OGH 2Ob704/87

OGH2Ob704/8730.8.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef B***, Schlosser, Bucherstraße 30, 6922 Wolfurt, vertreten durch Dr. Leonhard Lindner, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagten Parteien 1. Alwin S***, Elektriker, Bucherstraße 10, 6922 Wolfurt, 2. Monika S***, Hausfrau, Bucherstraße 10, 6922 Wolfurt, beide vertreten durch Dr. Gottfried Waibel, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Feststellung eines Dienstbarkeitsrechtes, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 19. Oktober 1987, GZ 4 R 124/87-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 30. Dezember 1986, GZ 10 Cg 22/86-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien haben dem Kläger zur ungeteilten Hand die mit S 4.668,18 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 424,38 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt gegenüber den beiden Beklagten als den bücherlichen Eigentümern der Grundstücke 272/1 und 272/6 KG Wolfurt die Feststellung, es stehe ihm und allen künftigen Eigentümern seines Grundstückes 272/2 der EZ 2152 KG Wolfurt als dem herrschenden Gut die Dienstbarkeit des uneingeschränkten Geh- und Fahrrechtes über das Grundstück 272/6 und dem daran westlich anschließenden, im einzelnen beschriebenen Streifen des Grundstückes 272/1 zu. Auf Grund eines Erbübereinkommens mit seinem Bruder Ludwig B*** sei ihm das Grundstück 272/2 zugefallen und er habe mit letzterem vereinbart, daß der Kläger und seine Rechtsnachfolger sowohl die Grundparzelle 272/6 als auch den daran anschließenden Weg uneingeschränkt befahren und begehen dürften. Da der Kläger sechs Kinder habe, sei schon damals klar gewesen, daß das Grundstück 272/2 einmal als Bauland verwertet werden würde. Nach der Errichtung des Weges habe sich Ludwig B*** nicht an die Vereinbarung gehalten, im Zuge eines zu 22 Cg 924/67 des Landesgerichtes Feldkirch geschlossenen Vergleiches jedoch dem Kläger und seinen Rechtsnachfolgern das uneingeschränkte Geh- und Fahrrecht im Sinne des Klagebegehrens eingeräumt. Der Erstbeklagte habe die Grundstücke 272/1 und 272/6 durch Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren am 12. April 1972 erworben, sodann einen Hälfteanteil seiner Ehefrau, der Zweitbeklagten, geschenkt und beide seien nun bücherliche Eigentümer dieser Grundstücke. Durch die Duldung der tatsächlichen Ausübung des Dienstbarkeitsrechtes während der Dauer von 12 Jahren hätten sie dieses auch anerkannt. Die Zweitbeklagte habe die Benutzungsverhältnisse im übrigen seit jeher gekannt und sei daher beim Erwerb nicht gutgläubig gewesen. Bei der überdies offenkundigen Dienstbarkeit handle es sich um eine Felddienstbarkeit im Sinne des Gesetzes RGBl. 1905/33, die ohne bücherliche Eintragung bestehe und vom Ersteher ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen sei. Im übrigen finde die Anrechnung der Servitut im Meistbot Deckung. Der Kläger sei im Sinne des Vergleiches zur Zahlung des vereinbarten Betrages von S 7.500,-- bereit.

Die beklagten Parteien beantragten Klagsabweisung. Nach den Versteigerungsbedingungen sei die Parzelle 272/6 als Zugang zum neu erstellten Wohnhaus bezeichnet worden. Ein Geh- und Fahrrecht zugunsten der Liegenschaft des Klägers sei aus dem Exekutionsakt und in der Natur nicht ersichtlich gewesen. Die Beklagten hätten ein solches Recht auch nie anerkannt, sondern sich dessen Ausübung widersetzt. Auch die Bedingungen des seinerzeitigen Vergleiches seien nicht erfüllt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Im Erbschaftsübereinkommen des Jahres 1963 teilten der Kläger und sein inzwischen verstorbener Bruder Ludwig B*** das geerbte Grundstück 272 derart auf, daß ersterer die Parzelle 271/2 Wiese und letzterer die Parzelle 272/1 erhielt. Diese wurde weiter parzelliert, ua. in die Wegparzelle 272/6. Als es zwischen den Brüdern über die Wegbenützung zu Streitigkeiten kam, schlossen sie am 22. März 1968 folgenden gerichtlichen Vergleich:

Der Beklagte (Ludwig B***) verpflichtet sich, auf seine Kosten ab der Westgrenze der GP 272/6 KG Wolfurt in westlicher bzw. südwestlicher Richtung den Weg über eine Breite von 4 m soweit zu verlängern und anzulegen, daß die Nordgrenze dieses verlängerten Wegstückes in einer Entfernung von höchstens 25 m ab der Westgrenze der GP 272/6 die gemeinsame Liegenschaftsgrenze der GP 272/1 und 272/2 der Streitteile in südlicher bzw. südwestlicher Richtung überschneidet. Bis auf diese Höhe ist der Weg in der angeführten Breite, auch in dem den Besitz des Klägers betreffenden Teilstück, auf Kosten des Beklagten, der Tiefbauunternehmer ist, fachgerecht und dem Geländeverlauf entsprechend anzulegen.

