OGH 10ObS262/88

OGH10ObS262/8825.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Robert Renner (Arbeitgeber) und Dipl.Ing. Herbert Ehrlich (Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Wolfgang M***, Pensionist, Triesterstraße 161, 8073 Feldkirchen, vertreten durch Dr. Walter Poschinger, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei V*** Ö*** B***,

Josefstädterstraße 80, 1081 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. Juni 1988, GZ 7 Rs 43/88-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 18. November 1987, GZ 32 Cgs 1113/87-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger erlitt am 3. November 1981 bei einem Mopedunfall, der als Dienstunfall anerkannt wurde, Verletzungen insbesonders im Halsbereich. Wegen der Folgen dieses Unfalles wurde dem Kläger mit Vergleich zu 23 C 24/83 des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Steiermark in Graz vom 25. April 1984 eine Versehrtenrente im Ausmaß von 20 v.H. der Vollrente ab 3. Februar 1982 zuerkannt. Am 29. Jänner 1982 unterzog sich der Kläger einer vom Dienstgeber angeordneten Untersuchung beim Chefarzt Dr. B***. Von diesem Arzt wurde der Krankenstand verlängert und dem Kläger eine Behandlung an der Rheumastation der Gebietskrankenkasse vorgeschlagen. Der Kläger erklärte sich mit der Behandlung einverstanden und unterzog sich dieser. Diese Behandlung konnte von Dr. B*** nicht angeordnet werden; es handelte sich bloß um eine Empfehlung. Es wäre dem Kläger freigestanden, den Hausarzt zu konsultieren und sich einer von diesem verordneten Therapie zu unterziehen. Im Anschluß an die von Dr. B*** vorgeschlagene Therapie an der Rheumastation der Gebietskrankenkasse wurde über Anraten der Ärzte Dr. H*** und Dr. M*** eine weitere physikalische Therapie durch die Gebietskrankenkasse durchgeführt. Am 24. Februar 1982 - der Kläger befand sich zu dieser Zeit noch im Krankenstand - rutschte er auf dem Weg zur physikalischen Therapie bei Betreten des Gebäudes der Gebietskrankenkasse aus und verletzte sich.

Der Kläger begehrt, die beklagte Partei zur Leistung einer Versehrtenrente von 20 v.H. neben der mit Vergleich vom 25. April 1982 (für die Folgen des Vorunfalles vom 3. November 1981) gewährten Versehrtenrente zu verpflichten. Er habe sich der Behandlung auf Anordnung des Chefarztes Dr. B*** unterzogen und sei verpflichtet gewesen, diese Anweisung zu befolgen, die mit dem Dienstunfall vom 3. November 1982 damit im Zusammenhang gestanden sei.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage; der Unfall des Klägers sei nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden.

Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers ab. Da sich der Unfall vom 24. Februar 1982 auf dem Weg von der Wohnung zu einer Krankenbehandlung ereignet habe, könne er nur ein Dienstunfall sein, wenn der Kläger diese Behandlung aufgrund einet Gesetzes-, Dienstgeber- oder Sozialversicherungsträgeranordnung habe vornehmen lassen; keiner dieser Fälle sei gegeben, da es eine vom Vertrauensarzt des Dienstgebers vorgeschlagene Behandlung gewesen sei; den Kläger habe keine Verpflichtung getroffen, sich diesem Vorschlag gemäß zu verhalten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Die Voraussetzungen des § 90 Abs 2 Z 2 B-KUVG seien nicht erfüllt und auch aus § 90 Abs 1 B-KUVG könne das Bestehen eines Versicherungsschutzes für den gegenständlichen Unfall nicht abgeleitet werden. Diese Bestimmung sei restriktiv auf jene Fälle zu beziehen, die unmittelbar in zeitlichem, örtlichem und sinnhaftem Zusammenhang mit der zu erbringenden Dienstleistung stünden. Die taxative Aufzählung von Ereignissen, die "auch" Dienstunfälle seien bzw. den Dienstunfällen glei%hgestellt seien (§§ 90 Abs 2, 91 B-KUVG) bestätige diese Auffassung.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn einer Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Daß der Sturz beim Betreten des Gebäudes der Gebietskrankenkasse die Folge eines beim Arbeitsunfall vom 3. November 1981 erlittenen Gebrechens gewesen wäre, hat der Kläger nicht behauptet und es ergibt sich auch aus dem Verfahren kein Anhaltspunkt in dieser Richtung. Die Annahme eines Versicherungsschutzes aus dem Grund einer solchen kausalen Verknüpfung scheidet daher aus. Maßnahmen zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit sind grundsätzlich dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen. Es ist nicht sehon deshalb bei ihrer Durchführung Versicherungsschutz anzuerkennen, weil sie zugleich der Erhaltung oder Wiederherstellung der Arbeitskraft und damit auch den Interessen des Unternehmens dienen (Brackmann, Handbuch 60. Nachtrag 484 o). Auch daraus, daß sich der Unfall aus Anlaß einer Behandlung ereignete, die durch die bei einem Arbeitsunfall erlittenen Verletzungen erforderlich wurde, ist für den Standpunkt des Klägers nichts abzuleiten. In der Bundesrepublik Deutschland wurde durch das UVNG vom 30. April 1963 (BGBl. I S 241) (Brackmann 53. Nachtrag 469 a) § 555 RVO neu gefaßt. Nach dieser Bestimmung gilt als Folge eines Arbeitsunfalls auch ein Unfall, den der Verletzte bei der Durchführung der Heilbehandlung oder der Berufshilfe, bei der Wiederherstellung oder Erneuerung eines beschädigten Körperersatzstückes oder größeren orthopädischen Hilfsmittels, bei einer wegen des Arbeitsunfalls zur Aufklärung des Sachverhalts angeordneten Untersuchung odee auf einem dazu notwendigen Weg erleidet (§ 555 Abs 1 RVO). Die Einführung dieser Vorschrift wurde damit begründet, daß zuvor ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einem Weg zum Arzt aus Anlaß eines Arbeitsunfalles mit der versicherten Tätigkeit verneint worden sei, weil das eigene Interesse des Versicherten an der ärztlichen Behandlung und Beratung überwiege, was den besonderen sozialpolitischen Bedürfnissen nicht immer Rechnung trage (Brackmann aaO 484 o I). Ausgehend von der nunmehrigen Rechtslage in der BRD reicht die Feststellung aus, daß der zweite Unfall bei einer Tätigkeit einer Maßnahme oder einem Weg der im § 555 RVO bezeichneten Art geschehen ist, um die Anwendbarkeit dieser Bestimmung zu begründen, womit auch dieser Unfall vom Versicherungsschutz umfaßt ist (Lauterbach Unfallvers3, 40 Lfg, 316). Eine entsprechende Bestimmung findet sich im B-KUVG und anderen österreichischen Sozialversicherungsgesetzen nicht. Gemäß § 90 Abs 2 Z 2 sind Dienstunfälle auch Unfälle, die sich auf einem Weg von der Dienststätte zu einer vor dem Verlassen dieser Stätte dort bekanntgegebenen ärztlichen Untersuchungsstelle (freiberuflich tätiger Arzt, Ambulatorium, "Krankenanstalt") zum Zweck der Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe (§ 63), Zahnbehandlung (§ 69) oder der Durchführung einer Gesundenuntersuchung (§ 61 a) und anschließend auf dem Weg zurück zur Dienststätte oder zur Wohnung, ferner auf dem Weg von der Dienststätte oder von der Wohnung zu einer ärztlichen Untersuchungsstelle, wenn sich der Versicherte der Untersuchung aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift oder einer Anordnung der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter oder des Dienstgebers unterziehen muß und anschließend auf dem Weg zurück zur Dienststätte oder zur Wohnung ereignet. Mit dieser Bestimmung ist der unfallversicherungsrechtliche Schutz im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe oder Vornahme einer ärztlichen Untersuchung abschließend geregelt. Durch § 90 Abs 2 Z 2 B-KUVG sind zwei verschiedene Arztwege geschützt: Fall 1 erfaßt den Schutz des Weges von der Arbeitsstätte zu einer ärztlichen Untersuchungsstelle zum Zweck der Inanspruchnahme jeder ärztlichen Hilfe oder einer Gesundenuntersuchung sowie des Fortsetzungsweges zurück zur Arbeitsstätte oder zur Wohnung (Tomandl, System

3. ErgLfg. 293 f zur inhaltsgleichen Bestimmung des § 175 Abs 2 Z 2 ASVG). Über den Wortlaut dieser Bestimmung hinaus wurde von der Rechtsprechung das Bestehen des Unfallversicherungsschutzes für einen zuvor im Betrieb bekanntgegebenen Weg von einer am Morgen direkt von der Wohnung aufgesuchten ärztlichen Untersuchungsstelle zum Arbeitsplatz bejaht (10 Ob S 76/88). Nach der Fassung des Gesetzes hat aber die Bestimmung jedenfalls zur Voraussetzung, daß der Arztweg in unmittelbarem Zusammenhang mit einem Weg von oder zur Arbeitsstätte steht. Dies ergibt sich auch klar daraus, daß Voraussetzung für das Bestehen des Versicherungsschutzes auf derartigen Wegen die vorherige Meldung des Arztbesuches am Arbeitsplatz ist. Im Zeitpunkt des Unfalles befand sich der Kläger jedoch im Krankenstand. Das Aufsuchen der Behandlungsstätte erfolgte nicht im Zusammenhang mit einem Weg zum Arbeitsplatz, sodaß aus diesem Grund die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmung nicht gegeben sind. Fall 2 des § 90 Abs 2 Z 2 B-KUVG schützt den Weg von der Arbeitsstätte oder der Wohnung zu einer ärztlichen Untersuchungsstelle und zurück zur Arbeitsstätte oder Wohnung, sofern es sich um eine gesetzlich gebotene bzw. eine vom Träger der Sozialversicherung oder vom Dienstgeber angeordnete Untersuchung handelt, die anderen Zwecken als der Durchführung einer ärztlichen Behandlung dient (Tomandl aaO 294 zu § 175 Abs 2 ASVG). Nach den Feststellungen ereignete sich der Unfall anläßlich eines Weges, den der Kläger unternahm, um sich einer Heilbehandlung zu unterziehen. Selbst wenn diese Heilbehandlung - etwa auch vom

Chefarzt - angeordnet worden wäre, liegen die Voraussetzungen für die Annahme des Versicherungsschutzes nach dieser Norm nicht vor, da das Aufsuchen eines Arztes oder einer Einrichtung der Gesundheitsfürsorge zum Zweck der Vornahme einer Heilbehandlung der zweiten Fallgruppe des § 90 Abs 2 Z 2 B-KUVG nach dem Wortlaut des Gesetzes überhaupt nicht zugeordnet werden kann. Ein in diesem Zusammenhang unternommener Weg kann nur bei Zutreffen der dort genannten Voraussetzungen nach § 90 Abs 2 Z 2 erster Fall vom Versicherungsschutz umfaßt sein. Wie dargestellt liegen jedoch diese Voraussetzungen im hier zu beurteilenden Fall nicht vor. Zutreffend sind daher die Vorinstanzen zu einer klageabweisenden Entscheidung gelangt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte