Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Gemäß § 290 Abs. 1 StPO werden aus Anlaß der Beschwerde die Urteile des Strafbezirksgerichts Wien vom 24.Jänner 1984, GZ. 19 U 74/81-51, und des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Berufungsgerichts vom 10.Mai 1985, AZ. 13 d Bl 952/84, die in ihren freisprechenden Teilen unberührt bleiben, aufgehoben und gemäß §§ 292, 288 Abs. 2 Z. 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Dipl.Ing. Dr. Ernst S*** wird von der Anklage, er habe vom 1. Juli 1980 bis Ende 1982 in Wien ein verfälschtes Lebensmittel, nämlich Salatmayonnaise mit dem nicht zugelassenen Zusatzstoff Beta-Carotin in Verkehr gebracht, ohne daß dieser Umstand deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht war, und habe hiedurch das Vergehen nach § 63 Abs. 1 Z. 2 LMG begangen, gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Strafbezirksgerichts Wien vom 24.Jänner 1984, GZ. 19 U 74/81-51, wurde der am 1.März 1924 geborene langjährige Produktionsleiter der (zum U***-K*** gehörigen) Firma K***, Dipl.Ing. Dr. Ernst S***, des Vergehens nach § 63 Abs. 1 Z. 2 LMG und überdies des Vergehens nach § 61 Abs. 1 Z. 2 LMG schuldig erkannt, weil er vorsätzlich in Wien in der Zeit von 1974 bis 1.Juli 1980 verfälschte Mayonnaise, und zwar mit Beta-Carotin gefärbte Salatmayonnaise, und in der Zeit ab 1.Juli 1980 bis Ende 1982 Lebensmittel mit einem nicht zugelassenen Zusatzstoff, nämlich Salatmayonnaise mit dem unerlaubten Zusatzstoff Beta-Carotin, in Verkehr gebracht hatte. Das Gericht erblickte die Verfälschung der (gestreckten) Salatmayonnaise darin, daß bei diesem Produkt durch die Beigabe von Beta-Carotin etwa der gleiche gelbe Farbton erzielt wurde wie bei einer Vollmayonnaise und solcherart bei der Salatmayonnaise ein Gehalt an Eingelb vorgetäuscht wurde, der jenem einer Vollmayonnaise entsprach. Nach den Urteilsfeststellungen enthielt die (gestreckte) Salatmayonnaise etwa 6 % Eigelb, die Vollmayonnaise hingegen etwa 9,3 % Eigelb. Nach Meinung des Gerichts wurde sohin bei der Salatmayonnaise durch die Färbung mit Beta-Carotin nicht nur der produktionsbedingte Farbverlust ausgeglichen, sondern darüberhinaus gefärbt (S. 483). Das Strafbezirksgericht gelangte sohin für die Zeit bis zum 1. Juli 1980 (Inkrafttreten der Lebensmittelfarbstoffverordnung) zu einem Schuldspruch wegen Vergehens nach § 63 Abs. 1 Z. 2 LMG und für den Tatzeitraum ab 1.Juli 1980 bis Ende 1982 zu einem solchen wegen des Vergehens nach § 61 Abs. 1 Z. 2 LMG.
Das Gericht verwies in diesem Zusammenhang darauf, daß der Antrag der Firma Ö*** U*** GesmbH vom 14. September 1979, gemäß § 12 Abs. 2 LMG das Färben von Mayonnaisen mit Beta-Carotin zuzulassen, durch das damals zuständige Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz keine bescheidmäßige Erledigung gefunden hatte und somit das Verbot des § 11 lit. b LMG durch das Inkrafttreten der Lebensmittelfarbstoffverordnung BGBl. 279/1979 am 1.Juli 1980 in vollem Umfang wirksam wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt war nämlich das Färben von Mayonnaisen mit Beta-Carotin nicht verboten (vgl. die in Geltung gestandene Farbenverordnung vom 17.Juli 1906, RGBl. 142, in der zuletzt gültigen Fassung, insbesondere die §§ 1 und 3 Abs. 1 in Verbindung mit dem Anhang 2 Nr. 24). Das Färben durfte bis dahin allerdings nicht dem Zweck dienen, eine geringere Qualität des Lebensmittels zu verdecken (§ 6 der Farbenverordnung, ferner Österreichisches Lebensmittelbuch/Codex III. Auflage, Kapitel A 6 Z. 4 lit. b). Die Codex-Bestimmung Kapitel A 6 Z. 5 erlaubte ausdrücklich, daß eine unerwünschte Verfärbung, die ein Lebensmittel im Zug eines notwendigen oder wünschenswerten Verfahrens anläßlich seiner Herstellung, Haltbarmachung oder der Verbesserung seiner Verwendbarkeit erfahren hat, durch Färben wettgemacht werden durfte. Ein Lebensmittel galt somit nach dem Codex-Kapitel A 6 II unter anderem nur dann als verfälscht, wenn zur Täuschung über eine geringere Qualität des Lebensmittels (Z. 17 lit. a) oder zur Vortäuschung eines Gehalts an wertvollen Bestandteilen, die im Lebensmittel nicht oder nicht in dem durch die Färbung vorgetäuschten Ausmaß enthalten waren, gefärbt wurde (Z. 17 lit. c). Seit 1.Juli 1980 ist allerdings das Färben von Mayonnaisen verboten, weil dieses Lebensmittel in der Aufzählung der Anlage 3 der Lebensmittelfarbstoff-Verordnung nicht angeführt ist. Nachdem den Verantwortlichen des U***-K*** schon Mitte des Jahrs 1979 das bevorstehende Verbot des Färbens von Mayonnaisen bekanntgeworden war, stellte die Ö*** U*** GesmbH am 14. September 1979 beim Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz den erwähnten Antrag auf Zulassung von Beta-Carotin zum Färben von Mayonnaisen und Salatmayonnaisen. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß durch die zweistufige technisch aufwendige Emulgierung bei der Herstellung von Mayonnaisen der durch das in diesem Produkt enthaltene Eigelb ursprünglich bewirkte gelbe Farbton weitgehend verloren gehe. Durch die Zugabe des Farbstoffs Beta-Carotin sollte die herstellungsbedingte Aufhellung des Produkts teilweise wieder beseitigt und die durch den Produktionsvorgang verlorengegangene Eigelbfarbe wenigstens zum Teil restituiert werden. Die laut diesem Antrag angestrebte (gegenüber der Vollmayonnaise) höhere Zugabe von Beta-Carotin bei der (gestreckten) Salatmayonnaise wurde mit dem Hinweis begründet, daß infolge des in diesem Produkt zulässigerweise enthaltenen Verdickungsmittels der Verlust der natürlichen Eigelbfarbe bedeutend höher sei als bei einer Vollmayonnaise.
Über diesen Antrag hat das Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz nach Einleitung eines umfangreichen Prüfungsverfahrens trotz mehrfacher Urgenzen bis zum Inkrafttreten der Lebensmittelfarbstoffverordnung nicht entschieden, jedoch mit Erlaß vom 25.Juli 1980, Zl. III/330.153/2-5a/80, die Lebensmitteluntersuchungsanstalten des Bundes und der Länder "aus gegebenem Anlaß" angewiesen, "von Anzeigen mit Beta-Carotin gefärbter Mayonnaise nur auf Grund der Nichtzulassung von Beta-Carotin vorläufig Abstand zu nehmen, weil die diesbezüglich offenen Bescheidanträge derzeit einer näheren sachlichen Prüfung durch das ho. Bundesministerium unterzogen werden" (ON. 31 in ON. 27).
Diesem Erlaß maß das Erstgericht aber keine rechtliche Bedeutung bei, weil dadurch die Rechtswidrigkeit der Handlungsweise des Dipl.Ing. Dr. S*** nicht berührt worden sei und dieser Erlaß sowie die näheren Umstände, die zu seiner Herausgabe führten, nicht geeignet seien, beim Beschuldigten das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit seiner Handlungsweise zu beseitigen (S. 444 bis 446).
In teilweiser Stattgebung der gegen diesen Schuldspruch von Dipl.Ing. Dr. S*** eingebrachten Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld wurde der Genannte mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 10.Mai 1985 (ON. 61) nach Beweisergänzung vom Anklagevorwurf des Vergehens nach § 63 Abs. 1 Z. 2 LMG (Inverkehrbringen einer verfälschten Salatmayonnaise, begangen in der Zeit ab 1974 bis 1.Juli 1980) gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen. Hingegen wurde seiner Berufung gegen den Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 61 Abs. 1 Z. 2 LMG nicht Folge gegeben und das Urteil in diesem Umfang unter Strafneufestsetzung bestätigt. Das Berufungsgericht ging hiebei von den Feststellungen des Erstgerichts aus (S. 527 unten). Es traf aber auf Grund seiner eigenen Beweiserhebungen bezüglich des Erlasses des Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz vom 25. Juli 1980 die weitere Feststellung, daß sich dieser Erlaß nur auf solche Anzeigen bezog, nach denen sich Beta-Carotin auf den Zweck der Restituierung der natürlichen Farbe beschränkte, daß aber das Ministerium eine darüber hinausgehende Färbung nicht zuließ. Ganz allgemein könne indes mit einem derartigen Erlaß einer Verwaltungsbehörde die Strafbarkeit einer Tat nicht beseitigt werden. Da der Angeklagte als Mitglied der Codex-Unterkommission über alle Erwägungen, die zur Erlassung der Lebensmittelfarbstoffverordnung unter Ausklammerung von Mayonnaisen geführt haben, Bescheid wußte, war er sich der Strafbarkeit seines Verhaltens bewußt (S. 534 bis 536).
Rechtliche Beurteilung
Diese beiden Urteile stehen nach Ansicht der Generalprokuratur mit dem Gesetz nicht im Einklang, weil die Gerichte zu Unrecht einen Rechtsirrtum des Angeklagten Dipl.Ing. Dr. S***, auf den sich dieser der Sache nach berufen habe, verneint hätten. Zur Begründung ihrer Rechtsansicht führt die Generalprokuratur wörtlich aus:
"Auszugehen ist davon, daß dem (damaligen) Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz gemäß dem § 12 Abs. 2 LMG 1975 die Befugnis zukam, einen nicht zugelassenen Zusatzstoff mit Bescheid zuzulassen, sohin von einem nach dem § 11 LMG 1975 bestehenden Verbot bescheidmäßig eine (befristete) Ausnahmegenehmigung zu erteilen. Eine solche Ausnahmegenehmigung wurde schließlich vom Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz auch am 24. Mai 1985, also kurz nach der rechtskräftigen Verurteilung des Beschuldigten Dipl.Ing. Dr. S*** wegen Vergehens nach dem § 61 Abs. 1 Z. 2 LMG 1975 durch bescheidmäßige Zulassung von Beta-Carotin zum Färben von Mayonnaisen erteilt, sodaß keinesfalls gesagt werden kann, daß dem seinerzeit von der Firma U*** (am 14. September 1979) eingebrachten Antrag von vorneherein jede Aussicht auf eine positive Erledigung abzusprechen war. Wenn die für eine Genehmigung zur Verwendung von Beta-Carotin zum Färben von Mayonnaisen zuständige Behörde mit einem Erlaß die ihr unterstellten Behörden anweist, von Anzeigen wegen Inverkehrbringens von mit Beta-Carotin gefärbten Mayonnaisen im Hinblick auf die (noch offenen) Anträge auf Zulassung dieses Zusatzstoffes vorläufig Abstand zu nehmen, so kann doch diesem Vorgang realistischerweise nur die Bedeutung beigemessen werden, daß die für die Ausnahmegenehmigung zuständige Behörde das bis zum 1.Juli 1980 (dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Lebensmittelfarbstoffverordnung) erlaubterweise