OGH 1Ob578/88

OGH1Ob578/8828.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Schobel, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Aloisia K***, Pensionistin, Graz, Idlhofgasse 74, vertreten durch Dr. Wilfried Heidacher, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Johann N***, Arbeiter, St. Margarethen a.d.Raab 55, vertreten durch Dr. Peter Bartl, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 592.800,-- samt Anhang infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 25. Februar 1988, GZ 3 R 11/88-37, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 2. November 1987, GZ 6 Cg 116/87-32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 16.104,33 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.464,03 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Lebensgefährte der Klägerin Alois L*** ist der Onkel des Beklagten. Alois L*** und die Klägerin wurden gemeinsam mit ihren sechs Kindern am 7. September 1981 aus der Liegenschaft Kroisbach 24 delogiert. Sie wohnten dann in der Garage des Hauses der Mutter des Beklagten in St. Margarethen a.d.Raab 55. Mit rechtskräftigen Endbeschlüssen des Bezirksgerichtes Feldbach und des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 11. Jänner 1983 und 9. Februar 1983, 2 C 321/82 und 8 C 263, 264/82, wurde festgestellt, daß der Beklagte und seine Mutter dadurch, daß sie am 14. Juli 1982 die Fahrnisse der Klägerin und des Alois L*** aus den im Hause St. Margarethen a.d.Raab Nr. 55 benützten Räumlichkeiten (Garage und Kellerstöckl) entfernten und der Klägerin und Alois L*** sowie deren Angehörigen den Zutritt zu diesen Räumlichkeiten verwehrten und das Kellerstöckl absperrten, im ruhigen Besitz ihres Wohnrechtes gestört haben. Der Beklagte und seine Mutter wurden bei Exekution schuldig erkannt, sofort den früheren Zustand dadurch wieder herzustellen, daß sie die Fahrnisse der Klägerin und des Alois L*** in die von ihnen benützten Räumlichkeiten im Hause St. Margarethen a.d.Raab zurückstellen und ihnen und ihren Angehörigen den Zutritt zu diesen Räumlichkeiten wieder gestatten, sowie sich jeder weiteren derartigen Störung zu enthalten. Mit Teilurteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 14. März 1984, 3 R 34/84-24, und mit Endurteil des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 18. November 1985, 8 C 124/84-38 b, wurden der Beklagte und seine Mutter Maria N*** zur ungeteilten Hand schuldig erkannt, der Klägerin die Schadenersatzbeträge von S 92.650,-- s.A. und S 35,000,-- s.A. für die Anmietung von Ersatzunterkünften und den Mehraufwand für die Zeit vom 14. Juli 1982 bis 6. April 1983 zu ersetzen.

Die Klägerin begehrt in diesem Verfahren den Zuspruch des Betrages von S 592.800,-- s.A. Sie habe nach der Delogierung von der Liegenschaft Kroisbach 24 von der Mutter des Beklagten das Kellerstöckl und die Garage des Hauses St. Margarethen a.d.Raab um einen monatlichen Mietzins von S 500,-- gemietet. Ungeachtet Exekutionsführungen auf Grund der Endbeschlüsse im Besitzstörungsverfahren habe der Beklagte der Klägerin den Zutritt zu den gemieteten Räumlichkeiten nicht ermöglicht. An Unterkunftskosten seien der Klägerin in der Zeit vom 3. Dezember 1983 bis 3. Dezember 1986 S 190.800,-- erwachsen, der durch die getrennte Lebensführung verursachte tägliche Mehraufwand betrage S 400,--, das seien für die letzten drei Jahre S 438.000,--. An Eigenersparnis für Miete und Strom werde der Betrag von S 36.000,-- in Abzug gebracht.

