Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 11.901,45 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon 1.081,95 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin betreibt an zwei Standorten in Linz das Schlosserhandwerk (§ 94 Z 71 GewO 1973).
Der Beklagte betreibt in Haid seit über fünf Jahren (1982) einen "Schlüsseldienst". Er fertigt dort mit Hilfe zweier Schlüsselkopiermaschinen Schlüssel für Zylinderschlösser und für tosische Schlösser an. Er stützte sich bei dieser Tätigkeit zunächst auf den Gewerbeschein eines Wiener Unternehmens. In dieser Zeit wurde er mehrmals wegen unerlaubter Ausübung eines Anmeldungsgewerbes - das Schlosserhandwerk ist gemäß § 6 Z 1 GewO 1973 ein Anmeldungsgewerbe, für das als Befähigungsnachweis die Meisterprüfung vorgeschrieben ist - bestraft (§ 366 Abs 1 Z 1 GewO 1973). Mit Eingabe vom 7. März 1985 meldete er das Schlosserhandwerk, beschränkt auf die Herstellung von Schlüsseln mit einer Schlüsselkopiermaschine, an und ersuchte um Nachsicht vom Befähigungsnachweis. Diese wurde ihm mit Bescheid des Landeshauptmanns von Oberösterreich vom 12. November 1985 gewährt. Gegen diesen Bescheid erhob die Landesinnung Oberösterreich der Schlosser und Schmiede Berufung, weil die Nachsicht ihrem Gutachten widersprach (§ 346 Abs 4 GewO 1973). Von der Erhebung dieser Berufung erhielt der Beklagte erst "ungefähr zur Zeit der Klagezustellung" (- diese erfolgte am 5. Februar 1987 -) Kenntnis, nachdem er bereits im März 1986 die ihm von der Handelskammer für Oberösterreich vorgeschriebene Einverleibungsgebühr gezahlt hatte. Etwa zur Zeit der Klageerhebung erkundigte sich der Beklagte bei Hofrat Dr. S*** "der Handelskammer für Oberösterreich" (richtig wohl: der Gewerbeabteilung der Oberösterreichischen Landesregierung; siehe S 18, 25, 114), der ihm mitteilte, daß er im Hinblick auf den erwähnten Nachsichtsbescheid seine Tätigkeit nicht als freies Gewerbe anzumelden brauche. Auch nach Zustellung der Klage fertigte der Beklagte weiterhin mit Hilfe der Schlüsselkopiermaschinen Schlüssel an. Über die Berufung der zuständigen Landesinnung wurde vom Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie (jetzt: für wirtschaftliche Angelegenheiten) bisher nicht entschieden (AV vom 11. November 1987).
Die klagende Mitbewerberin (§ 14 UWG) begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs das Anmeldungsgewerbe des Handwerks des Schlossers ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung auszuüben; auch stellte sie einen Urteilsveröffentlichungsantrag iS des § 25 Abs 3 UWG. Die mit Bescheid des Landeshauptmannes für Oberösterreich ausgesprochene Nachsicht vom Befähigungsnachweis sei noch nicht rechtswirksam und dem Beklagten daher die Gewerbeausübung nicht erlaubt. Der Beklagte betreibe keine vollautomatische Schlüsselerzeugung. Die Verstöße des Beklagten gegen die Gewerbeordnung seien auch wettbewerbswidrig (§ 1 UWG). Der Beklagte begehrte die Abweisung des Klagebegehrens. Er arbeite mit vollautomatischen Schlüsselkopiermaschinen; damit übe er ein freies Gewerbe aus. Die Nachsicht vom Befähigungsnachweis sei "überflüssigerweise" (gemeint wohl: vorsichtshalber) beantragt worden. Er habe nicht sittenwidrig gehandelt, weil er das Gewerbe seit der Erteilung der Nachsicht - insbesondere im Zusammenhang mit der Einzahlung der Einverleibungsgebühr - in gutem Glauben betrieben habe.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf zur Art und Weise, in der der Beklagte mit seinen beiden Schlüsselkopiermaschinen Schlüssel herstellt, detaillierte Feststellungen, aus denen es den Schluß zog, daß die Schlüsselanfertigung nicht vollautomatisch vor sich gehe, vielmehr ein Teil der Arbeitsvorgänge - vor allem bei der Herstellung von Schlüsseln für tosische Schlösser - von Hand erfolge. Bei seiner rechtlichen Beurteilung stützte sich das Erstgericht weitgehend auf die einen ähnlichen Sachverhalt betreffende Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 3. Mai 1977, 4 Ob 342/77 (ÖBl 1977, 164 - Schlüsselkopiermaschine) und führte aus, daß die Frage, ob der Beklagte gegen gewerberechtliche Vorschriften verstoßen habe, vom Wirksamkeitsbeginn und vom Umfang seiner Gewerbeberechtigung abhänge; diese Frage sei als Vorfrage zu beurteilen. Die Herstellung von Schlüsseln von Hand oder durch Maschine falle - außerhalb der industriellen Ausübungsform - unter das Schlosserhandwerk. Werde eine einzelne, sonst einem bestimmten Handwerk zuzurechnende Tätigkeit durch einen Automaten erbracht und dadurch ein bestimmtes gewerbliches Erzeugnis vom Anfang bis zum Schluß zur Gänze hervorgebracht, dann falle diese Tätigkeit aus dem Rahmen des Handwerks heraus und könne als freies Gewerbe angemeldet werden. Einfache Teiltätigkeiten von Handwerken, deren ordnungsgemäße Ausübung den sonst vorgeschriebenen Befähigungsnachweis nicht erfordere, seien den betreffenden Handwerken nicht vorbehalten. Diese Voraussetzungen seien aber nicht gegeben, weil die vom Beklagten bei der Herstellung der Schlüssel zu verrichtenden ergänzenden Handarbeiten keine einfachen Teiltätigkeiten iS des § 31 GewO 1973 seien, sondern besondere Fertigkeiten erforderten.
Gemäß § 340 Abs 6 GewO 1973 gelte eine Gewerbeanmeldung erst ab rechtskräftiger Erteilung einer erforderlichen Nachsicht vom Befähigungsnachweis als erstattet. Da die Entscheidung über die Berufung der Landesinnung Oberösterreich der Schlosser und Schmiede derzeit noch ausstehe, liege noch keine Anmeldung des Gewerbes vor. Bei Ausübung eines Handwerks ohne Erbringung des Befähigungsnachweises könne bis zur rechtskräftigen Nachsicht von diesem eine Verwaltungsstrafe nach § 366 Abs 1 Z 1 GewO 1973 verhängt werden. Damit verstoße die Schlüsselerzeugung durch den Beklagten auch nach der von ihm vorgenommenen Gewerbeanmeldung gegen die gewerberechtlichen Vorschriften. Diese Verletzung der gewerberechtlichen Vorschriften bilde auch einen Wettbewerbsverstoß. Dem Beklagten sei ohne weiteres erkennbar gewesen, daß die von Hand auszuführenden Tätigkeiten dem Schlosserhandwerk vorbehalten seien; das ergebe sich schon daraus, daß er nach einigen Verwaltungsstrafen wegen unerlaubter Gewerbeausübung ohnehin das Schlosserhandwerk angemeldet und gleichzeitig um Nachsicht vom Befähigungsnachweis angesucht habe. Jedenfalls ab Zustellung der Klage und ab Verständigung von der Erhebung der Berufung durch die Landesinnung Oberösterreich der Schlosser und Schmiede könne sich der Beklagte nicht mehr darauf berufen, guten Grund dafür gehabt zu haben, seine Berechtigung zur Ausführung dieser Arbeiten anzunehmen. Auf Grund des eindeutigen Wortlautes des § 340 Abs 6 GewO könne dem Beklagten auch kein guter Glaube zugebilligt werden, schon vor Rechtskraft des Nachsichtsbescheides das Gewerbe ausüben zu dürfen. Auch eine allfällige Äußerung von Hofrat Dr. S***, der Beklagte könne sich wegen des Nachsichtsbescheides im guten Glauben fühlen, könnte daher keine andere rechtliche Beurteilung herbeiführen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, insgesamt 300.000 S übersteige.
Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, verwies auf die eindeutige und klare Bestimmung des § 340 Abs 6 GewO, wonach die Gewerbeanmeldung erst mit Rechtskraft des Nachsichtsbescheides wirksam werde, so daß das Handeln des Beklagten nicht durch eine vertretbare Rechtsansicht gedeckt gewesen sei, und qualifizierte seinen Einwand, er habe von der Berufung gegen den Nachsichtsbescheid erst im Zeitpunkt der Klagezustellung Kenntnis erlangt und bis dorthin das Gewerbe gutgläubig betrieben, als bloße Schutzbehauptung. Daß der Nachsichtsbescheid bereits in Rechtskraft erwachsen gewesen wäre, habe der Beklagte nicht einmal behauptet; aus der Entrichtung der Anmeldegebühr könne er keine seinem Rechtsstandpunkt förderlichen Schlüsse ziehen. Der Hinweis des Beklagten auf eine Vorsprache beim zuständigen Gewerbereferenten des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung, der ihm die Auskunft erteilt habe, auf Grund der positiven Entscheidung des Landeshauptmannes und der Zahlung der Einverleibungsgebühr sei ihm Gutgläubigkeit zuzubilligen, verstoße weitgehend gegen das im Berufungsverfahren geltende Neuerungsverbot. Da der Beklagte diese Auskunft nach seinem eigenen Vorbringen erst nach Zustellung der Klage erhalten habe, sei sein Verhalten bis dahin auch als subjektiv vorwerfbarer Verstoß gegen wettbewerbsregelnde Normen zu qualifizieren. Für die Zeit danach sei das anhängige Verfahren einer Gutgläubigkeit des Beklagten entgegengestanden.
Der Beklagte erhebt Revision wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision des Beklagten nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Ergebnis nicht berechtigt.
Der Revisionswerber bekämpft die - unter anderem auf die Entscheidung ÖBl 1977, 164 - Schlüsselkopiermaschine und die Vorschrift des § 340 Abs 6 GewO 1973 gestützte - zutreffende Ansicht der Vorinstanzen, daß er objektiv gegen gewerberechtliche Bestimmungen verstoßen habe, nicht, meint aber, nicht sittenwidrig iS des § 1 UWG gehandelt zu haben, weil er aus guten Gründen der Meinung habe sein können, in Verfolgung erlaubter Interessen zu handeln. Sein Verhalten sei daher nicht verboten iS des § 1 UWG gewesen.
Dem ist nicht zu folgen. Es war zwar aktenwidrig, daß das Berufungsgericht den Einwand des Beklagten, er habe von der Berufung gegen den Nachsichtsbescheid erst im Zeitpunkt der Klagezustellung Kenntnis erlangt und daher das Gewerbe bis dorthin gutgläubig betrieben, als bloße Schutzbehauptung abgetan hat; tatsächlich hatte ja die erste Instanz eine ähnliche Feststellung (Kenntnis von der Berufung "ungefähr zur Zeit der Klageerhebung") getroffen. Auch wenn dem Beklagten die klare Regelung des § 340 Abs 6 GewO 1973, wonach seine Gewerbeanmeldung erst mit Rechtskraft des Nachsichtsbescheides als erstattet gilt, bewußt gewesen sei, hätte er jedenfalls einige Zeit nach der - allerdings nicht aktenkundigen - Zustellung des Nachsichtsbescheides, jedenfalls aber nach Vorschreibung der Einverleibungsgebühr der Meinung sein können, daß der Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist, da ihm von einer Berufung relativ lange, nämlich bis zur Zeit die Klagszustellung (5. Februar 1987), nichts bekannt wurde.
Der Hinweis des Beklagten auf die Vorsprache beim zuständigen Gewerbereferenten des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung, Hofrat Dr. S***, war auch keine unzulässige Neuerung, da der Beklagte im Hauptverfahren vorbrachte, er habe das Gewerbe zumindest in gutem Glauben ausgeübt, und hiebei auf die gezahlte Einverleibungsgebühr verwies (AS 19 f). Im Rahmen dieses Vorbringens hätte - Rechtserheblichkeit vorausgesetzt - auch die Aussage des Beklagten als Partei (AS 77) über seine Vorsprache bei Hofrat S***, bei der wiederum von der Einverleibungsgebühr die Rede gewesen sein soll, Berücksichtigung finden müssen. Ein Eingehen auf diesen Umstand war jedoch nicht erforderlich.
Wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, verlangt das jedem Vorwurf eines sittenwidrigen Verhaltens begrifflich innewohnende moralische Unwerturteil jedenfalls dort eine besondere subjektive Komponente auf der Seite des Beklagten, wo der ihm angelastete Wettbewerbsverstoß aus der Verletzung einer gesetzlichen Vorschrift abgeleitet wird. Was dem Betroffenen hier als "unlauteres Verhalten" angelastet wird, ist der Umstand, daß er sich über eine gesetzliche Norm hinweggesetzt hat, um auf diese Weise einen Wettbewerbsvorsprung vor seinen gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen. Nur eine dem Beklagten auch subjektiv vorwerfbare Mißachtung einer wettbewerbsrechtlich relevanten Vorschrift rechtfertigt es aber, über die bloße Verantwortlichkeit nach der übertretenen Verwaltungsvorschrift hinaus auch eine unlautere, gegen die guten Sitten verstoßende Wettbewerbshandlung iS des § 1 UWG anzunehmen (in diesem Sinn bereits Schönherr in ÖBl 1977, 33; ÖBl 1977, 159; ÖBl 1981, 19; SZ 56/2; ÖBl 1987, 160; JBl 1988, 50). Dieser Grundsatz gilt vor allem dort, wo es um eine unterschiedliche Auslegung der angeblich verletzten Rechtsvorschrift geht. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Verletzung dieser Vorschriften gegen § 1 UWG verstößt, kommt es vor allem darauf an, ob die Auffassung des Beklagten über den Umfang seiner Befugnisse durch das Gesetz so weit gedeckt ist, daß sie mit gutem Grund vertreten werden kann. Das kommt hier im Hinblick auf den Wortlaut des § 340 Abs 6 GewO 1973 nicht in Betracht. Ob sich aber derjenige, der eine Verwaltungsvorschrift übertreten hat, auch dann auf fehlende subjektive Vorwerfbarkeit berufen kann, wenn er im Vertrauen auf die Rechtsauskunft einer Behörde gehandelt hat, die mit einer klaren Regelung des Gesetzes im Widerspruch stand, kann diesmal auf sich beruhen: Selbst wenn nämlich der zuständige Gewerbereferent dem Beklagten - entgegen § 340 Abs 6 GewO 1973 - für seine weitere Tätigkeit nach Kenntnisnahme vom Fehlen der Rechtskraft des Nachsichtsbescheides Gutgläubigkeit zugebilligt hätte - was die Vorinstanzen nicht feststellten -, wäre für den Revisionswerber nichts gewonnen: Er und sein Vertreter wurden schon im Provisorialverfahren erster Instanz auf den eindeutigen Wortlaut des § 340 Abs 6 GewO 1973 hingewiesen; spätestens seit Zustellung der einstweiligen Verfügung vom 6. Mai 1987, ON 7 (am 18. Mai 1987), wenn nicht schon früher, mußte dem Beklagten klar gewesen sein, daß seine Gewerbeanmeldung noch gar nicht als erstattet gilt und er aus der Zahlung der Einverleibungsgebühr - die ihn zwar vor Kenntnis von der Erhebung der Berufung durch die zuständige Innung zur irrigen Annahme der Rechtskraft des Nachsichtsbescheides verleitet haben mag, aber rechtlich kein Element der Gewerbeanmeldung ist (VwGHSlg 6334; § 340 Abs 3 GewO 1973; Mache-Kinscher, GewO5, 648) - nichts für sich ableiten kann. Der Beklagte hat nach den Feststellungen des Erstgerichtes den Schlüsseldienst auch nach der Klagezustellung weiterbetrieben (siehe auch die Außerstreitstellung S 12) und seinen Standpunkt, dazu berechtigt zu sein, im Hauptverfahren auch nach dem 18. Mai 1987 bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz aufrechterhalten. Damit sind dem Beklagten jedenfalls die seither begangenen Verstöße gegen die Gewerbeordnung auch subjektiv vorwerfbar; da er sich weiterhin zur Gewerbeausübung für berechtigt hält, ist auch Wiederholungsgefahr gegeben, die erst durch die - bisher nicht eingetretene - Rechtskraft des Nachsichtsbescheides beseitigt würde.
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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