Spruch:
Keiner der Revisionen wird Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 3.112,72 (darin keine Barauslagen und S 282,97 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen; hingegen sind die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die mit S 9.969,79 (darin keine Barauslagen und S 906,34 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 27. Oktober 1984 ereignete sich auf der Tragweiner Bezirksstraße an der Kreuzung mit dem Zufahrtsweg Gattringer-Ebner ein Verkehrsunfall, an dem der mit einem Motorrad auf der Bezirksstraße fahrende Kläger und der aus dem Zufahrtsweg mit einem PKW Fiat Seat 850 nach links gegen die Fahrtrichtung des Klägers einbiegende Erstbeklagte beteiligt waren. Die Zweitbeklagte ist Haftpflichtversicherer von dessen PKW. Wegen der schweren Verletzungen, die der Kläger bei diesem Unfall erlitt, wurde der Erstbeklagte vom Bezirksgericht Pregarten wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs.1 und 4, 1.Fall, StGB verurteilt. Nach dem Strafurteil beachtete der Erstbeklagte dadurch, daß er aus dem Zufahrtsweg nach links nach Allerheiligen einbog, den Vorrang des sich auf der Vorrangstraße befindlichen Verkehrs nicht gehörig und fuhr in die Vorrangstraße ein, so daß der aus Allerheiligen kommende Kläger trotz eines Ausweichmanövers gegen den PKW stieß.
Gestützt auf diese Verurteilung begehrte der Kläger unter Hinweis auf die Schwere seiner Verletzungen und den komplikationsreichen Heilungsverlauf ein Schmerzengeld von S 350.000. Des weiteren begehrte er unter Hinweis auf ein bleibendes Hinken und umfangreiche entstellende Narben eine Verunstaltungsentschädigung von S 100.000, weil er sowohl in seinem beruflichen Fortkommen als auch in seinen Heiratsaussichten behindert sei. An Verdienst sei ihm (schon unter Anrechnung der Leistungen der O*** G*** und des
A*** F***) insgesamt S 125.738,89 entgangen. Der Sachschaden betrage S 24.500. An Besuchsund Fahrtkosten seien S 13.572 aufgelaufen. Insgesamt betrage sein Ersatzanspruch daher S 613.810,89. Davon seien jene S 210.000 abzuziehen, die die Zweitbeklagte bereits vor Prozeßbeginn bezahlt habe. Er begehre daher nunmehr S 403.810,89. Weiters beantrage er die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle zukünftigen Unfallsfolgen. Die Beklagten gestanden in der Klagebeantwortung die Vorrangverletzung des Erstbeklagten ausdrücklich zu und wendeten ein Mitverschulden von einem Drittel ein, weil der Kläger mit relativ überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei und überhaupt nicht bzw. verspätet reagiert habe. Beim Ortsaugenschein brachten die Beklagten noch vor, daß der Vorrang "eigentlich" dem Erstbeklagten zugekommen wäre, weil der Zufahrsweg nicht als untergeordnete Verkehrsfläche im Sinne des § 19 Abs.6 StVO anzusehen sei. Der Erstbeklagte habe jedoch auf den ihm zukommenden Vorrang verzichtet; dadurch sei eine unklare Verkehrssituation entstanden, in die der Kläger ohne Reaktion eingefahren sei. Die Beklagten anerkannten das Feststellungsinteresse. Gemäß dem einbekannten Mitverschulden erging daher über 2/3 des Feststellungsbegehrens ein Teilanerkenntnisurteil. Der Höhe nach wurden ein Schmerzensgeld von S 250.000 sowie die gesamten Sachschäden und die Fahrt- und Besuchskosten außer Streit gestellt. Die Berechtigung der übrigen Ansprüche wurde bestritten und zum Verdienstentgang das Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers sowie eine Haushaltsersparnis von S 15.000 eingewendet. Mit dem mit S 10.000 unstrittigen Schaden am PKW des Erstbeklagten wurde prozessual aufgerechnet.
Das Erstgericht sprach dem Kläger S 305.781,68 s.A. zu und wies das Mehrbegehren von S 98.029,31 ab; ausgehend vom Alleinverschulden des Erstbeklagten wurde auch dem restlichen Feststellungsbegehren stattgegeben; das Erstgericht ging von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:
Die im Bereich der Unfallstelle 5,8 m breite Bezirksstraße nähert sich der Unfallskreuzung zunächst in einer Rechtskurve, die etwa 60 bis 70 m vor der Kreuzung in eine Gerade übergeht. Nach dem 25 m breiten Einmündungstrichter geht die Bezirksstraße wieder in eine Rechtskurve über. Der Bereich des Einmündungstrichters ist aus Fahrtrichtung des Klägers aus etwa 150 m zu sehen. Aus einem PKW, der auf dem Zufahrtsweg an der Fluchtlinie zur Bezirksstraße angehalten wird, besteht nach rechts (in Richtung Tragwein) Sicht auf mindestens 300 m. Eine unmittelbar an die Kreuzung anschließende Böschung ergibt eine geringfügige Einschränkung der Sicht, weil auf der rechten Fahrbahnhälfte in Richtung Tragwein nach ca. 70 bis 80 m Fahrzeuge für 40 bis 50 m aus dem Blickfeld verschwinden, bevor sie dann wieder bis 300 m beobachtet werden können. Der Zufahrtsweg ist von der Bezirksstraße durch eine Pflasterrinne getrennt. Bis zu einer Tiefe von etwa 30 m ist er mit gutem, auf weitere 30 m mit schlechtem Belag asphaltiert, anschließend geht er in Schotter über. Am Unfallstag war der Kreuzungsverkehr nicht geregelt. Der Kläger und Thomas R*** näherten sich mit ihren Motorrädern der Kreuzung aus Richtung Allerheiligen in Richtung Tragwein fahrend mit ca. 80 km/h. Beide Motorradfahrer fuhren auf der rechten Fahrbahnhälfte, R*** in der Nähe der Leitlinie, der Kläger mit einem Abstand von 1 m zum rechten Fahrbahnrand. Als der Erstbeklagte, dem klar war, daß er sich im Nachrang befand, seinen PKW vorerst so an der Bezirksstraße anhielt, daß dieser noch nicht in diese hineinragte, war der Kläger mit seinem Motorrad noch ca. 100 m entfernt. Erstbeklagter und Kläger hatten hier den ersten gegenseitigen Sichtkontakt. Zu diesem Zeitpunkt fuhr der Kläger in einem Tiefenabstand von etwa drei Motorradlängen hinter R***. Während der weiteren Annäherung verringerte sich dieser Tiefenabstand entsprechend. Als sich der Kläger 70 m vor der späteren Unfallstelle befand, lenkte der Erstbeklagte seinen PKW bogenförmig nach links. Als er dann jedoch der Meinung war, daß ein ungefährdetes Einbiegen nicht mehr möglich sei, hielt er sein Fahrzeug nach Zurücklegung einer Fahrtstrecke von 3 m an. Es ragte dabei 2,5 m in die Fahrbahn der Bezirksstraße. Für dieses gesamte Manöver benötigte er 2,5 sec., wovon für den Kläger während 2 sec. Sichtbestand. Als der Kläger merkte, daß der Erstbeklagte mit seinem PKW in die Bezirksstraße einfährt, verminderte er zunächst seine Geschwindigkeit auf etwa 60 km/h und rechnete damit, der Erstbeklagte werde nach links einbiegen und den Kreuzungsbereich rechtzeitig freigeben. Hätte der Kläger sofort bei Beginn des Einbiegens des PKWs gebremst, hätte er bei einer Verzögerung von 5,5 m/sec.2 sein Motorrad ohne Sturzgefahr 3 m vor der Einbiegespur anhalten können. Vom Beginn des Einfahrens gerechnet hätte der Erstbeklagte 3,5 sec. benötigt, um die rechte, von den beiden Motorradfahrern benützte Fahrbahnhälfte der Bezirksstraße zu kreuzen und zur Gänze zu verlassen. In derselben Zeit hätte der Kläger, wenn er mit unverminderter Geschwindigkeit vom 80 km/h weitergefahren wäre, 78 m zurückgelegt. Hätte der Erstbeklagte sein Einbiegemanöver in einem Zug fortgesetzt, hätte der Kläger zwar seine Geschwindigkeit auf 60 km/h verringern müssen, er hätte jedoch dann die Möglichkeit gehabt, hinter dem einbiegenden PKW zu passieren. Der Kläger verringerte auch seine Geschwindigkeit auf 60 km/h, aber erst 1,5 bis 2 sec. vor dem späteren Anstoß oder 30 bis 40 m vor der Unfallstelle. Aus dieser Entfernung konnte er auf das Stehenbleiben des PKWs nicht mehr mit einer Bremsung unfallverhindernd reagieren. Es war dem Kläger auch nicht mehr möglich, nach links zu verlenken, weil sich der Tiefenabstand zwischen ihm und R*** schon so verringert hatte, daß das Vorderrad seines Motorrades schon auf Höhe des Hinterrades von R*** war. Selbst wenn er zu R*** einen erforderlichen Sicherheitsabstand eingehalten hätte, wäre ihm ein Ausweichen nach links nicht mehr möglich gewesen.
Der am 27. April 1965 geborene Kläger erlitt bei diesem Unfall eine ausgedehnte Rißquetschwunde an der linken Ferse mit Hautdefekt und Rißquetschwunden am rechten Kniegelenk sowie mehrere Hautabschürfungen. Er wurde sofort stationär behandelt und mußte, mit kurzfristigen Unterbrechungen, bis 5. April 1985 im Krankenhaus bleiben. Beim Versuch, die Fersenverletzung mit Spalthaut zu decken, waren mehrere operative Eingriffe notwendig. Am 4. Juli 1985 wurde der Kläger neuerlich stationär aufgenommen, um eine Umkehrlappenplastik vom rechten Oberschenkel auf die linke Ferse durchzuführen. Dazu wurde die linke Ferse an den rechten Oberschenkel fixiert. Diese Stellung mußte im Gipsverband bis 30. Juli 1985 ertragen werden. Nach weiteren operativen Eingriffen wurde der Kläger dann am 22. August 1985 in die ambulante Kontrolle entlassen. Dieser schloß sich im Frühjahr 1985 ein ein Monat lang dauernder Rehabilitationsaufenthalt an. Der gesamte Heilungsverlauf gestaltete sich verzögert und kompliziert. Die Gesamtdauer der stationären Aufenthalte betrug inklusive der Rehabilitation 203 Tage. Der Kläger erlitt durch 3 1/2 Wochen starke, durch 8 Wochen mittlere und durch 4 1/2 bis 5 Monate leichte Schmerzen und war darüber hinaus auch beträchtlich psychisch beeinträchtigt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers beträgt derzeit 35 %, wobei nicht auszuschließen ist, daß dieser Wert geringfügig auf 30 % gebessert werden könnte. Die mehrfachen Versuche, die Wunden mit Spalthaut zu decken, bewirkten zahlreiche Narben an den Stellen, an denen diese Haut entnommen wurde, so vor allem am rechten und linken Oberschenkel sowie am Unterbauch. Besonders auffällig ist eine 15 cm lange und bis zu 6 cm breite Narbe quer über den Unterbauch mit einem im Zentrum gelegenen spalthautgedeckten Feld sowie weiters eine 8 cm lange und bis 7 cm breite, derbe und flach eingezogene Narbe an der Innenseite des rechten Oberschenkels mit derben Narbenrändern. An der Ferse findet sich ein reaktionslos eingeheilter 5 cm durchmessender Vollhautlappen. Von der Ferse bis zur Mitte des 5.Mittelfußknochens reichen mehrere zarte und verletzliche Narben. Das Ausmaß der Narben wird sich zwar zusehends etwas verbessern, sie werden jedoch im wesentlichen so wie derzeit bestehen bleiben. Ein Teil der Narben ist relativ festhaftend und dies indiziert möglicherweise weitere operative Eingriffe zur Narbenlösung und zur Besserung der Weichteildickung und der Weichteilunterpolsterung. Es handelt sich um funktionsverbessernde Eingriffe, die bewirken können, daß das Fersenbein nicht zu stark belastet wird und auch dadurch eine weitgehende Beschwerdefreiheit eintreten kann. Obwohl ein solcher Eingriff an sich nicht besonders schwerwiegend ist, ist wegen der Neigung des Klägers zum verzögerten Heilungsverlauf das Risiko von dabei auftretenden Komplikationen relativ hoch zu veranschlagen. Der Gang des Klägers ist trotz orthopädischer Schuhe hinkend. Bei entsprechendem Schuhwerk ist jedoch eine Sportausübung ohne Einschränkungen möglich. Vom 20. Jänner 1985 bis 15. Dezember 1986 hätte der Kläger S 88.720 verdienen können. An Krankenund Taggeld hat er in dieser Zeit S 66.854,16 erhalten. Netto hat er daher in dieser Zeit S 21.865,84 an Verdienstentgang erlitten. Vom 16. Dezember 1985 bis 9. März 1986 hatte der Kläger keinen Verdienstentgang. Vom 10. März 1986 bis Ende November 1986 hätte der Kläger einschließlich des Arbeitslosengeldes S 77.532,60 verdient. In dieser Zeit hat er von der O*** G*** an Taggeld und Krankengeld S 1.688,75 erhalten, was einen reinen Verdienstentgang von S 75.843,85 ergibt.
In der rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht vom Alleinverschulden des Erstbeklagten aus. Der Kläger habe sich im Vorrang befunden, weil der Erstbeklagte aus einer untergeordneten Verkehrsfläche im Sinne des § 19 Abs.6 StVO in die Bezirksstraße eingefahren sei. Ein Mitverschulden sei dem Kläger nicht anzulasten, weil er nicht mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei und der zu geringe Tiefenabstand zum Motorradfahrer R*** in keinerlei Risikozusammenhang mit dem Unfallgeschehen stehe; auch bei Einhalten des erforderlichen Abstandes hätte er den Unfall nicht verhindern können. Das Schmerzengeld gebühre im begehrten Ausmaß von S 350.000, weil der Kläger sehr lange habe stationär behandelt werden müssen und mehrfache Operationen notwenig gewesen seien. Die Verunstaltungsentschädigung sei mit S 30.000 angemessen, weil die zahlreichen Narben das bessere Fortkommen, insbesondere den beruflichen Aufstieg zum Maurerfacharbeiter, beeinträchtigen könnten. Die Berufungen des Klägers und der Beklagten blieben erfolglos. Das Gericht zweiter Instanz bestätigte das Urteil des Erstgerichtes mit der Maßgabe, daß die Klagsforderung mit S 305.781,68 als zu Recht, mit S 98.029,31 als nicht zu Recht bestehend, die Gegenforderung der Beklagten als nicht zu Recht bestehend erkannt und dem Kläger daher S 305.781,68 zugesprochen wurden; es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000 übersteigt, erachtete die gerügten Feststellungsmängel nicht als gegeben und billigte im Ergebnis auch die rechtliche Beurteilung der ersten Instanz. Zur Verschuldensfrage führte das Berufungsgericht aus, die Bindungswirkung des § 268 ZPO bestehe darin, daß der Zivilrichter seinem Urteil im Tatsachenbereich die vom Strafrichter getroffenen Feststellungen über die tatsächlichen Handlungen und Unterlassungen des Verurteilten und ihre Kausalität für den Schadenserfolg zugrundezulegen habe, er könne also keinen abweichenden Sachverhalt feststellen, wohl aber einen weitergehenden. Er müsse darüber hinaus bei seiner rechtlichen Beurteilung von einem zivilrechtlichen Verschulden des Verurteilten ausgehen. In welchem Ausmaß diese vom Strafgericht festgestellte schuldhafte Handlung oder Unterlassung zum Schadenserfolg beigetragen habe, also ob der Verurteilte allein schuldig sei oder ob er nur ein Mitverschulden zu verantworten habe, sei vom Zivilrichter selbständig zu prüfen. Die Tatsachen habe der Zivilrichter sowohl dem Spruch als auch den Gründen des Strafurteiles, das sich insofern als Einheit darstelle, zu entnehmen. Letzteres bereite im vorliegenden Fall insofern gewisse Schwierigkeiten, als ein nach Spruch und Gründen gegliedertes Strafurteil nicht vorliege, sondern lediglich ein Protokolls- und Urteilsvermerk. Dessen "Sachverhalt", der dem Spruch eines vollständigen Urteils nachgebildet sei, enthalte jedoch nicht nur rechtliche Qualifikationen, sondern auch Tatsachenfeststellungen. Die wesentliche Feststellung davon sei jene, daß der Kläger auf einer Vorrangstraße gefahren sei. Solche Vorrangstraßen seien nach den §§ 46 und 47 StVO jedenfalls alle Autobahnen und Autostraßen. Alle anderen Straßen (also Bundes-, Landes-, Bezirks- oder auch Gemeindestraßen) nur dann, wenn sie zur Vorrangstraße erklärt worden seien (§ 43 Abs.3 lit. c StVO). Da offenkundig sei, daß es sich bei der