OGH 15Os131/88

OGH15Os131/888.11.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. November 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bogensberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Adolf C*** wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 13. Juni 1988, GZ 29 Vr 1154/87-78 nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Presslauer und des Verteidigers Dr. Kojer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 27. März 1942 geborene beschäftigungslose Adolf C*** des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (A/) sowie der Vergehen der Förderung gewerbsmäßiger Unzucht nach § 215 StGB (B/) der Zuhälterei nach § 216 Abs 1 und Abs 2 StGB (C/), nach § 36 Abs 1 Z 1, 3 und 4 WaffG (D/) und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (E/) schuldig erkannt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruches hat er in St. Pölten vorsätzlich

A/ Anfang August 1987 Irmgard K*** durch gefährliche Drohung mit dem Tod, indem er ihr eine silbergraue Pistole mit langem Lauf an der Stirn ansetzte und ihr befahl: "Entweder, du gehst für mich auf den Strich und bringst ein Geld heim, oder ich bring dich um!", ihr nach einer ersten Weigerung zwei Ohrfeigen versetzte und sie anschließend einen Abend lang in seiner Wohnung einsperrte, zu Handlungen, nämlich zur entgeltlichen Durchführung eines Geschlechtsverkehrs mit sechs Männern am folgenden Tag und Ablieferung des gesamten Schandlohnes sowie zur Ausübung der weiteren Geheimprostitution und Ablieferung des Schandlohnes an ihn in den nächsten Wochen, genötigt,

B/ Anfang August 1987 Irmgard K*** der gewerbsmäßigen Unzucht zugeführt, und zwar auf die unter Punkt A/ angeführte Weise, C/ mit dem Vorsatz, sich aus der gewerbsmäßigen Unzucht anderer Personen fortlaufende Einnahmen zu verschaffen

1) von Ende Mai 1987 bis ca. Ende Juni 1987 Erika M*** ausgenützt, indem er ihr den jeweiligen Schandlohn abnahm, und

2) im August 1987 Irmgard K*** durch die zu Punkt A/ angeführten Tathandlungen eingeschüchtert und zu dieser Zeit mehrere solche Personen, nämlich Irmgard K*** und Manuele T***, zugleich ausgenützt,

D/ bis zum 4. September 1987

1) unbefugt eine Faustfeuerwaffe, nämlich eine silbergraue Pistole mit langem Lauf unbekannten Fabrikates, besessen,

2) Munition, und zwar 210 Stück verschiedene Patronen, besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 Waffengesetz mit Bescheid der Bundespolizeidirektion St. Pölten vom 29. August 1980, Zahl WA 103/68, verboten war und

3) Kriegsmaterial, nämlich einen Maschinenpistolenlauf samt Verschlußkasten, unbefugt besessen und

E/ am 13. August 1987 dadurch, daß er in der Zelle 8 der Bundespolizeidirektion St. Pölten eine Spindtüre aus der Verankerung riß und mit dieser drei Fensterscheiben im Ausmaß von je 47 x 42 cm zerschlug, fremde Sachen beschädigt und an diesen einen Schaden von insgesamt 700 S herbeigeführt.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch (A/, B/, C/ und D/ 1/) mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 5 a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

In dem undifferenziert sowohl auf Z 5 als auch auf Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Vorbringen nimmt der Angeklagte hauptsächlich dagegen Stellung, daß seine leugnende Verantwortung sowie entlastende Aussagen der Zeuginnen Irmgard K***, Erika M*** und Manuele T*** in der Hauptverhandlung vom Schöffengericht nicht geglaubt worden sind und die Sachverhaltsermittlung maßgebend auf früheren Angaben der genannten Zeuginnen beruht. Jene dagegen erhobenen Einwände, die als Geltendmachung formeller Begründungsmängel (Z 5) angesehen werden können, gehen fehl.

Die Tatsache, daß anläßlich der (in den Entscheidungsgründen ohnehin erwähnten) Hausdurchsuchung am 4. September 1987 keine Faustfeuerwaffe vorgefunden worden ist, spricht nicht dagegen, daß der Angeklagte vorher dennoch eine solche Waffe besessen und zur Bedrohung der Irmgard K*** verwendet hat, weshalb diesbezügliche nähere Urteilserörterungen entbehrlich waren. Auch die Beschwerdedarlegungen, wonach die seiner zwischenzeitigen Trennung von der Pistole widerstreitende Vorliebe des Angeklagten für Waffen und der überraschende Charakter sowie der anderweitige Sicherstellungserfolg der Hausdurchsuchung gegen seinen angenommenen früheren Waffenbesitz sprechen sollen, sind (angesichts der vielen Möglichkeiten, einen solchen Gegenstand anderswo zu verbergen) nicht geeignet, eine erörterungsbedürftige Gegensätzlichkeit des negativen Erfolges der Hausdurchsuchung zu den verwerteten Angaben der Zeugin K*** über die Handhabung einer Faustfeuerwaffe durch den Angeklagten aufzuzeigen; hat doch sogar der Beschwerdeführer selbst in der Hauptverhandlung die Existenz eines Verstecks "in der Au" und sinngemäß eine frühere dortige Waffenverwahrung eingestanden (S 351). Die Äußerung der Zeugin T*** hingegen, beim Angeklagten keine Pistole gesehen zu haben und daher einen solchen Waffenbesitz ausschließen zu können, zählt ersichtlich zu jenen (mit verwerteten Behauptungen der Zeugin K*** im Widerspruch stehenden) Angaben, welche zufolge ihrer Abschwächungs- und Beschönigungstendenz keinen Glauben fanden; mit den Bekundungen der genannten Zeugin über Erzählungen der Irmgard K*** von früherer Prostitutionsausübung hat sich das Erstgericht dabei ohnehin ausdrücklich auseinandergesetzt. Die den Angeklagten belastende Annahme einer partiellen Richtigkeit der in Rede stehenden Zeugenaussage in anderen Punkten aber beruhte auf der Würdigung des von Manuela T*** in der Hauptverhandlung hinterlassenen Eindrucks bei den einzelnen Passagen ihrer Schilderung und wurde vom Schöffengericht ohne Verstoß gegen die Denkgesetze oder gegen allgemeine Lebenserfahrung begründet, sodaß von einer unvollständigen oder nur offenbar unzureichenden Behandlung dieses Verfahrensergebnisses keine Rede sein kann.

Einer Erörterung bedürftige Hinweise darauf, daß die Zeugin K*** schon in Salzburg der gewerbsmäßigen Unzucht nachgegangen, also nicht erst vom Angeklagten dem Schandgewerbe zugeführt worden sei, sind der Zeugenaussage des Hermann S*** in der Tat nicht zu entnehmen. Sollte der Beschwerdeführer indessen aus dieser Aussage ableiten wollen, daß K*** im Tatzeitraum nicht oder nicht immer durch seine unmittelbare Vermittlungstätigkeit, sondern durch Eigeninitiative oder durch Mitwirkung anderer Personen den Kontakt zu zahlungsbereiten Unzuchtpartnern zwecks Prostitutionsausübung gefunden habe, dann beträfe die reklamierte Unvollständigkeit des Urteils keine entscheidungswesentliche Tatsache. Ein Zuführen zur gewerbsmäßigen Unzucht im Sinne des § 215 StGB bedeutet nämlich nicht die Bewirkung der Annäherung zweier bestimmter Unzuchtspartner, sondern die Umwandlung der gesamten Lebensführung des Tatopfers schlechthin in jene einer der Prostitution ergebenen Person (siehe hiezu Foregger-Serini, StGB4, Erl II zu § 215); darauf, ob der Täter auch noch bei der Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht konkrete Vermittlerdienste leistet, kommt es demnach nicht an.

Auch hinsichtlich der ins Treffen geführten Angaben der Zeuginnen K*** und M*** über das Ausmaß ihrer Leistungen an den Angeklagten ist eine Außerachtlassung von entlastenden Hinweisen bei der Tatsachenfeststellung nicht unterlaufen. Das Schöffengericht hat diese Aussagen vielmehr ohnehin erwogen, jedoch für unrichtig befunden. Erörterungsbedürftige Angaben der Zeugen T***, S*** und G*** (ersichtlich gemeint: Kadir G***) über die Ablieferung bloß eines Teiles des Schandlohnes der Tatopfer an den Angeklagten sind den Beschwerdebehauptungen zuwider nicht erkennbar. Somit halten die Beschwerdebehauptungen über Mängel der Urteilsbegründung in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO einer Überprüfung nicht stand.

Aber auch gegen die Richtigkeit der dem (von plausiblen und lebensnahen Erwägungen getragenen) Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen ergeben sich aus den Akten keineswegs erhebliche Bedenken, weshalb eine Nichtigkeit nach Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO ebenfalls nicht vorliegt. Die Rügen rechtlicher Natur (Z 9 lit a) sind gleichermaßen nicht zielführend.

Soweit der Beschwerdeführer gegen den Schuldspruch nach § 216 Abs 1 und Abs 2 StGB einwendet, daß aus dem Urteilssachverhalt keine "Ausbeutung" der Irmgard K***, Erika M*** und Manuela T*** abzuleiten sei, geht die Anfechtung ins Leere, weil eine Begehung der Zuhälterei in der Form des Ausbeutens (Abs 2 erster Fall) gar nicht Gegenstand des Schuldspruches ist. Dem Angeklagten liegt insoweit vielmehr zur Last, die drei genannten Frauen mit dem Vorsatz, sich aus ihrer gewerbsmäßigen Unzucht fortlaufend Einnahmen zu verschaffen, "ausgenützt" (Abs 1) zu haben.

