OGH 12Os106/88

OGH12Os106/886.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.Oktober 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger, Dr. Massauer sowie Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bogensberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Helmut K*** wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 (§ 83 Abs. 1) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 1. Juni 1988, GZ 3 d Vr 1351/88-25, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Strasser, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Smetana zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Beurteilung der durch die Rauschtat verursachten Verletzung als (bloß) leichte sowie im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Der Angeklagte hat dem Rudolf P*** eine an sich schwere Verletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) zugefügt, somit eine Handlung begangen, die ihm außer dem Rauschzustand als Vergehen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 1 StGB zugerechnet würde. Für das ihm demnach zur Last fallende Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 (§§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1) StGB wird der Angeklagte nach § 287 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen verurteilt.

Der Tagessatz wird mit 90 S bestimmt und die Ersatzfreiheitsstrafe mit 180 Tagen festgesetzt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 18.Dezember 1941 geborene Maschinenarbeiter Helmut K*** des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 (§ 83 Abs. 1) StGB schuldig erkannt, weil er am 7. Dezember 1986 sich fahrlässig in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt und in diesem Zustand Rudolf P*** durch Faustschläge - nach der Auffassung des Erstgerichtes - leichte Körperverletzungen zugefügt hatte, nämlich eine Prellung des Kopfes und der linken Brustkorbhälfte, zahlreiche Schürfungen im Gesicht, ein Brillenhämatom, eine Blutung unter die Augenbindehäute sowie einen Bruch eines Knochenspans, der Rudolf P*** vor vielen Jahren nach einem Unfall zur Stabilisierung des Nasenrückens eingesetzt worden war.

Dieses Urteil bekämpft der öffentliche Ankläger mit Nichtigkeitsbeschwerde aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO, weil die Verletzung im Hinblick darauf, daß der gebrochene Knochenspan operativ eingerichtet werden mußte, in ihrer Gesamtheit als schwer (§ 84 Abs. 1 StGB) zu beurteilen seien.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist begründet.

Zunächst ist die (übrigens mit der inhaltlichen Bedeutung des Urteilsspruches nicht im Einklang stehende) Auffassung des Erstgerichtes verfehlt, wonach es sich bei dem erwähnten Knochenspan um keinen Körperbestandteil, sondern um eine Art Prothese, also eine körperliche Sache handle. Der zwecks Stabilisierung des Nasenrückens seinerzeit implantierte ("eingesetzte") Knochenspan war und ist vielmehr Teil des Körpers des Verletzten und fällt daher nicht unter den Sachbegriff (vgl. auch Leukauf-Steininger2, RN 2; Kienapfel BT II2, RN 12 je zu § 125 StGB). Wurde durch den Bruch dieses Knochenspanes somit der menschliche Körper verletzt, dann ist die Frage der Schwere einer solchen Verletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) nach den Kriterien zu lösen, die im allgemeinen für den Grad von Körperverletzungen maßgeblich sind:

Aus dem Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen, auf das sich das Urteil in sachverhaltsmäßiger Beziehung stützt, ergibt sich, daß der Bruch des Knochenspans zu einer Dislokation des unteren Bruchfragmentes und zu einer starken Eindellung des Nasenrückens geführt hatte und deshalb, ebenso wie ein sonst mit einer Deviation der Bruchstücke verbundener Nasenbeinbruch operativ eingerichtet und mit einem Nasenflügelgips versorgt werden mußte (S 53 f, 132, 137 f dA). Ein solcher Taterfolg ist aber - ohne daß noch auf die Frage einer Funktionseinschränkung des Organes einzugehen wäre - als an sich schwere Verletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) zu beurteilen.

Demnach war der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Folge zu geben.

Bei der notwendig gewordenen Neubemessung der Strafe war von den vom Erstgericht im wesentlichen richtig festgestellten Strafzumessungsgründen auszugehen, wobei im Hinblick auf die in der Anzeige (vgl. S 11, 13, 27 und 29) geschilderte Vorgangsweise des Rudolf P*** (darnach hat er nach einem Wortwechsel dem Angeklagten mit der Hand ins Gesicht geschlagen, wodurch dieser zu Boden fiel) eine Provokation des Berufungswerbers durch den Genannten zusätzlich als mildernd aufzunehmen war.

Im Hinblick auf die wahlweise Androhung einer Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe im § 287 Abs. 1 StGB konnte nach Lage des Falles bei den gegebenen Strafzumessungsgründen auch unter Bedachtnahme auf die einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten und die Erfolglosigkeit der vorangegangenen Abstrafungen mit einer entsprechend fühlbaren Geldstrafe - die im Hinblick auf den Umstand, daß der Angeklagte einer geregelten Arbeit nachgeht, der Resozialisierung dienlicher ist als eine kurze Freiheitsstrafe - das Auslangen gefunden werden.

Gegen die Anwendung der bedingten Strafnachsicht (§ 43 Abs. 1 StGB) sprechen die Vorstrafen des Angeklagten.

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