OGH 1Ob36/88

OGH1Ob36/8811.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Hofmann, Dr.Schlosser und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing.Wilhelm P***, Bad Goisern, Bahnhofstraße 218, wider die beklagte Partei Dr.Ernst F***, Präsident des Kreisgerichtes Wels, wegen Akteneinsicht infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 7.Juli 1988, GZ Nc 156/88-2, womit Befangenheitsanzeigen sämtlicher Richter des Kreisgerichtes Wels als gerechtfertigt erkannt wurden und zur Entscheidung über die Befangenheitsanzeigen der Richter des Bezirksgerichtes Wels das Landesgericht Linz bestimmt wurde, sowie über Anträge der klagenden Partei auf Delegierung eines Gerichtes außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichtes Linz gemäß § 31 JN und § 9 Abs. 5 AHG, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antrag der klagenden Partei auf Delegierung eines Gerichtes außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichtes Linz wird abgewiesen.

Text

Begründung

Dipl.Ing.Wilhelm P***, über dessen Vermögen der Konkurs eröffnet ist, brachte beim Bezirksgericht Wels gegen Dr.Ernst F***, Präsident des Kreisgerichtes Wels, als "Privatperson" eine von ihm als "Feststellungsklage" benannte Klage auf Gewährung der uneingeschränkten Einsicht in alle seine Person oder seine Verfahren betreffenden Befangenheitsakten, auf Mitteilung aller darauf bezughabenden Aktenzeichen sowie auf Gestattung der Anfertigung von Kopien dieser Akten ein, bezifferte darin den Streitwert mit S 1.000,-- und verband mit der Klage einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gemäß § 64 Abs 1 Z 1 und Z 2 ZPO. Da sowohl der nach der Geschäftsverteilung zuständige als auch alle anderen Richter des Bezirksgerichtes Wels wegen ihrer beruflichen und privaten Kontakte zum Beklagten ihre Befangenheit angezeigt hatten, legte der Vorsteher dieses Gerichtes die Akten dem Kreisgericht Wels zur Entscheidung über die Befangenheitsanzeigen vor. Darauf zeigten auch die Richter des Kreisgerichtes Wels aus gleichen oder ähnlichen Gründen ihre Befangenheit an. Das gemäß § 30 ZPO zur Entscheidung berufene Oberlandesgericht Linz sprach aus, daß die Befangenheitsanzeigen aller Richter des Kreisgerichtes Wels gerechtfertigt seien, und bestimmte zur Entscheidung über die Befangenheitsanzeigen aller Richter des Bezirksgerichtes Wels das Landesgericht Linz. Der Richter, der seine Befangenheit anzeige, wisse im allgemeinen selbst am besten, inwieweit die tatsächliche Besorgnis bestehe oder entstehen könne, daß er sich im konkreten Fall nicht ausschließlich von objektiven Gesichtspunkten leiten lassen werde. Wenngleich es bezweifelt werden könne, ob die angezeigte Befangenheit die Richter des Kreisgerichtes Wels auch an einer objektiven Entscheidung über die Befangenheitsanzeigen der Richter des Bezirksgerichtes Wels hindern würde, sei es zur Vermeidung jedes Anscheines einer Befangenheit geboten, die Befangenheitsanzeigen der Richter des Kreisgerichtes Wels auch insoweit als gerechtfertigt anzusehen. Wegen Verhinderung aller Richter des Kreisgerichtes Wels werde das Landesgericht Linz als der nächstgelegene Gerichtshof erster Instanz zur Entscheidung über die Befangenheitsanzeigen der Richter des Bezirksgerichtes Wels bestimmt.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Kläger selbst verfaßte schriftliche Rekurs, mit welchem er - soweit erkennbar - nicht den Ausspruch über die Befangenheit, sondern lediglich die Bestimmung eines Gerichtes im Sprengel des Oberlandesgerichtes Linz bekämpft, ist zwar zulässig (Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 209), aber nicht berechtigt.

Da das Oberlandesgericht Linz nicht als Rechtsmittelgericht, sondern im Ablehnungsverfahren entschieden hat und es ihm deshalb verwehrt blieb, die Rechtswegzulässigkeit zu prüfen, kann diese Frage auch vom Obersten Gerichtshof als Rechtsmittelinstanz im Ablehnungsverfahren nicht aufgegriffen werden. Gleichwohl ist der Kläger darauf hinzuweisen, daß er Ansprüche auf dem Rechtsweg nur im privatrechtlichen Bereich, in dem einander zwei Rechtsobjekte gleichberechtigt gegenüberstehen, verfolgen kann (SZ 57/154; SZ 56/33 uva). Der Kläger nimmt den Beklagten jedoch wegen dessen in Vollziehung der Gesetze erfolgten Tätigkeit als Präsidenten des Gerichshofes (bzw als dessen Vertreter) in Anspruch und will so die Akteneinsicht durch Klage gegen das hierüber zur Entscheidung berufene Organ erzwingen; es kann nicht zweifelhaft sein, daß der klageweise geltend gemachte Anspruch nicht privatrechtlicher Natur ist, sondern dem öffentlichen Recht zugehört.

Gegenstand der Anfechtung ist, wie erwähnt, die Bestimmung eines Gerichtes, das seinen Sitz im Sprengel des Oberlandesgerichtes Linz hat; der Kläger begründet seinen Antrag, ein Gericht außerhalb dieses Sprengels zu bestimmen, im wesentlichen damit, daß die Rechtsverweigerung in diesem Sprengel immer groteskere Formen annehme. Zur Dartuung dieser Behauptung erhebt er gegen den Beklagten, der in dieser Rechtssache ohnehin gemäß § 20 Z 1 JN von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen ist, schwere und in unqualifizierter Form vorgetragene Vorwürfe wegen dessen Amtsführung und unterstellt darüber hinaus dem Oberlandesgericht Linz, insbesondere dessen Präsidenten und Vizepräsidenten, wie auch in anderen Ablehnungserklärungen, die kriminellen Vorgänge beim Kreisgericht Wels zu decken. Wie dem Kläger jedoch bereits wiederholt eröffnet wurde, müssen sich Ablehnungserklärungen stets gegen bestimmte Personen als Organwalter in bestimmten Verfahren richten; die Ablehnung eines ganzen Gerichtes ist nur durch Ablehnung eines jeden einzelnen seiner Richter unter genauer Angabe der einzelnen Ablehnungsgründe (§ 22 Abs 1 JN) zulässig (Fasching aaO Rz 165 und im Komm I 200; SZ 33/122 ua, zuletzt 8 N 11/88). Dem auf eine solche Pauschalablehnung gestützten Antrag auf Bestimmung eines Gerichtes außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichtes Linz kann schon deshalb kein Erfolg beschieden sein.

Der auf § 31 JN gestützte Delegierungsantrag ist abzuweisen, weil der Kläger - allerdings nicht näher

konkretisierte - Befangenheitsgründe geltend macht, die Delegierung aus Zweckmäßigkeitsgründen jedoch nicht auf Befangenheitsgründe gestützt werden kann. Auf § 9 Abs 5 AHG kann der Antrag auf Delegierung schon deshalb nicht gestützt werden, weil der Kläger durch die Einbringung der Klage gegen das Organ beim Bezirksgericht selbst kein Amtshaftungsverfahren eingeleitet hat.

Dem Rekurs ist somit ein Erfolg zu versagen; der Delegierungsantrag ist als nicht begründet abzuweisen.

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