Tragweiner-Bezirksstraße nicht um eine Autobahn oder Autostraße handle, bedeute die Feststellung des Strafgerichtes, Manfred L*** sei auf der Vorrangstraße gefahren, daß er auf einer Straße gefahren sei, die zur Vorrangstraße erklärt worden sei. Das sei aber eine Tatsachenfeststellung, an die die Zivilgerichte gebunden seien, gleichgültig, ob sich dafür aus dem Strafakt genügend Beweisgrundlagen ergäben oder nicht. Stehe jedoch damit bindend fest, daß der Kläger eine Vorrangstraße benützt habe, der Erstbeklagte (er bog aus einem Zufahrtsweg nach links in die Vorrangstraße ein) jedoch nicht, so folge daraus rechtlich, daß der Erstbeklagte gemäß § 19 Abs.3 StVO wartepflichtig gewesen wäre. Stehe dies damit aber gemäß § 268 ZPO bindend fest, sei unbeachtlich, ob der Erstbeklagte aus einer untergeordneten Verkehrsfläche im Sinne des § 19 Abs.6 StVO gekommen sei. Jedenfalls folge aus dem strafgerichtlichen Urteil, daß der Erstbeklagte wartepflichtig gewesen sei. Ein Mitverschulden des Klägers liege nicht vor, es sei ihm weder eine Reaktionsverspätung vorzuwerfen, noch ein sonstiges Fehlverhalten. Auch das Schmerzengeld und die Verunstaltungsentschädigung seien vom Erstgericht richtig bemessen worden.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wenden sich die Revisionen des Klägers und der Beklagten; der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes im Ausspruch über die Verunstaltungsentschädigung aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Zuspruch eines weiteren Betrages von S 50.000 an Verunstaltungsentschädigung; die Beklagten machen die Revisionsgründe nach § 503 Abs.1 Z 2 und 4 ZPO geltend, beantragen Abänderung dahin, daß unter Zugrundelegung eines Mitverschuldens des Klägers von einem Drittel die Klagsforderung mit S 85.380,99 als zu Recht und mit S 220.400,49 als nicht zu Recht, die Gegenforderung der Beklagten mit S 3.333,33 als zu Recht bestehend erkannt und daher dem Kläger ein Betrag von S 82.047,66 s.A. zugesprochen, das Mehrbegehren aber abgewiesen werde; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt. In ihren Revisionsbeantwortungen beantragen der Kläger und die Beklagte, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Keine der Revisionen ist berechtigt.
1.) Zur Revision des Klägers:
Der Kläger hält insbesondere unter Hinweis auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 2 Ob 92/83 eine Verunstaltungsentschädigung in der Höhe von S 80.000 für gerechtfertigt.
Seinen Ausführungen kann indes nicht gefolgt werden. Für die Ausmessung der Verunstaltungsentschädigung kommt es auf den Grad der Verunstaltung und die Wahrscheinlichkeit der Behinderung des besseren Fortkommens an (vgl. Piegler, Schadenersatz wegen Verunstaltung, RZ 1973, 22; 8 Ob 82/81; 8 Ob 188/82 u.a.). Dabei müssen immer die Umstände des Einzelfalles entscheidend bleiben. Die in der Revision zitierte Entscheidung 2 Ob 92/83 eignet sich schon deshalb nicht zum Vergleich mit dem gegenständlichen Fall, weil dort die Beklagten in ihrer Revision lediglich die Herabsetzung des vom Berufungsgericht zugesprochenen Betrages an Verunstaltungsentschädigung auf S 100.000 beantragt haben. Im vorliegenden Verfahren erscheint jedoch die Verunstaltungsentschädigung unter Bedachtnahme auf vergleichbare Fälle mit S 30.000, wohl an der Untergrenze, aber dennoch nicht zu niedrig ausgemessen.
Der Revision des Klägers mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.
2.) Zur Revision der Beklagten:
Die Beklagten bekämpfen die Verneinung eines Mitverschuldens des Klägers an dem Unfall sowie die Höhe des Schmerzengeldes. Zur Verschuldensfrage wenden sie sich insbesondere gegen die vom Berufungsgericht angenommene Bindung an das den Erstbeklagten verurteilende Straferkenntnis hinsichtlich der von der zweiten Instanz als Tatsachenfeststellung gewerteten Eigenschaft der Tragweiner-Bezirksstraße als Vorrangstraße im Sinne der §§ 19 Abs.3, 43 Abs.3 lit. c StVO; sie fechten aber auch die vom Erstgericht zur Begründung der Annahme der Vorrangverletzung durch den Erstbeklagten herangezogene Qualifikation des von diesem benützten Zufahrtsweges Gattringer-Ebner als Verkehrsfläche im Sinne des § 19 Abs.6 StVO an. Gemäß § 19 Abs.6 StVO haben Fahrzeuge im fließenden Verkehr gegenüber Fahrzeugen den Vorrang, welche aus Nebenfahrbahnen, von Parkplätzen, von Haus- und Grundstückseinfahrten, von Feldwegen, von Tankstellen und dgl. kommen. Nach der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes ist die Beurteilung der Frage, ob eine Fläche unter § 19 Abs.6 StVO fällt, nach objektiven Kriterien vorzunehmen (ZVR 1974/4, ZVR 1984/289 u.v.a.). Dabei kommt es immer auf die konkreten Umstände des Falles an (ZVR 1971/92, ZVR 1985/76 u.v.a.). Maßgebend ist insbesondere, ob sich die in Betracht kommende Verkehrsfläche in ihrer gesamten Anlage deutlich von sonstigen öffentlichen Straßen unterscheidet (ZVR 1976/67, ZVR 1984/149, 1985/40 u.a.). Der aus dem Gesetzeswortlaut erkennbare Zweck der genannten Bestimmung liegt darin, die Behinderung von Fahrzeugen, die sich auf Verkehrsflächen mit größerer Verkehrbedeutung im fließenden Verkehr befinden, durch andere Fahrzeuge, die aus Verkehrsflächen mit geringerer Verkehrsbedeutung kommen und sich in den fließenden Verkehr erst einordnen müssen, hintanzuhalten (ZVR 1986/8 u.a.). Nach diesen Grundsätzen ist somit auf die Beschaffenheit der zu beurteilenden Verkehrsfläche in ihrer Gesamtheit abzustellen. Würde den Verhältnissen im Einmündungs-, also Kreuzungsbereich allein schon das entscheidende Gewicht zukommen, so könnten die Vorrangverhältnisse durch den großzügigen Ausbau des unmittelbaren Kreuzungsbereiches, z.B. bei einer bloßen Grundstückeinfahrt, willkürlich gestaltet werden. Der Oberste Gerichtshof hat daher im Einzelfall auch immer untersucht, ob nach den gesamten Verhältnissen die Qualifikation als Verkehrsfläche nach § 19 Abs.6 StVO gerechtfertigt ist. So hat er etwa in der Entscheidung ZVR 1980/216 ausgesprochen, der Umstand, daß ein Weg im Einmündungstrichter deltaförmig ausgebaut, anfänglich asphaltiert und im übrigen staubfrei gemacht wurde und zu drei einzelnen Gehöften führe, nehme ihm noch nicht den Charakter eines Feldweges; unter Feldwegen seien untergeordnete Wege zu verstehen, die nicht der Verbindung von Ortschaften sondern der Erreichung einzelner Gehöfte oder landwirtschaftlich genutzter Flächen dienten. In der Entscheidung ZVR 1981/237 wurde ausgeführt, eine lediglich im Einmündungsbereich asphaltierte, ansonsten nur geschotterte, unbenannte, 3 m breite Privatstraße, die ausschließlich der Zufahrt zu vier Häusern diene, sei eine Verkehrsfläche nach § 19 Abs.6 StVO. Entscheidend sei, ob sich die Verkehrsfläche für die Benützer der beiden Straßen während der Fahrt nach objektiven Kriterien - ohne Rücksicht auf deren Ortskenntnisse - in ihrer gesamten Anlage eindeutig von sonstigen öffentlichen Straßen unterscheide. Im vorliegenden Fall ist nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes der Zufahrtsweg Gattringer-Ebner - dessen Bezeichnung schon darauf hindeutet, daß er zu einzelnen Anwesen führt - von der Bezirksstraße durch eine Pflasterrinne getrennt; nach dem 25 m breiten Einmündungstrichter ist der Zufahrtsweg bis zu einer Tiefe von 30 m mit gutem, auf weitere 30 m mit schlechtem Asphaltbelag, anschließend nur noch mit Schotterbelag versehen. Beim Lokalaugenschein am 11. September 1987 stellte der Erstrichter eine Breite des Weges nach dem Einmündungstrichter von knapp 3 m fest (AS 59).