Der Beklagte wendete ein, zwischen der Klägerin und seiner Mutter sei ein Mietvertrag über die Benützung von Garage und Kellerstöckl des Hauses St. Margarethen a.d.Raab Nr. 55 nicht abgeschlossen worden. Die Klägerin habe diese Räume titellos benützt. Die Klägerin, ihr Lebensgefährte und die Kinder hätten sich eigenmächtig eingenistet und sich geweigert, die Garage zu verlassen. Am 14. Juli 1982 sei die Klägerin von einem Taxi abgeholt worden, um gemeinsam mit ihren Kindern und ihrem Lebensgefährten eine von der Sozialhilfe angebotene Wohnung im Altersheim Birkfeld zu beziehen. Die Klägerin habe sich aber geweigert, in diese Wohnung zu ziehen. Am nächsten Tag sei sie neuerlich vor der Tür des Hauses St. Margarethen a.d.Raab 55 gestanden, die Mutter des Beklagten habe jedoch der Klägerin den Zutritt verwehrt. Der Klägerin, ihrem Lebensgefährten und den Kindern wäre in der Folge von der Bezirkshauptmannschaft Weiz kostenlos eine Wohnung zur Verfügung gestellt worden. Die Klägerin habe aber diese Wohnung nicht in Anspruch genommmen. Hätte die Klägerin die ihr angebotene Sozialhilfe in Anspruch genommen, wären sämtliche Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Unterhalt von der Bezirkshauptmannschaft Weiz getragen worden, ein Schaden wäre ihr in diesem Fall nicht entstanden. Wegen Verletzung der Schadensminderungspflicht habe die Klägerin keinen Anspruch auf Schadenersatz. Die Klägerin wäre auch von sich aus verpflichtet gewesen, eine Ersatzwohnung zu finden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest: Die Klägerin, ihr Lebensgefährte und die Kinder hätten sich nach der Delogierung in die Garage des Hauses St. Margarethen a.d.Raab 55 einquartiert. Eine Bezahlung für die Benützung der Garage sei nicht vereinbart worden. Die Garage sei für Wohnzwecke nicht geeignet gewesen. Über Veranlassung der Bezirkshauptmannschaft Weiz sollte die Klägerin in das Pensionistenheim Birkfeld übersiedeln. Der Klägerin wäre ein Zimmer zur Verfügung gestanden; es sei ihr erklärt worden, es werde auch ein zweites Zimmer zur Benützung übergeben werden. Die Klägerin habe sich aber geweigert, dieses Zimmer zu bewohnen, und sich wieder entfernt. Am 16. November 1982 hätten die Klägerin und ihr Lebensgefährte bei der Bezirkshauptmannschaft Weiz vorgesprochen. Es sei ihnen von der Bezirkshauptmannschaft Weiz zugesagt worden, daß ein Wohnhaus in Hausmannstetten, das vom Realbüro G*** angeboten worden sei, für sie und die Familie angemietet werden könnte. Der Sozialhilfeverband habe sich bereit erklärt, die monatliche Miete in der Höhe von S 4.000,-- und die Vermittlungsgebühr von S 12.000,-- zu übernehmen. Dieses Anbot sei jedoch von Alois L***, dem Lebensgefährten der Klägerin, mit der Begründung abgelehnt worden, daß ihm seine Schwester Maria N*** ein Wohnrecht eingeräumt habe, er wolle dieses nicht aufgeben. Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß die Klägerin völlig grundlos das ihr zur Verfügung gestellte Einfamilienhaus nicht in Benützung genommen und dadurch ihre Schadensminderungspflicht verletzt habe. Hätte sie die ihr angebotenen Ersatzunterkünfte bezogen, wäre ihr überhaupt kein Schaden erwachsen, da die Kosten von der Bezirkshauptmannschaft Weiz getragen worden wären. Da sich die Klägerin das Entstehen des nunmehr von ihr geltend gemachten Schadens selbst zuzuschreiben habe, könne sie keine Ansprüche gegen den Beklagten erheben. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und billigte dessen Rechtsansicht.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt, wie der Oberste Gerichtshof prüfte (§ 510 Abs 1 ZPO), nicht vor. Mit der behaupteten Nichtigkeit nach §§ 503 Abs 1 Z 1, 477 Abs 1 Z 9 ZPO wird in Wahrheit die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen bekämpft.

Diese ist aber zu billigen. Entgegen den Ausführungen in der Revision beruft sich der Beklagte ausdrücklich darauf, daß der Klägerin eine konkrete Wohnmöglichkeit von der Bezirkshauptmannschaft Weiz zur Verfügung gestellt wurde, sie aber davon keinen Gebrauch gemacht habe. Nach ständiger Rechtssprechung ergibt sich aus § 1304 ABGB die Verpflichtung des Geschädigten, den Schaden möglichst gering zu halten (ZVR 1984/281; ZVR 1982/137; SZ 47/69 uva; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 37 zu § 1304). Der Geschädigte verstößt dann gegen diese Obliegenheit, wenn er schuldhaft Handlungen unterließ, die von einem verständigen Durchschnittsmenschen gesetzt und die geeignet gewesen wären, den Schaden abzuwehren oder zu verringern (ZVR 1980/153; ZVR 1979/304 uva; vgl. Kozil Österr.Haftpflichtrecht2 I 262). Eine Verletzung der Verpflichtung, den Schaden möglichst gering zu halten, wurde selbst in einem Fall angenommen, in dem der Geschädigte zunächst aus Zeitdruck ein ungünstiges Deckungsangebot annehmen mußte, es aber später unterließ, innerhalb angemessener Frist eine marktkonforme Deckung für den Entzug seines Bestandgegenstandes zu suchen (in diesem Sinn 6 Ob 549/86). Umsomehr ist es dem Geschädigten aber zumutbar, eine ihm abgebotene gleichwertige Ersatzlage anzunehmen, wenn ihm diese sogar unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde und ihm allenfalls zustehende Schadenersatzansprüche weder von Gesetzes wegen auf den Dritten übergehen noch deren Abtretung vom Dritten verlangt wird. Eine Behauptung, daß die der Klägerin objektiv zumutbare Schadensminderungspflicht durch Annahme des Anbotes der Bezirkshauptmannschaft Weiz für sie aus besonderen Gründen dennoch subjektiv unzumutbar gewesen wäre (vgl. Reischauer aaO Rz 44), wurde von ihr nicht aufgestellt. Ein Verstoß gegen die Rechtskraftwirkung des Teilurteiles des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 14. März 1984, 3 R 34/84-24 und des Endurteiles des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 18. November 1985, 8 C 124/84-38 b, liegt schon deshalb nicht vor, weil sich die hier geltend gemachten Schadenersatzansprüche auf einen späteren Zeitraum beziehen.

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte