr zwei bis drei Jahren als Zufahrt zur Müllsammelstelle. Die Aufschließungsstraße werde wesentlich von der Firma A*** frequentiert, die längenmäßig ca. die Hälfte der gesamten Straße benütze. Die beklagte Partei sei Grundeigentümerin des Betriebsgrundstückes der Firma A*** geblieben. Die Firma A*** leite die Benützungsmöglichkeit der Aufschließungsstraße von der beklagten Partei ab. Ab 1984 seien vorerst die Baufahrzeuge für die Errichtung der A***, dann nach Aufnahme des Betriebes die Müllfahrzeuge gefahren.

Rechtlich legte das Erstgericht dar, die Bestimmung des Punktes 5 des Dienstbarkeitsvertrages sei wörtlich auszulegen. Es sollte die Kostentragungspflicht nur "weitere" Wegedienstbarkeitsberechtigte treffen. Für diesen Fall habe die beklagte Partei die Garantie für die Überbindung dieser Verpflichtung übernommen. Ein häufigeres Befahren der Aufschließungsstraße durch die beklagte Partei könne daher keine Kostenpflicht für sie begründen. Dem Kläger sei allerdings zuzubilligen, daß offenkundig bei Abschluß der Vereinbarung nicht daran gedacht worden sei, daß sich die Intensität der Benützung der Straße durch die beklagte Partei deutlich steigern könnte. Es müßte daher sicherlich erwogen werden, inwieweit zumindest für die Kosten der Instandhaltung der Straße die Geschäftsgrundlage weggefallen sei. Die Lösung dieser Frage erübrige sich aber, da die beklagte Partei zu den Kosten der Errichtung nichts beitragen müsse. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes als Zwischenurteil dahin ab, daß der Anspruch der klagenden Partei gegen die beklagte Partei auf Schadenersatz in Gestalt der Zahlung eines nach Maßgabe des Punktes 5 des zwischen den Parteien geschlossenen Dienstbarkeitsvertrages vom 13. Juli 1984/1. August 1984 zu bemessenden anteilsmäßigen Beitrages zu den Kosten der Errichtung der Aufschließungsstraße dem Grunde nach zu Recht bestehe. Es übernahm die auf Grund eines mängelfreien Verfahrens getroffenen Feststellungen des Erstgerichtes.

Unter Anwendung der Grundsätze des § 914 ABGB sei davon auszugehen, daß zwischen den Streitteilen ein Vertrag zustande gekommen sei, mit dem sich die beklagte Partei verpflichtet habe, in den mit künftigen Wegedienstbarkeitsberechtigten abzuschließenden Dienstbarkeitsverträgen jeweils festzulegen, daß diese die durch die Errichtung der Aufschließungsstraße angefallenen Kosten anteilsmäßig den bereits vorhandenen Wegedienstbarkeitsberechtigten zu ersetzen hätten. Diese Verpflichtung der beklagten Partei könne nach Treu und Glauben nur dahin ausgelegt werden, daß, falls auf dem Areal ein weiterer Betrieb errichtet (angesiedelt) werde, der die vom Kläger und Helmut G*** auf ihre Kosten errichtete Aufschließungsstraße benütze, jenem nicht nur seitens der beklagten Partei eine Wegedienstbarkeit eingeräumt, sondern auch die Verpflichtung überbunden werde, den beiden Straßenerrichtern zu einem bestimmten Anteil deren Kosten zu ersetzen. Da unbekämpft feststehe, daß die beklagte Partei der Firma A*** die Verpflichtung nicht überbunden habe, obwohl Müllfahrzeuge der beklagten Partei und der von ihr aufgenommenen Frächter die Aufschließungsstraße befahren, habe die beklagte Partei ihre auf Punkt 5 des Dienstbarkeitsvertrages beruhende Vertragspflicht nicht erfüllt. Es wäre Pflicht der beklagten Partei gewesen, der A*** etwa eine unregelmäßige Dienstbarkeit des Fahrens mit Fahrzeugen aller Art über die 10 m breite Aufschließungsstraße einzuräumen. Eine solche Dienstbarkeit könne auch einer juristischen Person eingeräumt werden. Es wäre gemäß § 1298 ABGB der beklagten Partei oblegen, zu behaupten und zu beweisen, daß sie an der Erfüllung der vertragsmäßigen Verbindlichkeiten gegenüber dem Kläger und dessen Zedenten ohne ihr Verschulden verhindert gewesen sei. Einen solchen Beweis habe die beklagte Partei nicht einmal angetreten. Der Schaden des Klägers und seines Zedenten sei durch die Nichterfüllung des Punktes 5 des Dienstbarkeitsvertrages durch die beklagte Partei entstanden und bestehe in jenem Betrag, der dem anteilsmäßigen Beitrag eines späteren Dienstbarkeitsberechtigten entsprochen hätte. Die Ersatzpflicht der beklagten Partei bestehe daher dem Grunde nach zu Recht.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist berechtigt.

Der Text des Punktes 5 des Dienstbarkeitsvertrages entspricht, wie auch der Kläger in seiner Berufung ausdrücklich einräumte, dem Willen der Parteien. Die Absicht der Parteien ist daher nur aus der Urkunde zu erschließen; die Frage der Auslegung, die Überprüfung des maßgeblichen Vertragszweckes, ist in diesem Fall vom Obersten Gerichtshof im Rahmen der Rechtsrüge überprüfbar (JBl 1988, 467 mwN uva). Jeder Vertrag ist so auszulegen, daß die Erfüllung, Durchführung und Abwägung der Übung des redlichen Verkehrs (JBl 1988, 38; JBl 1985, 547; SZ 51/103; SZ 47/104 uva) und den über die Pflicht zur Wahrung der guten Sitten hinausgehenden Anforderungen von Treu und Glauben entspricht (SZ 59/159 mwN). Das bedeute aber, daß Vertragsbestimmungen so zu verstehen sind, daß sie sich nicht als einseitige Interessendurchsetzung darstellen, sondern eine angemessene Berücksichtigung der Interessen beider Seiten ermöglichen (Mayer-Maly in Münchener Kommentar2 Rz 6 zu § 157 BGB). Geht man von diesen Grundsätzen aus, ist der Beurteilung des Berufungsgerichtes nicht zu folgen. Die beklagte Partei beabsichtigte, das (ihr gehörige) Areal an der Puchstraße als Industriegebiet aufzuschließen. Die ursprünglich im Wohngebiet befindlichen Betriebe des Klägers und des Helmut G*** wurden als erste dort angesiedelt. Die Verlegung weiterer Industriebetriebe war geplant. Obwohl im übrigen die Übersiedlung des Klägers und des Helmut G*** wirtschaftlich gefördert wurde, war die beklagte Partei damals noch nicht bereit, die Zufahrtsstraße dem öffentlichen Verkehr zu widmen (§§ 2 Abs 1, 7 Abs 3 STmk.

Landesstraßenverwaltungsgesetz 1964, LGBl. Nr. 154 idgF - LStVG 1964); dies hätte bedeutet, daß sie die Kosten der Neuanlage bzw. des Umbaues der Straße selbst zu tragen gehabt hätte (§ 39 Abs 1 LStVG 1964). Der Kläger und Helmut G***, denen auch das Eigentum an dem Grundstreifen nicht übertragen wurde, hatten vielmehr die Kosten der Errichtung (Befestigung) der Straße aus eigenem zu tragen. Die damals schon bestehende Nutzung durch die beklagte Partei für eigene Zwecke sollte an dieser Kostentragungspflicht nichts ändern. Aus Punkt 5 des Dienstbarkeitsvertrages ergibt sich vielmehr eindeutig, daß ein Anspruch auf anteilsmäßige Refundierung der Errichtungskosten nur dann gegeben sein sollte, wenn im Sinn der ursprünglichen Intentionen der beklagten Partei weitere Betriebe dritter Personen, die ebenso wie der Kläger und Helmut G*** auf die Benützung der Straße angewiesen wären, im aufzuschließenden Industriegebiet angesiedelt worden wären. Personen, denen zur rechtlichen Absicherung ihrer Zufahrtsmöglichkeit von der beklagten Partei eine Dienstbarkeit einzuräumen war, sollten anteilig die vom Kläger und Helmut G*** getragenen Errichtungskosten überbunden werden. Die Rechtsposition des Klägers und des Helmut G*** erfuhr aber durch die Punkte 3 und 9 des Dienstbarkeitsvertrages eine wesentliche Einschränkung. Aus Punkt 3 ergibt sich, daß schon anläßlich des Vertragsabschlusses in Erwägung gezogen worden war, die Straße "in das öffentliche Gut zu übertragen", sie demnach nach den Vorschriften des Landesstraßenverwaltungsgesetzes 1964 dem öffentlichen Verkehr zu widmen. Mit diesem Zeitpunkt sollte die auf immerwährende Zeiten eingeräumte Dienstbarkeit nicht nur (als dann nicht mehr notwendig) erlöschen, die Widmung als Gemeindestraße sollte auch unter Verzicht des Ersatzes aller getätigten Investitionen erfolgen. Der Kläger und Helmut G*** konnten somit von vornherein nicht mit Sicherheit damit rechnen, daß später weiteren Nutzungsberechtigten eine Dienstbarkeit eingeräumt werden würde; sie nahmen es vielmehr in Kauf, daß falls sich die beklagte Partei entschließen werde, die Straße als Gemeindestraße zu widmen und die weiteren Kosten aus eigenem zu tragen, ihnen kein Anspruch auf Abgeltung der noch bestehenden Werte erwachsen werde.

