OGH 11Os74/88

OGH11Os74/884.7.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.Juli 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Doblinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Josef R*** und Andreas S*** wegen des Verbrechens nach den §§ 142 Abs 1, 143, zweiter Fall, StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Josef R*** sowie die Berufung des Angeklagten Andreas S*** gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Linz vom 6. April 1988, GZ 26 Vr 266/88-47, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Strasser, und der Verteidiger Dr. Melzer und Dr. Kahlig, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten Josef R*** und Andreas S***, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung des Angeklagten Josef R*** wird dahin Folge gegeben, daß unter Ausschaltung des § 39 StGB die über Josef R*** verhängte Strafe auf 15 (fünfzehn) Jahre herabgesetzt wird. Der Berufung des Angeklagten Andreas S*** wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen den Angeklagten Josef R*** und Andreas S*** auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 20.Oktober 1952 geborene Josef R*** und der am 3.März 1962 geborene Andreas S*** (I./) des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs 1, 143, zweiter Fall, StGB und (II./) des Vergehens nach dem § 36 Abs 1 Z 1 WaffenG schuldig erkannt und gemäß dem ersten Strafsatz des § 143 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 StGB zu Freiheitsstrafen verurteilt, und zwar R*** unter Anwendung auch des § 39 StGB in der Dauer von siebzehn Jahren und S*** in der Dauer von zehn Jahren. Es liegt ihnen zur Last,

(zu I./) in Linz nachgenannten Personen durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe, nämlich jeweils einer zum Beschuß mit Schrotpatronen umgebauten und scharf geladenen Leuchtsignalpistole, fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz abgenommen bzw abgenötigt zu haben, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, und zwar 1./ am 21.Jänner 1988 der Tankstellenkassierin Sabine P*** überdies mit Gewalt gegen ihre Person, nämlich durch Fesseln, einen Tankstellenschlüssel, mit welchem sie in der Folge in die Tankstelle des Helmut S*** eindrangen und daraus 10.040 S Bargeld sowie 48 Packungen Zigaretten im Wert von ca 1.500 S wegnahmen;

2./ am 25.Jänner 1988 dem Kassier der Sparkassenfiliale Linz, Traundorferstraße 138, Arthur W***, mit den begleitenden Worten "Geld her, schnell, schnell, wir haben eh nichts mehr zu verlieren !" einen Geldbetrag von 31.000 S;

(zu II./) in Linz und anderen Orten Österreichs die oben beschriebenen Faustfeuerwaffen unbefugt besessen zu haben, und zwar a/ Josef R*** in der Zeit vom 19. bis 26.Jänner 1988 und

b/ Andreas S*** in der Zeit vom 20. bis 26.Jänner 1988. Dieses Urteil wird von Josef R*** mit Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen den Strafausspruch sowie von Andreas S*** nur mit Berufung angefochten.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Josef R***, in welcher er sich aus dem Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 13 StPO gegen die Anwendung der Strafschärfung bei Rückfall nach dem § 39 StGB wendet, ist teils nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt und im übrigen unbegründet:

Das Beschwerdevorbringen, in welchem behauptet wird, das Erstericht habe als Begründung für die Anwendung des § 39 StGB zwei Vorstrafen herangezogen, die deshalb außer Betracht bleiben müßten, weil zu der einen, nämlich der mit dem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 4.April 1972 (AZ 24 Vr 645/71 = Punkt 5/ der Strafregisterauskunft ON 33) verhängten, nach der am 1. Juni 1977 stattgefundenen Verbüßung Rückfallsverjährung (§ 39 Abs 2 StGB) eingetreten sei, und die andere, auf dem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 25.November 1987 (AZ 27 e Vr 1902/87 = Punkt 11/ der Strafregisterauskunft ON 33) beruhende, in einer Geldstrafe bestanden habe, ist aktenwidrig. Aus dem Ersturteil ergibt sich keine derartige Begründung. Dae Geschwornengericht bejahte die Anwendbarkeit des § 39 StGB vielmehr auf Grund der Gesamtheit der Vorstrafen, wie sie aus der Strafregisterauskunft ON 33 hervorgehen (S 6 der Urteilsausfertigung). Daß die formellen Voraussetzungen des § 39 StGB vorliegen, wird in der Nichtigkeitsbeschwerde ausdrücklich zugestanden, und zwar unter Hinweis auf die Verurteilungen des Beschwerdeführers durch das Landesgericht Linz vom 27.August 1984 (AZ 23 Vr 248/84 = Punkt 8/ der Strafregisterauskunft ON 33) ua wegen des Verbrechens des versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 15, 127 Abs 1, Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 StGB und wegen des Vergehens nach dem § 36 Abs 1 lit a WaffenG zu einem Jahr Freiheitsstrafe, die bis 7.März 1985 vollzogen wurde, und vom 23.Juni 1986 (AZ 27 Vr 3100/85 = Punkt 10/ der Strafregisterauskunft ON 33) wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 StGB sowie wegen der Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB und der Hehlerei nach dem § 164 Abs 1 Z 2, Abs 2 StGB, dann wegen des Vergehens nach dem § 36 Abs 1 lit a und c (alt) WaffenG zu 18 Monaten Freiheitsstrafe, die am 30.Mai 1987 verbüßt war.

