OGH 1Ob19/88

OGH1Ob19/887.9.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Johann P***, Pensionist, 2. Theresia P***, Pensionistin, beide Kitzeck im Sausal, Einöd 8 a, beide vertreten durch Dr. Leo Häusler, Rechtsanwalt in Leibnitz, wider die beklagten Parteien 1. Ewald F***, Angestellter, 2. Marianne F***, Gastwirtin, beide Kitzeck im Sausal, Einöd 15, beide vertreten durch Dr. Wilfried Stenitzer, Rechtsanwalt in Leibnitz, wegen Feststellung (Streitwert S 30.000,--) infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 22. Februar 1988, GZ 4 R 17/88-9, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Leibnitz vom 12. November 1987, GZ 4 C 1416/87k-3, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den beklagten Parteien die mit S 2.084,72 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 159,52 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit rechtskräftigem Endbeschluß des Bezirksgerichtes Leibnitz vom 24. April 1987, 5 C 254/86-8, wurde ausgesprochen, daß Martin und Hilde P*** den ruhigen Besitz der Kläger im Recht aus der auf dem Grundstück 34 der EZ 12 KG Einöd des Martin und der Hilde P*** befindlichen Quelle, über ein Zuleitungsrohr und ein auf diesem Grundstück befindliches Wasserbassin für das Wohnhaus Einöd 8 a der Kläger Wasser zu beziehen, durch Aufsetzen einer Rohrverbindung auf das vorhandene Zuleitungsrohr sowie durch Absperren des Brunnenhäuschens gestört haben; Martin und Hilde P*** wurden schuldig erkannt, den vorigen Zustand durch Entfernen des aufgesetzten Verlängerungsrohres samt Knie sowie durch Öffnen des Brunnenhäuschens wiederherzustellen und künftig jede Störung im ruhigen Besitz der Kläger im oben bezeichneten Wasserbezugsrecht zu unterlassen.

Nach Einbringung der Besitzstörungsklage hatten Martin und Hilde P*** mit Übergabsvertrag vom 9. Dezember 1986 die Liegenschaft EZ 12 an die Beklagten übergeben. Der Vertrag ist bisher grundbücherlich noch nicht durchgeführt worden. Nach Punkt V des Übergabsvertrages sind Übergabe und Übernahme des Vertragsgegenstandes mit der Unterfertigung als vollzogen anzusehen. Die Kläger begehren die Fällung des Urteiles, der ihnen aus dem Endbeschluß des Bezirksgerichtes Leibnitz vom 24. April 1987, 5 C 254/86-8, zustehende Anspruch auf Entfernen des auf das vorhandene Zuleitungsrohr aufgesetzten Verlängerungsrohres samt Knie und des Öffnens des Brunnenhäuschens sowie auf Unterlassung jeder künftigen Störung im ruhigen Besitz ihres Rechtes, aus der auf der Grundfläche 34 der EZ 12 KG Einöd befindlichen Quelle über ein Zuleitungsrohr und ein auf diesem Grundstück befindlichen Wasserbassin für das Wohnhaus Einöd 8 a der Kläger Wasser zu beziehen, sei nun gegen die Beklagten vollstreckbar. Martin und Hilde P*** seien nach St. Michael im Lungau verzogen, die Liegenschaft EZ 12 KG Einöd werde von den Beklagten besessen, benutzt und bewirtschaftet. Die Kläger hätten feststellen müssen, daß sich die Beklagten als Einzelrechtsnachfolger des Martin und der Hilde P*** an den im Endbeschluß des Bezirksgerichtes Leibnitz vom 24. April 1987 enthaltenen Leistungs- und Unterlassungsbefehl nicht hielten. Insbesondere sei von den Beklagten die Herstellung des vorigen Zustandes durch Öffnen des Brunnenhäuschens nicht vorgenommen worden. Mit Schreiben vom 6. August 1987 seien daher die Beklagten aufgefordert worden, ab sofort jedes Zuwiderhandeln gegen den Endbeschluß bei sonstiger sofortiger Einbringung einer Klage nach § 10 EO zu unterlassen. Dieser Aufforderung hätten die Beklagten nicht Folge geleistet. Da die in den §§ 7 bis 9 EO geführten urkundlichen Nachweise von den Klägern nicht erbracht werden könnten, seien sie zur Durchsetzung ihres Anspruches aus dem vollstreckbaren Endbeschluß des Bezirksgerichtes Leibnitz vom 24. April 1987, 5 C 254/87, gemäß § 10 EO zur Klage gegen die Beklagten als Einzelrechtsnachfolger der vormaligen Besitzer der EZ 12 KG Einöd veranlaßt.

Die Beklagten wendeten ein, daß aus einem Endbeschluß keine dingliche Verpflichtung für einen Rechtsnachfolger erwachse. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Verurteilung in einem Besitzstörungsverfahren schaffe nur eine persönliche Verpflichtung des Störers, den titelgemäßen Zustand wiederherzustellen und sich jeder weiteren Störung in Hinkunft zu enthalten. Eine Rechtskrafterstreckung auf allfällige Einzelrechtsnachfolger im Wege der Titelergänzungsklage nach § 10 EO sei nicht möglich. Die Kläger hätten daher richtigerweise gegen den aus dem Endbeschluß verpflichteten Störer Exekutionsantrag stellen müssen, gegen dessen Bewilligung keine Bedenken bestanden hätten. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge. Es sprach aus, daß der von der Bestätigung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 60.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteige; die Revision erklärte es für zulässig. Aus dem Wegzug der seinerzeitigen Beklagten und dem Besitzübergang ergebe sich nicht, daß die Verpflichtung der Beklagten des Vorprozesses aus dem Endbeschluß vom 24. April 1987 auf die nunmehrigen Beklagten übergegangen sei. Eine Besitzstörung sei eine durch eine Handlung erfolgte tatsächliche Beeinträchtigung der Herrschaft des Sach- oder Rechtsbesitzes. Die Legitimation zur Besitzstörungsklage werde aus einer Handlung des Störers abgeleitet. Eine Besitzstörungsklage gegen einen Einzelrechtsnachfolger des Störers werde nicht als zulässig angesehen. Damit sei auch der Übergang einer Verpflichtung aus einem Besitzstörungsendbeschluß auf einen Einzelrechtsnachfolger nicht möglich.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Kläger ist nicht berechtigt.

Der Zweck der Klage nach § 10 EO ist der Nachweis bestimmter formeller Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen für einen bereits vorhandenen Exekutionstitel, nicht aber die Schaffung eines neuen Exekutionstitels. Nur der Vollstreckbarkeitsanspruch wird mit der Klage nach § 10 EO ergänzend bestimmt. Das stattgebende Urteil tritt an die Stelle der in dem § 9 EO genannten urkundlichen Nachweise (EFSlg. 44.146; JBl 1978, 383; SZ 50/30; JBl 1954, 544; Heller-Berger-Stix 245; Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht2 14; Petschek-Hämmerle-Ludwig 19). Selbst wenn die Kläger den Besitzübergang von Martin und Hilde P*** auf die Beklagten durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachweisen könnten, wäre der Endbeschluß des Bezirksgerichtes Leibnitz vom 24. April 1987, 5 C 254/86-8, gegen die Beklagten nicht vollstreckbar. Eine Besitzentziehungsklage hat sich gegen den Besitzentzieher zu richten, selbst wenn er sich in der Zwischenzeit des Besitzes entäußert haben sollte (GlUNF 5203; GlU 6592; Ehrenzweig2 I/2, 95; Randa, Der Besitz4, 315 f). Der neue Besitzer der entzogenen Sache ist neben dem Entzieher zur Besitzstörungsklage passiv nur dann legitimiert, wenn er an ihr teilgenommen hat (GlU 15.257) oder die durch eine Besitzstörungshandlung entzogene Sache wissentlich in seinen Besitz genommen hat (GlU 7795; Ehrenzweig aaO 96). Der Oberste Gerichtshof sprach in seiner Entscheidung vom 20. Dezember 1967, 3 Ob 128/67, aus, daß der Endbeschluß gegen den Störer selbst dann vollstreckbar bleibt, wenn dieser den Gegenstand, auf den sich die Handlung bezieht, veräußert hat; ein solches Veräußerungsgeschäft befreit den Besitzstörer nicht vor den Rechtsfolgen seiner Handlung; der Besitzstörungsklage ist auch dann stattzugeben, wenn das Eigentum an der Liegenschaft schon vor Einbringung der Klage veräußert wurde. So wenig aber die Übergabe des mit einem Rechtsbesitz belasteten Sachbesitzes den Störer von der im Endbeschluß auferlegten Verpflichtung zur Wiederherstellung des früheren Zustandes befreit, so wenig kann sein Einzelrechtsnachfolger damit belastet werden. Der Einzelrechtsnachfolger mag durch eigenes Verhalten den Besitz ebenfalls stören, er haftet aber nicht allein durch Übernahme des Besitzes für die den ersten Störer obliegende rein persönliche Verpflichtung zur Wiederherstellung des vor der Störung bestandenen Zustandes. Derjenige, der allein imstande ist, den Besitz wieder herzustellen, ist deshalb noch kein Besitzstörer (GlU 7795). Die aus der Störung entstandene Verpflichtung geht also nicht im Sinne des § 9 EO auf den Einzelrechtsnachfolger über. Das gilt umso mehr in einem Fall, in dem grundbücherliche Eigentümer noch die tatsächlichen Störer sind. Gegen die Beklagten bleibt gegebenenfalls nur die petitorische Klage. Die von Heller-Berger-Stix 242 f ohne nähere Begründung vertretene gegenteilige Ansicht nimmt auf die Besonderheiten des Besitzesschutzes nicht Bedacht.

Der Revision ist daher der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte