Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:
"Das Klagebegehren, die zwischen den Streitteilen am 9. August 1985 vor dem Standesamt Feldkirch geschlossene Ehe werde aus dem Verschulden des Beklagten geschieden, wird abgewiesen. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 20.012,85 S (darin 1.819,35 S an Umsatzsteuer) bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz und die mit 9.489,25 S (darin 1.000,- S an Barauslagen und 771,75 S an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.897,35 S (darin 308,85 S an Umsatzsteuer und 1.500,- S an Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile haben am 9. August 1985 die Ehe geschlossen. Sie sind österreichische Staatsangehörige. Es handelt sich um ihre erste Ehe. Der Ehe entstammt ein am 7. Oktober 1986 geborenes Kind. Die Klägerin begehrt mit der am 25. März 1987 eingebrachten Klage die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten. Der Beklagte habe sie nach der Eheschließung aus nichtigen Gründen geohrfeigt oder mit Boxhieben traktiert. Er sei rechthaberisch und uneinsichtig und habe nach oftmals in Tätlichkeiten ausgearteten Streitigkeiten verlangt, daß sich die Klägerin bei ihm entschuldige, weil sie ihn provoziert habe. Der Beklagte wohne in der sehr abgewohnten Wohnung seines Vaters, der sich in Deutschland aufhalte. Über Vorhaltungen der Klägerin, daß diese Wohnung nicht als Ehewohnung geeignet sei, da sie mit Hausrat des Vaters überbelegt sei und adaptiert werden müsse, habe der Beklagte zwar zugesagt, eine Ehewohnung in Innsbruck zu besorgen, habe jedoch nie tatsächlich einen Mietvertrag abgeschlossen. Die Innsbrucker Wohnung verfüge nicht einmal über ein gemeinsames Schlafzimmer. Die Ehegatten hätten in einem Bett schlafen müssen. Da die Wohnverhältnisse unzumutbar gewesen seien, habe sich die Klägerin Anfang Februar 1987 genötigt gesehen, in ihre eigene Wohnung nach Feldkirch zurückzukehren. Der Beklagte behandle die Klägerin wie ein unmündiges Kind und habe sie durch unberechtigte Vorwürfe gekränkt. In der Tagsatzung vom 30. Oktober 1987 stützte die Klägerin ihr Begehren auch darauf, daß der Beklagte seine Unterhaltspflicht verletzt habe.
Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage und stellt auch keinen Mitschuldantrag. Die Streitteile seien miteinander seit dem Jahr 1977 bekannt. Sie hätten daher zur Zeit der Eheschließung wechselseitig auch ihre Stärken und Schwächen gekannt. Der Beklagte sei auch durchaus bereit gewesen, die vorhandene Wohnung in Innsbruck zu adaptieren oder eine andere Wohnmöglichkeit zu beschaffen, doch sei es ihm bis zum Auszug der Klägerin im Februar 1987 nicht gelungen, eine der Klägerin genehme Wohnung zu finden.