Der Beklagte als Eigentümer der Liegenschaften bzw. Grundstücke GP 272/6 und 272/1 KG Wolfurt räumt für sich und seine Rechtsnachfolger im Besitze dieser Grundstücke vorkommend (glaublich) in EZ 102 KG Wolfurt, dem Kläger als Eigentümer der GP 272/2, vorkommend (glaublich) in EZ 2152, KG Wolfurt, des darauf bereits erbauten Hauses und allfälliger künftiger, aus GP 272/2 zu gewinnender Grundstücke das Dienstbarkeitsrecht des uneingeschränkten Geh- und Fahrrechtes über die GP 272/6 KG Wolfurt und den weiteren Grundstreifen der GP 272/1 in westlicher Verlängerung bis zum oben angeführten westlichen Schnittpunkt der gemeinsamen Grenze der GP 272/1 und 272/2 ein. Diese Rechtseinräumung gilt auch zugunsten der Rechtsnachfolger des Klägers im Eigentum der berechtigten Grundstücke."

Ludwig B*** erbaute auf der Grundparzelle 272/1 das Wohnhaus Wolfurt, Bucherstraße 10. Er geriet in finanzielle Schwierigkeiten und es kam zur Zwangsversteigerung seiner Liegenschaft. In den Versteigerungsbedingungen war die GP 272/6 als Zufahrtsweg zum neu erstellten Wohnhaus bezeichnet. Der Erstbeklagte besichtigte im Dezember 1971 die zu versteigernde Liegenschaft. Damals war die Zufahrt bis zum Hause Wolfurt, Bucherstraße 10, durchgehend asphaltiert. Der auf GP 272/1 liegende Teil der Zufahrt war ab der westlichen Grenze der GP 272/6 schmäler. Diese Verschmälerung wirkte auf den Erstbeklagten optisch "nicht so stark", da die südliche Begrenzung der Zufahrt der GP 272/6 durch eine Hangmauer gebildet wird. Im Anschluß an die Westgrenze der GP 272/6 lag auf der GP 272/1 südlich der asphaltierten Zufahrt zum Hause Bucherstraße 10 im Bereiche des Überganges zum Hang etwas Schotter. Auf Grund dieser Schotterablagerung "zog der Erstbeklagte nicht den Schluß", daß in diesem Bereich eine Zufahrt bzw. ein Wegerecht bestehe. Vor dem Versteigerungstermin nahm er Einsicht in den Exekutionsakt. Es ergab sich für ihn kein Hinweis, daß die GP 272/6 auch als Zufahrt zur GP 272/2 bzw. zu daraus zu bildenden Bauparzellen dienen könnte. Der Erstbeklagte kam weder nach Besichtigung der Liegenschaft im Dezember 1971 noch nach dnr`Einsicht in den Exekutionsakt auf den Gedanken, daß zugunsten der GP 272/2 ein Zufahrtsrecht über die GP 272/6 bzw. in der Folge über die GP 272/1 bestehen könnte. Die GP 272/2 ist nämlich von Wolfurt kommend über den Bengerweg erschlossen. Beim Versteigerungstermin am 11. Jänner 1972 war der Erstbeklagte der Meistbietende. Am 12. April 1972 wurde ihm der Zuschlag erteilt. Die Zweitbeklagte, die den Erstbeklagten erst nach der Versteigerung geehelicht hat, wohnte ab dem Jahre 1959 im Hause Wolfurt, Bucherstraße 31. Als der Erstbeklagte die GP 272/1 und 272/6 ersteigerte, war ihr vom gegenständlichen Dienstbarkeitsrecht nichts bekannt. Im Herbst 1973 suchte der Kläger die Beklagten auf und teilte ihnen mit, daß er auf ihrem Grundstück einen Weg machen wolle. Er zeigte dabei den seinerzeit mit Ludwig B*** abgeschlossenen Vergleich. Da der Vergleich selbst unvollständig war, behob die Zweitbeklagte am 24. Oktober 1973 bei Gericht eine Vergleichsausfertigung. Die Beklagten holten nun Rechtsauskünfte ein, die dahin gingen, daß der Vergleich für sie nicht bindend sei. Dies teilten sie dem Kläger mit, der sehr aufgebracht reagierte. Mit dem Kaufvertrag vom 12. Dezember 1977 veräußerte der Kläger die aus dem östlichen Teil der GP 272/2 gebildete Liegenschaft GP 272/9 an Dr. Gerhard H***. Die Nordgrenze der GP 272/9 verläuft in der Verlängerung der Südgrenze der GP 272/6. Im Punkt III des Kaufvertrages räumte der Kläger für sich und seine Rechtsnachfolger zugunsten der GP 272/9 die Dienstbarkeit des unentgeltlichen Geh- und Fahrrechtes über den westlichen Teil der GP 272/2 ein. Zwischen der Nordgrenze der GP 272/9 und der Südgrenze der GP 272/1 befindet sich also nur noch ein schmaler Streifen der GP 272/2, so daß eine Zufahrt zur GP 272/9 ab der Westgrenze der GP 272/6 nur noch dadurch möglich ist, daß die strittige, im Südosten der GP 272/1 liegende Teilfläche mitbenützt wird. Da in dem genannten Kaufvertrag auch festgehalten ist, daß zugunsten der GP 272/2 von der Bucherstraße her über die GP 272/6 und deren Fortsetzung über den südöstlichen Teil der GP 272/1 die Dienstbarkeit des unentgeltlichen, uneingeschränkten und unwiderruflichen Geh- und Fahrrechtes besteht, hat Dr. H*** nach dem Erwerb seiner Liegenschaft auch tatsächlich die Zufahrt zu seinem Grundstück unter Mitbenützung der strittigen Teilfläche der GP 272/1 in der Natur so hergestellt, wie es dem Vergleich im Verfahren 2 Cg 924/67 des Landesgerichtes Feldkirch entspricht. Die durch Randsteine ersichtlich gemachte Nordgrenze der Zufahrt liegt also auf der GP 272/1. Die GP 272/2 wird vom Kläger landwirtschaftlich genützt. Es stehen dort Obstbäume, die von ihm abgeerntet werden. Er führt auch Heuarbeiten auf diesem Grundstück durch. Im Rahmen der Nutzung der Liegenschaft fuhr er auch über die GP 272/6 und die strittige Teilfläche der GP 272/1 zu. Im Jahre 1973 teilten die Beklagten dem Kläger mit, daß das von ihm behauptete Dienstbarkeitsrecht nicht bestehe, zur Vermeidung von Streitigkeiten haben sie jedoch der Benützung der Zufahrt durch den Kläger im Rahmen der landwirtschaftlichen Nutzung der GP 272/2 nicht widersprochen. Auch Dr. H*** haben sie, als er den strittigen Teil zur Errichtung seiner Zufahrt in Anspruch nahm, darauf hingewiesen, daß er hiezu nicht berechtigt sei. Dr. H*** vertrat unter Hinweis auf den Inhalt des Vergleiches jedoch den gegenteiligen Standpunkt. In der Hoffnung auf eine schließlich gütliche Einigung sahen die Beklagten davon ab, gegen Dr. H*** gerichtliche Schritte zu unternehmen. Als der Kläger im Herbst 1984 oder Frühjahr 1985 den Beklagten eröffnete, daß seine Tochter auf der westlich der GP 272/1 liegenden neu gebildeten Teilfläche 272/11 bauen werde, erklärten sich die Beklagten nicht damit einverstanden, daß die Zufahrt zu ihrem Haus auch von der Tochter des Klägers benützt werde. Der Erstbeklagte hat mit Schenkungsvertrag vom 7. Juni 1973 einen Hälfteanteil an der GP 272/6 und an der GP 272/1 der Zweitbeklagten geschenkt. Die Einverleibung des Eigentums der Zweitbeklagten erfolgte am 13. Dezember 1973. Noch zuvor am 3. Dezember 1973 war die Einverleibung des Hälfteeigentums des Erstbeklagten durchgeführt worden.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, der Erstbeklagte sei beim Erwerb der Liegenschaft durch Zuschlag gutgläubig gewesen, da er nach dem Inhalt des Exekutionsaktes und auf Grund der Verhältnisse in der Natur nicht mit dem Bestehen einer Dienstbarkeit habe rechnen müssen. Eine im Zeitpunkt des Eigentumserwerbes der Zweitbeklagten gegebene Schlechtgläubigkeit sei rechtlich unerheblich. Ein Anerkenntnis der Beklagten liege nicht vor. Die gegenständliche Dienstbarkeit stelle sich als eine Felddienstbarkeit im Sinne des Gesetzes RGBl. 1905/33 