OGH 2Ob561/88

OGH2Ob561/8812.7.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in der Rechtssache der Erstantragstellerin Maria R***, Gasthaus W***, Zeile 10 c, 2640 Gloggnitz, vertreten durch Dr. August Wippel und Dr. Andreas Wippel, Rechtsanwälte in Neunkirchen, und des Zweitantragstellers Bruno R***, Arbeiter, Auf der Wiese 21, 2640 Gloggnitz, vertreten durch Dr. Erich Els, Rechtsanwalt in Stockerau, wegen Ehescheidung nach § 55 a EheG, infolge Rekurses des Zweitantragstellers gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgerichtes vom 18. April 1988, GZ R 97/88-11, womit der Rekurs des Zweitantragstellers gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Gloggnitz vom 15.Jänner 1988, GZ C 191/87 -4, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung über den Rekurs des Zweitantragstellers aufgetragen.

Die Anträge beider Antragsteller auf Zuspruch von Kosten des Rekursverfahrens werden abgewiesen.

Text

Begründung

Mit ihrer am 23.12.1987 beim Erstgericht eingebrachten Ehescheidungsklage begehrte die Erstantragstellerin die Scheidung ihrer Ehe mit dem Zweitantragsteller aus dessen Verschulden gemäß § 49 EheG.

In der über diese Scheidungsklage abgehaltenen Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 15.1.1988 beantragten beide Ehegatten übereinstimmend die Scheidung ihrer Ehe nach § 55a EheG. Sie brachten übereinstimmend vor, daß die eheliche Lebensgemeinschaft seit mehr als 6 Monaten aufgehoben und das eheliche Verhältnis unheilbar zerrüttet sei, schlossen einen Vergleich im Sinne des § 55a Abs 2 EheG und verzichteten auf Antragstellung nach den §§ 81 ff EheG. Das Erstgericht unterbrach gemäß § 460 Z 10 ZPO das wegen § 49 EheG anhängige Scheidungsverfahren und schied die Ehe der Streitteile gemäß § 55a EheG. Der diesbezügliche Beschluß wurde beiden Antragstellern am 18.1.1988 zugestellt.

Am 15.2.1988 langte ein am 12.2.1988 zur Post gegebener Rekurs des Zweitantragstellers, verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist, beim Erstgericht ein. In diesem Rechtsmittel stellte der Zweitantragsteller den Antrag, den Scheidungsbeschluß samt Vergleich aufzuheben und eine Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung anzuberaumen. Mit Beschluß vom 19.2.1988 bewilligte das Erstgericht dem Zweitantragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist.

Das Rekursgericht wies mit dem angefochtenen Beschluß den Rekurs des Zweitantragstellers zurück.

Es führte im wesentlichen aus, daß der Rekurs des Zweitantragstellers nicht als Rückziehung des Scheidungsantrages im Sinne des § 224 Abs 1 AußStrG zu qualifizieren sei. Der Rekurs sei von einem Rechtsanwalt verfaßt, ausdrücklich als Rekurs bezeichnet und als solcher ausgeführt worden. Es müsse daher davon ausgegangen werden, daß vom rechtskundigen Verfasser der Eingabe die Erhebung eines Rekurses beabsichtigt worden sei.

Dieser Rekurs sei allerdings unzulässig.

Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels sei nämlich das Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses des Rechtsmittelwerbers. Dieses fehle einem Beteiligten aber dann, wenn er die angefochtene Entscheidung - wie hier - selbst beantragt habe. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bestehe dann, wenn geltend gemacht werde, daß nachträglich eingetretene Umstände, die dem Zustimmenden bei Abgabe seiner Erklärung nicht bekannt gewesen seien, ein Abgehen von seiner Erklärung rechtfertigten. Dies müsse aber hier verneint werden. Der Rekurswerber mache nämlich in seinem Rechtsmittel primär lediglich geltend, daß er trotz des geschlossenen Scheidungsvergleiches, in dem sämtliche wechselseitige Ansprüche der Ehegatten als bereinigt erachtet worden seien, Ansprüche gegen die Erstantragstellerin geltend machen wolle. Daß es sich dabei um Ansprüche handle, die dem Zweitantragsteller bei Vergleichsabschluß nicht bekannt gewesen seien, werde nicht behauptet und sei auch nicht anzunehmen. Gleiches gelte auch für die weitere im Rekurs aufgestellte Behauptung, Eheverfehlungen seien ausschließlich von der Erstantragstellerin begangen worden. Auch in diesem Zusammenhang werde nicht einmal behauptet, daß es sich dabei um nachträglich bekannt gewordene Umstände handle. Damit bleibe lediglich die Tatsache, daß der Rekurswerber zu den in der Tagsatzung vom 15.1.1988 abgegebenen Erklärungen nicht mehr stehe, weil er es sich anders überlegt habe. Dies stelle aber keinen ausreichenden Grund dar, das Abgehen des Rekurswerbers von seinen früheren Erklärungen zu rechtfertigen.