Betriebe dritter Personen im Sinne des Punktes 5 des

Dienstbarkeitsvertrages sind aber nicht errichtet worden. Die Abfuhr

und Beseitigung des im Gemeindegebiet anfallenden Mülls war nach § 3

des damals in Geltung gestandenen Steiermärkischen

Abfallbeseitigungsgesetzes, LGBl. 1974/118, Aufgabe der Gemeinde;

mehrere Gemeinden konnten sich zur gemeinsamen Besorgung der

öffentlichen Müllabfuhr und der öffentlichen Müllbeseitigung zu

Verwaltungsgemeinschaften zusammenschließen (vgl. jetzt § 6

Steiermärkisches MüllwirtschaftsG, LGBl. 1988/7). Zur Abfuhr und

Beseitigung des Mülls hatte die Gemeinde eine öffentliche Müllabfuhr und eine öffentliche Müllbeseitigung einzurichten, konnte sich aber zur technischen Durchführung der Müllabfuhr und der Müllbeseitigung auch privater Unternehmen bedienen (§ 4 AbfallbeseitigungsG). Nach § 5 des Gesetzes hatte die Abfuhr des Hausmülls durch die öffentliche Müllabfuhr in möglichst regelmäßigen Abständen zu erfolgen. Die Errichtung und der Betrieb öffentlicher Müllbeseitigungsanlagen, zu denen auch Müllverwertungsanlagen gehören, oblag den Gemeinden auf Grund von Müllbeseitigungsplänen (§ 15 Abs 1 AbfallbeseitigungsG). Für die Errichtung solcher Anlagen bestand sogar die Möglichkeit, Eigentum und andere private Rechte an Grundstücken zu enteignen, wenn die Gemeinden für diese Zwecke geeignete Grundstücke weder aus ihrem Eigentum bereitstellen noch gegen ein verkehrsübliches Entgelt beschaffen konnten (§ 18 Abs 1 AbfallbeseitigungsG). Die Müllbeseitigung und Verwertung insgesamt stellte daher (und stellt) eine vom Gesetz den Gemeinden im eigenen Wirkungsbereich (§ 24 AbfallbeseitigungsG) übertragene Aufgabe dar. War (und ist) die Gemeinde aber vom Landesgesetzgeber gesetzlich verpflichtet, die Abfallbeseitigung durchzuführen, so kann es für die Auslegung des Punktes 5 des Dienstbarkeitsvertrages nicht entscheidend sein, ob die Gemeinde die Abfallbeseitigung selbst durchführt oder, wie im Gesetz vorgesehen, Müllbeseitigungsanlagen, die von juristischen Personen mit eigener Rechtspersönlichkeit betrieben werden, damit betraute. Durch die Benützung der Dienstbarkeitsstraße durch die Gemeinde als Eigentümerin der Dienstbarkeitsstraße zur Erfüllung ihrer ihr vom Landesgesetzgeber überbundenen Aufgaben ist daher ein Fall der Einräumung weiterer Wegedienstbarkeiten an Dritte, wie in Punkt 5 des Dienstbarkeitsvertrages allein im Auge hatte, nichteingetreten. Noch weniger kann der beklagten Partei der Vorwurf gemacht werden, sie habe die vorliegende Vertragskonstruktion (Abschluß eines Gesellschaftsvertrages) nur gewählt, um die rechtlichen Folgen des abgeschlossenen Dienstbarkeitsvertrages umgehen zu können. Die beklagte Partei verstieß vielmehr nicht gegen Bestimmungen des Dienstbarkeitsvertrages, die sie schadenersatzpflichtig machen könnten. Wie schon das Erstgericht hervorhob, ist aber die Frage, ob durch gestiegene Eigenbenützung erhöhte Instandhaltungskosten auf die beklagte Partei abgewälzt werden könnten, nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Der Revision ist Folge zu geben. In Abänderung des angefochtenen Zwischenurteiles ist die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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