Ein Ausnützen im Sinne dieser Strafnorm liegt jedenfalls dann vor, wenn der Täter für schmarotzerhaft empfangene Vorteile, die über trinkgeldartige Zuwendungen hinausgehen, keine oder nur eine verhältnismäßig geringe Gegenleistung erbringt

(vgl. ÖJZ-LSK 1986/3 ua). Dies trifft auch auf Fallgestaltungen zu, bei welchen er die gesamten aus der gewerbsmäßigen Unzucht des Tatopfers stammenden Einkünfte in Empfang nimmt und bloß einen Teil davon, im wesentlichen durch die Beistellung von Kost und Quartier, zur Deckung des Unterhalts der betreffenden Prostituierten verwendet; die Heranziehung des dem Täter zugeflossenen Schandlohnes zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten anderer Personen, denen gegenüber die betroffene Prostituierte nicht unterhaltsverpflichtet ist, vermag diesfalls an der inkriminierten Beeinträchtigung von deren wirtschaftlichen Interessen nichts zu ändern und ist daher rechtlich bedeutungslos. Somit wird dem Beschwerdestandpunkt zuwider durch die Urteilsfeststellung, daß der Angeklagte den jeweils erhaltenen Schandlohn zum Teil auch für den Lebensunterhalt der Tatopfer sowie seines Sohnes aufgewendet hat, das für den Begriff "Ausnützen" maßgebliche Mißverhältnis zwischen den empfangenen Summen und den dafür erbrachten Leistungen in keiner Weise in Frage gestellt.

Mit dem weiteren Einwand aber, der Beschwerdeführer habe mit der von ihm bezogenen Notstandsunterstützung seinerseits zum Unterhalt der von ihm ausgenützten Frauen beigetragen, läßt die Rechtsrüge eine prozeßordnungsgemäße Ausführung vermissen, weil sie insoweit auf einen urteilsfremden Sachverhalt abgestellt ist. Schließlich ist der Angeklagte auch mit jenem (der Sache nach eine Nichtigkeit nach Z 10 des § 281 Abs 1 StPO reklamierenden) Vorbringen nicht im Recht, wonach neben dem Schuldspruch wegen schwerer Nötigung (§§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB) der Irmgard K*** eine gesonderte rechtliche Erfassung von deren hiedurch tateinheitlich bewirkter Einschüchterung als Zuhälterei gemäß § 216 Abs 2 zweiter Fall StGB zufolge Konsumtion unzulässig sei. Durch eine Beurteilung dieser Tat lediglich als schwere Nötigung würde nämlich keineswegs ihr deliktischer Gesamtunwert abgegolten, welcher über den Angriff auf die freie Willensbetätigung des Opfers hinaus durch das Streben des Täters nach fortlaufenden Einnahmen aus der gewerbsmäßigen Unzucht einer anderen Person eine zusätzliche kriminelle Prägung erfährt. Der Unrechtsgehalt einer derartigen Tat erfordert daher sehr wohl deren zusätzliche Erfassung als (qualifizierte) Zuhälterei, weshalb ein Fall von Idealkonkurrenz vorliegt, die beim Vergehen nach § 216 Abs 2 zweiter Fall StGB (Einschüchterung) sowohl mit Nötigung als auch mit schwerer Nötigung in Betracht kommt (Leukauf-Steininger, StGB2, Ergänzungsheft 1985, RN 26 a zu § 216; Foregger-Serini, StGB4, Anm. IV zu § 216; 11 Os 32/87; 13 Os 27/87). Anläßlich der bekämpften rechtlichen Beurteilung ist daher kein zum Nachteil des Angeklagten ausschlagender Subsumtionsfehler unterlaufen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Adolf C*** wurde nach § 106 Abs 1 StGB unter Anwendung von § 28 StGB zu einer zweieinhalbjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei als erschwerend die Begehung mehrerer Straftaten sowohl der gleichen als auch verschiedener Art sowie der rasche Rückfall nach 23 einschlägigen Vorstrafen mit den Voraussetzungen des § 39 StGB, als mildernd hingegen ein Teilgeständnis gewertet wurden. Mit seiner Berufung beantragt der Angeklagte eine Strafherabsetzung. Er kann jedoch keine weiteren strafmildernden Umstände nennen. Denn, daß er nicht auch noch die Wohngemeinschaft mit den drei Frauen, deren Zuhälter er war, erzwungen hat, und daß zwei von ihnen bereits ohne sein Zutun Prostituierte geworden waren, reduziert ebensowenig die Schuld der begangenen Taten wie die Tatsache, daß die vom Angeklagten ohnehin schon schwer genötigte Irmgard K*** nicht auch noch "in weiterer Folge .... zu Prostitutionshandlungen" gezwungen worden sei und überdies vor ihm hätte fliehen können.

Das Schöffengericht hat, indem es die ihm zustehende Strafbefugnis (bis zu siebeneinhalb Jahren) nur zu einem Drittel ausschöpfte, angesichts der gegebenen Strafzumessungsgründe ein Strafmaß gefunden, das sich keineswegs als überhöht erweist, weshalb auch der Berufung ein Erfolg zu versagen war.

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