vorgenommene Färben von Mayonnaisen mit Beta-Carotin vorläufig bis zur Entscheidung über den gemäß dem § 12 Abs. 2 LMG 1975 gestellten Antrag zu dulden bereit war. Unter diesen Umständen kann aber keinesfalls gesagt werden, daß der Beschuldigte Dipl.Ing. Dr. S***, der nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes über die Hintergründe, die zu dem vorerwähnten Erlaß des Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz vom 25. Juli 1980 (mit der Weisung auf vorläufige Abstandnahme von Anzeigen) führten, informiert war, das Unrecht seines Verhaltens erkannt hat. Somit bleibt nur noch zu prüfen, ob der ihm hiebei unterlaufene Rechtsirrtum vorwerfbar ist. Gemäß dem § 9 Abs. 2 StGB ist der Rechtsirrtum (nur) dann vorzuwerfen, wenn das Unrecht für den Täter wie für jedermann leicht erkennbar war (die weitere im § 9 Abs. 2 StGB genannte Variante, daß sich der Täter mit den einschlägigen Vorschriften nicht bekannt gemacht hat, obwohl er nach seinem Beruf, seiner Beschäftigung oder sonst nach den Umständen dazu verpflichtet war, scheidet im vorliegenden Fall aus). Von einer leichten Erkennbarkeit des dem Beschuldigten unterlaufenen Rechtsirrtums kann aber angesichts des auch ihm bekannten Umstandes, daß die für eine Ausnahmegenehmigung zuständige Behörde mit dem vorerwähnten Erlaß (mit der Weisung, von Anzeigen vorläufig Abstand zu nehmen) den - bis zum 1.Juli 1980 erlaubten - Vorgang des Färbens von Mayonnaisen mit Beta-Carotin bis zur (letztlich dann positiven) Erledigung des bezüglichen Antrages offensichtlich weiterhin zu dulden bereit war, keine Rede sein; konnte doch der Beschuldigte auf die von der zuständigen Stelle (zumindest sinngemäß) gemachte Zusage vertrauen, daß (zunächst) weiterhin unbeanstandet mit Beta-Carotin gefärbte Mayonnaisen hergestellt werden durften. Somit erweist sich der Schuldspruch des Dipl.Ing. Dr. Ernst S*** wegen Vergehens nach dem § 61 Abs. 1 Z. 2 LMG 1975 im Hinblick darauf, daß er in einem ihm nicht vorwerfbaren Rechtsirrtum (§ 9 StGB) gehandelt hat, als verfehlt."
Hiezu wurde erwogen:
Wesentlicher Ausgangspunkt für die Beurteilung des Wissensstands des Angeklagten Dipl.Ing. Dr. Ernst S*** ist, daß dieser nicht nur jahrelang verantwortlicher Produktionsleiter der Firma K*** war, sondern als Mitglied der Codex-Unterkommission über sämtliche rechtlichen Probleme informiert war, die dadurch entstanden, daß mit 1. Juli 1980 infolge Inkrafttretens der Lebensmittelfarbstoffverordnung das in § 11 LMG verankerte Verbotsprinzip wirksam wurde (§ 81 Abs. 3 lit. a LMG). Da das Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz über den schon am 14. September 1979 gestellten Antrag auf Zulassung der Färbung mit Beta-Carotin gemäß § 12 Abs. 2 LMG jahrelang nicht entschied, war dem Angeklagten auch das mit 1.Juli 1980 in Kraft getretene Verbot des Färbens von Mayonnaise mit Beta-Carotin bewußt. Unter Zugrundelegung dieser vom Erstgericht getroffenen, vom Berufungsgericht noch ergänzten, Feststellungen kommt man daher zu dem Ergebnis, daß Dipl.Ing. Dr. S*** zumindest mit bedingtem Unrechtsbewußtsein gehandelt hat, als er weiterhin das Färben der Mayonnaise veranlaßte, womit aber ein Rechtsirrtum im Sinn des § 9 StGB ausscheidet (vgl. zur Gesamtproblematik Kienapfel, Unrechtsbewußtsein und Verbotsirrtum, ÖJZ 1976 S. 113 ff., SSt. 50/14 und 51/31).
