OGH 12Os86/88

OGH12Os86/886.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.Oktober 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger, Dr. Massauer sowie Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bogensberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Heinz K*** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Schöffengericht vom 18.Februar 1988, GZ 10 b Vr 733/87-34, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, des Angeklagten und der Verteidigerin Dr. Mühl zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 40-jährige Heinz K*** (zu A/I/1) des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB, (zu A/I/2) des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB, (zu A/II/3) des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 erster Fall StGB, (zu A/II/4) des Vergehens der Blutschande nach § 211 Abs. 2 StGB und (zu B/) des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er in Neunagelberg (zu A/) in der Zeit vom Sommer 1984 bis Anfang September 1987 in zahlreichen Angriffen

a) seine Tochter Natascha K***, geboren am 1.Mai 1971, an den Brüsten und im Scheidenbereich betastet und gestreichelt, ohne daß es dabei anschließend zu einem Geschlechtsverkehr kam, und

b) mit seiner Tochter Natascha K***, geboren am 1.Mai 1971, den außerehelichen Beischlaf unternommen, und hiedurch

I. in der Zeit von Sommer 1984 bis 30.April 1985

1. zu a) eine unmündige Person auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht,

2. zu b) mit einer unmündigen Person den außerehelichen Beischlaf unternommen;

II. in der Zeit von Sommer 1984 bis Anfang September 1987

  1. 3. zu a) sein minderjähriges Kind zur Unzucht mißbraucht,
  2. 4. zu b) eine Person, mit der er in absteigender Linie verwandt ist, zum Beischlaf verführt;

    (zu B/) an einem nicht mehr genau feststellbaren Tag im Sommer 1984 nach dem ersten Vollzug eines Geschlechtsverkehrs mit seiner Tochter Natascha K*** diese durch gefährliche Drohung zu einer Unterlassung der Anzeige oder einer Mitteilung an andere Personen hierüber oder über die vorangegangenen Unzuchtshandlungen genötigt, indem er ihr für den Fall des Weitererzählens dieser Vorfälle androhte, er werde sie schlagen.

    Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil mit einer nominell auf die Z 5, 5 a, 9 lit. b und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen den Ausführungen in der Mängelrüge (Z 5) haftet dem angefochtenen Urteil weder die behauptete Unvollständigkeit noch auch eine offenbar unzureichende Begründung in Ansehung des Ausspruchs über entscheidende, nämlich für die Unterstellung der Tat(en) unter das Gesetz oder für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes maßgebliche Tatsachen an. Soweit der Beschwerdeführer bemängelt, das Urteil übergehe mehrere Widersprüche in den Bekundungen der Zeugin Natascha K***, so ist er zum einen darauf zu verweisen, daß die Urteilsgründe in gedrängter Darstellung abzufassen sind (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) und daher das Gericht nicht verhalten ist, jeden einzelnen von einem Zeugen vorgebrachten Satz einer besonderen Erörterung zu unterziehen und sich mit jedem gegen seine Würdigung der betreffenden Aussage möglichen, sodann im Rahmen einer Nichtigkeitsbeschwerde konkret erhobenen Einwand im voraus auseinanderzusetzen (Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr. 105 zu § 270). Zum anderen hat die Zeugin Natascha K*** an keiner Stelle auch nur andeutungsweise behauptet, der erste Geschlechtsverkehr mit dem Beschwerdeführer habe zur Abend- oder Nachtzeit stattgefunden; ihre Aussage vor dem Untersuchungsrichter (S 116 dritte und vierte Zeile), damals "schon" im Bett gelegen zu sein und geschlafen zu haben, beruht ersichtlich auf einem bei der Protokollierung unterlaufenen Wiedergabe- oder Hörfehler ("schon" statt "noch"; siehe S 179 Anfang des letzten Absatzes; ähnlich bereits S 9 neuntletzte Zeile; vgl. auch S 83 sowie S 116 zweite Zeile: "Gleich am nächsten Tag ..."). Daß sich Natascha K*** einmal gewehrt hat, indem sie den Beschwerdeführer in die Hoden getreten hat, steht keineswegs in einem erörterungsbedürftigen Widerspruch zu ihren (weiteren) Bekundungen, man könne sich ja (gegen derartige Angriffe) nicht wehren (S 181 unten), wobei es auch keiner gesonderten Erörterung des Umstands bedurfte, daß der Beschwerdeführer auf die Hodentritte nicht mit Ohrfeigen reagiert und sie im übrigen nur einmal vom Beschwerdeführer eine Ohrfeige erhalten hat (S 169). Schließlich brauchte im Urteil aber auch nicht eigens darauf eingegangen zu werden, daß nach den Angaben der Natascha K*** während der sexuellen Annäherungen des Beschwerdeführers gelegentlich ihre Geschwister im Hause waren (S 179), während sie vor der Gendarmerie bekundet hatte, beim Geschlechtsverkehr mit dem Beschwerdeführer allein gewesen zu sein (S 85), womit sie ersichtlich nur zum Ausdruck brachte, daß der Beischlaf nicht in Gegenwart der Geschwister stattfand.

Insgesamt stellt sich das Vorbringen in der Mängelrüge der Sache nach lediglich als - nach wie vor - unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung des erkennenden Schöffensenats dar; formale Begründungsmängel in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO werden damit nicht dargetan.

Die Ausführungen in der Tatsachenrüge (Z 5 a) hinwieder sind weder einzeln noch in ihrem Zusammenhang geeignet, sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen zu erwecken; sie unternehmen vielmehr nur den Versuch, die Beweiswürdigung der Tatrichter mit dem Argument anzufechten, daß die Aussage der Zeugin Natascha K*** unglaubwürdig sei. Eine derartige Bekämpfung der Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung ist aber auch aus der Z 5 a des § 281 Abs. 1 StPO nicht gestattet (13 Os 56/88 ua). Insbesondere ist der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen auf Grund des von diesem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher einer Anfechtung aus dem in Rede stehenden Nichtigkeitsgrund entzogen (EvBl. 1988/109 ua). Die Rechtsrüge (Z 9 lit. b), wonach die Strafbarkeit des im Sommer 1984 verübten Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB (Punkt B/ des Schuldspruchs) verjährt sei, geht deshalb fehl, weil der Beschwerdeführer noch vor Ablauf der Verjährungsfrist, nämlich im Mai 1987, auf derselben schädlichen Neigung beruhende, nämlich auf den gleichen Charaktermangel (Gewalttätigkeit) zurückzuführende bzw. zum Teil auch gegen dasselbe Rechtsgut (persönliche Freiheit) gerichtete Straftaten (§§ 125, 107 Abs. 1 StGB) begangen hat, wie sich aus dem Akt 9 b E Vr 653/87 des Kreisgerichtes Krems an der Donau ergibt. Mangels Ablaufs der Verjährungsfrist für diese späteren Taten war aber das Vergehen der Nötigung in dem Zeitpunkt, in dem das gerichtliche Strafverfahren wegen dieser Tat anhängig wurde, noch nicht verjährt (§ 58 Abs. 2 StGB).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) schließlich, in der reklamiert wird, das Gericht habe zufolge der Punkte A/II/3 und 4 des Schuldspruchs rechtsirrig Konkurrenz (gemeint: Idealkonkurrenz) zwischen den Vergehen nach § 212 Abs. 1 erster Fall und nach § 211 Abs. 2 StGB angenommen, beruht ersichtlich auf einem Mißverstehen des Urteilstenors: Durch die Hinweise "zu a)" in Punkt A/II/3 und "zu b)" in Punkt A/II/4 des Schuldspruchs hat das Erstgericht nämlich klar zum Ausdruck gebracht, daß es Realkonkurrenz - nicht eintätiges Zusammentreffen - der beiden erwähnten Vergehenstatbestände angenommen hat. Der Schuldspruch wegen Vergehens nach § 212 Abs. 1 erster Fall StGB erfaßt demnach nur Unzuchtshandlungen, die nicht im Hinblick auf einen anschließenden Geschlechtsverkehr unternommen wurden, nicht hingegen die wiederholte Verführung der Natascha K*** zum Beischlaf, die Gegenstand des Schuldspruchs nach § 211 Abs. 2 StGB ist.

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt somit nach keiner Richtung hin Berechtigung zu, weshalb sie zu verwerfen war.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 206 Abs. 1 StGB unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 19.Oktober 1987, 9 b E Vr 653/87-Hv 105/87 zu einer Zusatz-Freiheitsstrafe von 2 (zwei) Jahren und 10 (zehn) Monaten. Dabei wertete es als erschwerend die einschlägige Vorstrafe, die Wiederholung der unzüchtigen Handlungen durch lange Zeit und das Zusammentreffen zweier Verbrechen mit drei Vergehen, als mildernd hingegen keinen Umstand.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der (Zusatz-)Freiheitsstrafe sowie deren bedingte bzw. teilbedingte Nachsicht an.

Auch der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Das Schöffengericht hat die Strafzumessungsgründe richtig und vollständig festgestellt, aber auch zutreffend gewürdigt. Zu Lasten des Berufungswerbers fällt vor allem ins Gewicht, daß er nicht nur einschlägig vorbestraft ist, sondern die sexuellen Verfehlungen an seiner Tochter Natascha mehrere Jahre hindurch wiederholt hat, wodurch seine Schuld entsprechend schwer wiegt. Davon ausgehend erweist sich aber das in erster Instanz gefundene Strafmaß als durchaus schuldangemessen und demnach einer Reduktion nicht zugänglich.

Im Hinblick auf die Höhe der (Zusatz-)Freiheitsstrafe kommt eine bedingte Strafnachsicht gemäß § 43 StGB ex lege nicht in Betracht. Das Begehren um bedingte Nachsicht eines Teiles der Strafe gemäß § 43 a StGB hinwieder geht (schon) deshalb fehl, weil das Urteil erster Instanz vor dem Inkrafttreten des Strafrechtsänderungsgesetzes 1987 gefällt wurde, gemäß Art. XX Abs. 1 dieses Gesetzes die geänderten materiellrechtlichen Bestimmungen, zu denen § 43 a StGB zählt, in Strafsachen, die bei Inkrafttreten des Strafrechtsänderungsgesetzes 1987 in erster Instanz bereits erledigt sind, nicht anzuwenden sind und ein Fall des Art. XX Abs. 1 letzter Satz leg. cit. nicht gegeben ist. Über die Rechtsmittel war sohin spruchgemäß zu erkennen. Die Verpflichtung zum Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens folgt aus der im Spruch bezogenen Gesetzesstelle.

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