OGH 8Ob604/88

OGH8Ob604/8828.7.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Kropfitsch, Dr. Warta und Dr. Graf als Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Firma G*** & D*** Gesellschaft mbH, Dachdeckerei, Spenglerei, Baustoffhandlung, 2563 Pottenstein, Hauptplatz 100, vertreten durch Dr. Heinz Binishofer, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wider den Gegner der gefährdeten Partei Selma L***, Baumeister und Inhaber der prot. Firma "Leopold B*** Architekt und Stadtbaumeister", 2560 Berndorf, Leobersdorferstraße 8, vertreten durch Dr. Karl Leutgeb, Rechtsanwalt in Wien, wegen einstweiliger Verfügung (387.755,23 S) infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgerichtes vom 11. April 1988, GZ R 115/88-7, womit infolge Rekurses des Gegners der gefährdeten Partei der Beschluß des Bezirksgerichtes Pottenstein vom 14. Dezember 1987, GZ 2 C 146/87-2, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die gefährdete Partei ist schuldig, dem Gegner der gefährdeten Partei die mit 13.036,65 S bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin die Umsatzsteuer von 1.185,15 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die gefährdete Partei beantragte die Erlassung nachstehender einstweiliger Verfügung:

"Dem Gegner der gefährdeten Partei wird verboten, die derzeit noch im bücherlichen Eigentum der Leopoldine L***, geb. 25. 10. 1919, stehenden Liegenschaften EZ 142 des Grundbuches Berndorf I Bezirk, EZ 214 und EZ 287 des Grundbuches Berndorf IV Bezirk, EZ 223 des Grundbuches Hirtenberg und deren Hälften der Liegenschaften EZ 367, EZ 1157, EZ 1182 des Grundbuches Berndorf I Bezirk und EZ 162 des Grundbuches Berndorf IV Bezirk zu veräußern oder zu belasten.

Das Bezirksgericht Pottenstein als Grundbuchsgericht hat dieses Veräußerungs- und Belastungsverbot zu Gunsten der Forderung der Firma G*** & D*** Gesellschaft mbH, für deren Forderung von 387.755,23 S samt 14 % Zinsen seit 11. Juni 1987, 20 % Umsatzsteuer aus den Zinsen und der Kosten von 13.994,50 S und 6.433,35 S in den oben bezeichneten Grundbuchseinlagen anzumerken und die Beteiligten zu verständigen.

Diese einstweilige Verfügung wird für die Zeit bewilligt, bis die gefährdete Partei zur Hereinbringung ihrer Forderung Exekution durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung oder durch Zwangsversteigerung im Range dieses Belastungs- und Veräußerungsverbotes führen kann."

Die gefährdete Partei begründete ihren Antrag damit, daß sie gegen den Gegner auf Grund des rechtskräftigen und vollstreckbaren Urteiles des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 25. September 1987, 1 Cg 1263/87, eine Forderung von 387.755,23 S sA habe. Wegen dieser Forderung sei der gefährdeten Partei inzwischen die Exekution durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung an verschiedenen Liegenschaftsanteilen des Gegners bewilligt worden. Die zwangsweisen Pfandrechte böten jedoch keine Deckung, weil diese Liegenschaftsanteile mit zahlreichen Vorpfandrechten belastet seien. Der Gegner der gefährdeten Partei habe inzwischen von seiner am 1. Februar 1986 verstorbenen Mutter Leopoldine L*** weitere Liegenschaften und Liegenschaftsanteile geerbt. Mit dem Beschluß des Bezirksgerichtes Pottenstein vom 28. August 1986, A 29/86-8, sei ihm die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen worden. Mit dem Beschluß des Bezirksgerichtes Pottenstein vom 19. Juni 1987, A 29/86-17, sei dem Gegner, der sich ohne dem Vorbehalt der Rechtswohltat des Inventars, demnach unbedingt, zum Erben erklärt habe, der Nachlaß zur Gänze eingeantwortet worden. Der Antragsgegner verzögere jedoch die grundbücherliche Durchführung des Abhandlungsergebnisses. Es bestehe die Gefahr, daß er die geerbten Liegenschaften und Liegenschaftsanteile verkaufe, die Kaufpreise kassiere und im Grundbuch unter Vorlage von Einantwortungsurkunde und Kaufvertrag gleich der Käufer als Eigentümer eingetragen werde. Hiedurch würde die Hereinbringung der Forderung der gefährdeten Partei vereitelt werden.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Es nahm folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:

