Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.397,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 308,85 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile haben am 20.September 1961 vor dem Standesamt Wien-Landstraße die Ehe geschlossen; der Ehe entstammen der am 6. November 1965 geborene Georg P*** und der am 28.Dezember 1966 geborene Michael P***. Beide Parteien sind österreichische Staatsbürger; ihren letzten gemeinsamen Wohnsitz hatten sie in Wien 3., Schwalbengasse 15. Seit August 1980 wohnt der Kläger ohne Unterbrechung bei Edith M***.
Unter Berufung auf die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft seit (mehr als) sechs Jahren begehrte der Kläger mit seiner am 10. Februar 1987 erhobenen Klage die Scheidung der Ehe nach § 55 Abs 3 EheG.
Die Beklagte beantragte, im Scheidungsurteil auszusprechen, daß der Kläger die Zerrüttung der Ehe allein verschuldet habe (§ 61 Abs 3 EheG), weil er zu Edith M*** gezogen sei.
Der Kläger behauptete demgegenüber, daß es zur Zerrüttung ausschließlich auf Grund des Verhaltens der Beklagten gekommen sei. Diese habe ihm nach einer unfallsbedingten Krankheit jede Hilfe verweigert und ihn letztendlich vor die Tür gesetzt. Das Erstgericht gab dem Scheidungsbegehren statt und sprach aus, daß das Verschulden an der Zerrüttung den Kläger treffe. Zusätzlich zu dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt stellte es noch fest:
Beide Streitteile waren während der Ehe ganztägig berufstätig. Die Beklagte bestellte den Haushalt, der Kläger half nicht mit. In der Haushaltsführung und Kinderbetreuung wurde die Beklagte von einer ehemaligen Arbeitskollegin und von ihrer Schwester Ingrid K***, die auf die Kinder aufpaßte, unterstützt. Um die schulischen Belange der Kinder kümmerten sich beide Parteien. Der Kläger vermittelte dem älteren Sohn Georg einmal eine Lehrstelle. Seit dem Schuleintritt der gemeinsamen Kinder verläuft die Ehe der Streitteile nicht mehr harmonisch. Der Kläger begann 1966/67 zu trinken und hat auch 1972 und 1973 Alkohol konsumiert. Nervenbedingt unterzog er sich dann im Spital einer Durchuntersuchung, und er suchte auch einen Neurologen auf; dabei wurde ihm der Ratschlag erteilt, sich einer Entziehungskur zu unterziehen. Ab 1973 nahm der Kläger nicht mehr übermäßig Alkohol zu sich. In den Jahren 1975 bis 1978 war er wegen Depressionen bei der Psychologin Dr. Simona E***, um sich dort einer Gesprächstherapie zu unterziehen. Bis 1979 ging es ihm dann gesundheitlich gut. Er betrieb Sport und übte das Amt eines Schiedsrichters aus; deshalb war er vor allem an Wochenenden öfters von zu Hause abwesend. Im Herbst 1979 litt der Kläger an einer Nerveneinklemmung in den Bandscheiben; er mußte deshalb für einen Tag die Ambulanz der Neurologischen Universitätsklinik aufsuchen. In der Folge mußte er sich monatelang physikalisch-therapeutischen Behandlungen unterziehen. Seit 1979 wurde die Beziehung des Klägers zu seiner Arbeitskollegin Edith M*** intensiver. Der Kläger und Edith M*** kennen einander seit 1969, als sie gemeinsam beim Bezirksgericht Bruck an der Leitha Dienst machten. Jetzt sind beide am Exekutionsgericht in Wien beschäftigt, Edith M*** als Leiterin einer Geschäftsabteilung und der Kläger als Rechtspfleger. Seit August 1980 wohnen sie in Lebensgemeinschaft in der Wohnung Edith M*** in Wien 16., Effingergasse 15. Die Beklagte sah Edith M*** erstmals 1973 vor dem Haus Schwalbengasse Nr.15. Der Kläger telefonierte vor dem Ausziehen aus der Ehewohnung im August 1980 sehr viel mit Edith M***; sie bügelte ihm einmal 20 Hemden. Edith M*** suchte auch einmal vor dem August 1980 die Ehewohnung der Streitteile auf und wurde dabei von einer Nachbarin gesehen. Im Juni 1980 sah die Beklagte das Auto des Klägers in der Effingergasse vor dem Haus, in dem Edith M*** wohnt.
