OGH 14Os134/88

OGH14Os134/8821.9.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.September 1988 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bogensberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Heinz O*** wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung des gesetzlichen Vertreters gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 26.Mai 1988, GZ 4 Vr 4026/87-37, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Schuldberufung des Angeklagten sowie die Berufung des gesetzlichen Vertreters werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten gegen den Ausspruch über die Strafe wird der Akt gemäß § 285 i StPO nF dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 7.September 1970 geborene Heinz O*** des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB (Punkt A/1 des Urteilssatzes) sowie der Vergehen der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs 1 StGB (Punkt A/2) und der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (Punkt A/3), ferner des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB (Punkt B) und des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (Punkt C) schuldig erkannt.

Darnach hat er in Graz

(zu A) am 5.Dezember 1987 vorsätzlich die am 2.Juli 1968

geborene Sonja M***

1. mit Gewalt und durch gefährliche Drohung zum außerehelichen Beischlaf genötigt, indem er sie würgte und äußerte, er werde sie schlagen und umbringen, wenn sie nicht tue, was er von ihr verlange;

2. mit Gewalt, indem er sie würgte und gewaltsam umdrehte, zur Unzucht, nämlich zur Durchführung eines Analverkehrs, genötigt;

3. durch die Äußerung, wenn sie zur Polizei gehe, werde er ihr Joe K*** (einen gerichtsbekannten, mehrfach einschlägig vorbestraften Zuhälter - US 10 verso) auf den Hals hetzen, mithin durch gefährliche Drohung, zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von der Erstattung einer Strafanzeige, zu nötigen versucht;

(zu B) am 26.November 1987 im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten Helmut K*** und Bernhard M*** der Dr. Gertrude S*** durch Einsteigen in einen Lagerplatz Brennmaterial sowie einen Taschenrechner und eine Kombihandlampe im Gesamtwert von 831,50 S mit Bereicherungsvorsatz weggenommen, und

(zu C) am 5.Dezember 1987 im Gasthof der Theresia L*** durch Einreißen eines Vorhanges eine fremde Sache beschädigt. Der Sache nach nur den Schuldspruch wegen Nötigung zum Beischlaf (Punkt A/1) und Nötigung zur Unzucht (Punkt A/2) sowie wegen versuchter Nötigung (Punkt A/3) bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4, 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; weiters hat er (auch) eine Schuldberufung ausgeführt.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist teils offenbar unbegründet, zum Teil entbehrt sie einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung. Den Verfahrensmangel (Z 4) erblickt der Beschwerdeführer zunächst in der Abweisung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung vom 26.Mai 1988 gestellten Antrags (S 188, 191) auf zeugenschaftliche Einvernahme des (gerichts-)medizinischen Sachverständigen Dr. L*** zum Nachweis dafür, "daß ein Analverkehr unter gleichzeitigem Würgen aus anatomischen Gründen nicht möglich ist".

Das Schöffengericht wies den Antrag mit der Begründung ab, daß es sich insoweit um keine "rein medizinische Frage" handle und im übrigen "ein Analverkehr auch unter gleichzeitigem Würgen des Opfers aus anatomischen Gründen durchaus möglich ist" (vgl. S 192, 211). Der Argumentation des Schöffengerichts ist im Ergebnis zuzustimmen. Da sohin die Möglichkeit der von der Zeugin M*** bekundeten Gewaltanwendung durch den Angeklagten bei Ausführung der Unzuchtshandlung nach dem normalen Lauf der Dinge - wie übrigens auch der eigenen Verantwortung des Angeklagten entnommen werden kann, der zur Stützung seiner (eine derartige Gewaltanwendung) leugnenden Darstellung lediglich ins Treffen führte, daß im Fall eines Würgens am Hals der Sonja M*** sicherlich Verletzungen sichtbar gewesen wären (S 168) - auf der Hand liegt, wäre der Angeklagte verhalten gewesen, bei der Antragstellung darzutun, auf Grund welcher besonderen Umstände die begehrte Beweisaufnahme ein im Widerspruch zu den Angaben der Zeugin M*** stehendes Ergebnis haben werde. Anhaltspunkte in diese Richtung sind weder dem Beweisantrag noch dem bezüglichen Beschwerdevorbringen zu entnehmen. Ebensowenig wurden durch die vom Erstgericht gleichfalls abgelehnte (S 193, 211 f) Einvernahme des Zeugen Erich H***, der zum Nachweis dafür beantragt wurde, "in welcher Gemütsverfassung er (H***) die Zeugin Sonja M*** vorgefunden hat" (S 191), Verteidigungsrechte des Angeklagten beeinträchtigt. Denn abgesehen davon, daß (der sich ersichtlich überwiegend in Abbruchhäusern aufhaltende) Erich H***, wie das Schöffengericht gedeckt durch die Aktenlage zum Ausdruck brachte, unbekannten Aufenthalts ist (vgl. S 121, 191) und solcherart für das Gericht unerreichbar war, hat der Genannte gegenüber der Polizei - ebenso wie Susanne K*** und Bernhard M***, letzterer auch noch als Zeuge in der Hauptverhandlung (S 189) - erklärt, daß Sonja M*** bei seinem Eintreffen (in dem Abbruchhaus) in Gegenwart des Angeklagten (nackt auf dem Bett gesessen sei und) geweint habe (S 12). Diese Angaben decken sich mit der eigenen Verantwortung des Angeklagten, wonach er zur fraglichen Zeit mit M*** Streit hatte (S 90, 165), in dessen Verlauf die Genannte zu weinen begonnen (S 91, 93) und er sogar einen Selbstmordversuch M*** befürchtet habe (S 92). Wenn die Beschwerde nunmehr die Vernehmung des genannten Zeugen auch noch zum Nachweis dafür begehrt, daß Sonja M*** "sich keinesfalls in einem solchen Gemütszustand befand, daß sie sich von den angeblichen Tathandlungen des Angeklagten derart eingeschüchtert, bedroht und mißhandelt fühlte", kann darauf keine Rücksicht genommen werden, weil bei Prüfung der Berechtigung eines Beweisantrages stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Stellung des Antrags und den dabei vorgebrachten Gründen auszugehen ist (SSt. 41/71 ua).

Die eine unzureichende Begründung des Urteils behauptende Mängelrüge (Z 5) läßt mit dem (bloßen) Hinweis, das Gericht habe sich mit dem Sachverständigengutachten (Dris. L***) nicht weiter auseinandergesetzt, hätte es doch diesfalls "zum Ergebnis gelangen müssen, daß keinerlei Hinweise darauf bestehen, daß der durchgeführte Geschlechtsverkehr unter Anwendung von Gewalt und Drohungen erfolgt ist", insgesamt die erforderliche Substantiierung vermissen; sie ist solcherart einer sachbezogenen Erörterung nicht zugänglich. Im übrigen wurde das - in der Hauptverhandlung verlesene (vgl. S 191) - Gutachten (ON 4) des Sachverständigen Dr. L***, in welchem zum Ausdruck gebracht wird, daß ein Zusammendrücken oder auch Erfassen des Halses im Bereich der bei Sonja M*** deutlich sichtbaren Narbenbezirke nach Tracheotomie (Luftröhrenschnitt) im Jahr 1983 jedenfalls Schmerzen und insbesondere Angstgefühle, allenfalls auch Sauerstoffmangel, verursacht (S 43), im Urteil ohnedies erörtert (S 198, 201). Die als Mängelrüge deklarierten Ausführungen enthalten demnach ausschließlich einen - nach wie vor - unzulässigen und damit unbeachtlichen Angriff auf die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes. Dies gilt gleichermaßen für die unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO vorgebrachten Einwände, mit denen der Beschwerdeführer insbesondere unter Behauptung eines in Wahrheit nicht gegebenen Widerspruchs in der im Kern stets gleichlautenden Aussage der Zeugin M***, mit dem Angeklagten am 5. Dezember 1987 erstmals in geschlechtlichen Kontakt gekommen zu sein, den Versuch unternimmt, seiner eine freiwillige Hingabe der Genannten und schon (Wochen) vor diesem Zeitpunkt stattgehabte Intimitäten behauptenden Verantwortung doch noch zum Durchbruch zu verhelfen. Der Beschwerdeführer übersieht dabei, daß der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen auf Grund des von diesem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher einer Anfechtung aus dem relevierten Nichtigkeitsgrund (Z 5 a) entzogen ist. Die Beschwerde zeigt aber auch im übrigen mit ihren Einwänden keine konkreten aktenkundigen Umstände auf, aus denen sich für den Obersten Gerichtshof (erhebliche) Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen ergeben. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils nach der Z 1 dieser Gesetzesstelle iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Ebenso war mit der zur Bekämpfung schöffengerichtlicher Urteile im Gesetz nicht vorgesehenen Schuldberufung des Angeklagten zu verfahren (§§ 283 Abs 1, 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO). Die Mutter des (jugendlichen) Angeklagten hat als dessen gesetzlicher Vertreter (S 123, 125) in der Hauptverhandlung nach Verkündung des Urteils (gleichfalls) "Berufung" angemeldet, dieses Rechtsmittel jedoch nach Zustellung einer Urteilsausfertigung nicht ausgeführt. Da mit dem angefochtenen Urteil nicht nur eine Strafe verhängt, sondern auch über privatrechtliche Anprüche - durch Zuspruch des Betrages von 800 S an die Firma S*** - entschieden wurde, hätte die Berufungswerberin bei der Anmeldung des Rechtsmittels (oder in dessen Ausführung) erklären müssen, ob sie sich durch den Ausspruch über die Strafe oder durch den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche beschwert erachtet. Die Berufung des gesetzlichen Vertreters war daher gleichfalls zurückzuweisen (§§ 294 Abs 2 und Abs 4, 296 Abs 2 StPO nF). Über die Berufung des Angeklagten gegen den Ausspruch über die Strafe wird das Oberlandesgericht Graz zu entscheiden haben (§ 285 i StPO nF).

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