OGH 4Ob617/88

OGH4Ob617/8829.11.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1) Berta G***, Landwirtin, Mühlbach a. M. 49, als eingeantwortete Alleinerbin nach dem am 20. August 1985 verstorbenen Josef G***, 2) Herta S***, Hauseigentümerin, Groß Riedenthal 80, 3) Maria F***, Hauseigentümerin, Oberdorf 3, sämtliche vertreten durch Dr. Theophil Hallavanya, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Michael S***, Weinhauer, Sooß, Winzerhaus, vertreten durch DDr. Ingeborg Schäfer-Guhswald, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 76.522,44 sA (43 C 405/86 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien) und Räumung (43 C 211/84 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien) infolge Revision und Rekurses der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 2. März 1988, GZ 48 R 568/87-47, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 10. August 1987, GZ 43 C 405/86-39, bestätigt wurde, und gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 30. Juni 1988, GZ 48 R 568/87-47 a, womit die ergänzenden Berufungsausführungen gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 10. August 1987, GZ 43 C 405/86-39, zurückgewiesen wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1) Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Rekurskosten selbst zu tragen.

2) Die Akten werden dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, a) sein Urteil im führenden Akt (43 C 405/86 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien) durch den Ausspruch im Sinne des § 500 Abs. 3

ZPO zu ergänzen und b) anstelle des Ausspruches, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt, auszusprechen, ob der Wert des Streitgegenstandes im verbundenen Akt (43 C 211/84 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien) S 300.000,-- übersteigt oder nicht.

Text

Begründung

Josef G*** und die Zweit- und Drittklägerinnen erhoben gegen den Beklagten zu 43 C 181/84 (nunmehr 43 C 405/86) des Erstgerichtes am 2. April 1984 eine Bestandzinsklage. Letztlich begehrten sie als Verpächter und Dritteleigentümer des an den Beklagten verpachteten Gastwirtschaftsunternehmens, betrieben im Geschäftslokal Tür 3, der ehemaligen Hausbesorgerwohnung Tür 2 und der Dienstwohnung Tür 1 im Haus Wien 5, Högelmüllergasse 2A, das zu je einem Viertel im Miteigentum der drei Kläger stehe, an seit Juli 1982 rückständigem Bestandzins (bestehend aus den vorgeschriebenen Erhaltungsbeiträgen, welche der Beklagte neben dem vereinbarten Pachtschilling zu zahlen gehabt habe, weil er vereinbarungsgemäß den Verpächtern gegenüber sämtliche Kosten übernommen habe, die diesen als den Hauptmietern der Räumlichkeiten erwachsen, in denen der Gasthausbetrieb geführt wird) den Betrag von S 33.415,88 sA (ON 4 S 13). Am 16. April 1984 brachten dieselben drei Kläger zu 43 C 211/84 gegen den Beklagten unter Hinweis auf den mit der Vorklage geltend gemachten Bestandzinsrückstand eine auf § 1118, 2. Fall, ABGB gestützte Räumungsklage ein. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 6. Juni 1984 wurden beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Bestandzinsklage zu 43 C 181/84 zum führenden Akt erklärt (ON 4 S 13).

Im ersten Rechtsgang gab das Erstgericht dem Zahlungsbegehren der drei Kläger im führenden Akt mit dem Betrag von S 20.373,74 sA statt und wies das Mehrbegehren im Umfang von S 13.142,14 sA ab; dem Räumungsbegehren im verbundenen Akt wurde gleichfalls stattgegeben (Urteil vom 23. August 1985, ON 17). Das Berufungsgericht bestätigte den abweisenden Teil dieses Urteils als Teilurteil; zugleich hob es aber den stattgebenden Teil der Entscheidung ohne Beisetzung eines Rechtskraftvorbehalts auf und verwies die verbundenen Rechtssachen in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück (Berufungsentscheidung vom 29. Jänner 1986, ON 24). Im zweiten Rechtsgang dehnten die drei Kläger ihr Zahlungsbegehren im führenden Akt auf S 76.522,44 sA aus (ON 38 S 169). Das Erstgericht gab nach Verfahrensergänzung unter Bindung an die vom Berufungsgericht in seinem Aufhebungsbeschluß geäußerte Rechtsansicht dem Zahlungsbegehren der Kläger im führenden Akt und deren Räumungsbegehren im verbundenen Akt zur Gänze statt. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteige. Zu 1) In der über rechtzeitige Berufung des Beklagten anberaumten mündlichen Berufungsverhandlung vom 2. März 1988 hatten die Parteien Ruhen des Verfahrens vereinbart und zugleich für den Fall der Verfahrensfortsetzung auf die Anberaumung einer neuerlichen mündlichen Berufungsverhandlung verzichtet (ON 43 S 200). Am 6. Juni 1988 langte beim Berufungsgericht ein Schriftsatz des Beklagten ein, in welchem er die Fortsetzung des Verfahrens und die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung beantragte. Der Schriftsatz enthielt darüberhinaus Ausführungen, die der Beklagte selbst ausdrücklich als "Ergänzung bzw. Erweiterung der Rechtsrüge" seiner Berufung bezeichnete und mit denen er auch eine weitere Tatsachenrüge wegen unrichtiger Beweiswürdigung verband (ON 45). Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Berufungsgericht - nach dem Spruch in der Urschrift dieses Beschlusses, der jedoch offenbar versehentlich in den Beschlußausfertigungen fehlt - den "Schriftsatz der beklagten Partei vom 6. Juni 1988, ON 45, soweit er Berufungsausführungen enthält", mit der Begründung zurück, daß dem Beklagten nach Vortrag seiner Berufung in der mündlichen Berufungsverhandlung nunmehr weitere Berufungsausführungen verwehrt seien.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Rekurs des Beklagten ist zwar gemäß § 519 Abs. 1 Z 1 ZPO zulässig; er ist aber nicht berechtigt. Das Berufungsgericht hat eine vom Rekurswerber selbst als solche bezeichnete "Ergänzung bzw. Erweiterung" seiner früheren Berufungsausführungen, also einen ergänzenden Schriftsatz, der erst lange nach Ablauf der Berufungsfrist zur Post gegeben wurde, zurückgewiesen. Zumindest in einem solchen Fall gilt aber auch nach der Zivilverfahrens-Novelle 1983 der Grundsatz der Einmaligkeit der Rechtsmittelhandlung (vgl. Fasching, Zivilverfahrensrecht Rz 1693). Das Rechtsmittelrecht des Beklagten war daher bereits verbraucht, weshalb sein lange nach Ablauf der Berufungsfrist eingebrachter Nachtrag mit Recht als unzulässig zurückgewiesen worden ist. Dem Rekurs war demnach ein Erfolg zu versagen.

Zu 2) Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Beklagten wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung; hilfsweise wird ein Abänderungsantrag auf gänzliche Klageabweisung in beiden verbundenen Verfahren gestellt.

Die Kläger stellen in ihrer Revisionsbeantwortung den Antrag, dem Rechtsmittel des Beklagten nicht Folge zu geben.

Das Berufungsgericht hat zwar richtig erkannt, daß sein an sich bestätigendes Urteil gemäß § 502 Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht als bestätigend gilt, weil das Ersturteil vor Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses ON 24 gefällt worden ist; es hat jedoch übersehen, daß sein insoweit nicht als bestätigend geltendes Urteil die stattgebenden Urteilsaussprüche des Erstgerichtes in zwei zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen zum Gegenstand hatte. Eine solche Verbindung hat auch nach der Zivilverfahrens-Novelle 1983 - so wie bisher (vgl. EvBl. 1983/6 mwN) - auf die Zulässigkeit von Rechtsmitteln gegen das gemeinsame Urteil keinen Einfluß. Jeder der mit verschiedenen Klagen geltend gemachten Ansprüche muß als Streitgegenstand gesondert betrachtet werden; eine Zusammenrechnung der Streitwerte von verbundenen Rechtssachen findet nicht statt (Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 786; Petrasch in ÖJZ 1983, 173 und ÖJZ 1985, 294; SZ 56/76; JBl. 1984, 554; SZ 58/161 uva, zuletzt 1 Ob 514, 515/88). Für die Zulässigkeit der Revision sind daher die Streitwerte der im Wege einer objektiven Klagenhäufung geltend gemachten Ansprüche gesondert zu beurteilen und gegebenenfalls vom Berufungsgericht auch gesondert zu bewerten. Liegt der Streitwert auch nur einer der verbundenen Rechtssachen im hier maßgeblichen Schwellenbereich zwischen S 15.000,-- und S 300.000,--, so ist weiters ein gesonderter Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit der Grundsatzrevision erforderlich.

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist im führenden Akt vom maßgeblichen Geldstreitwert in der Höhe von S 76.522,44 auszugehen, so daß das Berufungsgericht auszusprechen hätte, ob die Revision nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zulässig ist (§ 500 Abs. 3 ZPO). Da das Berufungsgericht diesen Ausspruch unterlassen hat, ist ihm dessen Nachholung durch Berichtigung (Ergänzung) des Urteilsspruches aufzutragen. Sollte das Berufungsgericht aussprechen, daß die Revision im führenden Akt nicht zulässig sei, dann wäre die bereits erhobene Revision dem Revisionswerber gemäß § 84 Abs. 3 ZPO zur Verbesserung durch Anführung der in § 506 Abs. 1 Z 5 ZPO vorgeschriebenen gesonderten Gründe, warum entgegen diesem Ausspruch die Revision dennoch für zulässig erachtet wird, zurückzustellen (EvBl. 1984/15; ÖBl. 1984, 50; 3 Ob 611/85; 1 Ob 520/87; 6 Ob 666/87 ua).

Die im verbundenen Akt erhobene, auf § 1118 ABGB gestützte Räumungsklage gehört zu den Bestandsachen, auf die - mangels eines in einem Geldbetrag bestehenden Streitgegenstandes - die zwingende Bewertungsvorschrift des § 500 Abs. 2 Z 3, letzter Satz, ZPO anzuwenden ist. Es ist aber hier nicht klar erkennbar, ob der Ausspruch des Berufungsgerichtes über den S 300.000,-- übersteigenden Wert des Streitgegenstandes die erforderliche gesonderte Bewertung des Streitwertes im verbundenen Verfahren sein soll. Das Berufungsgericht, welches offensichtlich das Erfordernis der gesonderten Beurteilung der Revisionszulässigkeit in den beiden verbundenen Verfahren nicht erkannt hat, könnte nämlich der unrichtigen Auffassung gewesen sein, auch bei einer objektiven Klagenhäufung seien die Streitwerte der verbundenen Klagen zusammenzurechnen; demgemäß könnte sein Ausspruch dahin zu verstehen sein, daß der Wert des Streitgegenstandes im verbundenen Akt zusammen mit dem in einem Geldbetrag stehenden Streitwert im führenden Akt S 300.000,-- übersteigt. Der vorliegende Ausspruch des Berufungsgerichtes schließt daher den erforderlichen gesonderten Ausspruch über den Wert des Streitgegenstandes im verbundenen Akt nicht in sich, weil es bei richtiger Auffassung den Streitgegenstand des verbundenen Aktes für sich allein naturgemäß niedriger und mit einem S 300.000,-- nicht übersteigenden Betrag bewerten könnte. Dem Berufungsgericht war daher auch hier in sinngemäßer Anwendung des § 419 ZPO die Berichtigung seines Streitwertausspruches aufzutragen. Sollte dieser nunmehr im Schwellenbereich zwischen S 15.000,-- und S 300.000,-- festgesetzt werden, dann wäre auch hier ein ergänzender Ausspruch im Sinne des § 500 Abs. 3 ZPO erforderlich.

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