OGH 8Ob25/88

OGH8Ob25/8830.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***-Bank Gesellschaft mbH., Hanuschgasse 1, 1010 Wien, vertreten durch Dr. Karl Schleinzer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Friedrich A***, geboren 20. Mai 1957, Kaufmann, 2. Maria A***, geboren 10. März 1961, Angestellte, beide Seibuttendorf 48, 8421 Wolfsberg, vertreten durch Dr. Heinz Pratter, Rechtsanwalt in Leibnitz, wegen S 183.827,-- sA infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 6. November 1987, GZ 1 R 198/87-10, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 4. August 1987, GZ 7 Cg 151/87-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Sache wird an das Erstgericht zur Fortsetzung der Verhandlung

und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Gegen den antragsgemäß erlassenen Wechselzahlungsauftrag vom 8. Mai 1987 erhoben die Beklagten folgende Einwendungen:

Sie hätten für das vom Erstbeklagten betriebene Deichgräberunternehmen beim Kraftfahrzeughändler Julius H*** in Oberwart einen LKW (Magirus Deutz M 310 Bj. 1978) um S 180.000,-- gekauft; dabei hätten sie eine Barzahlung von S 30.000,-- geleistet, während der Restkaufpreis von S 150.000,-- durch eine Kreditfinanzierung der klagenden Partei aufgebracht worden sei. Julius H*** habe dafür die erforderlichen Papiere vorbereitet und den Beklagten zur Unterschrift vorgelegt.

Der LKW sei sogleich von den Beklagten übernommen worden, der Restkaufpreis sei gemäß Kreditfinanzierung der klagenden Partei vom Verkäufer vereinnahmt worden. Wegen Mängeln des LKWs sei mit Julius H*** letztlich vereinbart worden, daß der Kaufvertrag einvernehmlich aufgelöst, der LKW an ihn zurückgestellt und die von ihm vereinnahmte Kreditsumme an die klagende Partei zurückgezahlt werde. Damit sei die Geschäftsgrundlage des Kreditvertrages zwischen den Streitteilen entfallen. Eine weitergehende Verwendungsvereinbarung des vorliegenden Sicherungswechsels habe nicht bestanden. Der - namentlich nicht genannte - Sachbearbeiter der klagenden Partei sei grundsätzlich damit einverstanden gewesen, er habe lediglich - zu Unrecht - bei den Beklagten die Raten für Mai bis Juli 1986 urgiert. Mit der Kreditvereinbarung sei auch der mit Julius H*** vereinbarte Eigentumsvorbehalt auf die klagende Partei übergegangen. Auch habe eine von der klagenden Partei veranlaßte Schätzung des LKWs ergeben, daß dessen Wert lediglich zwischen S 60.000,-- und S 70.000,-- gelegen sei, sodaß überdies wegen laesio enormis gemäß § 934 ABGB ein Recht der Beklagten zur Auflösung des Kaufvertrages bestanden habe. Darüber hinaus seien den Beklagten aus verschiedenen Reparaturen des LKWs Aufwendungen von S 40.000,-- entstanden, welche sie im Falle der Sachfälligkeit als "Gewährleistungsansprüche" aufrechnungsweise einwendeten. Die klagende Partei bestritt das Einwendungsvorbringen der Beklagten und insbesondere (die Voraussetzungen für) den Einwendungsdurchgriff, wobei sie auf die Bedingungen des Kreditvertrages, insbesondere den Gewährleistungsausschluß laut Punkt VI der Beilage ./B hinwies.

Die Beklagten erwiderten darauf, Punkt VI der Geschäftsbedingungen der klagenden Partei sei eine nicht besonders hervorgehobene, ungewÄhnliche, die Beklagten gröblich benachteiligende Vertragsbestimmung im Sinne der §§ 864 a und 879 Abs 3 ABGB, auf welche sie vom (den Kreditantrag für die klagende Partei entgegennehmenden) Verkäufer nicht hingewiesen worden seien. Das Erstgericht hielt den Wechselzahlungsauftrag aufrecht. Es stellte fest, die Beklagten hätten anläßlich des LKW-Kaufes beim Autohändler Julius H*** in Oberwart ein an die klagende Partei gerichtetes Kreditansuchen über S 150.000,-- zuzüglich S 600,-- Erhebungskosten, rückzahlbar in zwölf gleichen Monatsraten zu je S 13.600,-- ab 22. Mai 1986, sowie den Wechsel Beilage ./A (gemeint wohl: blanko als Annehmer) unterfertigt. In Punkt VI der Kreditbedingungen sei "vereinbart" (wörtlich: gilt ausdrücklich als vereinbart), daß die Bank keinerlei wie immer geartete Gewährleistungspflicht treffe und der Kreditnehmer sich an den Verkäufer zu halten habe. Auf diese Bestimmung seien die Beklagten von Julius H*** nicht aufmerksam gemacht worden, die Urkunde selbst hätten sie nicht gelesen. Den "Darlehensbetrag" habe die klagende Partei direkt an Julius H*** ausbezahlt.

In rechtlicher Beurteilung dieses Sachverhaltes sah das Erstgericht den Darlehensvertrag und den Kaufvertrag jeweils als voneinander getrennte Verträge an und verwies die lediglich aus dem Kaufvertrag erhobenen Einreden und Gegenforderungen der Beklagten auf ihre Rechtsbeziehungen zum Verkäufer. Gegen die klagende Partei als Darlehensgeberin stünden ihnen diese Einreden nicht zu. Infolge Berufung der beklagten Parteien bestätigte das Berufungsgericht und ließ die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Die von den beklagten Parteien erhobene außerordentliche Revision ist sowohl zulässig, als auch berechtigt.

Der vorliegende Sachverhalt bietet - selbst nach seiner bisherigen Ausformung - überwiegende Anhaltspunkte für die Annahme einer von Lehre und Rechtsprechung als "drittfinanzierter Kauf" bezeichneten Vertragsbeziehung zwischen dem Verkäufer (Julius H***), dem Käufer (den Beklagten) und dem "Finanzierer" (der klagenden Partei), bei welcher unter gewissen rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen den vom Finanzierer aus dem Finanzierungsvertrag (Darlehensvertrag) in Anspruch genommenen Käufern (Darlehensnehmern) der Einwendungsdurchgriff aus dem (etwa mangelhaft erfüllten oder gar bereits aufgehobenen) Kaufvertrag gestattet wird (F. Bydlinski in Klang2 IV 381 f, insb. 419 ff; Koziol-Welser8 I 316 ff; Aicher in Rummel, ABGB, Rdz 11 ff zu § 1063; ua; SZ 58/39 = JBl 1986, 307 (Reidinger); JBl 1985, 354; JBl 1979, 91; JBl 1975, 372 (F. Bydlinski); EvBl 1964/364; JBl 1964/324 (F. Bydlinski); ua). Lehre (Koziol-Welser aaO 318 f; Aicher aaO Rdz 16, 17) und Rechtsprechung (SZ 58/39 ua) lassen dann, wenn die vom Käufer mit dem Verkäufer (Kaufvertrag) und Geldgeber (Finanzierungsvertrag) geschlossenen Verträge für diese eine wirtschaftliche Einheit bilden, wenn also Geldgeber und Unternehmer im Rahmen dieses Vorganges zueinander in eine Rechtsbeziehung treten oder wenn sie wegen derartiger Finanzierungen in ständiger Geschäftsbeziehung stehen (§ 18 Satz 1 KSchG), auch bei nicht dem Konsumentenschutzgesetz unterliegenden drittfinanzierten Käufen gegen die Forderung aus dem Finanzierungsvertrag den Einwendungsdurchgriff aus dem Kaufvertrag zu (wegen Nichterfüllung;

Schlechterfüllung; laesio enormis; Nichteintritt einer Bedingung;

Irrtum und Irreführung etc - vgl. Krejci in Rummel, ABGB, Rdz 24 zu §§ 18, 19 KSchG mwJudH). Hat aber wie im üblichen (offenbar auch vorliegenden) Fall der Kauffinanzierung der Finanzierer die Kaufpreisforderung des Verkäufers im Sinne des §§ 1422, 1423 ABGB eingelöst und sich damit auch den Eigentumsvorbehalt uam gesichert, dann scheitern in Geschäftsbedingungen des Finanzierers (wie hier Beilage ./B Punkt VI.) für solche Geschäfsfälle enthaltene Klauseln über den Einwendungsausschluß (etwa mit Verweisung von Gewährleisttungsansprüchen an den Verkäufer) wegen der gröblichen Benachteiligung des in seiner Entscheidungsfreiheit stark geminderten Käufers an ihrer Sittenwidrigkeit (Bydlinski aaO 404;

Aicher aaO Rdz 16 ua; EvBl 1964/364 ua), oder gar daran, daß sie zwar im Finanzierungsvertrag aufscheinen, der Finanzierer, welcher die Kaufpreisforderung des Verkäufers eingelöst hat, aber richtiger Ansicht nach (Bydlinski aaO 419 ff, insb. 422; zustimmend Aicher aaO Rdz 17) im Umfang dieser Einlösung keine Darlehens-, sondern eben doch die (eingelöste) Kaufpreisforderung gegen den Käufer geltend macht. Die beklagten Parteien haben in ihrer Zulassungsbeschwerde im Ergebnis zutreffend auf die oben dargelegte Problematik des zulässigen Einwendungsdurchgriffs beim drittfinanzierten Kauf hingewiesen und damit im Sinne des § 503 Abs 2 ZPO dargetan, daß das Urteil des Berufungsgerichtes auf der unrichtigen Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechtes beruht, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung im Sinne § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zukommt. Mangels Bindungswirkung des gegenteiligen Ausspruchs des Berufungsgerichtes gemäß § 508 a Abs 1 ZPO ist daher die zulässige Revision der Beklagten anzunehmen.

Sie ist aber auch berechtigt.

Werden die bei der Behandlung der Zulassungsbeschwerde dargelegten, vom Obersten Gerichtshof in abstracto als zutreffend erkannten rechtlichen Überlegungen und Ableitungen zum "drittfinanzierten Kauf" auf den - bisher - vorliegenden Sachverhalt bezogen, dann erweist sich das Verfahren wegen der von den Revisionswerbern - schon in ihrer Berufung - gerügten Feststellungsmängel als nicht spruchreif. Unter Zugrundelegung der dargelegten Rechtsansicht werden im fortgesetzten Verfahren entsprechende Erörterungen gemäß § 180 Abs 3 ZPO mit den Parteien vorzunehmen und diese sodann zu entsprechenden Vorbringen gemäß § 182 Abs 1 ZPO aufzufordern sein; es sind Feststellungen darüber notwendig, welcher Art die Geschäftsbeziehung des Verkäufers (Julius H***) und der klagenden Partei im Zusammenhang mit solchen Finanzierungen und Geschäften waren, damit die Grundvoraussetzung für den Einwendungsdurchgriff, die "wirtschaftliche Einheit" des Kaufvertrages und des Finanzierungsvertrages, beurteilt werden können. Liegt danach aber eine solche wirtschaftliche Einheit vor, wird die weitere Tat- und Rechtsfrage zu klären sein, ob der in den Geschäftsbedingungen der klagenden Partei vorgesehene Gewährleistungsausschluß (Einwendungsausschluß) im Sinne des bisher nicht weiter geprüften Vorbringens der Beklagten von den §§ 864a oder 879 Abs 3 ABGB (siehe hiezu zur Reihenfolge der Prüfung SZ 56/62) betroffen ist. Bleibt den Beklagten sodann der Einwendungsdurchgriff erhalten, werden die tatsächlich von ihnen erhobenen Einwendungen aus dem Kaufvertrag festzustellen und zu beurteilen sein. Gemäß Art. 17 WG stehen ihnen nämlich gegen die klagende Partei als Wechselausstellerin die Einwendungen aus dem Grundgeschäft offen (SZ 55/164 uva); es trifft sie lediglich die Beweislast für den Mangel der causa (RdW 1987, 161 uva).

Die Urteile der Vorinstanzen sind daher aufzuheben. Zur Durchführung der aufgezeigten, unumgänglichen Verfahrensergänzungen ist die Zurückverweisung der Sache in die erste Instanz notwendig. Die Rechtsmittelkostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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