dar, doch könne trotz dessen Art. III nicht davon ausgegangen werden, daß der Erstbeklagte schon nach dem Gesetz mit dem Bestehen einer solchen Servitut hätte rechnen müssen; eine Offenkundigkeit liege nicht vor. Das Berufungsgericht hielt die Verfahrensrüge und die Rüge der unrichtigen Beweiswürdigung sowie der Aktenwidrigkeit nicht, dagegen die Rechtsrüge des Klägers für gerechtfertigt. Nach den gegebenen Verhältnissen sei die vom Kläger behauptete Dienstbarkeit beim Liegenschaftserwerb des Erstbeklagten nicht offenkundig gewesen. Darauf, daß der Zweitbeklagten im Zeitpunkt der Einverleibung ihres Eigentumsrechtes zufolge Kenntnis des Vergleichsinhaltes die Gutgläubigkeit im Sinne des § 1500 ABGB gefehlt habe, könne es schon deswegen nicht ankommen, weil durch den gutgläubigen Erwerb des Erstbeklagten die verbücherte Dienstbarkeit grundsätzlich untergegangen wäre. Tatsächlich müsse die Frage, ob die gegenständliche, nicht verbücherte Servitut dem Ersteher gegenüber jedenfalls wirkungslos bleiben müsse, weil sie nicht bis zur Versteigerung gegen den Verpflichteten mit Klage durchgesetzt und exekutiv oder durch eine freiwillig ausgestellte Erklärung des Verpflichteten verbüchert worden sei, verneint werden. Nach Art. I Abs 1 des Gesetzes vom 24. Februar 1905 RGBl. 33 seien in Vorarlberg als Felddienstbarkeiten sich darstellende Wegservituten von der Eintragung in das Grundbuch ausgenommen und gemäß Art. III dieses Gesetzes seien Felddienstbarkeiten bei der Zwangsversteigerung ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen. Nach § 477 ABGB gehöre zu den Feldservituten ua. das Recht, einen Fahrweg auf fremdem Grund und Boden zu halten. Die Einteilung des § 477 ABGB stelle nicht auf die Beschaffenheit des dienenden oder herrschenden Grundstückes sondern darauf ab, ob solche Dienstbarkeiten in der Regel zugunsten von Feld- und anderen Grundstücken bestellt würden. Wegerechte seien daher selbst dann Felddienstbarkeiten, wenn sie im Einzelfall einem (städtischen) Wohnhaus zustünden. Somit müsse auch die gegenständliche Servitut als eine Felddienstbarkeit angesehen werden. Die grundbücherliche Eintragung einer solchen Servitut sei aber nicht nur entbehrlich, sondern geradezu unzulässig. Demnach gingen alle auf dem Erfordernis der grundbücherlichen Eintragung einer solchen Servitut beruhenden Argumentationen im Zusammenhang mit der Übernahme nicht verbücherter Dienstbarkeiten durch den Erwerber im Zwangsversteigerungsverfahren vorliegendenfalls ins Leere und auch die Gutglaubensbestimmung des § 1500 ABGB sei nicht anzuwenden. Die Regelung des § 150 Abs 1 EO dagegen komme auf derartige Dienstbarkeiten zufolge der ausdrücklichen Bestimmung des Art. III des Gesetzes RGBl. 1905/33 nicht zur Anwendung. Solche Dienstbarkeiten seien vielmehr ebenso wie Lasten mit öffentlich-rechtlichem Charakter oder gesetzliche Servituten jedenfalls und ohne Anrechnung auf das Meistbot vom Ersteher zu übernehmen. Sie seien zwar in den Versteigerungsbedingungen zur Orientierung der Kauflustigen anzuführen; unterbleibe dies aber, so seien sie trotzdem ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen. Demgemäß sei der Berufung Folge und dem Klagebegehren stattzugeben. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschied, den Betrag von S 15.000,--, nicht aber jenen von S 300.000,-- übersteigt und daß die Revision gemäß § 503 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei.

Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erheben die Beklagten eine auf die Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteiles; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Weiters wird die Anrufung des Verfassungsgerichtshofes zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen des Gesetzes RGBl. 1905/33 angeregt.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Die Revisionswerber verweisen zunächst auf ein zu G 144/87 beim Verfassungsgerichtshof anhängiges Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen des Gesetzes vom 24. Februar 1905 RGBl. 1905/33 und vertreten den Standpunkt, darin, daß sich das Berufungsgericht mit der vorhin gestellten Anregung auf Anrufung des Verfassungsgerichtshofes nicht befaßt habe, liege eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens. Zur Rechtsrüge führen sie aus, die gegenständliche Servitut sei nicht für landwirtschaftliche Zwecke eingeräumt worden, so daß es sich um keine Felddienstbarkeit im Sinne des Gesetzes RGBl. 1905/33 handle. Selbst wenn dies aber der Fall wäre, hätte sie der Erstbeklagte als Ersteher trotz der Bestimmungen des Art. III leg. cit. nicht übernommen, weil er keine Kenntnis davon gehabt habe. Der gegenteilige Standpunkt führe dazu, daß der Ersteher einer in Vorarlberg gelegenen Liegenschaft vor Belastungen durch Felddienstbarkeiten in keiner Weise geschützt wäre. Die Bestimmungen des vorgenannten Gesetzes seien jedenfalls verfassungswidrig. Im übrigen habe der Kläger seine Rechte in der Zwangsversteigerung nicht gemäß § 170 Z 5 EO geltend gemacht. Nicht verbücherte Rechte könnten aber nicht besser gestellt werden als verbücherte. Nach der Absicht des Gesetzgebers habe der Ersteher nur jene Lasten zu übernehmen, die in den Versteigerungsbedingungen angeführt und bei Festlegung des Schätzwertes berücksichtigt worden seien.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Mit ihrem Revisionsvorbringen betreffend ihre vom Berufungsgericht übergangene Anregung auf Anrufung des Verfassungsgerichteshofes sowie hinsichtlich ihres Rechtsstandpunktes, die Bestimmungen des Gesetzes RGBl. 1905/33, womit für das Land Vorarlberg besondere grundbuchsrechtliche und Exekutionsbestimmungen hinsichtlich der als Felddienstbarkeiten sich darstellenden Wege-, Wasserleitungs- und Holzriesenservituten erlassen wurden, seien verfassungswidrig, sind die beklagten Parteien auf das in der Zwischenzeit gefällte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes G 144/87-18 vom 9. März 1988 zu verweisen. Danach hat der Verfassungsgerichtshof die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen der Art. I und II des vorgenannten Gesetzes überprüft und deren Verfassungsmäßigkeit bejaht. Somit ist weiterhin von diesen Sonderbestimmungen für Vorarlberg auszugehen, wonach ua. Wegdienstbarkeiten als Felddienstbarkeiten nicht in das Grundbuch eingetragen werden dürfen und jene gesetzlichen Bestimmungen, welche sich auf den Schutz des Vertrauens in die öffentlichen Bücher beziehen, insoweit nicht gelten. Nach Art. III des vorgenannten Gesetzes sind die in Art. I bezeichneten Felddienstbarkeiten bei der Zwangsversteigerung von Liegenschaften, auf denen sie haften, vom Ersteher ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen. Aus dieser Bestimmung in Zusammenhalt mit der Bestimmung des Art. I Abs 2 leg. cit., wonach der gute Glaube des Erstehers auf das Grundbuch nicht geschützt wird, folgt, daß der Ersteher eine derartige Dienstbarkeit in jedem Fall und ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen hat. Nach dem Inhalt dieser Bestimmung ist er in der Tat vor Belastungen durch derartige Felddienstbarkeiten, von denen er mangels Offenkundigkeit und mangels Anführung in den Versteigerungsbedingungen keine Kenntnis hatte, nicht geschützt. Inwieweit ihm eine rechtzeitige Feststellung allenfalls doch, z.B. durch entsprechende Umfrage, möglich ist, muß hier nicht erörtert werden. Im Bereiche der Geltung des vorgenannten Gesetzes kann der vom Revisionswerber angeführte Grundsatz, daß nicht verbücherte Rechte nicht besser gestellt werden können als verbücherte und nur in den Versteigerungsbedingungen angeführte Lasten zu übernehmen seien, notwendigerweise nicht zur Anwendung kommen. Daß Wegdienstbarkeiten im Sinne des § 477 ABGB grundsätzlich Felddienstbarkeiten darstellen, auch wenn sie einem Grundstück mit Wohnhaus bzw. einem städtischen Gebäude dienen, hat der Oberste Gerichtshof in Übereinstimmung mit der Lehre (Ehrenzweig2 I/2, 343; Petrasch in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 474) in mehrfachen Entscheidungen, so in 5 Ob 163/63, 8 Ob 238/66 und EvBl 1983/137 = SZ 56/60 zugrundegelegt, woran auch eine vertragliche Bestellung außerhalb landwirtschaftlicher Zweckbestimmung nichts ändert (8 Ob 238/66).

Somit erweist sich keines der von der Revision ins Treffen geführten Argumente als stichhältig. Demgemäß war ihr nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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