OGH 13Os95/88 (13Os96/88)

OGH13Os95/88 (13Os96/88)8.9.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.September 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Manquet als Schriftführers in der Strafsache gegen Janos C*** wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 8.April 1987, GZ 1 d Vr 12.921/84-446, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Strasser, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Bernhauser zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die Geldstrafe auf 240 (zweihundertvierzig) Tagessätze, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 120 (einhundertzwanzig) Tage herabgesetzt.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 19.Oktober 1957 geborene Janos C*** ist der Vergehen des Diebstahls nach § 127 Abs 1 StGB (1), der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (2) und der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB (3) schuldig erkannt worden. Darnach hat er am 17.Jänner 1986 in Wien dem Kaufhaus G*** vier Strumpfhosen (Gesamtwert 1.226 S) gestohlen (1), Herlinde G*** und Herbert S*** durch Schlagen, Stoßen und Treten zur Abstandnahme von seiner Anhaltung zu nötigen getrachtet (2) und dabei Herlinde G*** fahrlässig verletzt (Zehenprellung: 3). Janos C*** bekämpft diese Schuldsprüche mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 5, 5 a und 9 lit a (der Sache nach auch lit b) StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Der Vorwurf einer Undeutlichkeit (Z. 5) versagt, weil die Frage, durch welche Handlungen der Beschwerdeführer Herlinde G*** ins Gesicht traf (wodurch dort eine Rötung eintrat) und Walter S*** gegen eine Tür schleuderte (was einen Bluterguß und Abschürfungen am rechten Unterarm hervorrief) keine entscheidenden Tatsachen betrifft. Werden doch diese Verletzungen dem Beschwerdeführer im Schuldspruch gar nicht angelastet und genügt es für die versuchte Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB, daß der Angeklagte, wie festgestellt, G*** und S*** "durch Schlagen, Stoßen und Treten", somit in Beugung ihres Willens mit Gewalt, an seiner Anhaltung zu hindern suchte. Diese Feststellungen sind durch die vom Gericht in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) für glaubwürdig befundenen Zeugenaussagen gedeckt und daher zureichend begründet.

Der Rüge nach Z. 5 a zuwider bestehen keine Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen. Die Beschwerde erschöpft sich hiezu in einer gegen Urteile von Kollegialgerichten nach wie vor unzulässigen Schuldberufung. Ein Hinweis auf Aktenstellen, die bei der Erforschung der materiellen Wahrheit unbeachtet geblieben wären und "erhebliche" Bedenken hinsichtlich der entscheidenden Sachverhaltsfeststellungen deutlich machen könnten

(vgl. 11 Os 44/88, 12 Os 53/88, 13 Os 68/88), findet sich in der Beschwerde nicht.

Aber auch die Rechtsrügen schlagen fehl:

Entgegen den Beschwerdeeinwendungen (Z. 9 lit a) liegen bei der fahrlässigen Körperverletzung (3) die Voraussetzungen der Straflosigkeit nach § 88 Abs 2 Z. 4 StGB nicht vor. Auch wenn die Zehenprellung mit keiner Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit von mehr als dreitägiger Dauer verbunden gewesen sein sollte, kann bei einer durch Nötigungshandlungen zugefügten Körperverletzung keine Rede davon sein, daß den Täter kein schweres Verschulden treffe. Wer, wie Janos C***, "durch Schlagen, Stoßen und Treten" gegen andere Personen vorgeht, um deren Willen zu beugen, handelt in bezug auf deren körperliche Unversehrtheit zumindest mit auffallender Sorglosigkeit, bei der für ihn der Eintritt eines Verletzungserfolgs als - sogar

besonders - wahrscheinlich vorhersehbar ist.

Die kumulativen Voraussetzungen des § 42 Abs 1 Z. 1 StGB für eine mangelnde Strafwürdigkeit seiner Taten vermag der Beschwerdeführer ebensowenig zu reklamieren. Bei voller Aufrechterhaltung der Rechtsprechung, daß bei Verneinung der Bedingungen des § 88 Abs 2 Z. 4 StGB dennoch die Tat gemäß § 42 StGB straflos sein kann (RZ. 1977/9 S. 18 f. u.a.), ist punkto fahrlässige Körperverletzung für den Nichtigkeitswerber aus dem Grund seiner einschlägigen Vorstrafe nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB gleichwohl nichts zu gewinnen (Spezialprävention; § 42 Z. 3 StGB).

Im übrigen bedeutet geringe Schuld im Sinn des § 42 Z. 1 StGB ("Abs 1 Z. 1" a.F.: Art. XX Abs 1 StRÄG 1987) jeweils ein merkliches Zurückbleiben des tatbildlichen Verhaltens hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt, was auf die beiden übrigen Fakten, nämlich auf den nach einem vorausgegangenen, offenbar mißlungenen Diebstahlsversuch in einem anderen Kaufhaus (Bd. IX S. 433 f.) planmäßig und überlegt verübten Diebstahl und auf die mit erheblicher Vorsatzintensität und beträchtlichem physischem Krafteinsatz (Schlagen, Stoßen, Treten) versuchte Nötigung keinesfalls zutrifft.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über Janos C*** nach §§ 28, 105 Abs 1 und 37 Abs 1 StGB eine Geldstrafe von 360 Tagessätzen (180 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) zu je 250 S. Erschwerend waren die Deliktskonkurrenz und die Vorverurteilung wegen eines Gewaltdelikts, mildernd hingegen die teilweise (des Diebstahls) geständige Verantwortung des Angeklagten, daß die Nötiugng beim Versuch blieb und die Sicherstellung der Diebsbeute.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Geldstrafe sowohl nach der Anzahl der Tagessätze als auch nach der Höhe des Tagessatzes und die bedingte Nachsicht der Geldstrafe an. Der Berufung gegen die Anzahl der Tagessätze kommt Berechtigung zu. Bei der Strafbemessung darf in Beachtung der gebotenen Proportionalität zwischen Rechtsbruch und strafrechtlicher Reaktion die Schwere der Tat, die auch im Unrechtsgehalt ihren Ausdruck findet, nicht außer acht bleiben (LSK. 1979/185). Das Gewicht der gegenständlichen Straftaten hält sich angesichts des relativ geringen Werts der Diebsbeute, der nicht allzu gravierenden Körperverletzung und der Begleitumstände der versuchten Nötigung noch in Grenzen. Auch das Verschulden des Angeklagten ist nicht überdurchschnittlich schwer. Die strafnormierende Bestimmung des § 105 Abs 1 StGB kennt keine Untergrenze. In beibehaltener Anwendung des § 37 Abs 1 StGB erscheint demnach eine Geldstrafe von 240 Tagessätzen dem in den Taten verkörperten Unrecht und der ihnen zugrundeliegenden Schuld des Täters angemessen. Dementsprechend war auch die Ersatzfreiheitsstrafe auf 120 Tage zu reduzieren. Im übrigen war indes der Berufung ein Erfolg zu versagen. Bei dem wegen eines Gewaltdelikts einschlägig vorbestraften Angeklagten wäre eine bedingte Nachsicht der durch die Umwandlung einer Freiheits- in eine Geldstrafe ohnehin in ihrer Wirkung weitgehend gemilderten Sanktion nicht denkbar, ohne ihre Effektivität ungebührlich zu schmälern.

Schließlich ist dem Gericht auch beizupflichten, wenn es bei einem monatlichen Nettoeinkommen von ca. 12.000 S (12.000 S bis 13.000 S: Band IX S. 263) bei dem von keinen Sorgepflichten belasteten Angeklagten (Band IX S. 433) einen Betrag von 7.500 S monatlich für abschöpfbar hielt (Band IX S. 439) und daher den Tagessatz mit 250 S festsetzte.

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