Mit dem Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 25. September 1987, 1 Cg 1263/87, wurde der Gegner der gefährdeten Partei schuldig erkannt, der gefährdeten Partei einen Betrag von 387.755,23 S sA zu bezahlen. Der Gegner der gefährdeten Partei ist außerbücherlicher Hälfteeigentümer der Liegenschaften EZ 367, EZ 1157 und EZ 1182 des Grundbuches Berndorf I. Bezirk und der Liegenschaft EZ 162 des Grundbuches Berndorf IV. Bezirk. Diese Liegenschaften, die derzeit jeweils zur Hälfte noch im bücherlichen Eigentum der am 1. Februar 1986 verstorbenen Leopoldine L*** stehen, sind jeweils mit mehreren Millionen Schilling (zumindest 10,700.000 S) verpfändet, wobei für diese Forderung sämtliche im Antrag genannten Liegenschaften haften. Mit dem Beschluß des Bezirksgerichtes Pottenstein vom 19. Juni 1987, AZ A 29/87, wurden diese Liegenschaften bzw. Liegenschaftsanteile der gefährdeten Partei als Alleinerbin eingeantwortet. Eine Verbücherung ist bisher nicht erfolgt.

Rechtlich erachtete das Erstgericht die Voraussetzungen für die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung als gegeben. Die Entscheidung stütze sich auf § 75 der III. Teilnovelle zum ABGB, wonach zur Sicherung von Forderungen gegen den Erben bei Vorhandensein der im § 379 Abs 2 EO genannten Voraussetzungen zugunsten der Gläubiger des Erben in Ansehung des ihm anfallenden Erbgutes vor der Einantwortung bzw. vor der bücherlichen Einverleibung des Eigentumsrechtes einstweilige Verfügungen getroffen werden können. Zur Bescheinigung der Gefahr reiche es aus, daß die gefährdete Partei durch Vorlage der Einantwortungsurkunde und der aktuellen Grundbuchsauszüge nachgewiesen habe, daß die Gegnerin zwar außerbücherliche Eigentümerin sämtlicher genannter Liegenschaften sei, es aber - gleichgültig aus welchem Grunde - bisher unterlassen habe, eine Verbücherung ihres Eigentumsrechtes zu beantragen. Eine eventuell beabsichtigte Veräußerung oder Verpfändung der geerbten Liegenschaften würde jedoch im Hinblick auf die hohe Verschuldung des Antragsgegners mit hoher Wahrscheinlichkeit die Befriedigung der gefährdeten Partei vereiteln.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Gegners der gefährdeten Partei Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abwies. Die auch bei Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 75 der III. Teilnovelle zum ABGB geltende Bestimmung des § 379 Abs 2 EO verlange eine entsprechende Gefahrenbescheinigung. Da die gefährdete Partei bereits einen Exekutionstitel besitze, habe sie nur eine Gefahrenbescheinigung gemäß § 379 Abs 2 Z 1 zu erbringen. Diese sei dann gegeben, wenn Umstände vorliegen, die es wahrscheinlich machen, daß durch das Verhalten des Schuldners die Hereinbringung der Forderung eines bestimmten Gläubigers vereitelt oder erheblich erschwert würde. Im vorliegenden Fall sei von der gefährdeten Partei weder behauptet noch bescheinigt worden, daß der Gegner beabsichtige, die ihm im Erbwege zugefallenen Liegenschaften und Liegenschaftsanteile zu veräußern bzw. daß er in diese Richtung irgendwie aktiv geworden sei. Es sei lediglich auf die rein theoretische Möglichkeit der Veräußerung hingewiesen worden. Ein derartiger Hinweis allein reiche zur Gefahrbescheinigung aber nicht aus. Der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung sei daher schon mangels einer konkreten Behauptung und Bescheinigung der Gefahr abzuweisen gewesen.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs der gefährdeten Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Der Gegner der gefährdeten Partei beantragt in der Revisionsrekursbeantwortung, dem Rechtsmittel der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Die gefährdete Partei stellt sich in ihrem Rechtsmittel auf den Standpunkt, daß das Rekursgericht zu Unrecht die Bescheinigung der für die Erlassung der einstweiligen Verfügung erforderlichen Gefahr nicht als erbracht angesehen habe. Die Annahme des Rekursgerichtes sei aktenwidrig und verstoße gegen § 75 der III. Teilnovelle zum ABGB. Dem ist zu erwidern:

Nach § 75 der III. Teilnovelle zum ABGB können zur Sicherung von Forderungen gegen einen Erben bei Vorhandensein der im § 379 Abs 2 EO angegebenen Voraussetzungen zugunsten der Gläubiger des Erben in Ansehung des ihm angefallenen Erbgutes vor der Einantwortung einstweilige Verfügungen getroffen werden. Je nach dem zu erreichenden Zweck können mittels einstweiliger Verfügungen die notwendigen Sicherungsmittel der §§ 379 und 382 EO angewendet werden. Die Regelung des § 75 der III. Teilnovelle ist nach Lehre und Rechtsprechung auf Nachlaßliegenschaften auch nach der Einantwortung anzuwenden, solange der Erbengläubiger auf diese nicht Exekution führen kann, weil der Erbe noch nicht als Eigentümer einverleibt und eine Exekutionsführung nach § 350 Abs 2 EO nicht möglich ist (Heller-Berger-Stix, Kommentar zur EO4 III, 2794; SZ 19/55; SZ 38/58; SZ 53/32; JBl 1979, 323; auch ZBl. 1935/274). Voraussetzung hiefür ist aber, daß die gefährdete Partei, die die Sicherung einer Geldforderung anstrebt, gemäß § 379 Abs 2 Z 1 EO (die Z 2 der zitierten Bestimmung scheidet nach der Sachlage hier aus) konkrete Umstände behauptet und bescheinigt, die es wahrscheinlich machen, daß ohne Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung die Hereinbringung der Forderung der gefährdeten Partei durch das Verhalten ihres Gegners vereitelt oder erheblich erschwert würde. Es ist also die Behauptung und Bescheinigung einer subjektiven Gefährdung erforderlich. Diese setzt ein dahin gerichtetes positives Handeln des Schuldners voraus (8 Ob 155/69 ua). Für die Annahme einer subjektiven Gefährdung genügt weder die Vermögens- und Einkommenslosigkeit des Antragsgegners noch der Umstand, daß sich dieser gegen die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung ausspricht (Heller-Berger-Stix 2706 und 2708). Selbst die bloße Tatsache, daß gegen den Antragsgegner mehrere vollstreckbare Exekutionstitel vorliegen oder Rechtsstreite auf Zahlung anhängig sind, ja selbst daß die Konkurseröffnung über sein Vermögen bevorsteht, begründet noch nicht eine subjektive Gefährdung im Sinne des § 379 Abs 2 Z 1 EO (Heller-Berger-Stix 2707 f und 2709). In mehreren Entscheidungen (2 Ob 235/52, 5 Ob 13/74, 3 Ob 627/79, 5 Ob 27/85 ua) wurde eine derartige Gefährdung auch dann verneint, wenn sich der Antragsgegner in Zahlungsschwierigkeiten befindet, wenn er mit Klagen, Exekutions- und Konkurseröffnungsanträgen verfolgt wird. Im vorliegenden Fall hat die gefährdete Partei zwar behauptet, daß der Antragsgegner allenfalls die geerbten Liegenschaften verkaufen könnte und daß die Käufer sogleich als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen werden konnten. Sie hat aber keinerlei konkrete Behauptungen dahin aufgestellt, daß der Antragsgegner ein Verhalten an den Tag gelegt hätte, das diesen Schluß rechtfertigt und das mit hoher Wahrscheinlichkeit die Vereitelung oder erhebliche Erschwerung der Hereinbringung ihrer Geldforderung besorgen ließe (subjektive Gefährdung). Sie hat sich zur Bescheinigung der Gefahr lediglich auf den Exekutionstitel, auf mehrere Grundbuchsauszüge und auf die oben genannten Beschlüsse des Abhandlungsgerichtes berufen und auch nur diese Schriftstücke als Bescheinigungsmittel vorgelegt; dies reicht aber nicht aus. Soweit sich die gefährdete Partei auf die in EvBl 1980/142 (= SZ 53/31) veröffentlichte Entscheidung beruft, ist ihr entgegenzuhalten, daß diese einen Sachverhalt betrifft, dem eine als bescheinigt angenommene subjektive Gefährdung zugrunde lag; eine solche ist hier jedoch nicht gegeben. Im vorliegenden Fall hat das Rekursgericht aus den dargelegten Umständen vielmehr den Schluß gezogen, daß die gefährdete Partei eine konkrete, subjektive Gefährdung der Hereinbringung ihrer Forderung gemäß § 379 Abs 2 Z 1 EO weder ausreichend behauptet noch bescheinigt hat. Die Rechtsansicht des Rekursgerichtes ist im Gegensatz zur Auffassung der gefährdeten Partei durch die ständige Judikatur des Obersten Gerichtshofes, wie sie eingangs der Rechtsausführungen dargestellt wurde, gedeckt. Dabei handelt es sich um eine Frage der rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes und nicht um eine solche der richtigen Wiedergabe des Akteninhaltes; auch die oben wiedergegebene Aktenwidrigkeitsrüge der gefährdeten Partei ist somit nicht berechtigt.

Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen. Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 402, 78 EO und § 52 Abs 1

ZPO.

Wien, am 28. Juli 1988.

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