Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Kläger hat mit der beklagten Partei eine Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen, der die Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung von staatlich befugten und beeideten Architekten und Zivilingenieuren für Hochbau, Ingenieurkonsulenten und Zivilingenieuren für Bauwesen sowie für Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen (AHBA) zugrunde liegen. Nach Art. 4 3 AHBA ist Versicherungsschutz nicht gegeben, wenn die Geltendmachung des Anspruches des Dritten nach Ablauf von einem Jahr nach Beendigung des Versicherungsvertrages erfolgt. Wird eine Schadenersatzverpflichtung des Versicherungsnehmers geltend gemacht, so hat der Versicherungsnehmer gemäß Art. 8 1.2 AHBA hievon spätestens innerhalb einer Woche, nachdem er von der Anspruchserhebung Kenntnis erlangt, dem Versicherer Anzeige zu erstatten. Die Verletzung dieser Obliegenheit hat nach Art. 8 2 AHBA den Verlust des Rechtes auf die Leistung des Versicherers zur Folge. Der Kläger machte im Auftrag der F***-B***-W*** AG für ein bestimmtes Bauvorhaben unter anderem die Statikerarbeiten und begehrte mit einer beim Landesgericht Salzburg am 12. August 1985 eingebrachten Klage sein restliches Honorar von 587.784,20 S sA. Der Auftraggeber behauptete unter anderem, daß dem Kläger ein konstruktiver Fehler unterlaufen sei und wendete den ihm dadurch verursachten Schaden bei der Tagsatzung am 7. November 1985 aufrechnungsweise gegen die Klagsforderung ein. Der Kläger erstattete erst am 11. November 1986 eine Schadenanzeige an die beklagte Partei.
Gegen das auf Feststellung der Deckungspflicht der beklagten Partei gerichtete Klagebegehren beruft sich die beklagte Partei auf Leistungsfreiheit wegen Verletzung der Anzeigepflicht und hilfsweise auf die Ausschlußklausel des Art. 4 3 AHBA. Der Kläger bestreitet unter anderem, daß eine allfällige Obliegenheitsverletzung auf Vorsatz beruhe. Erst bei der Tagsatzung am 10. November 1986, bei der die F***-B***-W*** AG ihre Schadenersatzforderung ziffernmäßig bekanntgegeben habe, habe er die Ernsthaftigkeit der Forderung erkannt. Bis dahin habe er die Behauptung einer Schadenersatzverpflichtung als eine bloß auf Verfahrensverzögerung gerichtete Prozeßbehauptung gehalten, zumal ein Fehler seinerseits ausgeschlossen sei. Infolge eines Rechtsirrtums habe er die ziffernmäßige Bekanntgabe des Schadens als dessen Geltendmachung angesehen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen wurde der Kläger bereits mit Schreiben vom 17. Juli 1985 von der F***-B***-W*** AG davon in Kenntnis gesetzt, daß er unter Umständen schadenersatzpflichtig sein könnte, und gebeten, seine Versicherung davon zu informieren, um gegebenenfalls bei Schadenersatzforderungen gedeckt zu sein. Der Kläger nahm in seinem Antwortschreiben dazu nicht Stellung, weil ihm eine Schadensbesichtigung nicht möglich war. Im Honorarprozeß wurde von der F***-B***-W*** AG schon in der Klagebeantwortung (vorgetragen bei der Tagsatzung am 7. November 1985) darauf hingewiesen, daß nunmehr Schadenersatzansprüche gestellt würden, deren Höhe zwar noch unbestimmt sei, die auf jeden Fall aber den eingeklagten Betrag von 567.784,20 S übersteigen würden. In der Tagsatzung am 10. November 1986 wurde der Schadenersatzanspruch schließlich mit 609.469,45 S beziffert. Das Versicherungsverhältnis zwischen den Streitteilen begann am 1. Juli 1979 und endete infolge Kündigung am 1. Juli 1985.
Das Erstgericht vertrat die Auffassung, daß der Deckungsanspruch des Klägers verfristet sei. Aus Art. 4 3 AHBA folge, daß der Kläger seine Ansprüche spätestens am 1. Juli 1986 hätte geltend machen müssen. Die erst nach diesem Zeitpunkt erhobene Schadensmeldung habe eine Deckungspflicht der beklagten Partei nicht mehr bewirken können. Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt. Nach der Auffassung des Berufungsgerichtes beziehe sich Art. 4 3 AHBA schon nach seinem klaren Wortlaut auf die Ansprüche des geschädigten Dritten. Im vorliegenden Fall habe die Geschädigte, die F***-B***-W*** AG, ihre Ansprüche mit ihrer Klagebeantwortung und damit innerhalb der Jahresfrist des Art. 4 3 AHBA geltend gemacht. Daraus folge aber auch, daß der Kläger die Obliegenheit nach Art. 8 1.2, die Geltendmachung einer Schadenersatzverpflichtung spätestens innerhalb einer Woche dem Versicherer anzuzeigen, verletzt habe. Da im Schreiben der Geschädigten vom 17. Juli 1985 bereits ein Hinweis auf die Anzeigeobliegenheit des Klägers enthalten gewesen sei, müsse bloß leichte Fahrlässigkeit des Klägers ausgeschlossen werden. Ob dem Kläger Vorsatz zur Last falle, lasse sich aufgrund der bisherigen Feststellungen des Erstgerichtes nicht beurteilen. Nur bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung träte die Leistungsfreiheit des Versicherers bedingungslos ein. Andernfalls wäre auf die Behauptungen des Klägers einzugehen, daß die Obliegenheitsverletzung einen Einfluß weder auf die Feststellung des Versicherungsfalles noch auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung gehabt habe.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Rekurs der beklagten Partei ist nicht berechtigt.
Bei der Anzeigeobliegenheit nach Art. 8 1.2 AHBA handelt es sich um eine Obliegenheit, die nach Eintritt des Versicherungsfalles dem Versicherer gegenüber zu erfüllen ist. Die für den Fall ihrer Verletzung vereinbarte Leistungsfreiheit tritt daher dann nicht ein, wenn die Verletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht. Bei grob fahrlässiger Verletzung bleibt der Versicherer zur Leistung insoweit verpflichtet, als die Verletzung Einfluß weder auf die Feststellung des Versicherungsfalles noch auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung gehabt hat (§ 6 Abs. 3 VersVG). Den Versicherer, der sich auf eine Obliegenheitsverletzung und die sich daraus ergebende Rechtsfolge beruft, trifft die Beweislast für den objektiven Tatbestand der Obliegenheitsverletzung. Demgegenüber obliegt es dem Versicherungsnehmer zu behaupten und zu beweisen, daß er die Obliegenheitsverletzung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig begangen habe (SZ 46/106 ua; Prölss-Martin VVG24 109; Bruck-Möller, VVG8 I 205).
Wie schon das Berufungsgericht dargelegt hat, wird eine Schadenersatzverpflichtung im Sinne des Art. 8 1.2 AHBA geltend gemacht, wenn der Versicherungsnehmer aus der ihm zugegangenen Erklärung ersieht, daß der Geschädigte ihn ernsthaft für die Schadensfolgen haftbar machen will, die ein bestimmtes Ereignis für ihn haben und ihm weiter verursachen werden (Bruck-Möller-Johannsen, VVG8 IV 202). In diesem Sinne ist das Berufungsgericht auch zutreffend davon ausgegangen, daß die Aufrechnungseinrede die Geltendmachung einer Schadenersatzverpflichtung des Versicherungsnehmers darstellt und daß die F***-B***-W*** AG jedenfalls mit Vortrag der Klagebeantwortung am 7. November 1985 die Schadenersatzverpflichtung des Klägers geltend machte. Die zur Kompensation eingewendete Gegenforderung war auch ziffernmäßig insoweit bestimmt, als die F***-B***-W*** AG jedenfalls einen Schaden zumindest in Höhe der Klagsforderung behauptete, sodaß hier die Frage auf sich beruhen kann, inwieweit für die Geltendmachung eines Anspruches überhaupt die Bezifferung des Schadens durch den Geschädigten erforderlich ist (vgl. Bruck-Möller-Johannsen aaO). Hat aber die F***-B***-W*** AG bereits am 7. November 1985 die Schadenersatzverpflichtung des Klägers geltend gemacht, kann das Vorliegen des Tatbestandes der Verletzung der Anzeigepflicht des Art. 8 1.2 AHBA durch den Kläger nicht zweifelhaft sein. Das Schwergewicht liegt somit auf der Behauptungs- und Beweislast des Klägers für jede Einschränkung der infolge objektiver Obliegenheitsverletzung zunächst anzunehmenden Leistungfreiheit der beklagten Partei (vgl. SZ 50/60). Bei Vorsatz trete die Leistungsfreiheit der beklagten Partei bedingunglos ein, bei grober Fahrlässigkeit stünde dem Kläger auch der Kausalitätsgegenbeweis offen (SZ 47/116). Eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung liegt vor, wenn das die Obliegenheitsverletzung begründende Verhalten im Bewußtsein des Vorhandenseins der Verhaltensnorm gewollt war. Schon bedingt vorsätzliche Verletzung der Obliegenheit reicht aber aus, sodaß es genügt, wenn der Versicherungsnehmer mit der Möglichkeit einer Verletzung der Obliegenheit ernstlich rechnet und diese Möglichkeit auch bewußt in Kauf nimmt (SZ 50/60; Petrasch, Obliegenheitsverletzung und Leistungsfreiheit in den Kfz-Versicherungen in ZVR 1985, 70 je mwN). Daß der Versicherungsnehmer die geltend gemachten Ansprüche für unbegründet hält, weil er der Meinung ist, ihm falle keine Sorgfaltsverletzung zur Last, ist zwar grundsätzlich unbeachtlich, doch kann der Versicherungsnehmer in Kenntnis der Pflicht zur fristgebundenen Anzeige an den Versicherer mit einer den Vorsatz ausschließenden Wirkung darüber irren, ob die ihm zugegangene Erklärung des Dritten schon die Geltendmachung einer Schadenersatzverpflichtung ist (vgl. SZ 50/60; Bruck-Möller VVG8 I 197 u. IV 209). Der Kläger hat sich auf einen solchen Irrtum berufen. Die Frage, ob er vorliegt, gehört dem Tatsachenbereich an, sodaß der Ergänzungsauftrag des Berufungsgerichtes berechtigt ist.
Richtig hat das Berufungsgericht auch erkannt, daß nach den bisherigen unbekämpft gebliebenen Feststellungen ein geringerer Verschuldensgrad des Klägers als grobe Fahrlässigkeit jedenfalls auszuschließen ist. Grobe Fahrlässigkeit im Versicherungsvertragsrecht ist gegeben, wenn schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen (SZ 56/166 ua). Hier war aufgrund des Schreibens der Geschädigten vom 17. Juli 1985 mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die Notwendigkeit der Information des Haftpflichtversicherers und der anschließenden gerichtlichen Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen für jedermann leicht erkennbar, daß eine unverzügliche Benachrichtigung des Versicherers geboten ist.
Auf die Revisionsausführungen, wonach Art. 8 1.2 der AHBA dahin auszulegen sei, daß der Versicherer jedenfalls nach Ablauf von einem Jahr nach Beendigung des Versicherungsvertrages leistungsfrei sei, braucht nicht näher eingegangen zu werden. Bei der Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers nach Art. 8 1.2 der AHBA handelt es sich, wie schon oben dargelegt wurde, um eine Obliegenheit im Sinne der halb zwingenden Bestimmungen des § 6 Abs. 3 VersVG, was zur Folge hat, daß selbst eine ausdrückliche, von den Rechtsfolgen des § 6 Abs. 3 VersVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers abweichende Vereinbarung wirkungslos wäre (Prölss-Martin VVG24 1 f und 112).
Demgemäß ist dem Rekurs ein Erfolg zu versagen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs. 1 ZPO.
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