OGH 6Ob671/88

OGH6Ob671/886.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Bauer und Dr. Redl als weitere Richter in der Familienrechtssache des Erstantragstellers Siegfried P***, Angestellter, Heuberggasse 64, 1170 Wien, vertreten durch Dr. Rudolf Harramach, Rechtsanwalt in Wien und der Zweitantragstellerin Barbara Christine P***, Angestellte, Heuberggasse 64, 1170 Wien, vertreten durch Dr. Hans Frieders, Dr. Christian Tassul, Dr. Georg Frieders, Rechtsanwälte in Wien wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse infolge Revisionsrekurses des Erstantragstellers gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 21. Juli 1988, GZ 47 R 355/88-83, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hernals vom 1. März 1988, GZ 2 F 3, 4/85-75, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Erstantragsteller ist schuldig, der Zweitantragstellerin die mit S 17.112,15 bestimmten Kosten der Beantwortung des Revisionsrekurses (darin enthalten S 1.555,65 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Erstantragsteller begehrte die Einräumung eines unbeschränkten Wohnrechtes an der früheren Ehewohnung, hilfsweise die grundbücherliche Einverleibung des lebenslänglichen Fruchtgenußrechtes an dieser Wohnung, in eventu die Zuerkennung einer Ausgleichszahlung von S 2,000.000,-. Weiters wurde die Zuweisung einer Reihe von Gegenständen beantragt.

Die Zweitantragstellerin stellte den Antrag auf Aufteilung dahin, daß ihr die Ehewohnung samt Einrichtung verbleibe. Das Erstgericht sprach dem Erstantragsteller lediglich das Eigentum an einem Rasenmäher zu, wies das Haupt- und die Eventualbegehren des Erstantragstellers im übrigen aber ab. Es sprach aus, daß die bisherige Ehewohnung samt darin noch befindlicher Einrichtung und die vom Erstantragsteller beanspruchten Gegenstände der Zweitantragstellerin verbleiben und der Erstantragsteller schuldig sei, die Wohnung binnen 14 Tagen der Zweitantragstellerin geräumt zu übergeben. Das Erstgericht stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Die frühere Ehewohnung befindet sich im Erdgeschoß des Hauses (Villa) Wien 17, Heuberggasse 64. Im Obergeschoß wohnten die Mutter und bis zu seinem Tode im Juli 1981 der Vater der Zweitantragstellerin. Die Umbauarbeiten, die den Zweck hatten, in der Villa zwei geschlossene Wohneinheiten zu schaffen, fanden in den Jahren 1976 und 1977 statt. Der Schätzwert der 6.285 m2 großen Liegenschaft beträgt S 7,438.000,-, der Wert der Ehewohnung mit Gartenbenützung S 2,495.000,- und ohne Gartenbenützung S 1,848.000,-. Die Liegenschaft steht im Hälfteeigentum der Mutter der Zweitantragstellerin sowie der Zweitantragstellerin, die ihren Anteil im Jänner 1979 von ihrem Vater erworben hat. Die kinderlos gebliebene Ehe der Streitteile wurde im August 1979 geschlossen. Es hatte aber schon vorher eine Lebensgemeinschaft bestanden. Der Erstantragsteller wohnte seit Mai 1977 in der Villa. Die Streitteile wohnten bis August 1980 ständig gemeinsam in der Ehewohnung. Von September 1980 bis August 1983 lebte die Zweitantragstellerin hauptsächlich beim Bruder des Erstantragstellers, seit August 1983 wohnt sie wieder in der Villa, jedoch im ersten Stock bei ihrer Mutter. Auch der Erstantragsteller war in der Zeit von September 1980 bis Sommer 1984 häufig in der Ehewohnung nicht anzutreffen und wohnte teilweise bei seinen Geschwistern. Seit Sommer 1984 wohnt er mit einer Freundin in der früheren Ehewohnung. Er ist aber auch in Wien 4, Rainergasse 19/1/9 gemeldet. Er benötigt die frühere Ehewohnung nicht zur Deckung seines dringenden Wohnbedürfnisses und hat noch weitere Wohn- und Unterkunftsmöglichkeiten. Er wäre auf Grund seines Einkommens jederzeit in der Lage, sich eine andere Wohnmöglichkeit zu schaffen. Die Zweitantragstellerin wohnt seit Frühsommer 1987 mit ihrem nunmehrigen Ehemann, dem Bruder des Erstantragstellers, in dessen Haus. Die Zweitantragstellerin war während der Ehe fast immer berufstätig. Sie lieferte ihr Einkommen von S 4.500,- bis S 8.000,-

monatlich bis auf ein Taschengeld von S 400,- monatlich dem Erstantragsteller ab. Der Erstantragsteller hat bis 1978 teilweise gearbeitet. Im Zeitpunkt der Eheschließung war er nicht berufstätig, sondern studierte Informatik und industrielle Elektronik, schloß das Studium aber nicht ab. Ab Juli 1980 war der Erstantragsteller wieder berufstätig, doch konnte nicht festgestellt werden, ob er immer ein regelmäßiges Einkommen bezog. Seit April 1985 ist er am Wirtschaftsförderungsinstitut tätig und bezieht ein monatliches Nettoeinkommen von durchschnittlich S 35.000,-. Die Haushaltskosten wurden zum Teil von der Zweitantragstellerin getragen, größtenteils jedoch von deren Vater, der sämtliche Betriebskosten für die Ehewohnung bezahlte. An den Umbauarbeiten der Villa hat sich der Erstantragsteller nicht beteiligt. Der Umbau wurde mit von den Eltern der Zweitantragstellerin aufgenommenen Krediten finanziert. Wegen eines Kredites wurden die Mietzinse von drei Häusern in Deutschland, die im Eigentum der Mutter der Zweitantragstellerin stehen, einer Bank abgetreten. Wegen eines Wechsels der Hausverwaltung dieser Häuser führte der Erstantragsteller eine Korrespondenz, er war deshalb auch einige Male in Deutschland. Er benötigte für diese Tätigkeit keine besonderen Fähigkeiten. Der Erstantragsteller war auch an Gesprächen mit Professionisten, die den Umbau der Villa durchgeführt hatten, beteiligt. Er stellte die Rechnungen der verschiedenen Professionisten zusammen und führte - letztlich nicht erfolgreiche - Gespräche über Zahlungsaufschübe und Preisnachlässe. Die maßgeblichen Verhandlungen mit den Professionisten führte aber Rechtsanwalt Dr. Friedrich F***, dem es auch gelang, die Einstellung des über das Vermögen des Vaters der Zweitantragstellerin eröffneten Konkursverfahrens durch außergerichtliche Vergleiche zu erreichen. Dieser günstige Ausgang war nicht den Leistungen des Erstantragstellers zu verdanken. Auch das Unterbleiben der Veräußerung der Villa und sonstiger Vermögenswerte der Familie der Zweitantragstellerin im Konkursverfahren war nicht auf Bemühungen des Erstantragstellers zurückzuführen. Dieser leistete keine Zahlungen für die von seinen Schwiegereltern aufgenommenen Kredite. Die Gegenstände, deren Zuweisung der Erstantragsteller begehrt und welche das Erstgericht im Eigentum der Zweitantragstellerin beließ, wurden von dieser in die Ehe eingebracht. Die Ehe der Streitteile wurde mit Teilurteil vom 17. Februar 1985 rechtskräftig geschieden, im Endurteil wurde ausgesprochen, daß das Verschulden beide Teile trifft.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, die Ehewohnung und die vom Erstantragsteller beanspruchten Gegenstände seien von der Zweitantragstellerin in die Ehe eingebracht worden, der Erstantragsteller sei auf ihre Weiterbenützung nicht angewiesen, sie unterlägen daher nicht der Aufteilung. Die Tätigkeiten des Erstantragstellers rechtfertigten keine Ausgleichszahlung.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Erstantragstellers nicht Folge und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Das Gericht zweiter Instanz übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes. Zur Rechtsfrage führte es aus, die Ehewohnung falle gemäß § 82 Abs 1 Z 1 Ehegesetz nicht in die Aufteilungsmasse, weil sie von der Erstantragstellerin in die Ehe eingebracht worden sei. § 82 Abs 2 Ehegesetz komme nur zur Anwendung, wenn die Benützung der Wohnung für den anderen Teil eine vitale Frage der Existenz sei. Das Fehlen einer anderen Wohnmöglichkeit erfülle für sich allein noch nicht den Tatbestand, wenn der davon betroffene Ehegatte nach seinem Einkommen und Vermögen unter Bedachtnahme auf seine Sorgepflichten in der Lage sei, sein Wohnbedürfnis zu befriedigen. Der Umstand, daß die Zweitantragstellerin das Hälfteeigentum an der Liegenschaft erst nach Eingehen der Lebensgemeinschaft mit dem Erstantragsteller erworben habe, sei ohne Bedeutung. Berücksichtige man, daß der Erstantragsteller nach seinen eigenen Angaben S 30.000,- bis S 40.000,- monatlich netto verdiene, keine Sorgepflichten habe und seit Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft im Jahre 1980 die Ehewohnung allein benützt habe, ohne Betriebskosten oder ein Benützungsentgelt zu bezahlen, sodaß er Ersparnisse zur Anschaffung einer Wohnmöglichkeit erzielt haben müsse, könne von "vitalen Fragen der Existenz", die die Einbeziehung der Ehewohnung in die Aufteilung rechtfertigen könnten, keine Rede sein. Auch die von der Zweitantragstellerin eingebrachten Gegenstände unterlägen nicht der Aufteilung. Da die Ehewohnung nicht der Aufteilung unterliege, komme unter diesem Gesichtspunkt auch eine Ausgleichszahlung nicht in Frage. Die "Verdienstlichkeiten" des Erstantragstellers um die Erhaltung des Familienvermögens seien nicht so wesentlich über die Beistandspflicht hinausgegangen, daß sie eine Ausgleichszahlung rechtfertigen könnten. Dies umso weniger, wenn man bedenke, daß der Erstantragsteller vor der Eheschließung im August 1979 bis August 1980 überhaupt nicht berufstätig gewesen und sein Lebensunterhalt zur Gänze von der Zweitantragstellerin und deren Eltern bestritten worden sei.

Der Erstantragsteller bekämpft den Beschluß des Rekursgerichtes mit Revisionsrekurs und beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache an das Rekursgericht oder das Erstgericht zurückzuverweisen. Hilfsweise stellt er den Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem ursprünglichen Antrag, insbesondere auf Bezahlung der beantragten Ausgleichszahlung, stattgegeben werde.

Die Zweitantragstellerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Soweit der Erstantragsteller Mängel des Verfahrens erster und zweiter Instanz geltend macht, ist er darauf zu verweisen, daß gemäß § 232 AußStrG der Rekurs an den Obersten Gerichtshof nur darauf gegründet werden kann, daß die Entscheidung des Rekursgerichtes auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache beruht. Eine Mängelrüge ist daher nicht zulässig (EFSlg 47.398, 52.933 ua). Die Ausführungen über die besonderen Verdienste des Erstantragstellers zur Erhaltung des Vermögens der Zweitantragstellerin und deren Eltern stehen im Widerspruch zu den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen. Es trifft auch nicht zu, daß Feststellungsmängel vorliegen, weil die Tätigkeiten des Erstantragstellers zur Erhaltung des Familienvermögens nicht detailliert festgestellt worden seien. Fest steht nämlich, daß der Erstantragsteller wohl gewisse Tätigkeiten entfaltete, diese aber nicht so umfangreich waren, wie er behauptete, und daß die Erhaltung des Familienvermögens nicht sein Verdienst war. Es entspricht auch nicht den Feststellungen, daß auf Grund seiner Bemühungen die Zweitantragstellerin Miteigentümerin der Liegenschaft wurde. Die Behauptung, der Erstantragsteller habe wegen seiner Bemühungen um das Familienvermögen seinen Beruf aufgeben müssen, entspricht ebenfalls nicht den Feststellungen.

Bei der rechtlichen Beurteilung ist davon auszugehen, daß die Zweitantragstellerin die Ehewohnung und die vom Erstantragsteller beanspruchten Gegenstände (mit Ausnahme des Rasenmähers) in die Ehe einbrachte, weshalb sie gemäß § 82 Abs 1 Z 1 Ehegesetz von der Aufteilung ausgenommen sind. Allerdings unterliegen gemäß § 82 Abs 2 Ehegesetz die Ehewohnung und der Hausrat, auf dessen Weiterbenützung ein Ehegatte zur Sicherung seiner Lebensverhältnisse angewiesen ist, auch dann der Aufteilung, wenn sie von einem Ehegatten in die Ehe eingebracht wurden, wobei sich die Worte "auf dessen Weiterbenützung ein Ehegatte zur Sicherung seiner Lebensverhältnisse angewiesen ist" nach nunmehr herrschender Rechtsprechung auch auf die Ehewohnung beziehen (EFSlg 51.743 mwN). Die Bestimmung des § 82 Abs 2 Ehegesetz hat aber - wie schon die Vorinstanzen zutreffend ausführten - nur zur Anwendung zu kommen, wenn vitale Fragen der Existenz auf dem Spiel stehen (EFSlg 51.744, vgl auch EFSlg 43.763, 48.928). Das Fehlen einer anderen Wohnmöglichkeit erfüllt für sich allein den Tatbestand des § 82 Abs 2 Ehegesetz nicht, weil der davon Betroffene nach seinem Einkommen und Vermögen unter Bedachtnahme auf seine Sorgepflichten in der Lage sein kann, sein Wohnbedürfnis auf andere Weise als durch Weiterbenützung der Ehewohnung zu befriedigen (EFSlg 51.745, vgl auch SZ 54/79). Daß der Erstantragsteller, der keine Sorgepflichten hat, bei seinem Monatseinkommen von S 30.000,- bis S 40.000,- netto in der Lage ist, sich eine Wohnmöglichkeit zu schaffen, kann nicht zweifelhaft sein. Er bestreitet dies auch nicht. Seine Ausführungen, bei der Ehewohnung habe es sich um eine Luxuswohnung gehandelt, er habe keine Möglichkeit, sich eine gleichwertige Wohnung zu verschaffen, sind nicht zielführend, denn "vitale Fragen der Existenz" stehen nicht auf dem Spiel, wenn der Erstantragsteller, der bisher die als Ehewohnung dienende Luxuswohnung benützte, sich nur eine Durchschnittswohnung beschaffen kann.

Weder die Ehewohnung, noch die vom Erstantragsteller in Anspruch genommenen Gegenstände unterliegen daher der Aufteilung. Eine Zuweisung der früheren Ehewohnung an den Erstantragsteller ist daher nicht möglich. Es ist aber auch nicht zulässig, die nicht der Aufteilung unterliegenden Sachen als Grundlage für eine Ausgleichszahlung heranzuziehen. Da der Erstantragsteller auch keine ins Gewicht fallenden Leistungen zur Erhaltung der von der Zweitantragstellerin eingebrachten Sachen erbrachte - Leistungen für seine Schwiegereltern könnten, selbst wenn sie erbracht worden wären, nicht berücksichtigt werden - steht dem Erstantragsteller kein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung zu.

Den Ausführungen im Revisionsrekurs, es entspräche nicht der Billigkeit, daß der Zweitantragstellerin das gesamte Vermögen verbleibe, ist entgegenzuhalten, daß Billigkeitserwägungen allein die Auferlegung einer Ausgleichszahlung nicht rechtfertigen können, wenn kein der Aufteilung unterliegendes Vermögen vorhanden ist. Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 234 AußStrG. Nach dieser Bestimmung ist über die Kosten zwar nach billigem Ermessen zu entscheiden, doch bestand im vorliegenden Fall kein Anlaß, die Kosten der zur Gänze obsiegenden Zweitantragstellerin geringer zu bemessen als dies dem Rechtsanwaltstarif entspricht.

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