Für Juli und August 1980 hatten die Streitteile einen Urlaub am Klopeinersee in Kärnten geplant. Der Kläger trat den Urlaub nicht gemeinsam mit der Beklagten und den Kindern an, sondern kam erst einige Tage später an. Von Wien bis St.Veit an der Glan lenkte Edith M*** das Auto, von dort bis zum Klopeinersee lenkte es der Kläger selbst; die Beklagte wußte davon. Das Verhältnis der Streitteile war dann am Urlaubsort gespannt; es verschlechterte sich noch, als der Kläger ein- bis dreimal vom Urlaubsort aus telefonischen Kontakt mit Edith M*** aufnahm. Als er einmal mit ihr telefonierte, kam die Beklagte zum Telefonapparat und schimpfte in den Hörer. In der Folge reiste der Kläger vom Urlaubsort ab; er wurde von der Tochter der Quartiergeberin in die Schwalbengasse gefahren. Von dort fuhr er zu Edith M***, bei der er während der restlichen Urlaubswochen wohnte. In dieser Zeit versuchte die Beklagte, mit dem Kläger telefonisch Kontakt aufzunehmen; sie konnte ihn jedoch weder abends noch am Morgen erreichen. Nach dem Urlaub rief der Kläger die Beklagte in der Ehewohnung (Schwalbengasse) an; dann fuhr er in die Schwalbengasse, wo er seine persönlichen Sachen im Stiegenhaus vor der Wohnung vorfand. Die Beklagte war mit dem Kontakt des Klägers zu Edith M*** nicht einverstanden.
Im Oktober 1980 erkrankte der Kläger an Hepatitis und mußte sich in Spitalsbehandlung begeben. Im Krankenhaus wurde er von der Beklagten täglich besucht.
Rechtlich meinte das Erstgericht, daß die Ehe wegen der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft seit mehr als sechs Jahren zu scheiden gewesen sei (§ 55 Abs 3 EheG). Für den Verschuldensausspruch nach § 61 EheG genüge
das - "geringergradige" - Zerrüttungsverschulden. Dieses treffe den Kläger, weil er ohne Zustimmung der Beklagten immer wieder Kontakt zu Edith M*** aufgenommen, die Beklagte freiwillig verlassen habe und mit Edith M*** eine Lebensgemeinschaft eingegangen sei. Daß der Kläger einen Unfall gehabt hätte, sei nicht hervorgekommen; er habe lediglich Beschwerden an der Wirbelsäule gehabt und sich deshalb einer Behandlung unterzogen. Eine mangelhafte Haushaltsführung könne er, der selbst niemals im Haushalt mitgeholfen habe, der Beklagten nicht zum Vorwurf machen. Das Berufungsgericht bestätigte dieses nur im Verschuldensausspruch angefochtene Urteil. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer schlüssigen Beweiswürdigung. Für die Beurteilung des Verschuldens an der Zerrüttung einer Ehe sei das Gesamtverhalten der Ehegatten zu beachten; es dürften nicht einzelne Sachverhalte aus dem Zusammenhang gerissen werden. Die der Beklagten vorgeworfene Handlungsweise - daß sie nämlich die persönlichen Sachen des Klägers im Stiegenhaus vor der ehelichen Wohnung abgestellt und den Kläger damit "hinausgeschmissen" habe - sei als gerechtfertigte Reaktionshandlung darauf anzusehen, daß der Kläger seine Ehe störenden bzw. ehewidrigen Beziehungen zu Edith M*** aufrecht erhalten habe. Aus den Feststellungen des Erstrichters und der Aussage der Zeugin Dr. E*** lasse sich erkennen, daß die krisenhafte Beziehung der Streitteile seit dem tragischen Tod der gemeinsamen Tochter Claudia (1965) kontinuierlich ihren Fortgang genommen und zu ausgesprochenen Kommunikationshemmnissen zwischen den Ehepartnern geführt habe. In einer solchen krisenhaften Situation könne es nur zwei Wege geben, nämlich entweder die gemeinsamen Probleme gemeinsam durch Aussprachen zu bereinigen oder die Kommunikation gänzlich einzustellen und andere (eigene) Wege zu gehen; der Kläger habe den letzteren Weg gewählt. Dieser habe jedoch eindeutig die endgültige Zerrüttung der Ehe verursacht, so daß allein darin sein Verschulden gelegen sei. Das Verhalten der Beklagten erweise sich rückblickend zwar nicht gerade als für die Erhaltung der Ehe förderlich; es könne jedoch im Hinblick auf die Schwere des dem Kläger zu machenden Vorwurfes als unbedeutend und für den Verschuldensausspruch unerheblich angesehen werden. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung "im Sinne des Klagebegehrens" abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die geltend gemachten Aktenwidrigkeiten liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Auch der Rechtsrüge - der auch die zum Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit (§ 503 Abs 1 Z 2 ZPO) geltend gemachten Feststellungsmängel zuzuordnen sind - kann kein Erfolg beschieden sein.
Wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist bei der Beurteilung, ob der die Scheidung der Ehe nach § 55 EheG begehrende Kläger die Zerrüttung allein oder überwiegend verschuldet hat, das Gesamtverhalten der beiden Ehegatten während der ganzen Dauer der Ehe zu berücksichtigen (EFSlg 41.288, 43.690, 48.848 u. a.). Nach den Feststellungen über die Entwicklung der ehelichen Beziehungen kann kein Zweifel daran bestehen, daß die Zerrüttung allein vom Kläger - insbesondere durch seine Beziehung zu Edith M*** - verschuldet wurde. Für ein Fehlverhalten der Beklagten, das die Abwendung des Klägers von ihr veranlaßt hätte, fehlt jeder Anhaltspunkt. Soweit der Kläger in seiner rechtlichen Argumentation nicht von den getroffenen Feststellungen ausgeht, ist die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig (§ 506 Abs 2 ZPO) ausgeführt.
Den Urteilen der Vorinstanzen haften aber auch keine Feststellungsmängel an. Seit der Novelle BGBl.1983/566 unterliegt das Ehescheidungsverfahren nicht mehr der Offizialmaxime (Fasching, LB Rz 2340, 2355; 1 Ob 669, 670/85, 7 Ob 608/88 u.v.a.). Die Meinung des Klägers, daß die Gerichte "unbeschadet eines Vorbringens der Parteien" verpflichtet wären, "alle Umstände festzustellen und zu erforschen, die zur Zerrüttung der Ehe und der weiteren Entwicklung in diesem Zusammenhang geführt haben", ist daher verfehlt. Da nun auch im Scheidungsverfahren die Dispositionsmaxime (der Verhandlungsgrundsatz) gilt, obliegen allein den Parteien die Tatsachenbehauptungen. Der Sachverhalt ist nicht von Amts wegen aufzuklären; der Entscheidung dürfen vielmehr nur die Tatsachen zugrundegelegt werden, die von den Parteien vorgebracht werden (Fasching aaO Rz 650).
Der Kläger hat seine Behauptung, daß es zur Zerrüttung der Ehe ausschließlich auf Grund des Verhaltens der Beklagten gekommen sei, in erster Instanz nur damit begründet, daß ihm die Beklagte nach einer unfallsbedingten Krankheit jede Hilfe verweigert und ihn anschließend vor die Tür gesetzt habe (S.5). Daß die Beklagte die Sachen des Klägers aus der ehelichen Wohnung hinausgebracht hat, war aber - nach den Feststellungen - eine Reaktion darauf, daß der Kläger zu Edith M*** gezogen war. Einen Unfall des Klägers - und damit eine unfallsbedingte Krankheit - hat das Erstgericht ausdrücklich als nicht erwiesen angenommen (S 97). Sollte aber der Kläger mit seinem Vorbringen die im Herbst 1979 aufgetretene Nerveneinklemmung in den Bandscheiben gemeint haben, dann ist nicht zu erkennen, welche Hilfe die Beklagte ihm, der ohnehin in ärztlicher Behandlung stand, hätte leisten können.
Soweit der Kläger erstmals in der Revision vorbringt, daß die Beklagte - offenbar im Sommer 1980 - trotz seiner Erkrankung allein auf Urlaub gefahren sei und er erst einige Tage später nachfahren konnte, ist darauf zu verweisen, daß er nach seiner eigenen Parteiaussage (S 67) damals nur im Hinblick auf seine Arbeit gebeten hatte, der Beklagten erst einige Tage nach ihrer Abreise nachkommen zu können. Der Grund für seine vorzeitige Abreise aus dem Urlaub war - entgegen den Revisionsausführungen (S 125) - nach seiner eigenen Aussage nicht seine Krankheit, sondern das äußerst schlechte Verhältnis mit der Beklagten, die sich über seine telefonischen Kontaktaufnahmen zu Edith M*** entrüstet hatte. Daß der Kläger die Beklagte gebeten hätte, ihn nach Wien zu bringen (S 128 f), hat er in erster Instanz weder vorgebracht noch ausgesagt. Grund für die Zerrüttung der Ehe war demnach die Beziehung des Klägers zu Edith M***. Soweit sich der Kläger nun darauf beruft, daß die Zerrüttung der Ehe darauf zurückgehe, daß ihm die Beklagte die Schuld am tödlichen Unfall der ehelichen Tochter Claudia vom 2. Juli 1965 zugeschoben habe, muß dieses Vorbringen im Hinblick auf das Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO) unberücksichtigt bleiben. Der Revision war sohin ein Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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