Selbst wenn man aber, wie dies die Generalprokuratur unter Hinweis auf den Umstand tut, daß das Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz ja durch zeitgerechte Bescheiderlassung das Färben auch von Mayonnaise hätte zulassen können, dem Angeklagten einen Verbotsirrtum zugesteht, wäre dieser Rechtsirrtum dem Angeklagten jedenfalls vorwerfbar. Ein in der Lebensmittelerzeugung tätiger Manager, wenn er auch nur technisch ausgebildet ist, ist verpflichtet, sich mit den in seinem Beruf auftauchenden juristischen Problemen genau auseinanderzusetzen. Es ist ihm daher vorzuwerfen, daß er sich mit dem offenkundig der Beschwichtigung der Antragstellerin dienenden Erlaß des Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz vom 25.Juli 1980 abfand, ohne sich bei den für die Strafverfolgung zuständigen Behörden oder bei einem unabhängigen Rechtsbeistand zu informieren. Dort hätte er nämlich erfahren, daß dieser Erlaß keinesfalls ein die Strafverfolgungsbehörden bindendes Verfolgungshindernis, sondern lediglich eine ressortinterne Dienstanweisung darstellte, die aber nicht verhindern konnte, daß nicht doch - von wem auch immer - Anzeigen erstattet und die Strafverfolgungsbehörden pflichtgemäß tätig wurden (vgl. hiezu die tatsächlich erstatteten Anzeigen ON. 40,43, 45). Der Rechtsirrtum wäre daher (läge er vor) im Sinn des § 9 Abs. 2 StGB unbeachtlich (Kienapfel AT Z. 18 RN. 23 ff.).
Dipl.Ing. Dr. S*** wurde sonach, wie dargelegt, zu Recht des Vergehens nach § 61 Abs. 1 Z. 2 LMG schuldig erkannt, weil er vorwerfbar und vorsätzlich ein Lebensmittel mit einem überhaupt nicht zugelassenen Zusatzstoff in Verkehr gebracht hat. Darnach erübrigt sich zunächst eine Befassung mit der Tatsache der über den Restitutionsbedarf hinausgehenden Färbung. Sodann erübrigt es sich aber auch, auf die nur subsidiär heranzuziehende Strafnorm des § 63 Abs. 1 Z. 2 LMG einzugehen (siehe § 63 Abs. 3 LMG). Die auf einen diesbezüglichen Feststellungsmangel abzielenden Erörterungen der Generalprokuratur können dahingestellt bleiben (siehe auch 12 Os 115/85).
Der von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs. 2 StPO gegen die beiden im Spruch angeführten Urteile erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher der Erfolg zu versagen.
Der Oberste Gerichtshof konnte sich allerdings aus Anlaß dieser Beschwerde überzeugen, daß der (nach der Teilaufhebung durch das Berufungsgericht) verbliebene Schuldspruch des Angeklagten wegen des Vergehens nach § 61 Abs. 1 Z. 2 LMG mit dem nicht geltendgemachten, gemäß § 290 Abs. 1 StPO aber von Amts wegen aufzugreifenden materiellen Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO in Verbindung mit § 42 StGB a.F. behaftet ist.
Schon der Umstand allein, daß ein Bundesministerium trotz zeitgerechter Antragstellung über den Antrag eines Großunternehmens jahrelang nicht entscheidet und die mit der Lebensmittelproduktion befaßten Personen vorübergehender Strafverfolgung aussetzt, andererseits aber die Untersuchungsanstalten anweist, das erst durch sein unzweifelhaft rechtsverzögerndes Verhalten herausgeforderte strafbare Tun der Lebensmittelerzeuger nicht anzuzeigen, zeigt überdeutlich, in welcher Zwangslage die Firmenverantwortlichen waren, die sich entweder der Gefahr der Bestrafung oder aber der Gefahr, ihrem Unternehmen wirtschaftliche Nachteile zuzufügen und Arbeitsplätze zu gefährden, aussetzen mußten. Dies macht wiederum deutlich, daß das in der Fortsetzung der Mayonnaiseproduktion unter Weiterverwendung des Färbemittels Beta-Carotin liegende strafbare Verhalten eines solchen Täters weit hinter dem mit der Strafdrohung des § 61 LMG typisierten Schuld- und Unrechtsgehalt zurückbleibt, sodaß man wohl von einer sehr geringen Schuld sprechen kann. Auf das durch die Verwirklichung des Vergehens nach § 61 Abs. 1 Z. 2 LMG verdrängte subsidiäre Vergehen nach § 63 Abs. 1 Z. 2 LMG kann - entgegen der im Gerichtstag vom Vertreter der Generalprokuratur vorgetragenen Ansicht - bei der Prüfung der Strafwürdigkeit mangels Grundlage in der urteilsmäßigen Schuldannahme (in den Schuldkonstatierungen) nicht mehr zurückgegriffen werden (vgl. Leukauf-Steininger2, RN. 20 zu § 166 StGB, Burgstaller, Die Scheinkonkurrenz im Strafrecht, JBl. 1978, S. 465 ff. 13 Os 11/81). Sonach bedarf es auch insoweit keiner Feststellung, ob der Tatbestand des bloß subsidiären Delikts vorliegt (siehe weiter oben zur Entbehrlichkeit des Eingehens auf den Subsidiartatbestand des § 63 LMG, weil ohnehin die Erfüllung des Primärtatbestands des § 61 LMG angenommen wurde).
Tatfolgen wurden nicht festgestellt und sind auf Grund der jahrzehntelangen Verwendung dieses Farbstoffs bei Färbung von Mayonnaisen auch nicht zu erwarten. Daß es weder aus spezial- noch aus generalpräventiver Sicht der Bestrafung des Täters bedarf, erweist augenscheinlich der Umstand, daß genau vierzehn Tage nach Rechtskraft der Verurteilung Dris. S*** das Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz mit Bescheid vom 24.Mai 1985, Zl. IV-445.076/1-6/85, in Entsprechung des Antrags der Ö*** U*** GesmbH vom 14.September 1979 die Verwendung von reinem Beta-Carotin in der Höchstmenge von je 4,5 mg/kg für "Mayonnaise 80 % Fett" sowie für "Mayonnaise 50 % Fett" und "Mayonnaise 40 % Fett" (für Weiterverarbeiter) gemäß § 12 Abs. 2 LMG zugelassen und die Erhöhung des (inzwischen) im Österreichischen Lebensmittelbuch (Codex) III. Auflage, Kapitel B 25, vorgeschriebenen Mindestgehalts an Eigelb vorgeschrieben hat. Da sohin alle Voraussetzungen der mangelnden Strafwürdigkeit nach § 42 Abs. 1 Z. 1 bis 3 StGB a.F. kumulativ vorliegen, war der Schuldspruch wegen § 61 Abs. 1 Z. 2 LMG von Amts wegen infolge Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO aufzuheben und sogleich ein Freispruch zu fällen. Dieser hatte gemäß § 259 StPO von dem seinerzeit wegen Inverkehrbringens eines verfälschten Lebensmittels (§ 63 Abs. 1 Z. 2 LMG) erhobenen Antrag auf Bestrafung auszugehen (siehe S. 3 und S. 157, S. 41 in ON. 43, S. 41 in ON. 45 der erstgerichtlichen Akten), soweit letzterer nicht bereits vom Berufungsgericht sachverhaltsmäßig mit Freispruch erledigt worden ist. Die Tathandlung müßte in dem auf Grund des Berufungsurteils für den nunmehrigen Freispruch verbliebenen Tatzeitraum 1.Juli 1980 bis Ende 1982 in dem Vertrieb der Salatmayonnaise mit dem seit 1. Juli 1980 (Farbstoffverordnung) nicht mehr zugelassenen Zusatzstoff Beta-Carotin ohne entsprechende Deklarierung (§ 63 Abs. 1 Z. 2, letzter Halbsatz, LMG) erblickt werden, woraus sich der gegenständliche Urteilsspruch erklärt.
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