Die Vorinstanzen schieden die Ehe aus dem Verschulden des Beklagten. Folgender Sachverhalt steht fest:
Die Parteien haben einander 8 Jahre vor der Eheschließung kennen gelernt. So hat jeder bereits vor der Eheschließung die Stärken und die Schwächen des anderen mehr oder weniger gekannt, wenngleich die Klägerin den Beklagten in der Hoffnung geheiratet hat, daß dieser ihr gegenüber nach der Eheschließung weniger bemutternd und umständlich sein und der Klägerin die für eine Partnerschaft notwendigen Freiräume belassen werde. Dies trat jedoch nicht ein. Der Beklagte konnte aus seiner Haut nicht heraus, blieb pedantisch und wollte über das Maß des Üblichen hinaus alles und jedes mit der Klägerin teilen, besprechen und diskutieren. Auf Grund einer gewissen Antriebsarmut des Beklagten wurden auch die kleinsten Dinge des alltäglichen Lebens nach dem Willen des Beklagten unter Abwägung des Für und Wider besprochen und ausdiskutiert, wie etwa der gemeinsame Einkauf welcher Brotart. Die Klägerin fühlte sich bereits nach kurzer Zeit bevormundet und ertrug nach der Geburt des Kindes den ehelichen Zustand immer weniger. Die Charakterstruktur des Beklagten, die sich jedoch seit der Eheschließung im Grunde nicht geändert hatte, trat nach der Geburt des Kindes gegenüber der Klägerin immer deutlicher zutage und die Klägerin wurde für dieses Problem immer sensibler. Das Zusammenprallen zweier verschiedener Charaktere war sicherlich Mitursache für die spätere Ehezerrüttung. Es gab jedoch einen weiteren Grund, nämlich eine schwere Eheverfehlung des Beklagten, die sowohl in subjektiver Wirkung als auch objektiv einen bedeutenden Beitrag zur Zerrüttung der Ehe leistete:
Im Zuge von ehelichen Zwistigkeiten griff der Beklagte zumindest bei drei Vorfällen in die körperliche Integrität der Klägerin durch tätliche Angriffe ein.
Der erste Vorfall ereignete sich im Juni oder Juli 1986. Die Parteien waren gemeinsam zu einem Bäcker einkaufen gefahren. Vor dem Geschäft kam es zu einer wörtlichen Auseinandersetzung darüber, ob die Klägerin mit in die Bäckerei gehe oder nicht, um gemeinsam das Brot aussuchen zu können. Die Klägerin wollte nicht mit in das Geschäft hineingehen. Der Beklagte fühlte sich dadurch beleidigt. Er ging in das Geschäft, kaufte Verschiedenes und kam dann wieder heraus, um die Klägerin erneut aufzufordern, mitzugehen oder anzugeben, ob sie nun diese oder jene Brotsorte bevorzuge. Er mußte das Brot wieder allein einkaufen. Als der Beklagte schließlich wieder ins Auto gestiegen war, machte er der Klägerin Vorhalte darüber, daß die Parteien nicht einmal gemeinsam einkaufen gehen könnten und daß die Klägerin den notwendigen ehelichen Beistand vermissen lasse. Zornentbrannt stieg er dann wieder aus dem Auto aus, setzte sich jedoch neuerlich in das Fahrzeug und forderte die Klägerin auf, die Parteien sollten nun wieder gut zu einander sein. Der Vorfall war dadurch aber alles andere als bereinigt. Beim nächsten Geschäft entbrannte der Konflikt von neuem, und der Beklagte gab der Klägerin schließlich im Auto eine Ohrfeige. Im November 1986 kam es wiederum zu einer Auseinandersetzung zwischen den Eheleuten. Der Beklagte warf der Klägerin vor, sie sei fixiert und alles andere als nett zu ihm. Zwischen den am Eßtisch sitzenden Parteien entstand ein Wortstreit, in dessen Verlauf der Beklagte die Klägerin mit einem Krenglas bewarf, sodaß die Kleider der Klägerin beschmutzt wurden. Um die Kleider zu reinigen, ging die Klägerin in das Bad. Der Beklagte folgte ihr nach. Das Wortgefecht hielt an, und der Beklagte versetzte der Klägerin schließlich wiederum eine Ohrfeige.
Nach beiden Tätlichkeiten forderte der Beklagte die Klägerin auf, sich doch nunmehr wiederum zu verstehen und sich gegenseitig zu entschuldigen. Um nicht neuerliche Unruhe hervorzurufen, betrachtete die Klägerin die Vorfälle nach außen hin als erledigt, sie arbeiteten jedoch in ihrem Innersten weiter bis zur gänzlichen Zerrüttung der Ehe.
Das Eheleben der Parteien wurde auch durch andere Vorfälle belastet.
Der letzte geschlechtliche Kontakt zwischen den Eheleuten fand im Jänner 1987 statt. Es handelt sich um einen gemeinsam gewollten Geschlechtsverkehr, der nicht durch Bedrängnis seitens des Beklagten veranlaßt wurde. Im Gegenteil hatte die Klägerin bei diesem Geschlechtsverkehr im Jänner 1987 noch das Bestreben, neuerlich schwanger zu werden, um dadurch den Beklagten indirekt zwingen zu können, daß er trotz seiner Unentschlossenheit und Antriebsarmut eine geeignete und angemessene Wohnmöglichkeit für die dann größere Familie besorge.
Im März 1987 verlor die Klägerin nach innerem Kampf darüber, wie ihre Ehe nun weitergehen solle, die eheliche Gesinnung gänzlich. Mit der Entscheidung, die Ehescheidungsklage einzubringen, trat bei ihr eine völlige Entfremdung ein. Zu diesem Zeitpunkt war die eheliche Lebensgemeinschaft bereits aufgehoben, weil die Klägerin am 10. Februar 1987 aus der ehelichen Wohnung ausgezogen war, wobei dem Beklagten die Tragweite und Ernsthaftigkeit der Entscheidung der Klägerin erst im April oder Mai 1987 real wurde. Während die Klägerin für den Beklagten keine Gefühle mehr aufbringen kann, ist der Beklagte auch heute noch jederzeit bereit, die Klägerin wieder bei sich aufzunehmen. Objektiv betrachtet besteht jedoch zwischen den Parteien nur mehr eine Papierehe. Es ist ausgeschlossen, daß eine dem Wesen der Ehe entsprechende Lebensgemeinschaft wieder hergestellt werden kann.
Am Tag nach der ersten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung über die Ehescheidungsklage (15. Mai 1987) kam es zu einem dritten Vorfall. Der Beklagte fuhr in der Nacht zur Klägerin nach Vorarlberg und wollte sein Kind sehen. Über sein Drängen öffnete die Klägerin die Wohnungstüre und ließ den Beklagten eintreten. Der Beklagte nahm das Kind um etwa 22 Uhr aus dem Bett. Es kann nicht festgestellt werden, ob das Kind schlief oder Magenkrämpfe hatte. Es kam zu einer wörtlichen Auseinandersetzung zwischen den Parteien. Die Klägerin rief ihren Bruder Hans A*** zu Hilfe. In der allgemeinen Hektik fing das Kind laut zu schreien an. Der Aufforderung der Klägerin, ihr das schreiende Kind zu geben, kam der Beklagte nicht nach, er wollte das Kind selbst trösten und dann wieder in sein Bett legen. Es kam zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen dem Bruder der Klägerin und dem Beklagten, wobei der Beklagte - das Kind in den Händen haltend - nach rückwärts auf ein Bett fiel. Dort hielt ihn der Bruder der Klägerin "mit männlicher Kraft" fest. Gleichzeitig versuchte die Klägerin, dem Beklagten das Kind aus den Händen zu nehmen. Als der Beklagte spürte, daß die Klägerin ihm das Kind aus den Händen nehmen wollte, "entledigte sich der Beklagte von seiner aufdringlichen Ehegattin" dadurch, daß er sie mit den Füßen von sich wegstieß, sodaß sie am anderen Ende des Zimmers zu Boden fiel. Es steht nicht fest, daß der Beklagte bei diesem Vorgang die Klägerin mit den Augen wahrnehmen konnte, doch verspürte er ihre Bewegungen im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Wegnehmen des Kindes. Durch die Vorgangsweise des Bruders der Klägerin war der Beklagte in diesem Zeitpunkt naturgemäß sehr aufgeregt und nervös. In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, das Scheidungsbegehren sei bereits auf Grund der festgestellten Tätlichkeiten des Beklagten berechtigt. Die tätlichen Angriffe des Beklagten seien bei der sozialen Stellung der Parteien sicherlich keine angemessene Reaktion auf das Verhalten des Ehepartners. Es gebe keine Anhaltspunkte für die Möglichkeit der Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft. Verzeihung sei nicht eingewendet worden. Darüber hinaus hätten im Zusammenhalt mit dem Vorfall vom 15. Mai 1987 die sonstigen Eheverfehlungen des Beklagten, wären sie auch als verziehen anzusehen, zur selben rechtlichen Beurteilung geführt, da sie zur Stützung des Scheidungsbegehrens herangezogen werden könnten. Das Berufungsgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Verzeihung dürfe nicht von Amts wegen aufgegriffen werden. Aber selbst unter der Annahme, daß die Vorfälle des Jahres 1986 durch die Wiederaufnahme der Lebensgemeinschaft von Ende Dezember 1986 bis Februar 1987 verziehen sein sollten, sei doch der Vorfall vom 15. Mai 1987 für sich allein betrachtet eine schwere Eheverfehlung. Auf das von der Klägerin in der Berufungsbeantwortung bemängelte Fehlen von Feststellungen sei nicht einzugehen, weil sie nach der vorgenommenen rechtlichen Beurteilung nicht mehr entscheidungswesentlich seien.
Der Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus den Revisionsgründen des § 503 Abs 1 Z 2 bis 4 ZPO mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Nicht begründet ist allerdings der Vorwurf der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit des angefochtenen Urteils (§ 510 Abs 3 ZPO). Wegen eines Mangels des Verfahrens des Erstgerichtes, der vom Berufungsgericht nicht als solcher anerkannt wurde, kann Revision nicht begehrt werden. Dies gilt, da das Ehescheidungsverfahren seit der Novelle BGBl. 1983/566 nicht mehr der Offizialmaxime unterliegt, auch für das vorliegende Verfahren (EFSlg 52.235, 49.388). Unter dem Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 3 ZPO wendet sich der Beklagte im wesentlichen in unzulässiger Weise (EFSlg 52.241) gegen die Beweiswürdigung der Vorinstanzen. Ob aber das Kind der Parteien, als es der Beklagte im Mai 1987 aus seinem Bett nahm, geschlafen hat, ist für die Entscheidung unerheblich und vermag aus diesem Grund den geltend gemachten Revisionsgrund nicht herzustellen (Fasching IV 317). Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung macht der Beklagte geltend, die Vorfälle im Juni/Juli 1986 sowie im November 1986 könnten nicht mehr als Scheidungsgründe geltend gemacht werden, weil Verzeihung vorliege. Die Streitteile hätten noch im Jänner 1987 bewußt und gewollt geschlechtlich verkehrt. Die Klägerin habe ausdrücklich erklärt, sie habe noch ein zweites Kind haben wollen. Unter diesen Voraussetzungen aber könne nicht angenommen werden, daß die Ehe für die Klägerin zerrüttet gewesen sei, sie hätte sonst nicht eine so gravierende Entscheidung, die doch für eine Fortsetzung der Ehe spreche, getroffen. Da es noch wenige Tage vor dem Auszug der Klägerin neuerlich zu einem Geschlechtsverkehr gekommen sei, müsse angenommen werden, daß die Klägerin allfällig vom Beklagten gesetzte Scheidungsgründe diesem umfassend verziehen habe. Der Vorfall vom 15. Mai 1987 könne nicht als schwere Eheverfehlung des Beklagten gewertet werden. Die Frage, ob Verzeihung vorliege oder nicht, sei von den Gerichten selbst wahrzunehmen, ohne daß sie vom Beklagten ausdrücklich geltend gemacht werde.
Auf Verzeihung ist dann von Amts wegen Bedacht zu nehmen, wenn sich dafür aus dem Verhalten des Klägers Anhaltspunkte ergeben (ÖRZ 1980/29, unter ausdrücklicher Ablehnung der Entscheidungen EFSlg 2.435 und 10.337; Pichler in Rummel, ABGB, Rz 8 zu § 56 EheG mwN; Schwind in Klang2 I/1, 826). Es ist daher entgegen der Ansicht der Vorinstanzen nicht erforderlich, daß Verzeihung ausdrücklich eingewendet wird.