Bei Anwendung der oben dargelegten Grundsätze ist der Beurteilung des Zufahrtsweges durch das Erstgericht als Verkehrsfläche im Sinne des § 19 Abs.6 StVO beizutreten. Schon aus diesem Grunde befand sich der sich auf dem Zufahrsweg der Kreuzung nähernde Erstbeklagte gegenüber dem Kläger im Nachrang. Die neuerliche Prüfung der vom Berufungsgericht bejahten Frage der Bindung des Zivilrichters im Sinne des § 268 ZPO (vgl. hiezu SZ 55/154 u.a..) an die vom Strafgericht in einem Protokolls- und Urteilsvermerk verwendete Bezeichnung "Vorrangstraße" für eine Bezirksstraße, ohne daß sich aus dem Strafakt irgendwelche Anhaltspunkte dafür ergeben, daß das Gericht damit zum Ausdruck bringen wollte oder etwa überprüft hat, daß es sich um eine gemäß § 43 Abs.3 lit. c StVO von der Behörde zur Vorrangstraße erklärte Straße im Sinne des § 19 Abs.3 StVO gehandelt hätte, kann somit unterbleiben. Aus diesem Grunde erübrigt sich auch ein Eingehen auf die von den Beklagten unter dem Anfechtungsgrund nach § 503 Abs.1 Z 2 ZPO wegen angeblicher Verletzung der Bestimmung des § 268 ZPO durch das Berufungsgericht erhobene Mängelrüge ebenso wie auf die Revisionsausführungen zum Vorrangverzicht des Erstbeklagten. Hinsichtlich des Mitverschuldens des Klägers versucht die Revision darzutun, daß diesem eine verspätete Reaktion bzw. das Einfahren in eine unklare Verkehrslage vorzuwerfen seien, die eine Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 2 zu Lasten der Beklagten als gerechtfertigt erscheinen ließen.
Demgegenüber hat das Berufungsgericht zutreffend darauf verwiesen, daß dem Kläger eine verspätete Reaktion nur dann vorgeworfen werden könnte, wenn man davon ausginge, daß er sofort auf das Einfahren des PKWs des Erstbeklagten in die Kreuzung mit einer Bremsung hätte reagieren müssen.
