OGH 7Ob32/88

OGH7Ob32/8820.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Kodek und Dr.Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei O*** D*** Gesellschaft mbH.,

Oberndorf, vertreten durch Dr.Ernst Pallauf, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei A***-E*** VersicherungsAG, Wien 1, Bösendorferstraße 13, vertreten durch Dr.Wolfgang R. Gassner, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 145.707,04 s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 10.Mai 1988, GZ 3 R 49/88-35, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 16.Dezember 1987, GZ 10 Cg 219/86-26, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.225,45 (darin S 565,95 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei begehrt die Zahlung von S 145.707,04 s.A. und bringt vor, sie sei bei der beklagten Partei gegen Feuer und Feuer-Betriebsunterbrechung versichert. Am 21.September 1984 sei in der Zentrale der Druckversorgungsanlage ihres Betriebes ein Brand ausgebrochen, durch den mehrere Schalt- und Steuerschränke beschädigt worden seien. Mangels Druckluftversorgung sei der Betrieb der klagenden Partei völlig zum Stillstand gekommen. Das Feuer habe Reparaturkosten von S 45.874,--, im Zusammenhang mit der Betriebsunterbrechung einen Schaden von S 95.833,-- sowie zur Geringhaltung des Unterbrechungszeitraumes weitere Kosten von S 40.202,04 verursacht. Im Bereich der Feuerversicherung habe ein Nebenversicherer eine Ersatzleistung von S 36.202,-- erbracht, sodaß in diesem Belang gegenüber der beklagten Partei nur restliche S 9.672,-- geltend gemacht würden.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Der geltend gemachte Schaden sei durch die Versicherungsverträge nicht gedeckt. Schadensursache seien lockere Klemmstellen in den Schaltkästen gewesen. Derartige Schäden seien nicht durch die Feuerversicherung und die Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherung gedeckt, weil kein Feuerschaden, sondern ein Maschinenbruchschaden vorliege. Das Klagebegehren werde auch der Höhe nach bestritten. In der Tagsatzung vom 10.Juli 1987 machte die beklagte Partei geltend, der eingeklagte Anspruch sei nicht fällig, weil nach den Versicherungsbedingungen zur Ermittlung der Schadenshöhe ein Sachverständigengutachten vorgesehen sei; die beklagte Partei begehre die Einholung eines derartigen Gutachtens.

Die klagende Partei bestritt die mangelnde Fälligkeit ihres Begehrens. Die beklagte Partei habe die Liquidierung des geltend gemachten Schadens abgelehnt und die klagende Partei auf den Rechtsweg verwiesen. Sie habe überdies dadurch konkludent auf das nunmehr begehrte Sachverständigenverfahren verzichtet, daß sie im vorliegenden Verfahren sich selbst auf den Sachverständigenbeweis berufen und den aufgetragenen Kostenvorschuß erlegt habe. In der Tagsatzung vom 21.Oktober 1987 erhob die klagende Partei ein Eventualbegehren des Inhalts, es werde festgestellt, daß die beklagte Partei der klagenden Partei im Rahmen der gegenständlichen Feuerversicherung und Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherung für den im Betriebsgebäude der klagenden Partei in Oberndorf am 21. September 1984 entstandenen Schaden hafte.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren ab und gab dem Eventualbegehren statt. Es traf folgende Feststellungen:

Zur Versorgung der mit Druckluft betriebenen Druckmaschinen der klagenden Partei sind bei dieser zwei Kompressoren vorhanden, und zwar ein Schraubenkompressor und ein Kolbenkompressor. Jeder dieser beiden Kompressoren ist mit einem eigenen Schaltschrank versehen, wobei diese beiden Schaltschränke untereinander mit einem elektrischen Kabel (Steuerkabel) verbunden sind. Innerhalb dieser Schaltkästen befinden sich die Steuerungen für den jeweiligen Kompressor.

Am 21.September 1984 entstand in dem Schaltkasten des Schraubenkompressors ein von einem der drei in diesem befindlichen Schütze ausgehender Brand. Die Ursache dieses Brandes war, daß das Schütz durch die Energie des elektrischen Stromes in Brand gesetzt und zerstört wurde. Daran anschließend kam es zur Ausbreitung des Brandes innerhalb des Schaltkastens. Das Feuer setzte sich in weiterer Folge über das Verbindungskabel zum Schaltkasten des Kolbenkompressors fort, wobei der zum Kolbenkompressor gehörige Schaltkasten schon durch dieses Übergreifen des Brandes auf ihn sowie die damit verbundene Hitzeeinwirkung betriebsuntauglich wurde. Die Ausbreitung des Brandes von der ursprünglichen Brandstelle (dem durch die Energie des elektrischen Stroms in Brand gesetzten Schütz) auf den Schaltkasten des Schraubenkompressors und über das Verbindungskabel auf den Schaltkasten des Kolbenkompressors erfolgte völlig unabhängig von der Wirkung des elektrischen Stroms. Wenn in dem Schaltkasten des Schraubenkompressors nur das eine Schütz ausgefallen wäre und es zur Zerstörung der weiteren Einrichtungen dieses Schaltkastens durch einen Brand nicht gekommen wäre, wäre der zu diesem Schaltkasten gehörige Kompressor ebenfalls nicht mehr betriebsfähig gewesen. Zur Erlangung der Betriebsfähigkeit hätte das defekte Schütz ausgetauscht werden müssen. In diesem Fall, daß nur ein Schütz im Schaltkasten des Schraubenkompressors defekt gewesen wäre, wäre der Kolbenkompressor betriebsfähig geblieben und gewesen. Dieser Kolbenkompressor reicht jedoch nicht wie der Schraubenkompressor zur gänzlichen Versorgung des Betriebes der klagenden Partei mit Druckluft aus. Für den Fall, daß die Luftversorgung der Maschinen durch den Kolbenkompressor anstelle des Schraubenkompressors erfolgt, muß eine der drei mit Druckluft betriebenen Maschinen im Betrieb der klagenden Partei stillgelegt werden.

Bei einem Schütz handelt es sich um einen Schalter, bei dem die Schaltung nicht manuell (wie etwa bei einem Lichtschalter), sondern durch einen Fremdantrieb von außen her erfolgt. Der Unterschied zwischen einem manuellen Schalter und einem Schütz ist der, daß beim manuellen Schalter die Befehle zum Ein- und Ausschalten jeweils händisch gegeben werden müssen, während sich ein Schütz bei Wegfall der Steuerspannung von selbst ausschaltet.

Zwischen der klagenden Partei und der beklagten Partei besteht eine Feuer- und eine Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherung; beiden Versicherungsverträgen liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (ABS) zugrunde. Artikel 11 Abs 2 der ABS lautet:

"Jeder Vertragspartner kann verlangen, daß Ursache und Höhe des Schadens durch Sachverständige festgestellt werden. Die Feststellungen, die die Sachverständigen im Rahmen ihrer Zuständigkeit treffen, sind verbindlich, wenn nicht nachgewiesen wird, daß sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweichen."

Der Feuerversicherung liegen die Allgemeinen Feuerversicherungsbedingungen (AFB) sowie die Zusatzbedingungen für Feuerversicherungen industrieller und gewerblicher Anlagen zugrunde.

Die AFB enthalten folgende Bestimmungen:

"Artikel 1: Versicherte Gefahren und Schäden:

(2) Als Brand gilt ein Feuer, das ohne einen bestimmungsgemäßen Herd entsteht oder ihn verläßt und sich aus eigener Kraft auszubreiten vermag (Schadenfeuer).

Nicht als Brand gilt und der Versicherer haftet daher nicht, wenn

c) versicherte elektrische Maschinen, Apparate oder Einrichtungen durch die Energie des elektrischen Stroms, sei es mit oder ohne Lichterscheinungen, beschädigt oder zerstört werden. Geraten jedoch durch die unter....c) genannten Ursachen andere versicherte Sachen in Brand, so haftet der Versicherer für den an diesen anderen versicherten Sachen entstandenen Schaden."