Die Vorinstanzen haben zur Frage, ob aus dem - offenbaren zweimaligen - Geschlechtsverkehr zwischen den Streitteilen im Jänner 1987 auf Verzeihung geschlossen werden kann, nicht deutlich Stellung genommen, sondern sich darauf zurückgezogen, daß Eheverfehlungen des Beklagten vor Jänner 1987 wegen des Vorfalles vom 15. Mai 1987, der eine schwere Eheverfehlung des Beklagten darstelle, jedenfalls zur Stützung des Scheidungsbegehrens herangezogen werden könnten. In dem Verhalten des Beklagten am 15. Mai 1987 kann nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes eine Eheverfehlung nicht erblickt werden. Daß der Beklagte an jenem Tag das Kind an sich genommen hat, stellt für sich allein gewiß keine Eheverfehlung dar; daß er sich in der Folge gegen das gewaltsame Vorgehen des Bruders der Klägerin, aber auch der Klägerin selbst zur Wehr setzte, ist verständlich und kann ihm nicht als Eheverfehlung angelastet werden, auch wenn er dabei die Klägerin mit den Füßen gestoßen hat.
Wesentlich für die Entscheidung ist daher, ob die Klägerin dem Beklagten die von ihr geltend gemachten Verfehlungen verziehen hat. Von Verzeihung im Sinne des § 56 EheG kann nur dann gesprochen werden, wenn der verletzte Ehegatte gewillt ist, trotz schwerer Eheverfehlungen des anderen Teils die Ehegemeinschaft vorbehaltlos fortzusetzen. Die Verzeihung muß sich aus dem gesamten Verhalten des verletzten Ehegatten objektiv ergeben. Aus einzelnen Tatsachen, wie Geschlechtsverkehr, kann ein derartiger Schluß noch nicht mit Sicherheit gezogen werden (JBl 1962, 259 u.v.a.).
Der Oberste Gerichtshof kommt zum Ergebnis, daß ein Recht der Klägerin auf Scheidung wegen Verschuldens nicht besteht, weil sich aus dem Verhalten der Klägerin ergibt, daß sie die Verfehlungen des Beklagten verziehen hat.
Als schwere Eheverfehlungen wurden dem Beklagten von den Vorinstanzen die Mißhandlungen der Klägerin im Juni/Juli 1986 sowie im November 1986 angelastet (so auch EFSlg 43.619). Sie haben allerdings dazu, daß die eheliche Gesinnung der Klägerin zerstört ist und die Ehe daher als unheilbar zerrüttet angesehen werden muß (EFSlg 51.601, 51.602 u.v.a.), offensichtlich nur wenig beigetragen. Die Klägerin hat in ihnen jedenfalls kein Hindernis gesehen, mit dem Beklagten Ende Dezember 1986 - erstmals - eine gemeinsame Wohnung (in Innsbruck) zu beziehen, nachdem die Streitteile bis dahin in ihren bisherigen Wohnungen, die Klägerin also in Feldkirch, gewohnt und nur eine "Wochenendehe" geführt hatten. Es ist keine Frage, daß die Ehegatten sowohl vor dem Zeitpunkt ihres Zusammenziehens als auch während der wenigen Wochen des Aufenthaltes der Klägerin in Innsbruck in verschiedenen Bereichen des Zusammenlebens nicht miteinander harmonierten - seit es in der grundsätzlichen Auffassung von einer partnerschaftlichen Beziehung und den "Freiräumen" eines Ehegatten in der Ehe, sei es in der Frage der Kindererziehung oder der Ausgestaltung der Ehewohnung, sei es allein schon zufolge einer Verschiedenartigkeit der Charaktere und einer geringeren Anpassungsfähigkeit -, doch kann in diesem Umstand allein eine Eheverfehlung des Beklagten im Sinne des § 49 EheG noch nicht gefunden werden. Denn Eheverfehlungen im Sinne dieser Gesetzesstelle müssen schuldhaft gesetzt werden und objektiv schwer sein (Pichler