Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 22. Mai 1985 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 27. März 1985 auf Gewährung einer Invaliditätspension nach § 254 Abs 1 ASVG ab, weil er nicht invalid iS des § 255 lc sei.
In der dagegen rechtzeitig erhobenen Klage behauptete der Kläger, den Beruf eines Schriftsetzers erlernt und immer ausgeübt zu haben, in den letzten Jahren als Korrektor und Revisor, nunmehr aber wegen seiner Leiden keiner geregelten Tätigkeit mehr nachgehen zu können. Er begehrte eine Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab dem Stichtag.
Die beklagte Partei wendete ein, daß der Kläger weiterhin als Schriftsetzer und Korrektor arbeitsfähig sei und beantragte die Abweisung der Klage.
Auch mit dem nach der am 21. Juli 1987 geschlossenen Verhandlung im zweiten Rechtsgang erlassenen Urteil wies das Erstgericht die Klage ab.
Nach seinen wesentlichen Feststellungen kann der am 10. Juni 1932 geborene Kläger wegen seines seit der Antragstellung bestehenden, nicht wesentlich besserungsfähigen, im einzelnen festgestellten körperlichen und geistigen Zustandes während der üblichen Arbeitszeit unter Einhalten der üblichen Pausen leichte und mittelschwere Arbeiten im Sitzen, Stehen und Gehen verrichten, die keine besondere Aufmerksamkeit und Konzentration verlangen. Er kann angelernt und ins Fabriksmilieu eingeordnet werden und den Arbeitsplatz erreichen.
Er hat den Beruf eines Schriftsetzers erlernt, aber nur im Handsatz, nicht auch im Maschinensatz gearbeitet. In den vom 1. April 1970 bis 31. März 1985 erworbenen 132 Beitragsmonaten der Pflichtversicherung hat er bis Dezember 1979 73 Monate als Schriftsetzer, von Jänner 1976 bis Jänner 1978 24 Monate als Bewachungsorgan und von März 1980 bis (zu seinem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben im) Dezember 1984 35 Monate als Korrektor gearbeitet. In den vom 1. Juli 1972 bis 30. Juni 1987 erworbenen 112 Beitragsmonaten der Pflichtversicherung hat er bis Dezember 1979 53 Monate als Schriftsetzer und die schon erwähnten 24 Monate als Bewachungsorgan sowie die schon erwähnten 35 Monate als Korrektor erworben.
Der Beruf des Schriftsetzers ist ein Lehrberuf mit dreijähriger Lehrzeit. In diesem Beruf werden nach einem Manuskript satztechnische Druckformen hergestellt. In den letzten Jahren wurde der Bleihandsatz teilweise vom Fotosatz verdrängt, dessen Beherrschung nunmehr Voraussetzung für die Vermittelbarkeit ist. Dem Kläger wäre das Arbeiten im Fotosatz nur dann zumutbar, wenn er dies schon fünf bis zehn Jahre gemacht hätte. Andernfalls müßte er dabei besondere Aufmerksamkeit und Konzentration aufwenden, was ihm nicht mehr möglich ist.
Der Korrektor hat nach den Manuskripten oder Texten die Druckfahnen und den Umbruch zu berichtigen. Diese Arbeit ist wie die des Setzers körperlich leicht und wird überwiegend im Sitzen ausgeübt. Sie erfordert einen differenzierten Sprachschatz, große Sicherheit in Grammatik, Orthographie und Interpunktion, normales Sehvermögen und normale Aufmerksamkeit und Konzentration beim Lesen von Korrekturseiten. Die Technik des Fotosatzes muß dabei nicht beherrscht werden, weil diese Arbeit ausschließlich händisch ausgeführt wird. Diese Tätigkeit kann der Kläger noch ausüben. In der rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, daß der Kläger nicht als invalid nach § 255 Abs 1 ASVG gelte, weil er noch als Korrektor arbeiten könne. Er gelte aber auch nicht seit 1. Juli 1987 als invalid nach Abs 4 der zitierten Gesetzesstelle, weil er zwar in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate seit 1. Juli 1972 als Schriftsetzer und Korrektor eine gleichartige Tätigkeit ausgeübt habe, als Korrektor aber weiterhin arbeitsfähig sei.