Eine Vorrangverletzung liege indes nur vor, wenn der Vorrangberechtigte durch das Kreuzen oder Einfahren zu einem Ablenken seines Fahrzeuges oder einem unvermittelten Bremsen genötigt würde (§ 19 Abs.7 StVO). Dies bedeutet, daß der Wartepflichtige, der den Vorrangberechtigten nur zu einer geringfügigen Verzögerung seiner Geschwindigkeit nötigt, gar keine Vorrangverletzung begeht, weil eben ein Verstoß gegen die Vorrangregeln nur dann zivilrechtlich haftbar macht, wenn die Tatbestandselemente des § 19 Abs.7 StVO hinzutreten (ZVR 1984/12 u. a.). Als der Erstbeklagte mit seinem PKW in die Bundesstraße einfuhr, hatte er den Kläger lediglich dazu genötigt, seine Geschwindigkeit von 80 km/h auf 60 km/h zu verringern. Dies bedeutet, daß der Erstbeklagte durch sein Einfahren die Motorradfahrer noch nicht zu einem unvermittelten, also einem jähen, starken Bremsen genötigt hatte. Zu diesem Zeitpunkt waren daher die Tatbestandselemente des § 19 Abs.7 StVO noch nicht verwirklicht und somit die Motorradfahrer zu diesem Zeitpunkt auch nicht verpflichtet, auf dieses Einfahren mit einer sofortigen starken Geschwindigkeitsverminderung, also mit einem unvermittelten Bremsen oder einem Auslenken zu reagieren. Erst als der Erstbeklagte sein Einfahrmanöver plötzlich abbrach und wieder stehen blieb, ergab sich eine Situation, die von den Motorradfahrern mehr verlangte als nur ein leichtes Abbremsen ihrer Fahrzeuge. Zu diesem Zeitpunkt ergab sich die Notwendigkeit einer sofortigen Abwehrreaktion, also entweder ein Ausweichen oder ein unvermitteltes Bremsen. Der Zeuge R***, der in der Nähe der Leitlinie der 5,8 m breiten Straße und damit ca. soweit vom Fahrbahnrand entfernt fuhr, als der PKW dann in die Straße ragte, konnte gerade noch nach links ausweichen. Der Kläger hatte aber schon auf Grund seiner Fahrlinie von ca. 1 m zum rechten Fahrbahnrand und der kurzen Zeitspanne von 1,5 bis 2 sec. weder die Möglichkeit, nach links oder rechts auszuweichen, noch durch eine unvermittelte Bremsung aus der kurzen Entfernung von 30 bis 40 m den Unfall zu verhindern. Es kann ihm daher auch eine verspätete Reaktion nicht angelastet werden. Ein Reaktionsverzug wäre vielmehr nur dann vorwerfbar, wenn der Kläger schon auf das Einfahren und nicht erst auf das Stehenbleiben des PKWs hätte reagieren müssen. Dies wäre nach dem Vorgesagten jedoch nur dann der Fall, wenn der Kläger mit einem neuerlichen Stehenbleiben des Erstbeklagten und damit einem Versperren seiner rechten Fahrbahnhälfte von vornherein hätte rechnen müssen, etwa, weil der zweite Motorradfahrer sofort und bereits auf das Einfahren des PKWs mit einem Auslenken nach links begonnen hätte. Dies wurde jedoch weder behauptet noch festgestellt. In der Auffassung, daß dem Kläger kein als Mitverschulden zu beurteilendes Fehlverhalten angelastet werden könne, ist daher keine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes zu erblicken. Zur Höhe des Schmerzengeldes vertreten die Beklagten die Ansicht, den Verletzungen des Klägers wäre der Zuspruch eines Schmerzengeldbetrages von nur S 300.000 angemessen. Auch diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sind bei Bemessung des Schmerzengeldes die Art und Schwere der Körperverletzung, die Art, Intensität und Dauer der Schmerzen sowie die Dauer der Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes des Verletzten überhaupt und ferner die damit verbundenen Unlustgefühle zu berücksichtigen (Jarosch-Müller-Piegler, Das Schmerzengeld5, S.176). Hiebei ist auch auf seelische Schmerzen Bedacht zu nehmen. Werden diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewendet und berücksichtigt, daß die Gesamtdauer der stationären Behandlung des Klägers nach dem Unfall einschließlich der Rehabilitation 203 Tage betrug, daß in dieser Zeit mehrfache operative Eingriffe erfolgten, die alle zu keinem befriedigenden Ergebnis führten und deswegen dann im Juli 1985 neuerlich im Rahmen eines stationären Aufenthaltes eine Lappenverpflanzung versucht werden mußte, was insofern für den Kläger sehr unangenehm war, als die linke Ferse durch längere Zeit an den rechten Oberschenkel fixiert werden mußte, daß sich anschließend eine Wundinfektion einstellte, wodurch es zu neuerlichen Beschwerden kam und anschließend eine umfangreiche ambulante Nachkontrolle notwendig war, insgesamt somit ein komplizierter und langwieriger Heilungsverlauf gegeben war, überdies ausgedehnte Schmerzperioden und eine beträchtliche psychische Beeinträchtigung vorlagen und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 35 % besteht, kann das von den Vorinstanzen mit S 350.000 ausgemessene Schmerzengeld nicht als überhöht angesehen werden. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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