Die Zusatzbedingungen für Feuerversicherungen industrieller und gewerblicher Anlagen haben unter anderem nachstehenden Inhalt:

"2.) Betriebs- und Blitzschäden an elektrischen Einrichtungen:

a) Schäden, die an den elektrischen Maschinen, Apparaten und elektrischen Einrichtungen aller Art, sei es mit oder ohne Feuer- und/oder Explosionserscheinung, durch die Wirkung des elektrischen Stroms wie Erdschluß, Kurzschluß, Steigerung der Stromstärke, Überschläge, Bildung von Lichtbögen und dergleichen entstehen, mögen sie durch Induktion oder Influenz, atmosphärische Elektrizität, durch Isolationsfehler, Überspannungen, vorschriftswidrige Überlastung oder andere mit dem Betrieb zusammenhängende Ursachen hervorgerufen worden sein, fallen nicht unter die Versicherung und zwar auch dann nicht, wenn die Beschädigungen in einer teilweisen oder vollständigen Verbrennung brennbarer Bestandteile oder sonstigen Feuer-, Hitze- oder Explosionswirkungen bestehen. Als von obigen Schäden betroffene elektrische Maschinen, Apparate, Leitungen und Einrichtungen gelten stets diejenigen Objekte, die als selbständige elektrische Einrichtungsgegenstände betrachtet, d.h. als selbständige Einheiten benützt werden können, wie z.B. Generator, Motor, Transformator, Anlasser, Schalter, Messinstrumente, Leitungen und dergleichen, Schalter, Messinstrumente, Leitungen selbst dann, wenn sie Bestandteile einer kompletten Schalteinrichtung sind.

b) Schäden vorbezeichneter Art sind aber ersatzpflichtig, wenn sie Folgeschäden eines durch die Feuerversicherung gedeckten Brand-, Explosions- oder Löschwasserschadens sind. Ersatzpflichtig sind auch Brand- und Explosionsschäden, die außerhalb der von den unter

a) genannten Schäden betroffenen elektrischen Maschinen, Apparaten, Leitungen und Einrichtungen auftreten."

Die der Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherung zugrunde liegenden Allgemeinen

Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherungsbedingungen (AFBUB) lauten

wie folgt:

"Artikel 1: Gegenstand der Versicherung:

(1) Soweit eine gänzliche oder teilweise Unterbrechung des versicherten Betriebes durch einen Sachschaden (.....) verursacht wird, ersetzt der Versicherer nach den folgenden Bestimmungen den dadurch entstehenden Unterbrechungsschaden (.....)

(2) Als Sachschaden im Sinne des Abs 1 gilt die Beschädigung oder die Zerstörung einer dem Betrieb dienenden Sache durch

a) Brand, Blitzschlag oder Explosion .....

(3) Als Brand gilt ein Feuer, das ohne einen bestimmungsmäßigen Herd entsteht oder ihn verläßt und sich aus eigener Kraft auszubreiten vermag (Schadenfeuer).

(6) Nicht als Sachschaden im Sinne des Abs 1 gelten Schäden: .....

c) an elektrischen Maschinen, Apparaten oder Einrichtungen, soweit sie

1.) durch die Energie des elektrischen Stroms, sei es mit oder ohne Lichterscheinungen, beschädigt oder zerstört werden ..... Aus solchen Vorgängen außerhalb der betroffenen Maschinen, Apparate oder Einrichtungen entstehende Brandoder Explosionsschäden sind jedoch Sachschäden im Sinne des Abs 2."

Die der Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherung weiters zugrunde liegenden Zusatzbedingungen für FeuerBetriebsunterbrechungsversicherungen industrieller und gewerblicher Anlagen lauten unter anderem wie folgt:

"2.) Betriebs- und Blitzschäden an elektrischen Einrichtungen:

a) Schäden, die an den elektrischen Maschinen, Apparaten und elektrischen Einrichtungen aller Art, sei es mit oder ohne Feuer- und/oder Explosionserscheinung, durch die Wirkung des elektrischen Stroms, wie Erdschluß, Kurzschluß, Steigerung der Stromstärke, Überschläge, Bildung von Lichtbögen und dergleichen entstehen, mögen sie durch Induktion oder Influenz, atmosphärische Elektrizität, durch Isolationsfehler, Überspannungen, vorschriftswidrige Überlastung oder andere mit dem Betriebe zusammenhängende Ursachen hervorgerufen sein, gelten nicht als Sachschäden im Sinne des Artikels 1 (2) AFBUB, und zwar auch dann nicht, wenn die Beschädigungen in einer teilweisen oder vollständigen Verbrennung brennbarer Bestandteile oder sonstigen Feuer-, Hitze- oder Explosionswirkungen bestehen.

Als von obigen Schäden betroffene elektrische Maschinen, Apparate, Leitungen und Einrichtungen gelten stets diejenigen Objekte, die als selbständige elektrische Einrichtungsgegenstände betrachtet, d.h. als selbständige Einheiten benützt werden können, wie z.B. Generator, Motor, Transformator, Anlasser, Schalter, Messinstrumente, Leitungen und dergleichen, Schalter, Messinstrumente, Leitungen selbst dann, wenn sie Bestandteile einer kompletten Schalteinrichtung sind.

b) Schäden vorbezeichneter Art gelten aber als Sachschäden, wenn sie Folgeschäden eines als Sachschaden geltenden Brand-, Explosions- oder Löschwasserschadens sind. Sachschäden im Sinne des Artikels 1 (2) AFBUB sind auch Brand- und Explosionsschäden, die außerhalb der von den unter Punkt a) genannten Schäden betroffenen elektrischen Maschinen, Apparaten, Leitungen und Einrichtungen auftreten."

In seiner rechtlichen Beurteilung kam das Erstgericht zum Ergebnis, daß zwar die beklagte Partei der klagenden Partei grundsätzlich Versicherungsschutz sowohl aus der Feuerversicherung als auch aus der Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherung zu leisten habe und hievon nur jener Schaden auszunehmen sei, der durch die Energie des elektrischen Stroms an einem in dem zum Schraubenkompressor gehörigen Schaltkasten befindlichen Schütz hervorgerufen worden sei, sowie jener Betriebsunterbrechungsschaden, der vom Ausfall dieses Schützes hergeleitet werden müsse; doch sei der von der beklagten Partei erhobene Einwand der mangelnden Fälligkeit im Hinblick auf Artikel 11 der ABS begründet. Die beklagte Partei habe auf das Sachverständigenverfahren nicht schlüssig verzichtet. Es sei daher nur das Eventual-, nicht auch das Hauptbegehren berechtigt.