Das Berufungsgericht gab der inhaltlich nur wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß ein Schriftsetzer auf die Tätigkeit eines Korrektors verwiesen werden könne, wenn er die dafür erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten habe, was beim Kläger, der diesen Beruf zuletzt in
35 Beitragsmonaten ausgeübt habe, zutreffe. Der Beruf des Korrektors werde im Berufslexikon als Aufstiegsmöglichkeit der Berufe des Schriftgießers und Stereotypeurs und des Setzers genannt sowie als Spezialbereich des Lehrberufes Setzer bezeichnet. Das Erstgericht habe auch eine Invalidität nach § 255 Abs 4 ASVG zu Recht verneint, weil der Kläger von den vom 1. Juli 1972 bis 30. Juni 1987 erworbenen 112 Beitragsmonaten 41 (richtig 53) Monate als Setzer und 35 Monate als Korrektor beschäftigt gewesen sei. Daraus ergebe sich, daß er keine dieser Tätigkeiten in mindestens der Hälfte der Beitragsmonate ausgeübt habe.
Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.
Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Die nach § 46 Abs 4 ASGG ohne die Beschränkungen des Abs 2 dieser Gesetzesstelle zulässige Revision ist nicht berechtigt. Schon in seinem ersten schriftlichen Gutachten ON 8 erklärte der Sachverständige für Psychiatrie und Neurologie, daß dem Kläger Arbeiten mit besonderer Aufmerksamkeit und Konzentration nicht möglich seien. Daraufhin bezeichnete der Sachverständige für Berufskunde zunächst die Tätigkeiten als Schriftsetzer und Korrektor für weiterhin zumutbar (ON 17). Der erstgenannte Sachverständige blieb auch nach der klinisch-psychologischen und arbeitspsychologischen Untersuchung ON 21 bei der erwähnten Einschränkung (ON 23). Daraufhin wurde die Klage im ersten Rechtsgang abgewiesen. Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf, weil das Erstgericht die wesentliche Feststellung unterlassen hatte, ob die Tätigkeiten des Schriftsetzers und Korrektors mit besonderer Aufmerksamkeit und Konzentration verbunden seien. Im fortgesetzten Verfahren ergänzte der Sachverständige für Berufskunde, daß beim Setzen und beim Lesen der Korrekturseiten normale, nicht aber besondere Aufmerksamkeit und Konzentration erforderlich seien (ON 39). In der Tagsatzung vom 20. Mai 1987 legte dieser Sachverständige ein schriftliches Gutachten über die von einem Setzer zu verrichtenden Tätigkeiten vor (Beilage I). Dazu erklärte der Sachverständige für Psychiatrie und Neurologie, daß die darin geschilderten Tätigkeiten dem Kläger ohne Einsatz besonderer Aufmerksamkeit zumutbar seien, wenn er sie bereits fünf bis zehn Jahre ausgeübt hätte. Bei kürzerer Ausübung müßte er dabei besondere Aufmerksamkeit und Konzentration aufwenden. Nun ergänzte der Sachverständige für Berufskunde, daß es die in der Beilage I geschilderten neue Technologie des Fotosatzes erst seit etwa 1971/72 gebe. Für eine Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt müsse man diese Technologie beherrschen oder erlernen können (ON 43). In der Parteiaussage gab der Kläger ua an, er habe nur mit der Technik des Handsatzes, nicht mehr mit dem Maschinensatz gearbeitet, weil er diesen wegen des Zehnfingersystems nicht mehr erlernt habe (ON 45). In seinem abschließenden Gutachten ON 47 führte der Sachverständige für Psychiatrie und Neurologie aus, daß der Kläger die Tätigkeit des Setzers mit Fotosatz und Maschinensatz nicht mehr ausführen könne, wohl aber den in den letzten Jahren ausgeübten Beruf eines Korrektors entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen für Berufskunde. Daraufhin ergänzte auch dieser sein Gutachten dahin, daß dem Kläger der Beruf "Schriftsetzer" wegen des Ausschlusses der Arbeiten Foto- und Maschinensatz nicht mehr zumutbar sei. Für die Berufstätigkeit als Korrektor sei die Beherrschung dieser Techniken nicht erforderlich, weil diese Arbeit ausschließlich handschriftlich ausgeführt werde. Die Tätigkeit als Korrektor sei daher weiterhin zumutbar (ON 48). Im Sinne dieser Gutachten stellte das Erstgericht fest, daß der Kläger die Tätigkeit eines Korrektors noch ausüben könne.
Daraus folgt, daß die in der Berufung und in der Revision bezogene mündliche Ergänzung des Sachverständigen für Psychiatrie und Neurologie in der Tagsatzung vom 20. Mai 1987 nur die in der Beilage I beschriebenen Tätigkeiten eines Setzers, nicht aber die eines Korrektors betraf. Selbst dann, wenn dies zunächst zweifelhaft geblieben wäre, wären diese Zweifel durch das abschließende Gutachten des genannten Sachverständigen ON 47 beseitigt worden, in dem unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Parteiaussage des Klägers, er habe den Beruf eines Korrektors etwa seit 1980 ausgeübt, eindeutig erklärt wurde, daß der Kläger den in den letzten Jahren ausgeübten Beruf eines Korrektors noch durchführen könne. Das Berufungsgericht konnte bei seiner rechtlichen Beurteilung daher davon ausgehen, daß der Kläger die Tätigkeit eines Korrektors weiterhin ausüben kann.
Der Revisionswerber war zum Stichtag 1. April 1985 überwiegend im erlernten Beruf eines Setzers tätig, weshalb seine Invalidität zu diesem Stichtag nach § 255 Abs 1 ASVG zu beurteilen ist. Daher würde er als invalid gelten, wenn seine Arbeitsfähigkeit infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten in diesem Beruf herabgesunken wäre.
Dies ist zu verneinen, weil der Kläger seinen erlernten Beruf als Setzer in der Spezialisierung als Korrektor weiterhin ausüben kann.
Wie das Berufungsgericht unter Hinweis auf das Berufslexikon zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei der Tätigkeit des Korrektors um einen Spezialbereich des Lehrberufes Setzer. Aus dem Berufslexikon (Band 2, 270) ergibt sich, daß Voraussetzung für die Tätigkeit als Korrektor der Abschluß des Lehrberufes Setzer ist und daß diese Spezialtätigkeit vor allem in größeren Druckereien vorkommt, während in kleineren Betrieben das Korrigieren nur einen Teil der Arbeit des Setzers bildet, der dort selbst liest. Auch im Band 1, 230 des Berufslexikons wird darauf hingewiesen, daß sich der Setzer nach der Lehrabschlußprüfung ua als Korrektor spezialisieren kann.
Aus dem festgestellten Umstand, daß der Kläger in den letzten fünf Jahren seines Berufslebens nur mehr als Korrektor beschäftigt war, - aus dem von ihm vorgelegten Zeugnis Beilage L ergibt sich übrigens, daß er schon bei der D***- UND V*** M*** & C*** vom 19. Mai bis 24. Oktober 1975 Korrektor war - folgt, daß er sich in den letzten Berufsjahren auf diesen Bereich seines erlernten Berufes spezialisiert hatte.
Entgegen der Meinung des Revisionswerbers handelt es sich also beim Korrektor nicht um einen Verweisungsberuf, sondern um eine Spezialisierung im Lehrberuf des Setzers. Da der Kläger als Korrektor und damit in dieser Sparte des erlernten und überwiegend ausgeübten Setzerberufes voll arbeitsfähig ist, wurde seine Invalidität nach § 255 Abs 1 ASVG zum Stichtag 1. April 1985 von den Vorinstanzen zu Recht verneint.
Daraus, daß es sich beim Korrektor um eine Spezialisierung des Lehrberufes Setzer handelt, folgt aber noch nicht, daß Setzer und Korrektor eine gleiche oder gleichartige Tätigkeit iS des § 255 Abs 4 ASVG ausüben.
Wie der Kläger in seiner Parteiaussage angab, arbeitete er als Setzer stets nur mit der Technik des Handsatzes. Er verrichtete dabei - wie sich aus den erstgerichtlichen Feststellungen ergibt - Tätigkeiten, die sich von den später ausgeübten Tätigkeiten eines Korrektors so wesentlich unterscheiden, daß sie weder als gleich noch als gleichartig bezeichnet werden können. Da der Kläger in den vom 1. Juli 1972 bis 30. Juni 1987 erworbenen 112 Beitragsmonaten der Pflichtversicherung 53 Monate als Schriftsetzer, 24 Monate als Bewachungsorgan und 35 Monate als Korrektor tätig war und es sich dabei um verschiedenartige Tätigkeiten handelt, gilt er auch nicht zum durch die Vollendung des 55. Lebensjahres ausgelösten Stichtag 1. Juli 1987 als invalid iS des § 255 Abs 4 ASVG.
Der Revision war daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit. b ASGG.
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