Der Rekurs sei daher mangels eines Rechtsschutzinteresses des Rekurswerbers zurückzuweisen.

Überdies sei er auch deswegen unzulässig, weil er nur unzulässigen Inhalt aufweise. Zwar sei es gemäß § 10 AußStrG im außerstreitigen Verfahren möglich, im Rekurs erstinstanzliches Vorbringen zu ergänzen bzw für unbewiesene Behauptungen Beweismittel anzubieten. Diese Neuerungsmöglichkeit gehe aber nicht so weit, daß es den Beteiligten gestattet wäre, unter Umgehung der Grundsätze der Konzentration und der Beschleunigung des Verfahrens von den bisherigen Behauptungen abweichende oder bisher nicht aufgestellte Behauptungen vorzubringen, die bereits in erster Instanz erstattet hätten werden können. In diesem Sinne verstießen aber sämtliche im Rekurs erhobenen Behauptungen des Rekurswerbers gegen das Neuerungsverbot, da sie von seinem erstinstanzlichen Vorbringen abwichen bzw entsprechende Behautpungen in erster Instanz nicht aufgestellt worden seien. Mangle es aber einem Rechtsmittel an jedem zulässigen Inhalt, sei es als unzulässig zurückzuweisen. Gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Rekurs des Zweitantragstellers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, "daß der eingebrachte Rekurs als Zurücknahme des Antrages auf einvernehmliche Ehescheidung gewertet wird und sowohl der Beschluß auf einvernehmliche Ehescheidung als auch der in diesem Zusammenhang ergangene Vergleich aufgehoben werden."

Rechtliche Beurteilung

Die Erstantragstellerin hat eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag erstattet, den Rekurs des Zweitantragstellers als unzulässig zurückzuweisen, allenfalls ihm nicht Folge zu geben. Der vorliegende Rekurs des Zweitantragstellers, der sich gegen eine Entscheidung des Rekursgerichtes richtet, mit dem die Zulässigkeit eines von ihm erhobenen Rechtsmittels gegen den Scheidungsbeschluß des Erstgerichtes verneint wurde, ist zulässig und auch im Ergebnis berechtigt.

Vorauszuschicken ist, daß ein gegen den Scheidungsbeschluß erhobener Rekurs der Zurücknahme des Scheidungsbegehrens im Sinne des § 224 Abs 1 AußStrG nicht gleichgehalten werden kann (EvBl 1980/207); der ergangene Scheidungsbeschluß des Erstgerichtes wurde daher infolge der Einbringung des Rekurses durch den Zweitantragsteller nicht im Sinne des § 224 Abs 2 AußStrG wirkungslos.

Im übrigen räumt, wie sich aus den Bestimmungen des § 227 AußStrG ergibt, das Gesetz den beteiligten Ehegatten grundsätzlich die Möglichkeit ein, Entscheidungen des Erstgerichtes über die Scheidung ihrer Ehe nach § 55a EheG mit Rekurs anzufechten. Es kann ihnen daher nicht die Rechtsmittellegitimation mit der Begründung abgesprochen werden, daß der angefochtene Scheidungsbeschluß ihren in erster Instanz gestellten Anträgen entspreche; daß sie nämlich die Scheidung gemeinsam beantragten und zwischen ihnen Einvernehmen über die Scheidung besteht, ist ja Voraussetzung für die Scheidung ihrer Ehe nach § 55a EheG. Die Gründe, aus denen einer der Ehegatten einen derartigen Scheidungsbeschluß mit Rekurs bekämpft, mögen eine Abänderung oder Aufhebung des bekämpften Beschlusses nicht rechtfertigen; dies ist aber keine Frage der Zulässigkeit des Rechtsmittels, sondern seiner sachlichen Berechtigung. Die Zulässigkeit eines solchen Rechtsmittels kann aber, wenn einer der beteiligten Ehegatten damit die Beseitigung des ergangenen Scheidungsbeschlusses anstrebt, nicht aus dem Gesichtspunkt des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses verneint werden. Es mußte daher in Stattgebung des vorliegenden Rechtsmittels des Zweitantragstellers der Zurückweisungsbeschluß des Rekursgerichtes aufgehoben werden. Das Rekursgericht wird über das Rechtsmittel des Zweitantragstellers sachlich zu entscheiden haben.

Die Anträge beider Antragsteller auf Zuspruch von Kosten des Rekursverfahrens waren abzuweisen, weil im Verfahren über die Scheidung der Ehe im Einvernehmen nach den §§ 220 ff AußStrG ein Kostenersatz nach den Bestimmungen der ZPO nicht stattfindet (EFSlg 35.135 ua).

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