Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 11.Juli 1970 geborene, zuletzt als Hausarbeiter beschäftigt gewesene Jugendliche Freddy Anton M*** auf Grund des Wahrspruches der Geschwornen, welche die anklagekonform gestellten Hauptfragen stimmeneinhellig bejaht hatten, des Verbrechens der versuchten Unzucht mit Unmündigen nach den §§ 15, 207 Abs 1 StGB (Punkt I/ 1/ des Urteilssatzes), des Vergehens der versuchten Nötigung zur Unzucht nach den §§ 15, 204 Abs 1 StGB (Punkt I/ 2/ des Urteilssatzes), des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB (Punkt II/ des Urteilssatzes) sowie des Vergehens der Störung der Totenruhe nach dem § 190 Abs 1 StGB (Punkt III/ des Urteilssatzes) schuldig erkannt.
Nach dem Urteilsspruch liegt dem Angeklagten zur Last, am 22. Oktober 1987 in Steyr-Gleink
I./ dadurch, daß er den am 27.Februar 1978 geborenen Axel Clemens F*** durch einen Vorwand in einen Schilfgürtel lockte, ihn dort niederstieß und dessen Geschlechtsteil zu betasten versuchte, wobei die Tatvollendung durch den Widerstand des Axel Clemens F*** unterblieben ist, versucht zu haben
1/ eine unmündige Person auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht zu mißbrauchen;
2/ außer den Fällen der §§ 201 bis 203 StGB eine Person mit Gewalt zur Unzucht zu nötigen;
II./ Axel Clemens F*** durch Erwürgen vorsätzlich getötet und III./ dadurch, daß er den Geschlechtsteil des bereits toten Axel Clemens F*** betastete, einen Leichnam verunehrt zu haben. Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 6 und 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die sich in keinem Anfechtungspunkt als begründet erweist. Überdies ficht er den Strafausspruch mit Berufung an.
Mit Beziehung auf den erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund rügt der Angeklagte zunächst die - entgegen dem Antrag seines Verteidigers in der Hauptverhandlung - unterbliebene Stellung einer auf das Verbrechen des Totschlags nach dem § 76 StGB gerichteten Eventualfrage an die Geschwornen als Verstoß gegen die Vorschrift des § 314 StPO. Der Beschwerdeführer verweist hiezu auf seine Verantwortung in der Hauptverhandlung, wonach er aus Angst vor Entdeckung der (homosexuellen) Unzuchtshandlungen in eine Paniksituation geraten sei und den Knaben erwürgt hätte.
Rechtliche Beurteilung
Die Rüge erweist sich als verfehlt.
Gemäß dem § 314 Abs 1 StPO ist eine Eventualfrage unter anderem zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht werden, wonach, wenn sie als erwiesen angenommen werden, die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz fiele, das nicht strenger ist als das in der Anklageschrift angeführte. Dem Beschwerdevorbringen zuwider liegen aber nach den in der Hauptverhandlung vorgebrachten Tatsachen die Voraussetzungen für die angestrebte Fragestellung nicht vor. Der gegenüber Mord (§ 75 StGB) vom Gesetz mit geringerer Strafe bedrohte (privilegierte) Totschlag (§ 76 StGB) ist dadurch charakterisiert, daß sich der Täter zur vorsätzlichen Tötung eines anderen in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung hinreißen läßt. Der Angeklagte brachte in seiner Verantwortung im wesentlichen vor, daß der sich gegen die Unzuchtshandlungen wehrende Axel Clemens F*** angedroht hätte, diesen Vorfall seiner Mutter mitzuteilen. Die bei Bekanntwerden seines homosexuellen Verhaltens befürchtete nachteilige Einschätzung seiner Person bei den anderen Heiminsassen hätte ihn zur Tötung des Knaben veranlaßt (S 26 ff; 35; 37 in Band II).
Diese Sachverhaltsschilderung des Angeklagten zeigt indessen selbst unter Bedacht auf die in der Beschwerde relevierten psychischen Zusammenhänge keine Situation auf, welche eine Fragestellung nach Totschlag geboten hätte. Auch wenn der Angeklagte durch die Ankündigung des Opfers, die Unzuchtshandlungen bekanntzugeben, in eine allenfalls heftige Gemütsbewegung zur Tatzeit geraten sein sollte, kann nach Lage des Falles nicht von allgemeiner Begreiflichkeit gesprochen werden. Muß doch die heftige Gemütsbewegung in ihrer Relation zu dem sie herbeiführenden Anlaß bei Anlegung eines objektiven Maßstabes sittlich verständlich sein. Ein hochgradiger Affektzustand ist aber nur dann als allgemein begreiflich anzusehen, wenn er bei rechtsethischer Bewertung für einen rechtstreuen Durchschnittsmenschen in der Situation des Täters vorstellbar wäre (11 Os 4/85, EvBl 1982/80 ua). Dies bedeutet, daß bei Tötung des Tatopfers zur Verdeckung einer Straftat eine Privilegierung gemäß dem § 76 StGB mangels sittlicher Verständlichkeit eines psychischen Ausnahmezustandes, in den ein Täter durch seine eigene strafbare Handlung und durch die Furcht vor Entdeckung geraten ist, nicht in Betracht kommt (Kienapfel, BT I2, RN 29; Moos im WK Rz 31, 37 jeweils zu § 76 StGB; EvBl 1982/167; 10 Os 168/83, 11 Os 157/87 = NRsp 1988/112). Demnach vermag auch hier die Angst des Angeklagten, von seinem Opfer "verraten" zu werden und die Befürchtung, daß seine homosexuellen Neigungen bekannt werden könnten, eine privilegierende Schuldbewertung im Sinn der zitierten Gesetzesstelle nicht zu rechtfertigen. Die Stellung einer auf Totschlag abzielenden Eventualfrage war deshalb mangels rechtlicher Erheblichkeit der in der Hauptverhandlung vorgebrachten und in der Beschwerde relevierten Tatsachen nicht indiziert (Mayerhofer-Rieder, StPO2, ENr 36 bis 38 zu § 314).
Eine weitere Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung sieht die Beschwerde darin, daß Eventualfragen in Richtung des Vergehens der Störung der Totenruhe nach dem § 190 Abs 1 StGB zu den Hauptfragen II und III nicht gestellt wurden, obgleich nach der Verantwortung des Angeklagten nicht mit Sicherheit feststehe, daß Axel Clemens F*** im Zeitpunkt der Unzuchtshandlungen noch am Leben gewesen sei.
Die Rüge versagt schon deshalb, weil dem Angeklagten einerseits nur der Versuch (Tatbestände nach den §§ 204 Abs 1 und 207 Abs 1 StGB) zur Last lag und weil andererseits der den (vermißten) Eventualfragen zugrundeliegende Sachverhalt (unsittliche Berührung des Leichnams) ohnehin Gegenstand der Hauptfrage IV war. Der Möglichkeit aber, daß der Angeklagte sein Opfer zu dessen Lebzeiten auch nicht in Form eines Versuches zur Unzucht mißbrauchen oder nötigen wollte, konnten die Geschwornen durch Verneinung der in Richtung des Verbrechens der versuchten Unzucht mit Unmündigen nach den §§ 15, 207 Abs 1 StGB und des Vergehens nach den §§ 15, 204 Abs 1 StGB gestellten Hauptfragen II und III Rechnung tragen. Das vom Schwurgerichtshof gewählte Fragenschema entspricht somit dem Gesetz.
Soweit der Angeklagte schließlich in seiner auf die Z 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Rechtsrüge (sinngemäß) die Annahme eintätigen Zusammentreffens des Verbrechens nach dem § 207 Abs 1 StGB mit dem Vergehen nach dem § 204 Abs 1 StGB mit der Behauptung bekämpft, daß auf Grund seiner Verantwortung lediglich eine Hauptfrage wegen des Vergehenstatbestandes (§ 204 Abs 1 StGB) zu stellen gewesen wäre, ist ihm zunächst entgegenzuhalten, daß entsprechend dem Wesen der materiellrechtlichen Nichtigkeitsgründe und der Natur des Wahrspruches ein Rechtsirrtum nur aus dem Wahrspruch selbst nachgewiesen werden kann, wogegen die Heranziehung von Ergebnissen des Beweisverfahrens grundsätzlich ausgeschlossen ist, soweit sie nicht durch Aufnahme in den Wahrspruch festgestellt wurden (Mayerhofer-Rieder, StPO2, ENr 7 zu § 345 Z 11 a). Geht man aber vom Inhalt des Verdikts aus, dann haftet der Subsumtion der dort festgestellten Tathandlung unter die angewendeten Gesetzesstellen kein Rechtsirrtum an.
Nach herrschender Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist
bei vergleichender Betrachtung und Abwägung aller
Tatbestandsmerkmale eine generelle Spezialität der Normen gegen den
geschlechtlichen Mißbrauch Unmündiger (§§ 206, 207 StGB) gegenüber
denjenigen zum Schutz vor sexuellen Angriffen mit Brechung oder
Beugung des Willens des widerstrebenden Opfers (§§ 201 bis 204 StGB)
wegen der Verschiedenheit der zu schützenden Rechtsgüter nicht
anzunehmen (ÖJZ-LSK 1983/162 = RZ 1983/55 = EvBl 1984/57 = JBl 1984,
99; ÖJZ-LSK 1985/26 = RZ 1985/32 = EvBl 1985/94 = SSt 55/81;
RZ 1986/62; RZ 1987/46).
Daraus folgt, daß bei einem Sachverhalt, wie dem hier zur Beurteilung stehenden, nur die Subsumtion unter die Straftatbestände des § 207 und des § 204 StGB den gesamten Unrechtsgehalt der deliktischen Handlung zu erfassen vermag.
Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war darum zu verwerfen.
Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 75 StGB unter Anwendung des § 28 StGB und des § 11 JGG eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Jahren. Überdies wurde der Angeklagte gemäß dem § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
Bei der Strafbemessung wertete das Geschwornengericht als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen verschiedener Art und die Ausnützung der Wehr- und Hilflosigkeit des Opfers; als mildernd hingegen, daß die Tat unter dem Einfluß eines abnormen Geisteszustandes verübt wurde, daß der Angeklagte, dessen Erziehung vernachlässigt wurde, ein Tatsachengeständnis, wenn auch mit geringer Reue, ablegte und daß bei den Unzuchtsdelikten Versuch vorliegt. Überdies wurde dem Angeklagten die - allerdings durch strafbare Handlungen im August 1984 im Zustand verzögerter Reife (Brandlegungen) getrübte - gerichtliche Unbescholtenheit zugute gehalten.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Strafe unter Anwendung des § 41 StGB an.
Die Strafzumessungsgründe wurden in erster Instanz im wesentlichen richtig und vollständig erfaßt sowie ihrer Bedeutung entsprechend gewürdigt. Dem Berufungsvorbringen ist kein neuer Aspekt zu entnehmen, der die Tat in milderem Licht erscheinen lassen könnte. Angesichts des überaus hohen Unrechtsgehaltes der Tat kann die verhängte Strafe nicht als unangemessen bezeichnet werden. Auch der Berufung mußte daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.
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