Mit dem Einwand, es genügten für die Anwendung der Strafschärfung bei Rückfall nach dem § 39 StGB nicht die darin angeführten Formalvoraussetzungen, sondern es müsse zusätzlich begründet werden, warum mit dem gesetzlichen Strafrahmen nicht das Auslangen gefunden und eine Überschreitung für notwendig erachtet werde, macht der Beschwerdeführer an sich keinen Verstoß gegen die Bestimmungen über die Strafbemessung geltend, der als unvertretbar anzusehen wäre (§ 345 Abs 1 Z 13 StPO, dritter Anwendungsfall). Richtig ist, daß die Heranziehung des § 39 StGB nicht generell schon bei Vorliegen seiner formalen Voraussetzungen stattfinden, sondern nur besonderen Fällen eines erhöhten Strafbedürfnisses vorbehalten bleiben soll. Ein Verstoß dagegen würde indes grundsätzlich keine materiellrechtliche Nichtigkeit nach dem § 345 Abs 1 Z 13 StPO, vielmehr bloß einen Ermessensfehler des Gerichtes bedeuten, der mit Berufung (§§ 283, 346 StPO) anzufechten ist.

Im übrigen begründete das Erstgericht das für die Strafschärfung bei Rückfall vorausgesetzte erhöhte Strafbedürfnis nicht nur insbesondere mit einer Vielzahl wegen Vermögensdelinquenz, ua wegen schweren Raubes, über den Beschwerdeführer verhängten Vorstrafen, sondern auch mit der bei dem früheren Raub gezeigten Brutalität, der in den letzten Jahren auffällig rascheren Rückfälligkeit sowie mit der zuletzt zutage getretenen vermehrten kriminellen Risikobereitschaft und Hemmungslosigkeit des Beschwerdeführers sowie mit der kurzen Aufeinanderfolge der gegenständlichen bewaffneten Raubüberfälle (S 8 f der Urteilsausfertigung).

Daß das Erstgericht bei Feststellung der Strafbemessungstatsachen sämtliche einschlägigen Vorstrafen (von denen übrigens die vom Landesgericht Linz am 13.Juni 1983 ua wegen Veruntreuung verhängte Freiheitsstrafe von vier Monaten AZ 27 E Vr 1402/83 = Punkt 7/ der Strafregisterauskunft ON 33 ebenfalls zu den nach § 39 StGB formal in Betracht zu ziehenden gehört) als erschwerend anführte, stellt dem (in der Berufung enthaltenen) Einwand des Beschwerdeführers zuwider allein noch keinen Verstoß gegen das sogenannte Doppelverwertungverbot dar. Auch bei einer Strafschärfung nach dem § 39 StGB sind (vorerst) sämtliche einschlägigen Vorstrafen als erschwerend zu berücksichtigen, weil die Sammlung der für die Strafbemessung maßgebenden Tatsachen vorangeht und erst auf Grund einer Wertung aller hier bedeutsamen Umstände beurteilt werden kann, ob der Fall eine Überschreitung des gesetzlichen Strafrahmens erheischt (RZ 1983/10 ua). Aus den dargelegten Erwägungen war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Josef R*** zu verwerfen.

Bei der Strafbemessung wertete das Geschwornengericht bei beiden Angeklagten das Zusammentreffen zweier Raubfakten mit dem Vergehen nach dem WaffenG, die einschlägigen Vorstrafen, den raschen Rückfall sowie die Dauer und die Intensität der Einwirkung auf Sabine P*** als erschwerend. Als mildernd wurden demgegenüber das Geständnis der beiden Rechtsmittelwerber und die teilweise objektive Schadensgutmachung berücksichtigt.

Josef R*** strebt mit seiner Berufung die Herabsetzung der Freiheitsstrafe "auf weniger als zwölf Jahre", Andreas S*** gleichfalls eine "erhebliche" Strafmilderung an.

Nur die Berufung des Josef R*** ist - teilweise - begründet. Das Erstgericht fand bei diesem Angeklagten ein Strafmaß, das selbst unter Bedachtnahme auf die für die Überschreitung des gesetzlichen Strafrahmens angeführten Gründe als zu streng angesehen werden muß. Vor allem bei einem Vergleich mit ähnlich gelagerten Fällen erachtet der Oberste Gerichtshof die gesetzliche Strafobergrenze von fünfzehn Jahren für die Erreichung der Strafzwecke als ausreichend. Die außerordentliche Maßnahme der Strafschärfung wurde bei Josef R*** noch nicht als erforderlich angesehen, die bei diesem Angeklagten angewendete Bestimmung des § 39 StGB daher aus dem angefochtenen Urteil ausgeschaltet. Insoweit war der Berufung des Angeklagten R*** Folge zu geben. Nicht begründet ist jedoch die Berufung des Angeklagten S***. Bei ihm fand das Erstgericht ein dem Unrechts- und Schuldgehalt der beiden bewaffneten Raubüberfälle adäquates Strafausmaß. Für dessen Reduktion bestand vor allem im Hinblick auf Art und Dauer der von Andreas S*** gegen Sabine P*** unmittelbar gerichteten Gewalttätigkeiten kein Anlaß. Die vom Erstgericht angenommene psychische Beeinträchtigung dieses Tatopfers ist - entgegen den Berufungsausführungen - durch die Angaben der genannten Zeugin vor der Sicherheitsbehörde (S 37, 39 d.A.) und ihr Erscheinungsbild in der Hauptverhandlung (S 482) gedeckt.

Der Berufung des Andreas S*** konnte daher kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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