Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte hat der Klägerin die mit S 3.399,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin begehrte die Scheidung ihrer mit dem Beklagten am 14. September 1979 geschlossenen Ehe und führte zur Begründung aus:
Die Ehe sei nur anfangs kurzfristig glücklich verlaufen. Nach der am 10. Juni 1980 erfolgten Geburt des gemeinsamen Sohnes Robert habe sich die Beziehung der Ehegatten zueinander aus dem Verschulden des Beklagten wesentlich verschlechtert. Der Beklagte habe sich in vermehrtem Maße dem Alkohol zugewendet. Er verbringe seine Freizeit allein, ohne Möglichkeiten der Klägerin, an der Freizeitgestaltung teilzunehmen, zu berücksichtigen. Trotz wiederholter Vorhalte durch die Klägerin sei der Beklagte auch nicht bereit, den Alkoholgenuß einzustellen. Er sei aufbrausend, herrisch und rücksichtslos. Die Tochter der Klägerin aus erster Ehe werde vom Beklagten grundlos geschlagen und tyrannisiert. Wegen aller dieser Verhaltensweisen des Beklagten, der - so wie die Klägerin - bereits einmal verheiratet gewesen sei, erscheine die Ehe der Streitteile so tiefgreifend zerrüttet, daß eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden könne.
Der Beklagte beantragte Klageabweisung. Es sei unrichtig, daß er viel Alkohol konsumiere. Infolge eines Schlaganfalles müsse er Medikamente in hoher Dosis einnehmen und diese verhindere gerade das Trinken von Alkohol. Von einer Mißhandlung oder Tyrannisierung der Tochter der Klägerin könne überhaupt keine Rede sein. Die Klägerin übergebe dem Beklagten die beiden Kinder in seine Obsorge, um ihre Freizeit ungestört verbringen zu können. Nicht der Beklagte nehme bei der Freizeitgestaltung auf die Klägerin keine Rücksicht, sondern umgekehrt die Klägerin nicht auf die diesbezüglichen Möglichkeiten des Beklagten. Dieser könne nicht mehr Tennis spielen, die Klägerin habe aber darauf keinen Bedacht genommen und ihr Tennisspiel nicht eingeschränkt. Im Bad lege sich die Klägerin an die Sonne ohne Rücksicht darauf, daß der Beklagte wegen seines Schlaganfalles woanders im Schatten liege. Aus allen diesen Gründen erscheine das Scheidungsbegehren sittlich nicht gerechtfertigt.
Das Erstgericht sprach die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten aus.
Es stellte fest, daß der Beklagte schon in der Zeit nach der Eheschließung dem Alkohol nicht abgeneigt und in den letzten drei Jahren der Ehe öfters betrunken war. Trotz eines im Jahre 1986 erlittenen Schlaganfalles hatte er weiter getrunken und Medikamente teilweise mit Schnaps eingenommen. Obwohl ihm die Klägerin seinen Alkoholismus vorwarf und er seit dem Jahre 1983 aus ärztlicher Sicht nicht mehr hätte trinken sollen, trank er weiter. Zu Beginn der Ehe verbrachten die Streitteile die Freizeit gemeinsam. Im Laufe der Zeit lebten sie sich auseinander und jeder ging seine eigenen Wege. Ein Grund hiefür lag darin, daß mit dem Beklagten in seinem betrunkenen Zustand, welcher öfters vorlag, "nichts anzufangen war". Die Einnahme von Medikamenten in Komibination mit dem Alkoholkonsum hat beim Kläger zu einer Wesensänderung geführt. Er beschimpft die Klägerin und vernachlässigt seine Stieftochter, auch schlug und tyrannisierte er diese zeitweise.
Dieses Verhalten des Beklagten wertete das Erstgericht als schwere Eheverfehlung gemäß § 49 EheG. Den Umstand, daß der Klägerin die Neigung des Beklagten zum Alkoholkonsum bereits bei der Eheschließung bekannt war, hielt es für unerheblich. Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil. Die erstgerichtlichen Feststellungen erachtete es als unbedenklich und die rechtliche Beurteilung als zutreffend. Der Beklagte habe seinen Alkoholmißbrauch selbst zugestanden. Das von ihm der Klägerin vorgeworfene Verhalten im Freizeitbereich sei nur eine Reaktion auf sein eigenes Verhalten. Eine unheilbare Zerrüttung der Ehe als Voraussetzung ihrer Scheidung liege schon dann vor, wenn ein Ehegatte wegen des Verhaltens des anderen Ehegatten subjektiv seine eheliche Gesinnung verloren habe. Dies sei bei der Klägerin der Fall. Für die vom Beklagten behauptete mangelnde sittliche Rechtfertigung des Scheidungsbegehrens fehle es an behaupteten und in relevantem Maße erwiesenen Eheverfehlungen der Klägerin. In seiner auf den Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützten Revision beantragt der Beklagte die Abänderung der vorinstanzlichen Urteile im Sinne der Klageabweisung; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Der Revisionswerber verweist darauf, daß die Anwendung des § 49 Satz 2 EheG keiner besonderen Einwendung bedürfe und bringt vor, die Vorinstanzen hätten sich im Hinblick auf seine Behauptung schwerer Eheverfehlungen der Klägerin von Amts wegen auch mit dieser Frage befassen müssen. Der Klägerin sei anzulasten, daß sie auf den sich verschlechternden Gesundheitszustand des Beklagten keine Rücksicht genommen, ihre Freizeit allein verbracht und ihn im Bad nicht beachtet, sondern sich woanders hingelegt habe. Auch diese Gründe hätten neben der dem Beklagten vorgeworfenen Alkoholisierung zur Entfremdung zwischen den Streitteilen geführt und es müsse erwogen werden, daß im Hinblick darauf "eine sittliche Rechtfertigung des Scheidungsbegehrens nicht vorliegt", denn es seien die Verfehlungen des Beklagten erst durch das Verhalten der Klägerin ausgelöst worden und träten gegenüber deren Verhalten in den Hintergrund. Offengeblieben sei auch die Frage, ob der Alkoholkonsum des Beklagten im Hinblick auf die Bestimmung des § 57 EheG überhaupt als schwere Eheverfehlung und Scheidungsgrund herangezogen werden könne, da sich dieser seit der Eheschließung keinesfalls vergrößert habe und von der Klägerin von Anfang an toleriert worden sei. Weiters sei zu erwägen, ob dieser Alkoholkonsum nicht nach § 50 EheG zu beurteilen sei. Im übrigen stelle das Verhalten des Beklagten eine entschuldbare Reaktionshandlung auf die offenkundige Lieblosigkeit und Interesselosigkeit der Klägerin, keinesfalls aber eine schwere Eheverfehlung dar, welche die Zerrüttung der Ehe herbeigeführt habe. Diese Ausführungen sind teilweise feststellungswidrig und daher unbeachtlich, im übrigen aber nicht stichhältig.
Die Vorinstanzen haben im Rahmen der Parteienbehauptungen - im Scheidungsverfahren gilt der Grundsatz der Amtswegigkeit nicht; siehe § 460 Z 4 ZPO - das Verhalten der Streitteile in der Ehe festgestellt. Der Beklagte stellte keinen Antrag gemäß § 60 Abs 3 EheG auf Ausspruch eines Mitverschuldens der Klägerin an der Scheidung der Ehe. Auf allenfalls im Verhalten der Klägerin gelegene Eheverfehlungen war daher beim Verschuldensausspruch nicht Bedacht zu nehmen. Wohl war im Sinne der zutreffenden Rechtsansicht des Revisionswerbers gemäß § 49 zweiter Satz EheG zu prüfen, ob die Scheidungsklage wegen Verfehlungen der Klägerin unter Bedachtnahme auf die Verfehlungen des Beklagten bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe sittlich nicht gerechtfertigt ist. Die Vorinstanzen lasteten dem Beklagten seine Trunksucht, seine Beschimpfungen der Klägerin und sein Verhalten gegenüber deren Tochter in der Gesamtheit als schwere Eheverfehlung an. Dabei handelt es sich um vom allfälligen ehewidrigen Verhalten der Klägerin unabhängige Eheverfehlungen des Beklagten, welche in ihrer Bedeutung keinesfalls unverhältnismäßig leichter wiegen als ein ehewidriges Verhalten der Klägerin. Die Anwendung der Verwirkungsklausel des zweiten Satzes des § 49 EheG kommt daher nicht in Betracht (vgl. die in Dittrich-Tades ABGB32 bei § 49 unter E 108 bis 112 abgedruckten Entscheidungen). Der Umstand, daß die Klägerin vom Hang des Beklagten zum Alkoholkonsum bei der Eheschließung wußte, nimmt ihr nicht das Recht auf Geltendmachung dieses Umstandes als Scheidungsgrund, nachdem sie durch wiederholte Vorhalte den Beklagten von dem bis in die letzte Zeit fortgesetzten Alkoholgenuß (siehe die Parteienaussage des Beklagten in AS 25: "Im letzten Monat habe ich nichts getrunken, weil ich auf Kur war".) erfolglos abzuhalten versucht hatte. Insoweit ist daher auch eine Verfristung im Sinne des § 57 EheG nicht eingetreten. Von bloßen Reaktionshandlungen des Beklagten kann nach dem festgestellten Sachverhalt keine Rede sein. Schließlich hat der Beklagte selbst keine Umstände behauptet, aus welchen eine geistige Störung seinerseits im Sinne des § 50 EheG abzuleiten wäre. Für eine solche ergibt auch der vorliegende Sachverhalt keinen Anhaltspunkt. Die Scheidungsklage ist auf § 49 EheG gegründet. Im Hinblick auf das von den Vorinstanzen festgestellte und zutreffend als schwere Eheverfehlung gewertete Verhalten des Beklagten sowie mangels eines Antrages seinerseits, ein Mitverschulden der Klägerin festzustellen, wurde die Ehe der Streitteile mit Recht aus seinem Verschulden geschieden.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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