Die zweite Instanz änderte über Berufung beider Parteien das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß das Hauptbegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe; es sprach aus, daß die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Die Abweisung des Beweisantrages der beklagten Partei auf Einholung eines Gutachtens aus dem Versicherungsfach stelle keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Die Mängelrüge zeige nicht auf, welche Sachfragen ein derartiger Experte aufklären könnte, die nicht in das Gebiet der Elektrotechnik fallen. Bei Auslegung der abgeschlossenen Versicherungsverträge und der ihnen zugrunde gelegten Versicherungsbedingungen aber seien ausschließlich Rechtsfragen zu entscheiden, deren Lösung nicht einem "Sachverständigen" übertragen werden dürfe. Die Feststellungen des Erstgerichtes seien unbedenklich; das Berufungsgericht übernehme sie und lege sie auch seiner Entscheidung zugrunde. Entgegen der von der beklagten Partei vertretenen Rechtsauffassung sei das Erstgericht zutreffend davon ausgegangen, daß es sich bei dem in Frage stehenden Schütz um eine selbständige Einheit im Sinne des Punktes 2 der Zusatzbedingungen für Feuerversicherungen und Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherungen handle. Selbständige Einheiten, wie sie die genannten Versicherungsbedingungen anführen, könnten generell ihre Funktion nur im Zusammenspiel mit anderen Anlageteilen erfüllen. Dadurch, daß das Schütz seinen Schaltbefehl von einem anderen Teil der Anlage bekomme, verliere es nicht seine Selbständigkeit, es könne vielmehr nur so seine Schutzfunktion ausüben. Das unterbliebene Sachverständigenverfahren gemäß Arktikel 11 ABS bilde kein Hindernis für die Fälligkeit der angesprochenen Versicherungsleistungen und somit auch keinen Grund für die Abweisung des Leistungsbegehrens. Es werde einerseits in jenen Fällen, in denen die Versicherungsbedingungen - wie hier - ein "Verlangen" nach dem Sachverständigenverfahren erforderten, die Versicherungsleistung sofort fällig, wenn der Versicherer die Entschädigung ablehne. Darüber hinaus liege in dem Umstand, daß die beklagte Partei schon in der Klagebeantwortung den gerichtlichen Sachverständigenbeweis zur Schadensermittlung angeboten und den hiefür aufgetragenen Kostenvorschuß erlegt habe, ein schlüssiger Verzicht auf die Durchführung des Sachverständigenverfahrens im Sinne der Versicherungsbedingungen. Die Revision sei zuzulassen gewesen, weil dem Berufungsgericht zur Frage der Fälligkeit infolge Ablehnung der Versicherungsleistung durch den Versicherer keine einschließlich der Entscheidungsgründe veröffentlichte Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur Verfügung gestanden sei. Die beklagte Partei bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes aus den Revisionsgründen des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Unter dem Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 2 ZPO wendet sich die beklagte Partei dagegen, daß das Berufungsgericht in der Abweisung des Beweisantrages auf Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Versicherungsfach keinen Verfahrensmangel erblickt habe. Ein angeblicher Mangel des Verfahrens erster Instanz kann im Revisionsverfahren aber nicht mehr geltend gemacht werden, wenn das Berufungsgericht bereits erkannt hat, daß er nicht vorliegt (SZ 22/106 uva). Die von der zweiten Instanz hiezu gegebene Begründung, die Berufung zeige nicht auf, welche Sachfragen - "die nicht in das Gebiet der Elektrotechnik fallen und auch keine Rechtsfragen sind" ein derartiger Experte aufklären könnte, widerspricht entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht nicht der Berufung der beklagten Partei und ist daher auch nicht aktenwidrig. Soweit elektrotechnische Sachfragen zu klären waren, hat das Berufungsgericht das vom Erstgericht eingeholte Gutachten eines Sachverständigen aus diesem Fachgebiet als ausreichende Entscheidungsgrundlage angesehen. Eine rechtliche Beurteilung ist vom Sachverständigen nicht vorzunehmen (Fasching III 471). Zieht der Sachverständige, wie im vorliegenden Verfahren der Sachverständige für das Fachgebiet der Elektrotechnik Dipl.Ing.Walter Hopferwieser in seinem schriftlichen Gutachten ON 12 über den ihm erteilten Auftrag zur Sachverhaltsfeststellung hinaus ohne Auftrag rechtliche Schlußfolgerungen, ist dieser Teil des Gutachtens für das Gericht unmaßgeblich und enthebt es nicht der Pflicht, die rechtliche Beurteilung ohne Bedachtnahme auf das Gutachten selbständig durchzuführen (Fasching aaO). Die Auslegung von Urkunden ist grundsätzlich rechtliche Beurteilung, soferne nicht zur Auslegung des Urkundeninhalts auch über die Absicht der Parteien durchgeführte Beweise herangezogen wurden. Ein Vorbringen, daß die gegenständlichen Allgemeinen Versicherungsbedingungen nach der Absicht der Parteien oder der Übung des redlichen Verkehrs (nach den Usancen) in einer bestimmten Weise auszulegen seien, hat die beklagte Partei im Verfahren vor dem Erstgericht nicht erstattet. Die Frage, ob Allgemeine Versicherungsbedingungen wie Gesetze auszulegen (§ 6 ABGB) oder als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu behandeln (§§ 914 f ABGB) sind, kann deshalb offen bleiben (vgl. auch 7 Ob 21/84, 7 Ob 14/88).

Unter dem Revisionsgrund des § 503 Abs 2 Z 4 ZPO wiederholt die beklagte Partei ihren Rechtsstandpunkt, der Klageanspruch sei wegen des von ihr gemäß Artikel 11 ABS zur Höhe des Schadens verlangten Sachverständigengutachtens noch nicht fällig, sodaß die klagende Partei ein Leistungsbegehren nicht stellen könne. Ein schlüssiger Verzicht der beklagten Partei auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens im Sinne des Artikels 11 ABS liege nicht vor.

Die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht ist jedoch zutreffend.

Ist ein Sachverständigenverfahren vereinbart und hat mindestens eine Partei das Verfahren verlangt, so ist die Entschädigung nicht fällig, bevor die Schiedsmänner den Schaden festgestellt haben. Der Versicherungsnehmer kann in diesem Fall nur auf Feststellung der Ersatzpflicht klagen, eine Leistungsklage ist als zur Zeit unbegründet abzuweisen. Doch kann der Versicherer auf die "Einrede des Sachverständigenverfahrens" verzichten, indem er dieses Verfahren - ist es wie im Fall des Artikels 11 ABS nur fakultativ - nicht "verlangt" (Prölss/Martin VVG24, 424 f). Ein solcher Verzicht kann auch schlüssig erklärt werden (SZ 38/138). Im vorliegenden Verfahren hat die beklagte Partei - ohne gleichzeitig mangelnde Fälligkeit geltend zu machen - Grund und Höhe des geltend gemachten Anspruches bestritten; sie hat sich zum Beweis ihres Vorbringens unter anderem auf den Beweis durch Sachverständige berufen und hat den ihr hiefür aufgetragenen Kostenvorschuß auch erlegt. Sie hat damit schlüssig zum Ausdruck gebracht, daß sie auf ein Sachverständigenverfahren im Sinne des Artikels 11 ABS verzichte (SZ 38/138, 7 Ob 105/74). Der einmal abgegebene Verzicht kann durch das nachträgliche Verlangen der beklagten Partei, ein Sachverständigenverfahren im Sinne des Artikels 11 ABS durchzuführen, nicht gegenstandslos gemacht werden (7 Ob 105/74). Es kommt dazu, daß nach nunmehr herrschender Lehre (Bruck-Möller VVG8 II Anmerkung 17 zu § 64; Prölss/ Martin aaO 425) wie auch - bei gleicher Rechtslage - von der deutschen Rechtsprechung die Ansicht vertreten wird, daß in jenen Fällen, in denen die Versicherungsbedingungen ein "Verlangen" nach dem Sachverständigenverfahren erfordern, die Entschädigung dann, wenn sie durch den Versicherer abgelehnt wird, sei es mit oder ohne Frist nach § 12 Abs 3 VersVG, sofort fällig wird und der Versicherer das Recht auf ein Sachverständigenverfahren verliert. Der Oberste Gerichtshof übernimmt diese Ansicht als dem Gebot von Treu und Glauben (Prölss/Martin aaO, 18) entsprechend.

Die beklagte Partei hat die Entschädigung der klagenden Partei abgelehnt; sie hat damit nach den vorstehenden Ausführungen das Recht auf das Sachverständigenverfahren im Sinne des Artikels 11 ABS verloren.

Die beklagte Partei bekämpft schließlich die Ansicht der Vorinstanzen, bei einem Schütz handle es sich um eine selbständige elektrische Einheit, da es sich hiebei nicht um einen Schalter im herkömmlichen Sinn handle, sondern um den Teil einer Steuerungsanlage.

Die Qualifizierung des Schützes als Objekt, das als selbständiger elektrischer Einrichtungsgegenstand betrachtet, als selbständige Einheit benützt werden kann (Punkt 2 a) der Zusatzbedingungen für Feuer- und FeuerBetriebsunterbrechungsversicherungen industrieller und gewerblicher Anlagen) ist jedoch nach den getroffenen Feststellungen unbedenklich. Der Umstand, daß es sich bei dem Schütz um den Teil einer Anlage handelt, ändert, worauf bereits die Vorinstanzen hingewiesen haben, nichts an seiner Eigenschaft als "selbständige Einheit", da in den oben wiedergegebenen Versicherungsbedingungen eine selbständige Einheit bei Schalter, Messinstrumenten und Leitungen selbst dann anzunehmen ist, wenn sie Bestandteile einer kompletten Schalteinrichtung sind.

Mit Recht hat daher das Berufungsgericht das Leistungsbegehren dem Grund nach als zu Recht bestehend erkannt.

Die Kostenentscheidung erfolgte auf den §§ 41, 50 ZPO.

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