in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 49 EheG). Weder das eine noch auch das andere kann nach den vorliegenden Feststellungen, aber auch nach den Behauptungen der Klägerin angenommen werden. Zwar können auch einzelne Handlungen und Unterlassungen, die für sich allein nicht das Gewicht einer schweren Eheverfehlung haben, durch Dauer und Wiederholung in ihrer Gesamtheit eine schwere Eheverfehlung darstellen (EFSlg 51.579, 48.728). Es kann jedoch unerörtert bleiben, ob die von der Klägerin behaupteten und im wesentlichen festgestellten Differenzen zwischen den Eheleuten auf ein Verhalten des Beklagten zurückzuführen sind, das zumindest in seiner Gesamtheit und in Verbindung mit den festgestellten Tätlichkeiten als schwere Eheverfehlung anzusehen ist. Nach dem gesamten Verhalten der Klägerin bis Ende Jänner 1987 muß nämlich angenommen werden, daß die Klägerin gleichwohl gewillt war, die Ehe mit dem Beklagten fortzusetzen. Die Klägerin hat nicht nur mit dem Beklagten noch Ende Dezember 1986 eine gemeinsame Wohnung bezogen, obwohl sie deren Zustand kannte und wußte, daß sie sich in dieser Wohnung ohne entsprechende Adaptierung nicht würde wohl fühlen können. Sie war deshalb auch bestrebt, gemeinsam mit dem Beklagten eine bessere Wohnmöglichkeit zu finden oder die vorhandene Wohnung umzugestalten, wobei diese Bestrebungen bis zum 10. Februar 1987, als die Klägerin die Ehewohnung verließ, zwar nicht erfolgreich verliefen, aber auch keineswegs aufgegeben worden waren. Es kam noch bis Ende Jänner 1987 zum Geschlechtsverkehr zwischen den Ehegatten, wobei die Klägerin den Wunsch hatte, neuerlich schwanger zu werden. Allein schon in diesem Wunsch kommt aber auch die Absicht der Klägerin zum Ausdruck, die Ehe ungeachtet bestehender Differenzen fortzusetzen, diese Differenzen und ein zunächst allenfalls als Eheverfehlung empfundenes Fehlverhalten des Beklagten nicht als ehezerstörend anzusehen. Diese Absicht wird durch das Gesamtverhalten der Klägerin zu jener Zeit - erstmaliges Beziehen einer gemeinsamen Ehewohnung, Bestreben, gemeinsam mit dem Beklagten eine geeignetere Wohnung zu finden - noch verstärkt und verdeutlicht. Es ist daher davon auszugehen, daß dem Beklagten allenfalls bis Ende Jänner 1987 anzulastende Eheverfehlungen von der Klägerin verziehen wurden. Eheverfehlungen des Beklagten nach diesem Zeitpunkt wurden aber nicht festgestellt. Der Vorwurf der Unterhaltsverletzung betrifft einen Zeitraum ab Juni 1987. Da die Ehe für die Klägerin bereits ab März 1987 so tief zerrüttet war, daß sie "unter keinen Umständen" mehr bereit war, diese mit dem Beklagten fortzuführen, fehlt es am Kausalzusammenhang zwischen einer allfälligen derartigen Verfehlung des Beklagten und der Zerrüttung der Ehe. Wurden zur Frage einer Unterhaltsverletzung des Beklagten keine Feststellungen getroffen, stellt dies deshalb keinen Feststellungesmangel dar.
Das Scheidungsbegehren der Klägerin erweist sich damit als unbegründet. Das angefochtene Urteil war deshalb im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.
Die Kostenentscheidung erfolgte hinsichtlich der Verfahrenskosten erster Instanz nach § 41 ZPO, hinsichtlich der Kosten des Rechtsmittelverfahrens nach den §§ 41 und 50 ZPO.
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